Protokoll der Sitzung vom 16.11.2011

(Beifall des Abgeordneten Björn Thoroe [DIE LINKE])

Denn das moderne Glücksspiel mit seinen bedeutendsten Varianten ist für seine Betreiber risikolos.

Ihre Politik, meine Damen und Herren auf der rechten Seite des Hauses, beschränkt sich darauf, die Bedingungen für die Profitmaximierung zu verbessern. Das ist das einzige Ziel Ihres Glücksspielgesetzes. Es ist eine Posse, wenn Sie, Herr Kubicki, davon sprechen, Schleswig-Holstein sei das einzige Bundesland, in dem im Jahr 2012 Rechtssicherheit in Sachen Glücksspiel herrschen werde. - Ich bin mir bei diesem Zitat nicht ganz sicher, ich bitte das zu entschuldigen.

Herr Kubicki, ich erinnere mich noch an Ihre Prophezeiung, die anderen Bundesländer würden Schleswig-Holstein folgen. Das ist noch gar nicht so lange her. - Pustekuchen. Schleswig-Holstein steht mal wieder im Abseits. Die logische Konsequenz Ihres Handelns: Das Glücksspielgesetz muss weg!

(Beifall bei der LINKEN)

Für die Fraktion des SSW hat Herr Abgeordneter Lars Harms das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es wird hier sicher kaum jemanden verwundern, dass der SSW das Anliegen der SPD voll und ganz unterstützt. Das Glücksspielgesetz von CDU und FDP darf nicht in Kraft treten, weil Gewinninteressen und nicht der Schutz der Spieler im Vordergrund stehen. Wir können nicht hinnehmen, dass Schleswig-Holstein zum Einfallstor für die Glücksspielindustrie wird. Wenn auch nicht alle Glücksspielangebote das gleiche Suchtpotenzial haben, ist trotzdem keine Spielform ohne Gefahren für den Konsumenten. Hier ist und bleibt der Staat in der Verantwortung, diese Risiken ordnungsrechtlich einzudämmen. Die Landesregierung muss ihre Irrfahrt in Sachen Glücksspiel ein für allemal beenden und dem Staatsvertrag der anderen 15 Bundesländer beitreten.

Dabei ist und bleibt es ohne Zweifel eine sehr anspruchsvolle Aufgabe, das Glücksspiel gesetzlich zu regeln. Man mag versucht sein, Dinge, die besonders schwer in den Griff zu bekommen sind, einfach freizugeben, anstatt sie zu kontrollieren. Doch damit nimmt man ein großes Risiko in Kauf.

Aus Sicht des SSW muss eine Regelung in diesem Bereich in allererster Linie dem Spielerschutz dienen. Wir bleiben dabei: Glücksspielangebote müssen begrenzt und so streng wie möglich kontrolliert werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Mit Blick auf den Verhandlungsverlauf zum Glücksspielstaatsvertrag müssen wir deshalb unweigerlich feststellen, dass die erpresserische Haltung unserer Landesregierung bereits erheblichen Schaden angerichtet hat: Anstatt der ursprünglich sieben sollen laut aktuellem Entwurf 20 Lizenzen für Anbieter von Online-Sportwetten vergeben werden. Damit wird der Markt weiter geöffnet und das Angebot viel stärker ausgeweitet als ursprünglich geplant.

Auch wenn das Grundprinzip des staatlichen Monopols im Kern erhalten bleibt, hat auch der Staatsvertragsentwurf der anderen 15 Länder seine Schwächen. Auch hier wird nicht mit letzter Konsequenz der Schutz der Spieler verfolgt. Im Vergleich zum Glücksspielgesetz unseres Landes wird die Öffnung des Marktes allerdings weit weniger radikal betrieben. Wir begrüßen vor allem, dass es weder Online-Poker noch Casinospiele im Internet geben soll. Denn diese Spielformen haben nachweislich ein enormes Suchtpotenzial. Ganz allge

(Ulrich Schippels)

mein ist die Beschränkung des Glücksspielangebots der richtige Weg.

Der SSW bleibt dabei: Es ist bedauernswert, dass wir mit der Teilliberalisierung im Staatsvertrag von der Leitlinie eines kleinen, konsequent regulierten Glücksspielmarkts in staatlicher Hand abweichen. Doch der Beitritt zum Regelwerk der 15 anderen Bundesländer ist allemal besser als das Glücksspielgesetz von CDU und FDP.

