Aber der Gesetzentwurf enthält eine Reihe von offenen Fragen: Ist es gerecht, wenn nur große Kommunen mit einem aufgelaufenen Fehlbetrag von über 5 Millionen € Hilfe aus dem Topf erhalten? Ist bei der geplanten Verteilung der Mittel letztlich derjenige der Dumme, der in den vergangenen Jahren bereits solide gewirtschaftet hat? Stimmt es, dass die Landeshauptstadt Kiel im Vergleich zum jetzigen System mehrere Millionen Euro verlieren
würde? Können es die Kommunen überhaupt verkraften, weitere 15 Millionen € aus der Schlüsselzuweisung abzugeben, was sie ja müssen? Warum verbindet die Landesregierung die Konsolidierungshilfe nicht mit einem Anreizsystem zum Zusammenschluss von Verwaltungen? Ist die Schuldenhilfe der Versuch, die Kreisgebietsreform durch die Hintertür zu erzwingen, Herr Innenminister, weil die Kreise gar keine anderen Einsparmöglichkeiten haben?
Welcher Verwaltungsaufwand entsteht, wenn das Innenministerium zukünftig kleinteilig kommunale Haushaltspläne bearbeitet? Und: Wie reagiert das Ehrenamt, wenn es den Rest an Gestaltungsmöglichkeiten verliert, weil das Land den Haushaltskommissar schickt? Ist es überhaupt rechtlich zulässig - auch das muss im Ausschuss geklärt werden -, dass das Land derart tief in die kommunale Haushaltshoheit eingreift? Kann es tatsächlich gelingen, die kommunalen Finanzen durch Zwangsmaßnahmen zu konsolidieren, obwohl viele Kommunen schon heute kein Geld mehr für die Erfüllung von Pflichtaufgaben der Daseinsvorsorge zur Verfügung haben?
Meine Damen und Herren, angesichts der vielen Fragen wundert es nicht, dass die Reaktionen der Kommunen sehr unterschiedlich ausfallen, von der Zustimmung des Ostholsteiner Landrats über die harsche Kritik des Kieler Oberbürgermeisters bis hin zu der Stadt Elmshorn, die sich jetzt ein bisschen reicher rechnet, um diesem „Zwangsbeglückungsschirm“ zu entkommen.
Die Kommunen haben in den vergangenen Jahren schlechte Erfahrungen gemacht. „Den letzten beißen die Hunde“ - dieser Satz ist für sie bittere Realität geworden. Da das Land sparen muss, nimmt es 120 Millionen € jährlich aus der kommunalen Kasse. Steuergesetze haben zu einem Minus von 280 Millionen € geführt, und immer neue Bundesgesetze belasten die Kommunen kräftig.
Nun, wo viele Kommunen erdrosselt am Boden liegen, klopft Innenminister Schlie als Insolvenzverwalter an und lockt mit einem Hilfspaket, das überwiegend von den Kommunen selbst finanziert und nur zu harten Konditionen vergeben wird.
Deshalb ist es meiner Fraktion wichtig, bestehende Bedenken der Kommunen im Ausschuss gründlich zu beraten, Zahlen und Konsequenzen zu prüfen
und den Dialog mit den Kommunen ergebnisoffen zu führen. Gerade wenn die Konsolidierungshilfe als vernünftiger Weg eingestuft wird, braucht es das Vertrauen aller Beteiligten, dass mit dem neuen Schuldenpakt niemand über den Tisch gezogen wird.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Frau Damerow, Sie haben vorhin von 720 Millionen € Schulden geredet, die die Kommunen aufgehäuft haben - 720 Millionen €! Jetzt kommt Minister Schlie und gibt 15 Millionen und will damit die Schulden der Kommunen bedienen. Das reicht doch nicht einmal, um den Schuldendienst der betroffenen Kommunen zu bedienen, Herr Schlie! Das ist doch völliger Irrsinn!
