Protokoll der Sitzung vom 16.11.2011

Ich danke der Frau Berichterstatterin. Gibt es Wortmeldungen zum Bericht? - Das ist nicht der Fall. Ich eröffne die Aussprache. Für die Fraktion DIE LINKE erteile ich Herrn Abgeordneten Ulrich Schippels das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Kostenfreie Schülerinnen- und Schülerbeförderung kostet Geld, keine Frage. Auch die Realisierung unseres Gesetzentwurfs kostet Geld, aber es wird nicht so teuer für das Land wie das, was die Bundesregierung jetzt plant, was auch Sie jetzt befürworten, nämlich die Steuerrechtsänderung.

(Zuruf der Abgeordneten Anke Erdmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sondern? Wie teuer wird das?)

- Dazu komme ich gleich.

Die Schülerinnen- und Schülerbeförderung ist erstmals im Jahr 1979 gesetzlich geregelt worden. Träger sind im Wesentlichen die kommunalen Schulträger der in den Kreisen liegenden Schulen. Die Finanzierung der Schülerinnen- und Schülerbeförderung ist wenig transparent und mit einem aufwendigen Verwaltungsverfahren verbunden. In seinen Bemerkungen 2005 zur Haushaltsrechnung 2003 hat der Rechnungshof deshalb eine Reform der komplizierten Finanzstruktur bei der Schülerinnen- und Schülerbeförderung angeregt. So sei die Einbeziehung der Kreise in die Organisation und Finanzierung nicht erforderlich. Unser Gesetzentwurf trägt dieser Kritik Rechnung, aber offensichtlich sehen die anderen Landtagsfraktionen hier keinen Handlungsbedarf und nicht einmal Diskussionsbedarf.

(Dr. Robert Habeck)

Wir haben in letzter Zeit schon mehrfach erleben müssen - das kommt immer mehr vor -, dass sich die Mehrheitsfraktionen, die ja eigentlich gar keine Mehrheit haben, weigern, Anhörungen in den Ausschüssen durchzuführen, oder selbstherrlich entscheiden, wer denn zur Audienz geladen wird. Das finde ich zwar arrogant und unangemessen, allerdings hätte ich mir auch von den Vertreterinnen und Vertretern der anderen Oppositionsparteien ein anderes Verhalten gewünscht. Im Bildungsausschuss haben leider auch die Abgeordneten von SPD, Grünen und SSW eine Anhörung nicht befürwortet, nicht einmal eine schriftliche Anhörung.

Die Argumentation - ich habe das Protokoll gelesen - ist in meinen Augen nicht zielführend. In der Tat würden Kosten von mindestens 50 Millionen € für das Land entstehen. Allerdings vergaß Dr. Höppner im Bildungsausschuss offensichtlich, dass dies umgekehrt sofort zu einer Entlastung bei den schleswig-holsteinischen Kommunen und Kreisen führt, die mindestens zwei Drittel der Summe beträgt. Das Geld ist also nicht weg, es ist nur woanders. Zum letzten Drittel komme ich noch.

Bei der SPD frage ich mich, ob sie nicht die Stimme ihres neuen Herrn, OB Albig, gehört hat, spricht der sich doch zu Recht für eine Rücknahme der Kürzungen im kommunalen Finanzausgleich aus. Hier hätte die SPD schon einmal zeigen können, dass sie es ernst meint mit der Entlastung der Kommunen.

(Beifall bei der LINKEN)

Übrigens ist die Hilfe für die Kommunen angesichts der jüngsten Steuerschätzung mehr als notwendig. Denn im Gegensatz zum Land sieht es bei den Kommunen auch nach der Steuerschätzung mau aus. Hier sind kaum höhere Einnahmen zu erwarten.

Jetzt kommen wir zum letzten Drittel der Mehrausgaben für das Land bei Realisierung unseres Gesetzentwurfs. Die Elternbeteiligung bei der Schülerinnen- und Schülerbeförderung ist und bleibt ein verkapptes Schulgeld. Meine Damen und Herren von den noch regierungstragenden Fraktionen, Sie laufen durchs Land und verkünden immer noch die Parole, Sie müssten Kürzungen bei der Bildung durchführen, um den Kindern und Jugendlichen eine bessere Zukunft zu ermöglichen. Das Gegenteil ist der Fall. Haushaltskürzungen gehen unmittelbar zulasten der Zukunft, vor allem Haushaltskürzungen im Bereich der Bildung. Hier zu kürzen, bei den Kurzen zu kürzen, ist so etwas von kurzsichtig,

da hilft nicht einmal mehr der Eigentümer des Schlosses Plön.

