Protokoll der Sitzung vom 17.12.2009

(Zurufe)

Peter Harry Carstensen (CDU): Wenn Sie bereit sind, die Protokollnotiz zur Kenntnis zu nehmen, gestatte ich mir, Sie Ihnen vorzulesen. Darin heißt es: Aus der Sicht Berlins, Bremens, des Saarlandes und Schleswig-Holsteins steht die Umsetzung der vereinbarten Ziele unter dem Vorbehalt, dass die Vorgaben des Artikels 143 d Abs. 2 des Grundgesetzes über die Gewährung von Konsolidierungshilfen insbesondere zur gleichmäßigen jährlichen Reduzierung des strukturellen Defizits erfüllbar sind.

Können Sie mir vielleicht sagen, was Sie daran schlimm finden?

- Ich finde es schlimm, dass gesagt wird, die zusätzlichen Mittel, die der Bund für Bildung zur Verfügung stellt, führten zu Minderausgaben des Landes.

(Zuruf des Abgeordneten Wolfgang Kubicki [FDP])

Herr Ministerpräsident, wir haben die beste Verhandlungsposition in Berlin. Wenn es die Landesregierung will, dann kann sie die strukturellen Belastungen für Schleswig-Holstein mit einer Abstimmung im Bundesrat um 130 Millionen € pro Jahr verringern. Das wäre Ihre Pflicht zum Wohle unseres Landes.

(Beifall bei der LINKEN und vereinzelt bei der SPD)

In Berlin haben wir leider aber nur einen Leichtmatrosen, aber keinen Kapitän als Repräsentanten. Was das bedeutet, wird das Land und werden vor allem auch die Kommunen in Schleswig-Holstein in den kommenden Jahr noch öfter zu spüren bekommen.

Liebe Abgeordnete, setzen Sie heute ein kleines Zeichen! Stoppen Sie den Unfug aus Berlin! Noch ist es nicht zu spät. Stimmen Sie unserem Änderungsantrag zu! Machen Sie Druck auf Berlin!

(Beifall bei der LINKEN)

Für die Fraktion des SSW hat Herr Abgeordneter Lars Harms das Wort.

(Ulrich Schippels)

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Ministerpräsident, am 8. Dezember werden Sie in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ als „störrischer Ministerpräsident“ beschrieben. Einen Tag später schreibt „Spiegel Online“, Sie seien ein „renitenter Friese“. Dies sollten Sie als Ansporn verstehen. Es ist nämlich Ihre Aufgabe, als Ministerpräsident Schleswig-Holsteins zum Wohle dieses Landes und seiner Bürgerinnen und Bürger zu handeln. Mit Ehrgeiz, Durchsetzungsvermögen und Weisheit müssen Sie hartnäckig die Ziele verfolgen, die gut für unser Land sind. Um es gleich vorweg zu sagen: Das Wachstumsbeschleunigungsgesetz ist es nicht.

(Beifall beim SSW)

Das Wachstumsbeschleunigungsgesetz ist eine Katastrophe für unser Land. An insgesamt fünf Stellschrauben dreht der Bund ein bisschen herum, um die im Wahlkampf versprochenen Steuergeschenke pünktlich zu Weihnachten Realität werden zu lassen. Die Maßnahmen zur Entlastung der Familien bestehen aus der Kombination einer Kindergelderhöhung von 20 € pro Kind und der Anhebung des Kinderfreibetrags von 6.024 auf 7.008 €. Die Mehrwertsteuer für das Hotel- und Gaststättengewerbe wird auf 7 % verringert. An der Unternehmensteuer wird ein bisschen herumgewerkelt. Die Erbschaftsteuer soll in Zukunft Geschwister, Nichten, Neffen und Firmenerben entlasten. Als Sahnehäubchen des Gesamtkunstwerkes wird der Steuervorteil für reine Biokraftstoffe nicht reduziert und der Entlastungssatz bis zum Jahr 2011 fortgeschrieben. Insgesamt kostet dieses Stückwerk 8,5 Milliarden € und soll die Wirtschaft wieder ordentlich ankurbeln.

Der SSW zweifelt nicht im Geringsten daran, dass wir wieder einen Wirtschaftsaufschwung bekommen werden. Dafür brauchen wir aber kein Wachstumsbeschleunigungsgesetz. Wir brauchen kein Gesetz, das eine bestimmte Klientel bevorzugt. Wir brauchen kein Gesetz, das die Umsetzung der Schuldenbremse unmöglich macht. Wir brauchen vor allem kein Gesetz, das Schleswig-Holstein dem Bankrott einen weiteren Schritt näherbringt.