Herr Minister, wenn Sie die Haushalte der Kommunen wirklich konsolidieren wollen, dann geben Sie den Kommunen das Geld zurück, das ihnen sowieso gehört. 120 Millionen € im Jahr haben Sie den Kommunen gestrichen, damals noch in der sogenannten Großen Koalition.
Herr Minister Schlie, Sie waren damals zwar kein Minister, aber ich kann mich nicht daran erinnern, mir wurde nicht gesagt, dass Sie großartigen Widerstand dagegen geleistet hätten.
Geben Sie den Kommunen das Geld zurück, damit diese wieder atmen können! Herr Minister, wenn Sie die Haushalte der Kommunen wirklich konsolidieren wollen, dann frage ich mich, warum die Landesregierung Steuerrechtsänderungen im Bundesrat zustimmt, die dazu führen, dass die Kommunen bluten müssen, dass sie wirklich bluten müssen.
Beim sogenannten Wachstumsbeschleunigungsgesetz sind es 60 Millionen € im Jahr gewesen 60 Milionen €! Ohne mit der Wimper zu zucken, haben Sie kräftig mitgeholfen, den Kommunen das Geld aus der Tasche zu ziehen. Nachdem Sie das alles gemacht haben, kommen Sie jetzt daher und wollen den Kommunen die besagten, ominösen 95 Millionen beziehungsweise 15 Millionen € im
Jahr geben, den Kommunen, denen es aufgrund Ihrer falschen Politik, der falschen Politik der Landesregierung am schlechtesten geht. Das Geld bekommen die Kommunen aber nur, wenn sie einen Vertrag eingehen. Sie müssen einen Knebelungsvertrag unterschreiben, der quasi Ihre Schuldenbremse durch die Hintertür für die Kommunen einführt.
Ich erinnere mich noch an die Debatte im letzten Jahr, die Schuldenbremse auch für die Kommunen einführen zu wollen. Herr Minister Wiegard, was Sie jetzt machen, ist die Einführung der Schuldenbremse für die Kommunen durch die Hintertür. Welch eine Unverfrorenheit! Erst werden die Kommunen ausgeplündert und jetzt noch das!
Die 95 Millionen €, die Sie so selbstlos spendieren wollen - andere Rednerinnen und Redner sind schon darauf eingegangen -, sind ja nicht zusätzliche Landesgelder, sondern das steht ja alles schon im Doppelhaushalt, das ist alles schon Geschichte.
Auch die 15 Millionen €, die Sie den Kommunen jetzt zusätzlich geben wollen, stehen längst im Landeshaushalt.
Alles schon im Haushalt, das einzig Neue ist, dass Sie die Kommunen jetzt auch noch erpressen wollen. Frau Damerow, ich rede von Erpressung, Herr Albig und andere reden sogar von Folter. Da bin ich in meiner Wortwahl wirklich noch gemäßigt, das sollten Sie bitte einmal wohlwollend zur Kenntnis nehmen.
Herr Minister, wenn Sie den Kommunen wirklich helfen wollen, dann geben Sie den Kommunen ihr Geld zurück. Dann sorgen Sie dafür, dass die Kommunen das Geld wiederbekommen, das ihnen der Bund weggenommen hat. Wenn Sie den Kommunen helfen wollen, dann helfen Sie den Kommunen uneigennützig beim Schuldenmanagement. Das wäre ein richtiger Schritt, der die Probleme lösen könnte. Sie doktern nur herum, ohne Sinn und Verstand.
Wenn wir schon dabei sind, die Probleme zu benennen, möchte ich einmal auf Drucksache 17/573 Frau Heinold sei Dank - eingehen. Dort berechnet das Finanzministerium die Kosten der Steuerrechtsänderungen auf Bundesebene nicht nur für das Land, sondern auch für die Kommunen in Schleswig-Holstein. Es geht in der Anfrage um die Steuerrechtsänderungen von 2008 bis 2010.
