Protokoll der Sitzung vom 16.11.2011

Gastschulabkommens zwischen Hamburg und Schleswig-Holstein im vergangenen Dezember nicht einfacher geworden. Das Gegenteil ist eingetreten. Weiterhin fehlen eine gemeinsame Schulplanung und ein ehrlicher Kostenausgleich. Der Kostenausgleich ist im neuen Schulgesetz in § 113 noch weiter zulasten der Kommunen in SchleswigHolstein verschoben worden. Denn mit dem neuen Schulgesetz gab es Änderungen in der Pflicht der schleswig-holsteinischen Kommunen, Schulkostenbeiträge an das Land Schleswig-Holstein zu zahlen.

Nach dem alten Schulgesetz mussten die Kommunen Schulkostenbeiträge für ihre Schülerinnen und Schüler bezahlen, die freie Schulen in Hamburg besuchten. Das war in Ordnung; denn auch für den Besuch einer freien Schule in Schleswig-Holstein mussten die Wohnsitzkommunen zahlen. Nach dem neuen Schulgesetz müssen die schleswig-holsteinischen Kommunen nun auch Schulkostenbeiträge für ihre Schülerinnen und Schüler an das Land zahlen, die öffentliche Schulen in Hamburg besuchen. Auch damit sind wir im Prinzip einverstanden; denn wenn eine Schülerin oder ein Schüler in der Nachbargemeinde in Schleswig-Holstein oder in Hamburg zur Schule geht, muss dies mit gleichen Kosten für die Wohnsitzkommune verbunden sein.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und CDU)

Die Landesregierung hat dafür im Haushalt jährliche Einnahmen von 2,4 Millionen € von den Kommunen eingeplant. Was aber im neuen Schulgesetz fehlt, ist der Ausgleich der Kosten vom Land Schleswig-Holstein für Kommunen in SchleswigHolstein, die Hamburger Schülerinnen und Schüler an ihren Schulen haben.

Den Kommunen ist gerade die Rechnung des Bildungsministeriums für diese Neuerung ins Haus geflattert. Die Stadt Norderstedt soll zum Beispiel für die 165 Schülerinnen und Schüler, die in Hamburg eine öffentliche Regelschule besuchen, für das Jahr 2011 145.000 € an das Land überweisen. Das Land Schleswig-Holstein zahlt für die 47 Hamburger Schülerinnen und Schüler an den Norderstedter Schulen im Gegenzug aber nicht einen Euro an Norderstedt.

(Tobias Koch [CDU]: Das müssen die Ham- burger bezahlen!)

- Das ist im Gastschulabkommen verankert; das muss eigentlich in dem Paket enthalten sein. - Die Stadt muss auf fast 60.000 € verzichten. - Sieht so ein gerechter Kostenausgleich aus? In anderen

(Minister Klaus Schlie)

Kommunen ist die Situation ähnlich, auch wenn in kleineren Kommunen die Beträge geringer ausfallen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, einige von Ihnen sind Mitglieder von Stadt- oder Gemeindevertretungen und wissen, wie sehr die kommunalen Haushalte auf Kante genäht sind. Da wird schon über geringe Zuschüsse an Vereine und Verbände lange gerungen, und jede Einnahme ist wichtig. Die Landesregierung darf ihren Haushalt nicht auf Kosten der Kommunen sanieren.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt bei der LINKEN)

Schulkostenbeiträge dürfen keine Einbahnstraße sein. Die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister der Metropolregion dürfen nicht dafür bestraft werden, dass sie den Familien ermöglichen, die nächstgelegene Schule zu besuchen, auch wenn sie im Nachbarland liegt. Sie dürfen nicht dafür bestraft werden, dass sie die Metropolregion als gemeinsamen Lebensraum sehen. Im Mai sagte Bildungsminister Dr. Klug im Bildungsausschuss laut Protokoll:

„Es gebe keine rechtliche Grundlage, Hamburger Umlandgemeinden für die Aufnahme Hamburger Schülerinnen und Schüler einen Kostenausgleich zu gewähren.“

Herr Dr. Klug, daran soll es nicht scheitern. Liebe Kolleginnen und Kollegen von CDU und FDP, stimmen Sie unserem Gesetzentwurf zu! Dann ist die rechtliche Grundlage da. Auch in der Enquetekommission „Norddeutsche Kooperation“ gab es darüber, was wirklich nicht häufig der Fall ist, eine Übereinstimmung aller Fraktionen, dass für den länderübergreifenden Schulbesuch eine Lösung gefunden werden muss. Unser Gesetzentwurf ist ein Baustein dafür.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Nun hat der Bildungsminister vor ein paar Stunden schon eine Pressemitteilung zu unserem Gesetzentwurf gemacht. Darin schreibt er:

„Damals“

- damit meint er die Verhandlungen zum Gastschulabkommen

„haben sich aber namentlich die Grünen vor allem damit beschäftigt, vom Land Schleswig-Holstein zusätzliche Millionen zur Sanierung des Etats der damaligen Schulsenatorin zu fordern, damit diese ihre schließlich

per Volksentscheid gekippte Schulreform leichter hätte finanzieren können.“

Herr Minister Klug, Sie sind leider immer noch nicht in der heutigen Zeit angekommen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abgeordneten Jürgen Weber [SPD])

Ihr Kirchturmdenken ist Politik von gestern. Heute sind Lebensräume vernetzt, und die Politik muss Wege finden, um diesen gemeinsamen Lebensräumen gerecht zu werden. Ein gemeinsamer Ausschuss zwischen Schleswig-Holstein und Hamburg, über den wir am Freitag debattieren werden, wäre dafür ein gutes Gremium.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die CDU-Fraktion hat Herr Abgeordneter Peter Sönnichsen das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Bezeichnung dieses Tagesordnungspunkts vermittelt auf den ersten Blick den Eindruck eines bildungspolitischen Themas. Tatsächlich geht es aber um den sechsten Teil des Gesetzes, nämlich um Schullasten und deren Ausgleich. Somit geht es um Finanzen. Ich räume gern ein, dass der Gesetzentwurf, über den wir hier debattieren, den Finger auf eine Wunde legt. Wir haben den Schüleraustausch zwischen Hamburg und Schleswig-Holstein auf eine neue Grundlage gestellt. Das Bildungsministerium und die Staatskanzlei haben komplizierte Verhandlungen geführt. In der Summe haben sie diese zu einem sehr guten Abschluss gebracht, das will ich hier in aller Deutlichkeit sagen.

Viele Kinder und Jugendliche, die mit ihren Familien in Schleswig-Holstein wohnen, besuchen in Hamburg die Schule. Dank der Vereinbarung mit dem Senat ist das jetzt und auch in Zukunft möglich. Durch das neue Gastschulabkommen sind nicht alle Fragen geklärt worden, die klärungsbedürftig sind; wir haben es gesagt. Ich sage Ihnen aber: So ist das nun einmal in Verhandlungen. Irgendwann muss man das Erreichte akzeptieren und - wie es im ländlichen Raum so schön heißt - den Sack zumachen. Wenn ich mich recht entsinne, wollten die Grünen seinerzeit höhere Zahlungen von Schleswig-Holstein an Hamburg akzeptieren, als letztlich vereinbart wurden.

(Ines Strehlau)

Vor diesem Hintergrund habe ich Verständnis für Hauptamtliche und Ehrenamtliche in den Kommunen, die von der gegenwärtigen Regelung nicht überzeugt sind. Wie in allen Fragen, so ist es auch hier eine Frage der Zuständigkeit. Es ist die Frage, wer welche Aufgaben wahrzunehmen hat. Ich denke, dies dürfen wir bei Verhandlungen, die vom Land geführt werden, einfordern. Natürlich wird gefragt: Warum müssen Kommunen einen Teil der Kosten für Kinder und Jugendliche tragen, die in Hamburg zur Schule gehen, während von dort nichts zurückkommt? - Diese Frage müsste zuerst an Hamburg gerichtet werden. Hier wären diejenigen Mitglieder unseres Landtags gefordert, die besonders gute Beziehungen zur derzeitigen Mehrheit in Hamburg haben.

(Beifall bei der CDU)

Legitim ist auch die Frage, ob es nicht Sache des Landes sei, hier einzuspringen. Ich möchte in diesem Zusammenhang nicht näher auf die Haushaltssituation eingehen. Verehrte Frau Kollegin, Sie haben eben darauf hingewiesen, dass die kommunalen Haushalte auf Kante genäht sind. Ich weiß hier, wovon ich spreche. Für den Landeshaushalt gilt dies aber gleichermaßen. Das ist allen bekannt. So ist es nachvollziehbar, dass sich der Minister außerstande sieht, den in Rede stehenden Betrag aus seinem Etat heraus zu erwirtschaften. Insofern wäre die Frage an BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, was Sie mit Ihrem Gesetzentwurf erreichen wollen. Wollen Sie etwa die Vorlage eines Nachtragshaushalts „Gastschulabkommen“ erreichen? - Auf jeden Fall fehlt in Ihrem Vorschlag die Finanzierungsfrage, die Sie ganz und gar offenlassen.