(Beifall beim SSW)

Herr Ministerpräsident, Sie haben in Ihrer Regierungserklärung einen harten Sparkurs angekündigt. Schon heute wissen wir, dass Sie keinen Spielraum mehr haben. Schleswig-Holstein hat einen jährlichen Haushalt von gerade einmal 12 Milliarden €. Parallel dazu schieben wir einen Schuldenberg von

24 Milliarden € vor uns her, der Jahr um Jahr größer wird. Das strukturelle Defizit nähert sich mittlerweile der Milliardengrenze.

Ihre Politik beschränkt sich darauf, dass Sie verwalten, kürzen und sich diktieren lassen. Sie wissen genauso gut wie wir, dass die Kassen des Landes und auch der Kommunen blitzblank und völlig leer sind. Warum lassen Sie sich jetzt also vom Bund übers Ohr hauen?

Herr Ministerpräsident, Sie haben die Messlatte hoch angelegt, als klar war, dass das Wachstumsbeschleunigungsgesetz das Land mit 70 Millionen € und die Kommunen mit 60 Millionen € belastet. Sie selbst sind auf die Barrikaden gegangen und haben mit Rücktritt gedroht und lautstark verkündet, dass Sie einem solchen Gesetz nicht zustimmen, und jetzt knicken Sie kleinlaut ein und kriechen unter der Messlatte hindurch.

Aus Sicht des SSW ist schon der Inhalt des Wachstumsbeschleunigungsgesetzes ein Armutszeugnis für die Bundesregierung. Familien sollen pro Kind 20 € mehr bekommen, die sie am Ende in die KitaBetreuung stecken werden, weil den Kommunen das Geld fehlt, um diese noch zu finanzieren. Der Hartz-IV-Empfänger bekommt diese 20 € noch nicht einmal zu Gesicht. Obwohl die Hoteliers weniger Mehrwertsteuer abführen müssen, denken diese gar nicht daran, auch die Preise zu senken oder zu investieren, sodass die Urlauber im Endeffekt nichts davon haben werden.

(Beifall bei SSW und der LINKEN)

Nach unserer Auffassung sollte in die Institutionen - beispielsweise in die Kindergärten - investiert werden, in gutes Personal und in die Ärmsten dieser Gesellschaft. Von der Bedienung Besserverdienender und der Geldverteilung nach dem Gießkannenprinzip halten wir jedoch nichts.

(Beifall beim SSW)

Ein noch viel größeres Armutszeugnis sind allerdings die Ausgleichsleistungen des Bundes, die unserem lauthals schreienden Ministerpräsidenten als Schnulli mit Schleifchen dargereicht werden und die dieser dankbar entgegennimmt. Zum einen haben wir da die ins Spiel gebrachte Erhöhung des Anteils des Mehrwertsteueraufkommens für das Land, die eventuell, vielleicht, möglicherweise bei den nächsten Steuergeschenken des Bundes 2011 kommen könnte. Bei einer Anhebung um jährlich 50 Millionen € haben wir das Problem der fehlenden 130 Millionen € im Landeshaushalt und bei den Kommunen aber noch lange nicht gelöst.

Außerdem könnte es eine Übernahme der Kosten für die Rückabwicklung der Jobcenter geben. Ganz abgesehen davon, dass der Bund selbst ein verfassungswidriges Gesetz verabschiedet hat und jetzt selbstverständlich die Kosten zahlen wird, damit dies geheilt wird, ist es völlig absurd, dass die Kommunen Gelder dafür bekommen sollen, etwas abzuwickeln, was sie gern behalten wollen und was sich als Verbesserung der Sozialpolitik herausgestellt hat. Davon gab es in der Vergangenheit nicht gerade viel.

(Beifall bei SSW und der LINKEN)

Was bleibt, ist ein vom Bundestag beschlossenes verfassungswidriges Gesetz, dessen Auswirkungen auf finanzielle Art korrigiert werden müssen. Das ist nach meiner Auffassung eine Selbstverständlichkeit und ganz gewiss kein Verhandlungserfolg.

