Protokoll der Sitzung vom 17.12.2009

Nein, meine sehr verehrten Damen und Herren, die Zusagen taugen nichts, weil sie noch gar nichts besagen, weil niemand gesagt hat, wie das konkret möglich sein soll. Wahrscheinlich ist es so, wie es Herr Wiegard beim letzten Tagesordnungspunkt angedeutet hat, nämlich dass Sie sagen: Wenn das im Verhältnis zu diesem Wachstumsbeschleunigungsgesetz wirklich etwas bringt, dann muss man an anderer Stelle sparen. Vermutlich hat Herr Dr. Klug schon ein paar Ideen, wo das im Einzelplan 07 möglich sein kann. Das heißt, auch dann kommt am Ende für die Schülerinnen und Schüler und für Studentinnen und Studenten nicht mehr, sondern weniger dabei heraus.

Deswegen muss ich auch sagen: Auch wenn die schwarz-gelbe Regierungskoalition zustimmen will,

(Dr. Ralf Stegner)

so wie sie das im Bildungsausschuss getan hat, können wir dem, was da beschlossen worden ist, nicht unsere Zustimmung geben. Denn wir wollen bessere Bildung für die Kinder und Jugendlichen in Schleswig-Holstein.

(Zuruf der Abgeordneten Susanne Herold [CDU])

Das ist der Grundstein für die Zukunft. Das wird mit dem, was Sie beschließen, nicht erreicht. Das wird nicht dadurch erreicht, dass Sie Weltmeister im Schönrechnen sind. Vor dem „scharfen Schwert“ der Protokollerklärung aus SchleswigHolstein erzittert ja die ganze Republik. Ich sehe schon Herrn Seehofer und Herrn Schäuble, wie sie sich vor dem, was Sie da machen, fürchten. Nein, die Zukunft der Kinder und Jugendlichen ist bei Ihnen leider in denkbar schlechten Händen.

Wir würden uns wünschen, dass wir einmal wirklich einen Bildungsgipfel hätten, der so viel Höhe und damit Weitsicht ermöglicht, dass die Gelder auch wirklich zur Verfügung gestellt werden. Die SPD hat im Gegensatz zu anderen mehrmals gesagt, dass es klare Prioritäten zugunsten von Kinderbetreuung, Bildung und Klimaschutz geben muss und dass alles andere nachrangig ist. Dem folgen Sie nicht. Stattdessen beschenken Sie kurz vor Weihnachten jene, die es gar nicht nötig haben. Das ist verfehlte Politik. Das ist Politik von gestern. Dazu werden wir unsere Hand nicht reichen.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, nach unserer Geschäftsordnung haben nunmehr auch die Vorsitzenden der anderen Fraktionen das Wort. - Da sie das nicht ergreifen wollen, schlage ich vor, dass wir die Aussprache fortführen, und erteile für die antragstellende Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN der Frau Abgeordneten Anke Erdmann das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Stegner, man kann Schwarz-Gelb einiges in die Schuhe schieben; das sehe ich auch so. Aber was den Bildungsbereich angeht, würde ich an Ihrer Stelle extrem kleine Brötchen backen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU und FDP - Zurufe von der CDU: Bra- vo! Bravo!)

Donnerstags laufen bekanntlich im Kino die neuen Filme an. Heute läuft „Liebling, ich habe das 10%-Ziel geschrumpft!“ - von 60 Milliarden € auf 13 Milliarden € in 14 Monaten. Das ist eine beachtliche Leistung. Herr Wiegard, es wäre schön, wenn solche Lücken auch einmal bei den strukturellen Haushaltsdefiziten weggezaubert werden könnten.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Wir arbeiten dar- an!)

- Mein Sohn wünscht sich auch einen Zaubermantel zu Weihnachten. - Herr Ministerpräsident, Sie haben gesagt, die Finanzierungslücke sei geschrumpft, weil so viel für die Bildung getan worden sei. Das ist ein Teil. Aber der größte Teil der Differenz von 60 Milliarden € auf 14 Milliarden € hat schon relativ viel mit Finanzakrobatik und viel Kreativität in den Finanzministerien zu tun.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abgeordneten Anke Spoorendonk [SSW])

Was läuft heute noch im Kino an? - Es läuft der Film: „Von den Regierungschefs, die einen Gipfel besteigen wollten und von einem Hügel herunter kamen“, leider ohne Hugh Grant in der Hauptrolle. Es wurde kein Bildungsgipfel erklommen, aber das muss man zugestehen - es war ein sichtbarer Hügel.

