Zusammen mit spezifischen Alphabetisierungskursen für Erwachsene und Kinder muss die Benachteiligung durch fehlende Bildung reduziert werden. Arbeitsmaßnahmen und Wohnraum, der diskriminierungsfrei zur Verfügung steht, sind die weiteren Schritte, um den Roma in Schleswig-Holstein ein Leben in Würde zu ermöglichen und sie in ihrer Kultur zu respektieren.
Meine Damen und Herren, ich möchte noch einmal auf Folgendes hinweisen: Es geht hier darum, eine ganz besondere Gruppe mit zu integrieren. Das ist auch die Idee, die die EU hatte. Die Roma sind aufgrund ihrer Lebensweise und ihrer leidvollen Geschichte eine besondere Gruppe, die auch eine besondere Hilfestellung benötigt. Das hat die EU erkannt. Nun hoffen wir, dass dies auch bei uns erkannt wird.
Kollege Harms, wir versuchen die ganze Zeit zu verstehen, von wem Sie reden. Reden Sie von den Roma, die hier seit Längerem ansässig sind und die sozusagen schon länger Bestandteil unserer
Debatte sind, oder reden Sie von EU-Bürgern, die aus osteuropäischen Ländern hier nach Deutschland kommen und sich in einer problematischen Situation befinden, um es allgemein zu sagen? Können Sie uns sagen, von welcher Gruppe von Menschen Sie jetzt reden? Oder ist das für Sie alles ein und dasselbe?
- Es ist nicht ein und dasselbe. Der Integrationsplan soll für Roma gelten, die aus osteuropäischen Ländern zu uns zugewandert sind, auf welche Art und Weise auch immer.
Ich würde mir wünschen, dass wir in der Lage wären, ein Integrationskonzept zu erarbeiten, und würde es natürlich für sinnvoll erachten, dass die hier lebenden Roma mit deutscher Staatsangehörigkeit, die hier in Schleswig-Holstein eine Minderheit darstellen, daran beteiligt werden, weil ich auf dieses Fachwissen nicht verzichten will. Ich denke, meine Rede war relativ deutlich. Es geht darum, dass wir Menschen, die aus osteuropäischen Ländern zugewandert sind und Roma sind, bei ihren ganz speziellen und spezifischen Problemen helfen. Das ist die Idee, die die EU hatte. Ich glaube, dass es sinnvoll ist, das, was man in anderen Ländern macht und andenkt, auch in SchleswigHolstein machen. Auch damit können wir wieder ein Vorbild sein.
Sie haben gerade den Begriff der Zuwanderung benutzt. Sind Sie in der Lage, uns zu erklären, was Sie unter „Zuwanderung“ verstehen? Solange es sich um EU-Bürger handelt, haben Sie den Begriff der Flüchtlinge benutzt. Sind Sie in der Lage, uns zu beschreiben, über welchen Status von Menschen, die hierher kommen, wir reden?
- Lieber Herr Kollege Weber, es geht bei dieser Sache nicht um den Status der Menschen, sondern es geht darum, dass es innerhalb der EU, aber auch außerhalb der EU Menschen gibt - jetzt spreche ich insbesondere von den Menschen innerhalb der EU, weil es um ein EU-Programm geht -, die tatsächlich
aus ihren Heimatländern weggehen. Ich nenne das Flüchten, weil die Bedingungen, die in einigen EU-Ländern herrschen, für die Roma doch sehr kritische Bedingungen sind. Ich denke, es ist sinnvoll, dass wir als ein Land, das immer sagt, wir seien sehr tolerant und sehr freundlich gegenüber Menschen, die in anderen Ländern verfolgt werden, Nägel mit Köpfen machen, gerade diese besondere Gruppe auch besonders behandeln und versuchen, diesen Menschen besonders gut zu helfen, um damit ein Beispiel zu geben, wie man das auch in anderen EU-Ländern machen kann.
Vielen Dank, Herr Harms. - Für die CDU-Fraktion erteile ich der Frau Abgeordneten Astrid Damerow das Wort.
Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Harms, es wäre sehr hilfreich gewesen, wenn Sie all die Antworten auf die Fragen, die Ihnen der Kollege Weber eben gestellt hat, schon in Ihrem Antrag aufgegriffen hätten.