Herr Kollege Schippels, möglicherweise habe ich es überhört. Sie haben gefordert, die 120 Millionen € an die Kommunen zurückzugeben, aber Sie haben nichts darüber gesagt, wie Sie sie im Haushalt gegenfinanzieren möchten.
- Wissen Sie, Frau Damerow, das Problem ist ja, dass man in jeder Landtagstagung wieder das Gleiche erzählt. Ich möchte darauf hinweisen, dass wir 1998 in unserem schönen Land Steuersätze hatten, die dazu geführt hätten, dass die Steuereinnahmen für Bund, Ländern und Kommunen 2010 ungefähr 55 Milliarden € höher ausgefallen wären. Damit könnte man viele Dinge finanzieren, übrigens auch beitragsfreie Kita-Plätze und ein vernünftiges Bildungssystem. Allemal kann man dadurch Bund, Land und Kommunen dazu bringen, dass sie ihre Schulden abbauen können. Das sind die Wege, um die es geht.
Noch einmal zurück zu der netten Drucksache 17/573. Es geht um die Steuerrechtsänderungen von 2008 bis 2010, angefangen von der Unternehmensteuerreform der damaligen Großen Koalition auf Bundesebene bis zum sogenannten Wachstumsbeschleunigungsgesetz der schwarz-gelben Regierung. Ich habe es schon erwähnt. Demnach führen die Steuerrechtsänderungen auf Bundesebene in dem eben genannten Zeitraum zu Mindereinnahmen bei den Kommunen allein 2011 von sage und schreibe 288 Millionen € - 288 Millionen € allein im Jahr 2011! Das habe ich aus der Antwort auf die Kleine Anfrage von Frau Heinold. Herr Minister, Sie haben die Zahlen dankenswerterweise zur Verfügung gestellt.
Jedes Jahr über 200 Millionen € weniger in den Kassen der schleswig-holsteinischen Kommunen aufgrund der ungerechten Steuergesetzgebung! Da müssen wir ansetzen, Herr Minister. Es kann doch nicht sein, dass Bund und Land den Kommunen immer mehr Aufgaben aufdrücken und ihnen gleichzeitig die Einnahmen kürzen.
Meine Damen und Herren, wir brauchen eine Finanzpolitik aus einem Guss, die die Entschuldung der Kommunen in den Mittelpunkt stellt. Dem werden Sie mit Ihrem Gesetzentwurf nicht einmal im Ansatz gerecht. Erst das Geld aus den Kommunen abziehen und dann sagen: „Friss oder stirb!“, - das ist schon infam.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Im ersten Moment freut man sich ja, dass den am meisten bedrohten Kommunen geholfen werden soll. Allerdings gibt der Gesetzentwurf mehr Rätsel auf, als dass er sie lösen würde. Es ist nämlich nicht nachvollziehbar, dass die Konsolidierungshilfen zwischen den Kreisen und kreisfreien Städten hälftig geteilt werden sollen. Die Städte haben durchaus Sonderlasten zu tragen, da sich soziale Probleme nun einmal eher im städtischen Bereich ballen und in den Städten sicherlich auch eine kulturelle und soziale Infrastruktur bereitgehalten wird, die auch auf die umliegenden Kommunen ausstrahlen, ohne dass diese finanziell dazu beitragen.
Aber selbst wenn man an der hälftigen Aufteilung festhalten würde, stellt sich die Frage, warum Kommunen, die sich sehr um Einsparungen bemüht und ihre Verwaltungsstruktur modernisiert und gestrafft haben, geringere Zahlungsansprüche haben sollen als eher verschwenderische Kommunen. In Flensburg und Kiel hat man schon massive Vorarbeiten geleistet und das jährliche Defizit gesenkt, und als Dank dafür gibt es nun weniger Hilfen als für andere Kommunen, weil der Maßstab für Hilfen nun einmal das Defizit an sich ist. Da freut sich manch eine Stadt mit hohen Ausgaben, aber gerecht ist etwas anderes.