Man kann eben auch sagen: 13 Milliarden € plus im Jahr, das ist schon mal was, auch wenn es keine Kompensation ist.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU)

Und: Auf eine solche Finanzspritze haben Bildung und Forschung schon lange gewartet.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielleicht war auch nicht mehr drin, wenn ich mir die Debatten in den letzten vier Wochen im Landtag und in den Ausschüssen anschaue. Minister de Jager hat in der letzten Plenartagung gesagt, der Ministerpräsident hätte einem Ziel zugestimmt, das ein bisschen verpeilt gewesen sei. Das sagt auch die Fachebene des Ministeriums von Herrn de Jager im Ausschuss. Der Indikator sei extrem schlecht gewählt, und zu finanzieren sei das Ganze auch nicht.

Herr von Boetticher, Sie haben vorhin den Grünen vorgeworfen, unser Antrag wäre viel zu teuer. Ich gehe jetzt noch einmal auf die beiden finanzrelevanten Punkte ein. Der erste finanzrelevante Punkt in dem Antrag war: 10%-Ziel einhalten. Das ist nicht mein Ziel, ich habe mich nur hinter den Mini

(Dr. Ralf Stegner)

sterpräsidenten gestellt. Das mache ich gern. Aber dass Sie mich dafür kritisieren, ist schon erstaunlich.

(Dr. Christian von Boetticher [CDU]: Nicht für den ersten Punkt, zu zwei und drei!)

- Zum zweiten Punkt komme ich jetzt: DemografieRendite. Ich erinnere mich noch an einen zauberhaften Abend mit Herrn Klug auf einem Podium.

(Zurufe: Oh, oh!)

- Ja, es war sehr romantisch.

(Heiterkeit - Beifall der Abgeordneten Kar- sten Jasper [CDU], Anita Klahn [FDP], Wolfgang Kubicki [FDP] und Rasmus An- dresen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Es ging unter anderem darum, dass auch die FDP der Meinung ist, dass die Demografie-Rendite natürlich im System bleiben muss.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wenn ich den Ministerpräsidenten höre, ist genau das auch der Punkt. Man kann es also nicht zusätzlich rechnen, Herr von Boetticher. Man muss sozusagen die Synergieeffekte dabei sehen. Deswegen war Ihre Rechnung nicht so richtig klug durchdacht.

Herr Klug, es gibt romantische Zeiten, es gibt weniger romantische Zeiten.

(Heiterkeit - Beifall der Abgeordneten Ras- mus Andresen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN] und Dr. Robert Habeck [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Sie haben im Ausschuss gesagt, dass ich nicht beabsichtigt hätte, dass das 10%-Ziel vor dem Finanzgipfel beschlossen wurde. Die Regierungschefs hätten es nicht wissen können, dass die Finanzkrise auf uns zukommen würde. Ich würde es einfach ausblenden und den Ministerpräsidenten in die Pflicht nehmen, obwohl die Finanzkrise die Bedingungen so verschlechtert hätte. Die Große Koalition hat 5 Milliarden € für die Abwrackprämie rausgehauen. Das Steuerentlastungspaket der neuen Koalition, die es kein Vierteljahr gibt, kostet mal eben 8,5 Milliarden €. Wie zielgerichtet das ist und wie viel Wachstum wir haben werden, ist noch eine zweite Frage.

Wir leben in einem Land, in dem man keine Mühen scheut, um jede Bank zu retten. Aber wir nehmen in Kauf, dass jeder zehnte Jugendliche unsere Schulen ohne Abschluss verlässt und jeder fünfte in den neunten Klassen nicht wirklich lesen kann. Das ist

Realität in diesem Land. Systemrelevant, habe ich gehört, sind die Banken. Systemrelevant ist die Bildung!

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Hier brauchen wir ein Wachstumsbeschleunigungsgesetz. Das war ein guter Anfang. Die 13 Milliarden € sind schon nicht schlecht, aber ich glaube, es ist wirklich nur ein Anfang.

Wenn wir in die Bildungsrepublik fahren wollen, dann nicht mit angezogener Handbremse. Herr von Boetticher, vorhin hat Frau Spoorendonk gesagt, es ist noch nicht klar, ab wann das Ganze losgeht. Das stimmt auch. Die Ministerpräsidenten und die Kanzlerin haben gesagt, am 10. Juni 2010 ist auch noch Zeit. Der Vorhang zu und viele Fragen offen. Wie kommt es bei Steuersenkungen und Ausgabenerhöhungen zu einer soliden Haushaltspolitik? Wie teilt sich das nachher wirklich auf? Was kommt nach Schleswig-Holstein?