Bei der Lektüre Ihres Antrags habe ich mir überlegt, ob eigentlich jeder Roma in Schleswig-Holstein über Ihren Antrag besonders glücklich sein wird. Denn einige Ihrer Aussagen halte ich persönlich für recht unglücklich formuliert oder unglücklich gewählt. Ein großes Problem in Ihrem Antrag ist, dass Sie schon nicht die notwendige Unterscheidung zwischen Roma mit und Roma ohne deutsche Staatsangehörigkeit in Schleswig-Holstein, in Deutschland und in Europa treffen. Man gewinnt den Eindruck, als gebe es keinen Unterschied zwischen den Lebensverhältnissen im europäischen Ausland und denen hier in Schleswig-Holstein. Es entsteht der Eindruck, dass viele Missstände, die es im Ausland geben mag, genau in dieser Form auch in Schleswig-Holstein existieren. Das stimmt jedoch nicht.
Ich will gar nicht bestreiten, dass wir hier in Schleswig-Holstein soziale Probleme mit den zugewanderten Roma haben. Ich nehme einmal die autochthone Minderheit der Roma aus. Allerdings muss ich mir, wenn ich Ihren Antrag lese, auch die
Frage stellen: Warum eigentlich Roma? Drei Zeilen weiter reden Sie dann plötzlich von „Sinti und Roma“. Ich erinnere mich auch an eine Diskussion, die wir hier im Landtag hatten. Da ging es um „Keine Abschiebung von Ashkali und Roma“. Dieser ganze Bereich beschränkt sich in keiner Weise allein auf die Roma. Auch dieses Thema haben wir damals diskutiert.
Natürlich werden wir uns überlegen müssen, welche Schlussfolgerungen wir daraus ziehen, wenn Sie in dem SSW-Antrag sagen, 80 % der Roma seien auf staatliche Hilfe angewiesen oder 70 bis 80 % der deutschen Sinti und Roma seien Analphabeten. Ich denke, es wir interessant sein, einmal zu hören, was Herr Weiß von den deutschen Roma und Sinti in Schleswig-Holstein dazu sagen wird.
Wir alle sind uns darüber einig, dass Integration notwendig ist. Wir haben klare Änderungen in der Residenzpflicht in den letzten zwei Jahren erreicht. Wir werden morgen im Plenum Änderungen zum Bleiberecht diskutieren. All das trifft auch für die eben genannten Gruppen zu.
Die Landesregierung wird Ende dieses Jahres einen Aktionsplan Integration vorlegen, der für alle gelten wird.
Ich tue mich mit dem Herauslösen einer einzigen Gruppe wirklich schwer. Dabei nehme ich immer noch die autochthone Minderheit aus.
Sie haben vorhin verlangt, wir sollten für die bestimmten Lebensumstände der Roma einen bestimmten Plan entwerfen. Was machen wir denn mit anderen Gruppen, die nach Schleswig-Holstein zuwandern und die auch ganz bestimmte kulturelle Eigenheiten und Gewohnheiten haben? Wir werden es nie hinbekommen, dass wir Integrationspläne für jede einzelne dieser Gruppierungen schaffen. Im Übrigen wird man auch da einmal die Frage stellen müssen: Wo beginnt Separierung, und wo beginnt Integration?
Insofern muss ich leider sagen: Die ganze Rede, die ich vorbereitet habe - Sie merken, ich schiebe die Zettel hin und her - war aufgrund der Zwischenfrage von Herrn Weber Makulatur.
Ich schlage vor, dass wir Ihren Antrag an den Ausschuss überweisen; er birgt mehr Fragen als Antworten. Wir werden im Ausschuss ausführlich dar
über diskutieren müssen, wie wir mit diesem Antrag umgehen. Für meine Fraktion kann ich jetzt schon sagen: Es kann nicht sein, dass wir Integrationspläne für einzelne Bevölkerungsgruppen entwerfen. Das läuft dem Integrationsgedanken, so wie wir ihn verstehen, völlig zuwider. Wir werden uns auch darüber unterhalten müssen, wie die autochthone Minderheit der Roma in Schleswig-Holstein ihre eigene Integration bewertet.