Weiterhin steht im Raum, Gelder vom Bund für die Bildung zu bekommen. So großartig und großzügig sich dies auch anhören mag, werden hiermit nur bereits vor einem Jahr gegebene Versprechen eingehalten. Dafür wollen Sie Applaus? Mit uns nicht. Es war nie Sinn des Bildungsgipfels in Dresden, dass der Bund mehr Geld für die Bildung gibt und die Länder weniger. Sinn des Gipfels war es, dass insgesamt mehr Geld für die Bildung fließt. Wenn der Bund jetzt anbietet, den Ländern die zusätzlichen Gelder zu geben, und dann Dankbarkeit erwartet, da die Länder jetzt Zinsen sparen würden und jetzt überhaupt Gelder fließen, ist das nur noch reine Frechheit, die uns gar nichts nützt, wenn es um die Konsolidierung des Landeshaushalts und um weitere fehlende Mittel geht.

(Beifall bei SSW und der LINKEN)

Wer das als einen Beitrag zur Haushaltskonsolidierung feiert, der führt die Bürgerinnen und Bürger an der Nase herum.

Der Finanzausschuss hat in der vergangenen Woche einstimmig beschlossen, dass die Landesregierung dem Wachstumsbeschleunigungsgesetz nur zustimmen darf, wenn es eine angemessene finanziell wirksame Kompensation für die Ausfälle gibt. Aus Sicht des SSW ist nirgendwo erkennbar, dass dies bisher geschehen ist; denn es gibt keinerlei Zusagen. Es geht nicht nur darum, dass uns zweckgebundene Mittel nicht weiterhelfen, sondern auch darum, dass weder die Einnahmeverluste des Landes noch der Kommunen kompensiert werden und stattdessen die Einhaltung von bereits gegebenen Versprechen als der große Wurf verkauft wird. Auch den Kommunen wurde bislang überhaupt nicht geholfen. Die bisherigen Ausgleichsleistun

gen gehen völlig an deren Problemen und Bedürfnissen vorbei.

Wir haben in Schleswig-Holstein einen Ministerpräsidenten, der erst groß schnackt und dann in Berlin ein ums andere Mal versagt.

(Beifall beim SSW und des Abgeordneten Dr. Ralf Stegner [SPD])

Ein störrischer und renitenter Ministerpräsident, der bis zuletzt für das Wohl seines Landes kämpft, das wär’s gewesen, Herr Kollege Kubicki. Sie hätten eine andere Verteilung der Mehrwertsteuer erreichen können.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Genau!)

Sie hätten eine vernünftige Hilfe für die Schuldenbremse erreichen können.

(Zuruf des Abgeordneten Wolfgang Kubicki [FDP])

Sie hätten 130 Millionen € an Ausgleichsleistung des Bundes erreichen können, lieber Kollege Kubicki. Sie lassen sich aber mit purer Kosmetik abspeisen,

(Zurufe von SPD und der LINKEN)

die den Unsinn des Wachstumsbeschleunigungsgesetzes nicht verhindert und unser Land wieder einmal Millionen kosten wird, die wir eigentlich nicht haben. Was Herr Minister Wiegard vorgestellt hat, ist definitiv nicht zustimmungsfähig.

Kommen Sie nicht noch mit wirklichen haushaltsrelevanten Ausgleichsleistungen in Höhe von mindestens 130 Millionen € für das Land und die Kommunen, muss die Landesregierung diesen Gesetzentwurf im Interesse des Landes Schleswig-Holstein ablehnen, lieber Kollege Kubicki.

(Beifall bei SSW, SPD und der LINKEN)

Wir kommen jetzt zu den Dreiminutenwortbeiträgen. Herr Abgeordneter Kubicki hat das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich wollte Herrn Kollegen Habeck fragen, ob die Grünen jetzt den Ministerpräsidenten vor der FDP, insbesondere vor mir, schützen wollen. Jetzt kann ich das im Rahmen meines Wortbeitrages machen. Ist das die neue Haltung?

(Lars Harms)

(Zuruf von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das Land wollen wir vor Ihnen schützen, Herr Kubicki!)

- Herr Habeck, sehen Sie, es gab 240.000 Wählerinnen und Wähler in Schleswig-Holstein, die das anders gesehen haben als Sie. Das waren übrigens mehr als diejenigen, die Sie gewählt haben. Vielleicht sollten Sie das einfach einmal zur Kenntnis nehmen.

(Zurufe von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)