Wer mir sagen will, dass es keine fließenden Grenzen zwischen Links- und Rechtspopulismus geben kann, der hat dieses Zitat nicht gelesen. Ich will Ihnen aber zugutehalten, dass Sie dieses Zitat selbst genannt und darauf hingewiesen haben, dass Populismus in allen Parteien keinen Boden finden darf.
Sie schreiben in Ihrem Antrag, Rechtspopulisten versuchten, Ängste und Vorurteile in der Bevölkerung zu schüren und für sich zu nutzen. Das ist als Beschreibung - wie ich schon sagte - für alle Populismusformen richtig. Wann immer eine populistische Partei Erfolg hat, deutet es eher darauf hin, dass die übrigen Parteien es versäumt haben, gesell
schaftliche Konfliktlinien ausreichend zu besetzen oder die Lösung der Konflikte vernünftig zu erklären.
„Die Politik muss dabei immer die Sorgen und Ängste der Bevölkerung wahrnehmen und darf sie nicht leugnen. Wenn verantwortliche Politik reale Probleme nicht offen benennt, wird die scheinbare oder die reale Enttabuisierung dieser Themen als politische Waffe eingesetzt werden.“
- Gut erkannt, das ist richtig. Nur, wenn der Erfolg populistischer Parteien darauf zurückzuführen ist, dass alle anderen Parteien politische Themen nicht besetzen oder ihre Virulenz nicht erkennen, frage ich mich ehrlich gesagt, welche Zielrichtung Ihr Antrag hat. Dann müssten wir doch in der alltäglichen Politik das Thema aufgreifen und nicht in einem Schaufensterantrag.
Wie wenig Sie das Thema Konsens der politischen Parteien ernst nehmen, sieht man daran, dass Sie es schaffen, in diesem Antrag auch Ihre Kritik an der Landesregierung unterzubringen. Wenn Sie wirklich daran interessiert wären, im ganzen Haus einen Konsens - auch mit der Ausschussüberweisung, der ich gern zustimmen will zu erreichen, dann könnten Sie sich solche Seitenhiebe wirklich sparen. Glaubwürdiger wird Ihr Antrag dadurch nicht - ungefähr so glaubwürdig wie Ihr offener Hemdkragen, Herr Stegner, wenn ich das so sagen darf.
(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU - Zurufe der Abgeordneten Serpil Mi- dyatli [SPD] und Dr. Ralf Stegner [SPD] - Wolfgang Kubicki [FDP]: Wer sich vertei- digt, klagt sich an! - Zurufe der Abgeordne- ten Dr. Kai Dolgner [SPD] und Peter Eich- städt [SPD])
- Stellen Sie sich doch nicht so an! - Ich sei der schlechteste Redner meiner Fraktion, hat er gerade gesagt. - So ist es, getroffene Hunde bellen.
Meine Damen und Herren, Sie nennen in Ihrem Antrag mehrere europäische Länder und sagen nebenbei, in Ungarn sei die Pressefreiheit faktisch abgeschafft. Ich wage zu behaupten, dass sich hier die wenigsten wirklich mit dem entsprechenden Gesetz und der neuen Verfassung auseinandergesetzt haben.
Einfach im Vorbeigehen ein Land wie Ungarn so zu beleidigen, halte ich für falsch, und solch einem Antrag kann so nicht zugestimmt werden.
Herr Kollege, habe ich Sie eben richtig verstanden, dass Sie die Kritik daran, dass die Pressefreiheit in Ungarn de facto durch die Rechtsregierung abgeschafft worden ist, hier als Beleidigung des ungarischen Volkes bezeichnet haben? Habe ich Sie da richtig verstanden?
- Das erkläre ich gerade, Frau Midyatli. Ich meine damit, dass man sich mit solchen Problemen nicht in einer Äußerung in einem Nebensatz in einem solchen Antrag beschäftigen kann.
Ich darf zum Beispiel darauf hinweisen - die Beantwortung der Frage geht weiter -, dass der ungarische Botschafter vor gar nicht allzu langer Zeit hier Gast war und dazu einige bemerkenswerte Worte gesagt hat. Diejenigen Fraktionsmitglieder, die dabei anwesend waren, können Ihnen dazu ja einiges erklären.
Gerade vor dem Hintergrund, dass Sie wissen, dass Ungarn eine besondere Rolle - gerade auch für Deutschland und im ehemaligen Ostblock - gespielt hat, müssen Sie als Antragsteller doch zum Beispiel Ungarn erklären, warum Sie Ungarn in einem Nebensatz angreifen und Russland völlig außen vor lassen. Warum eigentlich? Können Sie das erklären?
