Protokoll der Sitzung vom 16.11.2011

Ich kann Ihnen sicher sagen, dass es auf Bundesebene - das ist Bundesrecht - so nicht umgesetzt wird, wie die Ministerpräsidenten sich das gedacht haben. Aber das ist schon vigeliensch gedacht: die Schleswig-Holsteiner machen zu lassen und sich anschließend an den Erträgen zu laben, die wir erwirtschaftet haben. Das kann nicht Sinn der Veranstaltung sein. Sorgen Sie, Herr Kollege Stegner, und Sie, Frau Heinold - da appelliere ich an Sie -, dafür, dass die Regierungen, an denen Sie beteiligt sind, den gleichen Beschluss fassen, bevor der Staatsvertrag in Kraft gesetzt und notifiziert wird. Ich kann Ihnen sagen: Notifiziert die Europäische Kommission das jetzt noch einmal förmlich, dann

diskutieren wir mit den Kollegen, wie wir auf eine gemeinsame Linie kommen. Aber wir beteiligen uns nicht an rechtswidrigen Aktionen, anders als Sie, Herr Kollege Dr. Stegner, das von uns erwarten.

(Beifall bei FDP und CDU)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erteile ich Frau Abgeordneter Monika Heinold das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Alleingang des Landes bei der Neureglung des Glücksspiels war und ist falsch. Das Gesetz muss schleunigst wieder einkassiert werden, und zwar bevor die ersten Lizenzen vergeben werden.

(Vereinzelter Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Unser grünes Ziel ist es, Ministerpräsident Carstensen mit einem tatsächlichen Verhandlungsmandat auszustatten, damit er mit den anderen Ländern verhandeln kann und kompromissfähig ist.

Meine Damen und Herren von CDU und FDP, Sie werden doch nicht tatsächlich geglaubt haben, dass die anderen Bundesländer eins zu eins schlucken, was Schleswig-Holstein auf Sylt bei Sekt und Selters oder Sekt und Häppchen mit der Glücksspielindustrie ausgehandelt hat.

(Christopher Vogt [FDP]: Och, Frau Hei- nold! - Wolfgang Kubicki [FDP]: Sie wissen, dass das vorher im Parlament war! Was soll denn das!)

Der Alleingang Schleswig-Holsteins war und ist eine Kampfansage an die anderen Länder. Mit der gewählten Form der Abgabe wollen Sie die Glücksspieleinnahmen am Länderfinanzausgleich vorbeischleusen und die finanziellen Auflagen für die Glücksspielindustrie deutlich senken. Das ist keine gesunde föderale Wettbewerbspolitik, das ist keine Solidarität der Länder, das ist Trickserei.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wen wundert es also, dass sich die anderen Länder ein solches Vorgehen nicht gefallen lassen? Auf der Ministerpräsidentenkonferenz im Oktober - das wurde erwähnt - wurde Sachsen-Anhalt von allen anderen Bundesländern beauftragt, eine Änderung des Rennwett- und Lotteriegesetzes in den Bun

(Wolfgang Kubicki)

desrat einzubringen - das soll im November passieren -, damit zukünftig die Gesetzeslücke geschlossen wird und auch ausländische Wettanbieter der Steuerpflicht unterworfen werden. Damit würde die Glücksspielabgabe in Schleswig-Holstein doppelt ins Leere laufen. Alle Anbieter von Sportwetten müssten die für sie finanziell ungünstigere Wettsteuer zahlen - auch hier in Schleswig-Holstein -, und die Einnahmen würden in den Ländersolidartopf gehen.

Frau Abgeordnete, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Kubicki?

Frau Kollegin Heinold, ist Ihnen bewusst, dass, selbst wenn sich der Bundesrat so entscheiden sollte, wie Sie das gerade insinuiert haben, das nicht dazu führen würde, dass das Gesetz geändert wird, weil der Deutsche Bundestag das Gesetz ändern muss?