Ein Letztes: Ich kann die regierungstragenden Fraktionen ja schon verstehen, sie wollen keine Anhörung; dann müssten sie ja einmal mehr einen Offenbarungseid leisten. Sie müssten einmal mehr die unsozialen Kürzungen bei den Schülerinnen und Schülern verteidigen. Sie wären einmal mehr mit den Kreistagen konfrontiert, die sich zu Recht gegen die Einführung der Elternbeteiligung gewehrt haben. Sie müssten sich letztlich von ihren eigenen Leuten in den Rathäusern und in den Kreistagen unangenehme Wahrheiten sagen lassen.

Ich verstehe es schon, dass Sie sich lieber wegducken und den Mantel des Schweigens über diesen Irrsinn breiten wollen. Sie, meine Damen und Herren von der FDP, die sich sonst doch für Bürokratieabbau aussprechen, müssen erklären, warum nun in den Kreisen zusätzliche Arbeitsstunden zu leisten sind, um die Elternbeiträge zu errechnen, zu überprüfen, anzumahnen, zu verbuchen und so weiter, und so fort. Bürokratieabbau sieht völlig anders aus.

(Beifall bei der LINKEN)

Auf eine solche Arbeitsbeschaffungsmaßnahme hätten wir gern verzichtet. Sie haben hier die einmalige Möglichkeit, den Irrsinn zu korrigieren und dafür zu sorgen, dass wir dem Ziel näher kommen, dass Bildung tatsächlich auch für die Eltern und die Schülerinnen und Schüler frei ist. Stimmen Sie unserem Gesetzentwurf zu!

(Beifall bei der LINKEN)

Das Wort für die CDU-Fraktion erteile ich der Frau Abgeordneten Heike Franzen.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Für seine vorletzte Tagung im laufenden Jahr hat sich der Landtag ein umfangreiches Programm vorgenommen. Deshalb müssen wir auch in diesen Tagen leider über einige Punkte ohne Aussprache abstimmen. Dass die Fraktion DIE LINKE darauf besteht, dass wir hier über den Gesetzentwurf zur Übernahme der Schülerbeförderungskosten durch das Land debattieren, ist ihr gutes Recht. Ob es unbedingt nötig gewesen wäre, möchte ich trotzdem infrage stellen. Denn der Entwurf ist im Bildungs- und auch im Finanzausschuss mit der gebotenen Ausführlichkeit beraten worden. Spätestens

(Ulrich Schippels)

nach dem Beitrag des Kollegen Höppner hätte Ihnen eigentlich klar werden müssen, was Sie da für einen Unsinn verzapft haben.

(Beifall der Abgeordneten Susanne Herold [CDU], Tobias Koch [CDU] und Katharina Loedige [FDP])

Am Ende der Beratungen stand die Ablehnungsempfehlung des Anliegens der LINKEN, und zwar durch alle anderen Fraktionen. Auch das Begehren, eine Anhörung durchzuführen, wurde zurückgewiesen - mangels Masse sozusagen.

Nach dem Eindruck meiner Fraktion fehlt dem Gesetzentwurf auch die Ernsthaftigkeit. Zuletzt haben wir § 114 des Schulgesetzes im Rahmen des Haushaltsbegleitgesetzes geändert. Dabei wurde unter anderem die Frage der Elternbeteiligung an den Schülerbeförderungskosten neu geregelt. Ihr Gesetzentwurf sieht vor, dass nun das Land die Kosten übernehmen soll und zwar im wahrsten Sinne des Wortes von heute auf morgen. Ist das Ihr Verständnis von solider Politik? Bis Ende Dezember 2010 galt die eine Regelung, von Januar bis November 2011 gilt die andere Regelung, und ab November 2011 soll schon wieder eine neue gelten? Sie können nicht ernsthaft erwarten, dass Abgeordnete, die sich um Verlässlichkeit bemühen, so etwas mitmachen.

(Zuruf der Abgeordneten Anke Erdmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Weiter fragt man sich, woher Sie eigentlich das Geld für die Verwirklichung Ihrer Initiative nehmen wollen - und zwar in doppelter Hinsicht. Denn erstens fehlt es uns an haushaltsrechtlichen Grundlagen, und zweitens kämen kurzfristig Kosten in Höhe eines zweistelligen Millionenbetrags auf das Land zu, den wir aus eigenen Mitteln nicht finanzieren können. Sie haben gerade in Ihrer Rede noch gefordert, dass der Landeshaushalt nicht zusätzlich belastet werden darf. Insofern frage ich mich, wodurch die Belastungen gedeckt werden sollen.