Ein besonderes Problem ergibt sich für Nordfriesland. Hier waren die Defizite in der Vergangenheit nicht so hoch, weil der dortige Haushalt vom sogenannten Norderfriedrichskoog-Effekt gekennzeichnet war. Die Einnahmen waren in der Vergangenheit hierdurch besser als normal, was jetzt zu einer geringeren Fördersumme oder gar zum Versagen der Hilfe führen kann, und das, obwohl höhere Defizite trotz ständiger und jahrelanger Haushaltskon
Merkwürdig erscheint auch, dass den Kommunen keine Wahl gelassen werden soll. Entweder die 18 antragsberechtigten Kommunen nehmen die Konsolidierungshilfe an, oder sie gehen völlig leer aus. Sie hätten dann nämlich laut Gesetzestext keinen Anspruch auf Fehlbetragszuweisungen, selbst wenn sie die formalen Voraussetzungen wie andere Kommunen erfüllen würden. Das riecht ein wenig nach Erpressung, und dieses Spiel setzt sich dann ja auch noch fort. Konsolidierungsmittel gibt es nur, wenn der aufgezwungene Vertragsinhalt hierzu erfüllt wird. Damit können Kommunalpolitiker ihr Mandat ebenso gut abgeben. Das Land gibt den Takt vor, und die Kommunalpolitik darf ihre Gestaltungshoheit und Entscheidungsfreiheit an der Garderobentür abgeben. So stelle ich mir nicht die Stärkung des ehrenamtlichen politischen Engagements vor.
Überhaupt liegen die kommunalen finanziellen Probleme nicht darin begründet, dass innerhalb der kommunalen Familie das Geld falsch umverteilt wird. Vielmehr ist doch der Eingriff in den kommunalen Finanzausgleich eines der Hauptprobleme. Würde man den Eingriff in den nächsten sechs Jahren um jeweils 20 Millionen € auf null herunterfahren, würde man nicht nur viele Finanzprobleme lösen, sondern den Kommunen auch mehr Gestaltungsmöglichkeiten eröffnen. Das wäre eine eigentliche Stärkung der kommunalen Handlungsfähigkeit.
Weiter wäre den Kommunen mehr geholfen, wenn die Landesregierung sich verpflichten würde, im Bundesrat nur dann für eine Aufgabenübertragung auf die kommunale Ebene zu stimmen, wenn hier auch eine finanzielle Kompensation in gleicher Höhe erfolgen würde. Gleiches gilt im Übrigen auch für die Übertragung von Aufgaben auf Landesebene.
Zu guter Letzt wäre es endlich an der Zeit, eine Funktionalreform in Schleswig-Holstein durchzuführen, die dann auch in eine Gemeindereform mit größeren Gemeinden mündet. Wir haben immer noch eine Vielzahl von Aufgaben, die doppelt erledigt werden, manche auf Gemeindeebene, manche bei den Kreisen und manche auch auf Landesebene. Hier zu einer Verschlankung zu kommen, die dann in eine Umwandlung der Kleinstkommunen in schlagkräftige Einheiten mündet, würde viel mehr helfen als eine Umverteilung der ohnehin knappen kommunalen Mittel.
Anstatt willkürlicher Umverteilung wollen wir neue finanzielle Spielräume schaffen. Das ist am besten mit der Rücknahme des Eingriffs in den kommunalen Finanzausgleich und mit der Durchführung einer vernünftigen Funktional- und Gemeindereform möglich. Das vorliegende Gesetz ist vielleicht gut gemeint, aber es ändert an den grundsätzlichen Problemen der Kommunen rein gar nichts. Das Gesetz soll missliebige Kommunen knebeln. Dies dokumentiert, dass die Landesregierung kein Interesse daran und auch nicht den Mut hat, die wirklichen Probleme anzugehen. Gute Politik ist etwas anderes. Ich hoffe, ab dem 6. Mai 2011 werden wir wieder gute Politik in diesem Land bekommen.