- Das ist mir sehr wohl bekannt. Es freut mich, dass Sie mir jetzt die Minute schenken, dann kann ich das, was ich gleich gesagt hätte, vorziehen. Ich weiß sehr wohl, Herr Kubicki, dass die prominenten Damen und Herren des Rennwettsports im Hintergrund schon ordentlich mobil machen, weil die Rennwettvereine über die Rückvergütung der Rennwett- und Lotteriesteuer finanziert werden. Ich sage Ihnen aber: Wir können uns doch nicht davor scheuen, ein Steuergesetz transparent und vernünftig auszugestalten, weil wir Verquickungen, die vor Jahrzehnten einmal beschlossen worden sind, völlig systemwidrig in einem Gesetz aufrechterhalten wollen. Dann müssen Sie ehrlicherweise sagen, die Rennwettvereine werden gefördert, aber Sie können das nicht über diese wilde Steuerkonstruktion machen, Herr Kubicki.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Natürlich muss der Bundestag darüber abstimmen. Ich sage Ihnen als Abgeordnete: Es würde mich verdammt ärgern, wenn es der Lobby wieder gelingen würde, ein an sich vernünftiges Gesetz zu kippen und bei Ihren Abgeordneten so lange anzuklopfen, bis sie zu feige sind, im Bundestag die Hand zu heben.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Die Verhandlungen um den neuen Glücksspielstaatsvertrag haben sich inzwischen zu einem politischen Desaster entwickelt. Das ist ein erschütterndes Signal dafür, dass der Föderalismus in immer mehr Bereichen zur absurden Kleinstaaterei führt, wenn sich die Länder nicht am Riemen reißen. Es kann doch nicht sein, dass wir jetzt auch noch anfangen, den Glücksspielmarkt innerhalb Deutschlands zu zersplittern, wo wir eigentlich eine europäisch einheitliche Gesetzgebung bräuchten.

(Zurufe der Abgeordneten Wolfgang Kubicki [FDP] und Dr. Christian von Boetticher [CDU])

Vernunft und Fortschritt sind etwas anderes.

Aber auch die anderen Bundesländer haben sich nicht mit Ruhm bekleckert. Mit ihrem Verhalten dokumentieren sie, dass sie noch nicht im Zeitalter des Internets angekommen sind. Wer will denn glauben, dass die Menschen wieder das MenschÄrgere-Dich-nicht-Brett herausholen, wenn wir Onlinewettspiele verbieten, meine Damen und Herren?

(Zuruf des Abgeordneten Hans-Jörn Arp [CDU])

Es ist schon erwähnt worden, die Notifizierung des neuen Staatsvertrags ist zwingend notwendig. Es ist hasenfüßig und politisch dumm, wenn sich die anderen Bundesländer dieser Prüfung der Rechtssicherheit verweigern. Natürlich muss der Gesetzentwurf zur Notifizierung eingereicht werden. Danach kann der Staatsvertrag verabschiedet werden.

Meine Fraktion hat Bedenken, ob der vorgelegte Staatsvertrag rechtskonform ist. Die kritischen Punkte sind schon erwähnt worden. Es handelt sich um die zahlenmäßige Begrenzung der Konzessionen, um das Verbot von Onlineangeboten für Casino- und Pokerspiele, und es handelt sich natürlich auch um den Punkt, dass nach wie vor das Lottomonopol immer noch - auch wenn es inzwischen mit anderen Argumenten vermengt wird - auch mit der Bekämpfung der Glücksspielsucht begründet wird.

Meine Damen und Herren, die Landesregierung hat auf der Ministerpräsidentenkonferenz zu Protokoll gegeben, dass sie ihren Beitritt zum Glücksspielstaatsvertrag insbesondere von der europarechtskonformen Ausgestaltung des Vertrags abhängig macht. Ich hätte mir gewünscht, dass sie sie nur von der europarechtskonformen Ausgestaltung abhängig gemacht hätte. Herr Kubicki, ich kann mir vor

(Monika Heinold)

stellen - weil Sie einfach ein anderes Verhältnis zur Glücksspielindustrie haben als andere bei uns -, dass Sie, auch wenn der Staatsvertrag europarechtskonform sein sollte, nachher wieder noch unheimlich viel „dazuverhandeln“ wollen, sodass es doch wieder nicht zu einer bundeseinheitlichen Lösung käme.

Für meine Fraktion sage ich klipp und klar: Eine bundeseinheitliche Lösung ist zwingend nötig. Damit diese möglich wird und wir einen ernsthaften Willen zur Verhandlung zeigen, sollten wir dieses Gesetz rückgängig machen. Meine Fraktion wird, wenn es die zweite Lesung im Dezember oder Januar geben wird, deshalb dem Gesetzentwurf der SPD-Fraktion zustimmen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Für die Fraktion DIE LINKE erteile ich Herrn Abgeordneten Ulrich Schippels das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Frau Heinold, ich weiß gar nicht, was Sie gegen das Spiel Mensch-ärgere-dich-nicht haben. Ich finde, das ist ein schönes Spiel. Auch wenn man da würfelt, ist es nicht nur ein Glücksspiel, es geht auch um Strategie. Ich finde, das ist schon ein nettes Spiel.