Man muss sehen, dass wir Jahr für Jahr Konsolidierungshilfe aus den anderen Bundesländern bekommen. 80 Millionen € sind das. Wie wollen Sie den anderen Bundesländern den Gesetzentwurf erklären? - Man kann doch nicht ständig das Wort Solidarität im Munde führen und dann mit den Bundesländern, die solidarisch mit uns sind, in diesem Stil umgehen. Ich halte das nicht für richtig.

Tatsächlich führt Ihr Antrag keineswegs zu einer kostenfreien Schülerbeförderung, wie der von Ih

nen gewählte Titel vorgibt. Kosten entstehen in jedem Fall, es sei denn, die Schüler gehen zu Fuß oder benutzen das Fahrrad. Die Frage ist nur, wer die Kosten trägt.

Ich will in diesem Zusammenhang aber auch ganz ausdrücklich der Kollegin Erdmann widersprechen, die im Bildungsausschuss gesagt hat, eine Übernahme der Schülerbeförderungskosten durch das Land wäre zwar nicht finanzierbar, aber wünschenswert. - Nein, Frau Kollegin Erdmann, eine Übernahme ist weder finanzierbar noch wünschenswert. Erstens ist es durchaus angemessen, dass die Eltern zumindest eine Mitverantwortung dafür tragen, dass ihre Kinder morgens zur Schule kommen. Es ist eigentlich eine Selbstverständlichkeit, heutzutage wird aber Selbstverständliches auch schon durchaus kontrovers diskutiert. Für diejenigen, die es sich nicht leisten können, Herr Schippels, gibt es Sozialstaffeln in den Kreisen, sodass allen Kindern die Möglichkeit gegeben wird, auch alle Bildungsabschlüsse zu erlagen. Das ist kein Schulgeld. Deshalb muss man es hin und wieder ansprechen.

Zweitens schreiben sich die LINKEN gern auf ihre roten Fahnen, dass man die sozial Schwachen fördern sollte. Wenn das wirklich Ihr Anliegen ist, frage ich mich allerdings, warum Sie das Geld mit der Gießkanne verteilen und Schülerbeförderung auch für Kinder solcher Eltern finanzieren wollen, die das mit Leichtigkeit finanzieren könnten - und zwar selbst.

(Zuruf des Abgeordneten Ulrich Schippels [DIE LINKE])

Was haben Sie eigentlich gegen die Schülerinnen und Schüler an Schulen in freier Trägerschaft? Das habe ich nicht verstanden. Das sind nämlich nach Ihrem Entwurf die Verlierer, die von der kostenfreien Schülerbeförderung überhaupt nicht profitieren können. Die haben Sie überhaupt nicht aufgenommen. All das sind Fragen, auf die Ihr Gesetzentwurf keine Antworten gibt. Deshalb wird meine Fraktion heute dasselbe tun, was wir auch im Ausschuss schon gemacht haben: Wir werden Ihren Gesetzentwurf ablehnen.

(Vereinzelter Beifall bei CDU und FDP)

Das Wort für die SPD-Fraktion erteile ich Herrn Abgeordneten Dr. Henning Höppner.

(Heike Franzen)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist ungewöhnlich, dass wir über einen Gesetzentwurf erst in der zweiten Lesung sprechen. Vielleicht ist dieses erste Mal auch schon einmal zu viel.

(Vereinzelter Beifall bei CDU und FDP)

In den Flächenkreisen des Landes Schleswig-Holstein gibt es die unterschiedlichsten Formen der Schülerbeförderung. Je weiter wir zum Beispiel in den Süden des Landes kommen, in die Metropolregion, desto stärker findet er zu einem ganz überwiegenden Teil im Schienenpersonennahverkehr statt. Das darf man nicht vergessen. Es ist nicht die Regel, dass ein reiner Schulbus durch das Land fährt, die Schüler morgens einsammelt, zur Schule fährt und nach der Schule wieder nach Hause bringt. Stattdessen ist die häufigste Form des Schülerverkehrs die Nutzung des Linienbusses. Wir kennen Regeln, nach denen wir dies in drei Stufen zu beachten haben: zuerst der Linienverkehr, dann die sogenannte Beauftragung des Linienverkehrs und erst in der letzten, der dritten Stufe der freigestellte Schülerverkehr, der vom Verkehrsminister in jedem Einzelfall zu genehmigen ist. Das heißt, wir haben eine Präferenz für den ÖPNV.