Einige Maßnahmen, die Sie genannt haben, sind wirklich gut. Bei anderen müssen wir noch einmal abwarten. Das ist ein Hügel, kein Gipfel!

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abgeordneten Anke Spoorendonk [SSW])

Das Wort hat Frau Abgeordnete Heike Franzen von der CDU-Fraktion.

(Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Der Finanzminister schüttelt den Kopf, aber das macht nichts!)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Versprochen ist versprochen - so hat die Kollegin Erdmann von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in der letzten Landtagssitzung ihre Rede begonnen und die Einhaltung des verabredeten Ziels des Bildungsgipfels vom letzten Jahr, die Bildungsausgaben der Bundesrepublik auf 10 % des Bruttoinlandsproduktes zu steigern, eingefordert. Damals hatte sich der Bund allerdings lediglich eine Beteiligung an der Bildungsfinanzierung von 10 % vorstellen können. Was das für unser Land an zusätzlichen Ausgaben bedeutet hätte, haben wir in der letzten Tagung bereits erörtert. Ich sage Ihnen heute, Herr Ministerpräsident: Versprechen gehalten, gut für Schleswig-Holstein verhandelt!

(Beifall bei CDU und FDP)

(Anke Erdmann)

Wer hätte noch in der letzten Landtagstagung von einer dauerhaften 40-prozentigen Beteiligung des Bundes an den zusätzlichen Bildungsausgaben nur zu träumen gewagt! Eine Entlastung für uns von rund 100 Millionen €, das ist Geld. Das ist in erster Linie der tatkräftigen Verhandlung unseres Ministerpräsidenten zu verdanken, der sich als einziger Länderchef getraut hat, das auszusprechen, was alle anderen gedacht haben. Ohne das am Wochenende stattgefundene Gespräch von Peter Harry Carstensen und Wolfgang Kubicki bei Frau Merkel wäre dieser Erfolg sicherlich nicht möglich gewesen. Wenn der Fraktionsvorsitzende der SPD-Fraktion das als „Adventskaffee“ bezeichnet, dann können wir nur hoffen, dass am nächsten Sonntag, am 4. Advent, noch so ein Adventskaffee bei der Kanzlerin stattfindet.

(Beifall bei CDU und FDP)

Bei der frühkindlichen Sprachförderung und der Hochschulfinanzierung kann der Bund direkt mitfinanzieren. Darüber hinaus liegt aber die Hoheit der Bildungsfinanzierung bei den Ländern, und das muss auch so bleiben. Darum ist eine stärkere Beteiligung der Länder an der Umsatzsteuer auch der richtige Weg für die weitere Finanzierung. Das müssen wir mit dem Bund und den Länder bis Juni 2010 verhandeln. Ich wundere mich schon, Frau Erdmann, dass Sie sich in Ihrer Pressemitteilung vom 14. Dezember 2009 vom Gestaltungsspielraum der Länder verabschieden, indem Sie die Vorgaben fordern, die von den Bundesländern zu erfüllen sein sollen. Die Finanzierung dieser Vorgaben wie zum Beispiel einem Rechtsanspruch auf Betreuung ab dem ersten Lebensjahr, dem flächendeckenden Ausbau von Ganztagsschulen, ein inklusives Bildungssystem, 500.000 weiteren Studienplätzen und der Einführung eines Erwachsenen-BAföG scheinen sogar nach Ihren eigenen Einschätzungen mit der Erhöhung der Bildungsfinanzierung auf 10 % des Bruttoinlandproduktes gar nicht finanzierbar zu sein, denn Sie fordern in der gleichen Pressemitteilung eine Erhöhung der Bildungsausgaben bundesweit um jährlich mindestens 20 Milliarden €. Der Bildungsgipfel hat gestern einen Mehrbedarf für das Erreichen der 10-%-Marke von zusätzlich 13 Milliarden € festgestellt. Das heißt, Sie wollen zusätzlich weitere 7 Millionen € mehr, die ausschließlich zulasten der Länder und Kommunen gehen.

(Dr. Ralf Stegner [SPD]: Mit Steuergeschen- ken geht das nicht, Frau Kollegin! Das ist klar!)