(Unruhe)

Im Grundsatz legt sich die EU im Übrigen ausdrücklich nicht fest, ob Regelungen zum Glücksspiel in den Mitgliedstaaten in Richtung einer Liberalisierung oder eines strikten, aber wirkungsvollen Monopols gehen sollen. Nicht die Liberalisierung, sondern eine zuverlässige Regulierung des Markts für Online-Glücksspiele ist die vorgegebene Zielsetzung aus Brüssel. Dabei muss der Schutz der Spieler und Verbraucher eine wichtige Rolle spielen.

Nach unserer Auffassung sollte man deshalb nicht nur fragen, wie man die enormen Umsätze im Wettbereich wirkungsvoll besteuern kann, sondern vor allem, wie man diesen Bereich wirkungsvoll eindämmen kann. Denn hier wie auch in allen anderen Bereichen des Glücksspiels gilt: Je größer das Angebot, desto mehr Spieler und desto größer die individuellen und sozialen Folgeschäden.

(Anhaltende Unruhe)

Das Glücksspielgesetz der Regierungsfraktionen birgt nicht nur Gefahren für die Spieler, die ihren Spieltrieb in Zukunft ohne Einschränkung ausleben können, auch das Ansehen Schleswig-Holsteins und die zukünftige Zusammenarbeit mit den anderen Bundesländern sind gefährdet.

Der angekündigte Umzug des Lottounternehmers Faber mag vordergründig Mehreinnahmen bringen. Doch wir sehen die Gefahr, dass sich diese Form der Standortpolitik rächen wird. Genau diese Art des Wettbewerbsföderalismus haben wir alle in der Vergangenheit aufs Schärfste verurteilt, nicht zuletzt am Beispiel Messe Husum wird deutlich, dass eine solche Politik negative Konsequenzen haben kann.

Die Liberalisierung, die die Landesregierung mit dem Glücksspielgesetz erreichen will, ist der falsche Weg. Ein umfassender Spielerschutz muss bei einer Neuregelung das höchste Ziel sein. Das Glücksspielgesetz wird dieser dringlichsten Aufgabe ganz einfach nicht gerecht. Deshalb muss das

Gesetz einkassiert werden, bevor die ersten Lizenzen vergeben werden.

Wir werden dem Gesetzentwurf der SPD selbstverständlich zustimmen.

(Beifall bei SSW, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Zu einem Dreiminutenbeitrag erteile ich dem Herrn Fraktionsvorsitzenden Dr. Ralf Stegner für die SPD-Fraktion das Wort.

(Unruhe)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wer der Debatte der letzten Monate gefolgt ist, weiß: Es geht gar nicht um Rechtsfragen oder Inhalte, sondern es geht darum, dass Sie hier in der Pose auftreten, Sie beteiligten sich nicht an rechtswidrigen Aktionen, die 15 andere Länder machten, 15 Staatskanzleien, 15 Ministerpräsidenten, 15 Abteilungen mit Juristen, 15 Parlamente. Sie behaupten, die hätten alle unrecht, verhielten sich rechtswidrig, und Sie wüssten alles besser.

Normalerweise sagt man: Wer so handelt, handelt nach dem Motto: Begib dich in Behandlung. Das ist „Neues aus der Anstalt“, Abteilung Größenwahn.

(Beifall des Abgeordneten Ulrich Schippels [DIE LINKE])

Immer wieder diese Pose zu vertreten - das machen Sie ja nicht nur hier, Sie machen es beim Denkmalschutz, Sie machen es bei Ihrer komischen Haushaltsstrukturkommission. Überall sagen Sie: Wir sind die einzig Klugen, und die anderen wollen uns alles dringend nachmachen. Dabei lacht der Rest der Republik, wenn er es gut mit uns meint, und die anderen sagen: Was habt ihr eigentlich für eine Regierung!

(Unruhe)

Wir Abgeordnete sind auf das Allgemeinwohl, die Gesetze und anderes vereidigt.

(Dr. Christian von Boetticher [CDU]: Sehr richtig!)

Dass Ihnen die Nähe zu dieser klebrigen Lobby nicht einmal peinlich ist! Der Faber reist zum CDU-Parteitag an. Herr Arp und Herr Kubicki sind überall, wo solche Leute sind. Dass Ihnen das nicht einmal peinlich ist, finde ich ziemlich schlimm.