In dieser Hinsicht kann ich auch die Kritik des Landesrechnungshofs nicht nachvollziehen, denn Sie wissen, dass die Kreise die Träger des öffentlichen Personennahverkehrs sind und diesen auch zu organisieren haben. Denken Sie daran, dass wir häufig Schulen auf einer Linie anfahren, die drei unterschiedlichen Schulträgern gehören und damit auch drei unterschiedlichen Kostenträgern. Oder gehen Sie in die Metropolregion, da sind es manchmal sogar zehn Schulen oder mehr, die auf einer Linie abzudecken sind. Anders gesagt: Gäbe es den Schülerverkehr nicht, würden wir den Linienverkehr, den öffentlichen Personennahverkehr in der Fläche auch kaum aufrechterhalten können. Außerdem erhalten die Kreise entsprechende Zuschüsse nach dem Regelungen des Personenbeförderungsgesetzes auch für diese Fragen.

Aus diesem Grund ist es auch sinnvoll, dass die Kreise wesentliche Träger der Schülerbeförderung sind und bleiben. Wenn sie Träger sind, müssen bei ihnen auch die Organisationshoheit und die finanzielle Verantwortung liegen.

(Beifall der Abgeordneten Heike Franzen [CDU])

Daher ist nach meiner Auffassung der Gesetzentwurf der LINKEN eher ein Irrweg, wenn sie die

Trägerschaft der Schülerbeförderung und die finanzielle Verantwortung trennen will, vor allem, wenn sie den Kreisen durch Ihren Gesetzentwurf die Satzungshoheit nimmt, indem sie durch das Gesetz Zumutbarkeitsgrenzen und andere Dinge der Organisation der Schülerbeförderung festlegt.

(Zuruf des Abgeordneten Ulrich Schippels [DIE LINKE])

Ich halte das für einen unzulässigen Eingriff in die Selbstverwaltungsrechte der Kommunen, der Schulträger und der Kreise, genauso wie meine Fraktion und die überwiegende Mehrheit der Kreistage schon die Festlegung der Größenordnung der Elternbeteiligung an den Kosten der Schülerbeförderung als Eingriff in ihren Selbstbestimmungsrechte betrachtet hat.

Der zentrale Inhalt Ihres Antrags ist - wenn man das so zusammenfassen will - aus meiner Sicht nicht zustimmungsfähig, denn Sie legen ein Leistungsgesetz vor, das dem Land nicht nur sämtliche Kosten der bisherigen Schülerbeförderung aufbürdet, sondern auch in den Kreisen die Anspruchsberechtigten erweitert, insbesondere auf Schülerinnen und Schüler im innerörtlichen Bereich, die heute kein Recht auf Beförderung haben, sondern in der Regel mit dem Fahrrad zur Schule fahren.

Ich habe Ihnen im Ausschuss einmal sehr deutlich gemacht, was es bedeutet, die Zumutbarkeit bei Grundschülerinnen und Grundschülern auf 1 km herabzusetzen. Sie werden in eine Situation kommen, in der sie Rechtsansprüche haben und Sie innerhalb eines Ortes Schülerinnen und Schüler der Primarstufe mit Taxis befördern müssen, weil ein ÖPNV nicht existiert. Das halte ich für ausgesprochen bedenklich.

Man kann natürlich im Rahmen der Neuordnung der Finanzbeziehungen im Land darüber nachdenken, ob es sinnvoll wäre, statt der Kreise das Land zum Träger und Finanzverantwortlichen der Schülerbeförderung zu machen und den Kreisen nur die Organisationshoheit zu belassen. Das macht aber keinen Sinn, und das macht kein einziges anderes Bundesland. Es ginge allenfalls auf dem Wege, dass die finanzielle Last, die das Land sich auf die Schultern laden würde, aus dem kommunalen Finanzausgleich abgezogen würde. Schlagen Sie das einmal den kommunalen Landesverbänden vor! Sie werden viel Beifall dafür bekommen.

Meines Erachtens ist der Gesetzentwurf in dieser Hinsicht unredlich. Meine Fraktion wird der Beschlussempfehlung zustimmen und den Gesetzent