Einige letzte Sätze, obwohl man noch sehr viel mehr dazu sagen könnte, zum Thema europäische Integration: In Ihrem Antrag steht nebenbei der Satz, die europäische Integration werde durch Rechtspopulisten gefährdet. - Das stimmt. Aber nicht nur durch Rechtspopulisten. Gerade, wenn Sie sich die Situation in Griechenland einmal anschauen und was dort gerade passiert, sind es nicht nur Rechtspopulisten, die eine Gefahr darstellen. Ich hätte Ihren Satz verstanden, wenn Sie geschrieben hätten, die Integration in Europa. Das würde noch halbwegs Sinn ergeben. Aber zu sagen, dass die europäische Integration in dieser wirklich schwierigen Zeit nur von Rechtspopulisten gefährdet wird, ist falsch und kann so nicht stehen bleiben.
Wir müssen Populismus auch als Gradmesser für das begreifen, was schiefläuft. Richtig ist, dass Sie schreiben, wir hätten noch keine Organisationsstrukturen des Populismus. Ich hoffe, dass wir dieses „noch“ streichen können und dabei bleiben, dass wir weiter alles dafür tun, dass unsere Parteienlandschaft dadurch nicht verändert wird.
Ich will auch als Mitglied der CDU an dieser Stelle sagen: Das Modell der überkonfessionellen Volksparteien hat nach dem Krieg ganz wesentlich dazu beigetragen, dass der rechte Rand von solchen Dingen verschont blieb. Das sage ich ganz offen für meine Partei - deshalb bin ich auch Mitglied dieser Partei -: Das ist auch ein Erfolg der CDU.
Vielleicht können wir zu einer etwas rationaleren Auseinandersetzung zurückkehren, denn das Gegenteil von Populismus soll ja eigentlich Rationalismus sein. Gleichwohl will ich auch den Bogen schlagen: Nur Rationalismus - und dafür sind Sie ja ein Beispiel, Herr Dr. Stegner - bringt die politische Debattenkultur natürlich auch nicht weiter. Sie
Es ist unsere Aufgabe, bei jeder Debatte wieder neu zu definieren, wo wir die Grenzen ziehen. Der Schleswig-Holsteinische Landtag wird das tun. Ich stimme der Ausschussüberweisung gern zu und freue mich auf eine Debatte, die ein bisschen mehr Inhalt hat als - meinetwegen gern über beide Anträge.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, bevor wir in der Debatte fortfahren, begrüßen Sie bitte gemeinsam mit mir Gäste auf der Tribüne. Wir begrüßen Schülerinnen und Schüler sowie Lehrkräfte der Regionalschule aus Wedel. - Seien Sie uns herzlich willkommen im Schleswig-Holsteinischen Landtag!
Dann möchte ich uns allen noch nahelegen, sich mit persönlichen Bemerkungen ein bisschen zurückzuhalten.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wer gegen Minderheiten hetzt, wer demokratische Spielregeln infrage stellt, wer Menschen ihre Grundrechte abspricht oder wer Menschen wegen ihrer Religionszugehörigkeit diffamiert, wer sich - kurz gesagt - über andere Mitmenschen erhebt und dies zur politischen Maxime macht, grenzt sich selbst aus dem Kreis der Demokraten aus.
Wann sich politische Strömungen so weit aus dem rechtsstaatlichen und demokratischen Kreis herausbewegen, dass sie dem politisch Extremen zuzurechnen sind, ist seit Jahrzehnten gesellschaftlicher Konsens in Deutschland. Gegner der freiheitlichdemokratischen Grundordnung sind gesellschaftlich nicht akzeptiert und werden zu Recht vom Verfassungsschutz beobachtet beziehungsweise vom Staat in ihre Schranken verwiesen. Wir zählen sie zu den Extremisten.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, der SPD-Antrag versucht sich nun an einer Definition von Rechtspopulismus. Aus meiner Sicht ist das vielleicht ein
gut gemeinter Versuch, der allerdings zum Scheitern verurteilt ist. So formuliert der Entschließungsantrag zwar wortgewaltig, wie gefährlich der Rechtspopulismus sei, zugleich findet man aber nur Definitionsansätze, die - politisch gesehen - nicht unbedingt rechts sein müssen, sondern ebenso auf das linke Lager zutreffen können. Rechtspopulismus lebe von Feindbildern, so der Antrag. Wenn linke Politiker immer wieder den vor Geld strotzenden und egoistischen Großverdiener bemühen, wenn es um Steuererhöhungen geht, dann frage ich: Ist das kein Feindbild? - Rechtspopulismus schüre Ängste und Vorurteile in der Bevölkerung. Wenn linke Politiker gern behaupten, die Reichen würden immer reicher und die Armen immer ärmer, dann frage ich: Werden damit keine Ängste und Vorurteile in der Bevölkerung geschürt?
(Zurufe von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN - Glocke der Präsidentin - Rasmus Andresen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Wollen Sie das mal nachlesen? - Wei- tere Zurufe)