Ich möchte noch etwas zur Notifizierung durch die Europäische Kommission sagen. Herr Kubicki, ich denke, das ist Ihr Europa, das ist das Ergebnis Ihres Europas, das Sie maßgeblich mitgestaltet haben, ein Europa, welches auf den Grundsätzen von Konkurrenz, Wettbewerb und freiem Markt konstruiert wurde. Wie die Finanzkrise - aber nicht nur die - gezeigt hat, kann das auch manchmal danebengehen. Wir sind für ein soziales Europa, in dem es zum Beispiel nicht möglich ist, dass ein auf Malta zugelassener Glücksspielanbieter hier bei uns in Deutschland einfach illegale Wetten anbieten kann.

(Zuruf des Abgeordneten Hans-Jörn Arp [CDU])

Ich gebe Frau Heinold in dem Sinne recht: Wir brauchen wirklich eine andere Konstruktion in diese Richtung, für einen sozialen Ausgleich in Europa, damit so etwas nicht möglich ist.

(Zuruf des Abgeordneten Hans-Jörn Arp [CDU])

- Herr Arp, Sie sagen, Sie wollten den Glücksspielmarkt - jetzt zitiere ich einmal Herrn Callsen - aus der Illegalität holen, Sie lockten die Spielanbieter nach Schleswig-Holstein. Was für eine Leistung! Was für eine Leistung der Landesregierung, illegale Märkte zu legalisieren.

Da haben Sie übrigens noch einiges vor. Sie haben hier eben von der Wissenschaftlichkeit gesprochen. Ich möchte einmal auf eine Studie des Max-PlanckInstituts aus dem Oktober 2011 hinweisen: Unter dem Titel „Illegale Märkte“ finden Sie, dass das illegale Glücksspiel zu den sogenannten Typ-5Märkten gehört, zu denen übrigens auch der Waffenhandel, der Handel mit Zigaretten, Edelsteinen, geschützten Holzarten und der Sicherheit gehört. In der Studie heißt es:

„Es besteht also an diesem Rand der Typ5-Märkte ein fließender Übergang zur gewöhnlichen Wirtschaftskriminalität.“

Was Sie sich da zurechtgebastelt haben, ist nach Einschätzung des Max-Planck-Instituts in letzter Konsequenz also eine indirekte Förderung von Wirtschaftskriminalität, meine Damen und Herren von CDU und FDP. Das ist zumindest so, wenn Sie nicht höllisch aufpassen.

(Beifall des Abgeordneten Björn Thoroe [DIE LINKE] - Zuruf des Abgeordneten Hans-Jörn Arp [CDU])

Sie wollen die Spielanbieter nach Schleswig-Holstein locken. Es ist unglaublich, mit welcher Frechheit die Landesregierung versucht, auf Kosten anderer Bundesländer Extra-Einnahmen zu generieren.

Herr Abgeordneter Schippels, lassen Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Kubicki zu?

Nein. - Da ist die Rede davon, dass es bei dem Umzug der Firma Faber nach Schleswig-Holstein um 350 Arbeitsplätze gehe. Diese werden selbstverständlich aus Nordrhein-Westfalen abgezogen. Sie betreiben eine Förderung der Wirtschaft Schleswig-Holsteins, indem Sie die Wirtschaft der anderen Bundesländer direkt schädigen. Das ist das Gegenteil von solidarischer Politik, und das von einem Nehmerland im Länderfinanzausgleich. Sie werden damit eine Bauchlandung erleben. Eine solche Politik, die Sie auch noch zum Standortwettbewerb „veredeln“, ist umso unverständlicher, als sich die

(Monika Heinold)

Landesregierung erst kürzlich darüber mokiert hat, dass Hamburg eine Windenergiemesse in Konkurrenz zu Husum aufziehen will. Das, was in Hamburg passiert, entspricht genau Ihrem Handeln. Dadurch wird Ihr Verhalten übrigens nicht besser.

Die Koalition aus Konservativen und Liberalen hier im Haus wird langsam aber sicher zu einem Problem, wenn sie die Einnahmen anderer Bundesländer aus dem Glücksspielstaatsvertrag infrage stellt, um den Landeshaushalt Schleswig-Holsteins konsolidieren zu wollen. Es geht dabei um sehr viel Geld für Sport, soziale Einrichtungen und Umweltschutz. Das, was Sie letztlich tun, ist, das Geld aus öffentlichen Töpfen in die privaten Kassen umzuleiten. Das dementieren Sie zwar mit der Behauptung, das Geld würde insgesamt mehr werden. Auf der anderen Seite sagen Sie auch, es bestehe keine Gefahr, dass die Zahl der Spielsüchtigen steige. Ich sage Ihnen: Je mehr Glücksspiel es gibt, desto mehr Spielsüchtige wird es geben. Dazu ist in diesem Haus schon genug gesagt worden. Für uns als Linke ist die öffentliche Abschöpfung von Glücksspielgewinnen dringend geboten.

(Beifall des Abgeordneten Björn Thoroe [DIE LINKE])