(Lars Harms)

(Zurufe von CDU und FDP)

Dass das Bundesgesetz mit den Abgaben vielleicht geändert wird, begrüße ich sehr, denn die anderen Länder haben ja gar keine andere Möglichkeit, sich gegen Ihre Methode zu wehren, als zu sagen: Dann drehen wir denen wenigstens den Hahn ab, damit sie diesen Quatsch nicht auch noch allein durchziehen können. Das finde ich völlig richtig. Dann landen Sie nämlich auf dem Bauch, wenn das Bundesgesetz entsprechend geändert wird.

(Beifall des Abgeordneten Lars Harms [SSW] - Unruhe)

Ich dachte früher, das Motto „legal-illegal“ - ich zitiere den dritten Punkt nicht, Frau Präsidentin - sei ein Anarchomotto. Dass das neuerdings das Motto der konservativ-liberalen Koalition ist, wundert mich sehr. Sie müssen doch einmal etwas zu dem Thema sagen, dass die Nähe von Online-Poker zur Geldwäsche die direkteste Verbindung ist, die es in Deutschland gibt. Das ist die einfachste Form von Geldwäsche. Das interessiert Sie überhaupt nicht. Es ist schon sehr eigenartig, dass es Ihnen nicht einmal unangenehm ist. Sie mögen hier feixen und sagen: Das ziehen wir alles durch.

Wir können über Inhalte durchaus streiten. Das tun wir an vielen Stellen. Wenn wir eine Koalition, eine Landesregierung, die dermaßen unseriös auftritt, nächstes Jahr endlich los sein werden, wird es ein Aufatmen im ganzen Land geben, denn Sie sind uns in erster Linie peinlich mit der Art und Weise, wie Sie das hier machen, statt das zu tun, was man normalerweise macht. Im Übrigen war Wertschöpfung für Konservative früher auch einmal etwas anderes, als das hauptsächlich über Glücksspiel und solche Dinge zu definieren. Auch da haben Sie sich offenbar mächtig verändert.

Machen Sie nur weiter so! Sie werden erleben, dass wir diese Dinge im nächsten Jahr ändern. Sie finden keine Bundesgenossen, auch wenn Sie uns zehnmal prophezeit haben, sie kämen alle rüber. Weder Herr Seehofer noch Herr McAllister noch irgendjemand anderes kommt zu Ihnen rüber, weil die alle sehen: Einen Rest an Seriosität sollte sich die Politik bewahren. Sie haben die leider aufgegeben.

(Beifall bei SPD und SSW)

Zu einem weiteren Dreiminutenbeitrag erteile ich dem Fraktionsvorsitzenden der FDP-Fraktion, Herrn Abgeordneten Wolfgang Kubicki, das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich finde, man muss den Kollegen Dr. Stegner häufiger auftreten lassen. Herr Dr. Stegner, wenn die Menschen Sie so sehen, wird Ihnen vielleicht einmal bewusst, warum Ihre eigenen Parteifreunde Sie nicht als Ministerpräsidentenkandidat haben wollten.

(Beifall bei FDP und CDU)

Die Anmaßung, mit der Sie hier auftreten und glauben machen, Sie hätten den moralischen Impetus für sich gepachtet und die anderen seien alle nur böse und schlecht, ist unerträglich - für mich mittlerweile nicht mehr, ich kann Sie ja nicht mehr ernst nehmen - für die Menschen in diesem Land.

22 Länder in Europa haben eine vergleichbare Regelung wie die, die wir in Schleswig-Holstein einführen wollen.

(Dr. Christian von Boetticher [CDU]: So ist es!)

Auch das sind natürlich alles Rechtsbrecher, klebrige Lobbyisten, Leute, die die Menschen ins Elend stürzen wollen. Unser Nachbarland Dänemark hat eine Regelung - von der haben wir sehr viel übernommen -, die der unseren entspricht. Das sind dann ja offensichtlich böse Nachbarn in Europa. Herr Kollege Dr. Stegner und Herr Kollege Harms, ich habe nicht vernommen, dass die Dänen jetzt unter der neuen sozialdemokratischen Regierung auch nur ansatzweise die Absicht hätten, ihr Glücksspielgesetz zu ändern. Das sind offensichtlich böse Menschen, auch Sozialdemokraten können offensichtlich böse Menschen sein, jedenfalls dann, wenn sie in Dänemark regieren.

Als wir angefangen haben, hieß es, es gebe gar nichts bei Sportwetten, das sei ganz schlimm.