Für eine Minderheit einen Integrationsplan zu fordern, halte ich auch für etwas problematisch. Deshalb beantrage ich für meine Fraktion die Ausschussüberweisung und bin gespannt auf die dortige Diskussion zu diesem Thema.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Brennende Häuser, verängstigte Menschen, Hasstiraden, regelmäßige Demonstrationen von Bürgern an der Seite von Rechtsradikalen, Rufe nach Abtransport und Lagern, Gettoisierung einer Bevölkerungsgruppe, finanzielles Ausschlachten von sich nicht wehren könnenden Menschen, maximales Unverständnis auf beiden Seiten. Sie meinen, ich möchte an Deutschlands schwärzeste Zeit erinnern? - Nein, ich habe Ihnen gerade tagesaktuell die Situation von Roma in Tschechien, ganz nah zur deutschen Grenze, in Rumänien und in Bulgarien dargestellt.
Alltägliche Diskriminierungen und gewaltsame Übergriffe auf Roma wie die eben geschilderten gibt es in vielen anderen europäischen Staaten ebenso - übrigens nicht nur in den neuen Mitgliedstaaten der EU oder in Drittstaaten. Ich erinnere an die Anschläge in Neapel im Mai 2008, die dazu führten, dass 800 Menschen fliehen mussten. Ich erinnere an die öffentlichkeitswirksame Ausweisung der Roma aus Frankreich nach Bulgarien und Rumänien im letzten Jahr, nachdem es dort nach der Erschießung eines Roma durch die Polizei zu Ausschreitungen gekommen war.
Diese Vorgänge zeigen sehr deutlich, wie Integrationspolitik für Roma, der größten Minderheitengruppe in Europa, fehlgeschlagen ist. Verständlich, dass sich viele Menschen bei diesen täglichen Erfahrungen auf den Weg in eine weniger diskriminierende Umgebung machen. Da die meisten dieser
Länder aber als sichere Herkunftsländer gelten, werden Roma, wenn überhaupt, hier nur geduldet, aber nicht integriert.
Auch in Kiel erleben wir bei den Flüchtlingsfamilien gerade sehr prekäre Lebenssituationen. Damit wir diese Menschen anständig begleiten, ihnen menschenwürdige Unterkünfte zur Verfügung stellen, Arbeitsmöglichkeiten und Schulbildung ermöglichen, ihre Traditionen aber respektieren, bedarf es erst einmal eines europäischen, nationalen und regionalen Verantwortungsgefühls gegenüber dieser Minderheit, aber auch eines entsprechenden Planes.
Die Europäische Kommission fordert daher alle Mitgliedstaaten auf, bis Ende 2011 ihre nationalen Roma-Integrationsstrategien auf den Ansatz der EU abzustimmen und den Planungshorizont bis 2020 zu erweitern.
Wenn wir aber über die Umsetzung der Initiative der Europäischen Kommission in Deutschland und speziell in Schleswig-Holstein sprechen, dann müssen wir zunächst einmal definieren, wer der Gruppe der Roma überhaupt zuzurechnen ist. Und wir müssen deutlich unterscheiden zwischen Roma, die aus anderen EU-Staaten zu uns kommen, Roma, die speziell aus Rumänien und Bulgarien kommen, weil für sie die Arbeitnehmerfreizügigkeit noch nicht gilt, und Roma, die aus Drittstaaten nach Deutschland kommen. Wir müssen sehen, dass die Bedingungen, unter denen die Roma in Europa leben, in den einzelnen Staaten sehr, sehr unterschiedlich sind.
Aus Sicht der SPD müssen für die Roma, die aus diesen Staaten nach Deutschland gekommen sind, soziale Mindeststandards gewährleistet sein.
Es gelten im Umgang mit diesen Menschen die Grundsätze humanitären Handelns. Gleichzeitig ist ihre kulturelle Identität zu achten. Anhand dieser Maßstäbe sind aus unserer Sicht entsprechende Maßnahmen zu ergreifen.
Wir müssen deutlich unterscheiden zwischen Roma, die aus den eingangs genannten Verhältnissen in anderen europäischen Staaten nach Deutschland und nach Schleswig-Holstein gekommen sind, und den hier seit Jahrhunderten lebenden Sinti und Roma deutscher Staatsbürgerschaft, unserer kleinsten nationalen Minderheit, die immer noch nicht den Weg in die Verfassung gefunden hat.