Ich glaube nicht, dass das mit dem Nachtragshaushalt wirklich so gewollt ist. Auf jeden Fall passt es nicht mit den Appellen zusammen, die auch heute Morgen von Ihrer Seite zur Verteidigung der Landesfinanzen in der Aktuellen Stunde nachhaltig vorgetragen worden sind. Ich biete Ihnen jedoch gern an, dass wir in den Ausschüssen darüber diskutieren, ob und wie man ab 2013 zu einer Neuregelung kommen kann. Wenn wir dort gemeinsam zu einem Lösungsvorschlag kommen, werden CDU und FDP diesen gern im kommenden Doppelhaushalt umsetzen, denn entgegen anderslautender Meinungen, die heute Nachmittag geäußert worden sind, wird diese Zuständigkeit auch nach Mai 2012 bei uns liegen.

(Beifall bei CDU und FDP)

Für die SPD-Fraktion erteile ich Herrn Abgeordneten Dr. Henning Höppner das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zwar ist das meiste, das Überwiegende, aber nicht alles schlecht an der letzten Schulgesetznovelle, die die Koalition zu Beginn des Jahres verabschiedet hat. Zu den wenigen Punkten, denen wir damals zugestimmt haben, gehört die Regelung, dass die schleswig-holsteinischen Wohnsitzgemeinden an das Land einen Beitrag zu erstatten haben, der dem Sachkostenanteil beim Besuch einer Privatschule innerhalb des Landes entspricht, wenn ein Schüler, der im Zuständigkeitsbereich des Schulträgers wohnt, eine Schule in Hamburg besucht. Lieber Peter Sönnichsen, es geht hierbei um eine Frage des Schullastenausgleichs. Der Schullastenausgleich ist in seiner Systematik auf Geben und Nehmen angelegt. Das ist das Prinzip.

Hier ist eine Situation entstanden, in der die Gemeinden geben und nichts bekommen, wenn zusätzliche Schüler aus anderen Teilen des Landes oder aus Hamburg kommen und diese Schule besuchen. Das muss man in dieser Systematik sehen.

(Beifall des Abgeordneten Günther Hilde- brand [FDP])

- Ich weiß nicht, ob ich dem Kollegen noch einmal an einem Beispiel erzählen soll, wie dieser Schullastenausgleich funktioniert.

(Zurufe von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

- Okay, dann sollte das klar sein. Es ist immer so, dass ein abgebender Schulträger, der seine Schülerinnen und Schüler nicht beschult, einen Schulkostenbeitrag an den aufnehmenden Schulträger leistet. Das ist eine Frage des sogenannten Finanzausgleichs. Herr Kollege Sönnichsen, ich gebe Ihnen recht, das ist keine Frage, die die Pädagogik oder die Bildung betrifft, sondern den Finanzausgleich zwischen den Gemeinden und den Schulträgern.

Wir wissen, auch was Sinn des Antrags der Grünen ist: Nicht geregelt ist der seltene Fall, dass Schülerinnen und Schüler, deren Wohnort Hamburg ist, Schulen in Schleswig-Holstein besuchen.

(Günther Hildebrand [FDP]: Das ist kein sel- tener Fall!)

- Ich weiß, dass dies in Quickborn und entlang der AKN durchaus häufig vorkommt, zum Beispiel was

(Peter Sönnichsen)

den Besuch der Quickborner Gymnasien angeht. Das ist mir bekannt.

Die Landesregierung hat zu Beginn des Jahres auf eine Kleine Anfrage der Kollegin Strehlau geantwortet, dass es keine analoge begünstigende Lösung für die betroffenen Kommunen und Schulträger in Schleswig-Holstein gibt. Diese gibt es nicht. Schulpendler aus Hamburg, die in Schleswig-Holstein zur Schule gehen, besuchen zum überwiegenden Teil Berufliche Schulen. Nur wenige hundert Schülerinnen und Schüler besuchen Gemeinschaftsschulen, Gymnasien, Privatschulen oder Förderschulen.

Die Grünen beantragen, das Schulgesetz dahin gehend zu ändern, dass in § 111 die Schulträger, also die Gemeinden und im Fall der Beruflichen Schulen die Kreise und kreisfreien Städte, die Pflichtträger sind, einen entsprechenden Erstattungsanspruch gegen das Land geltend machen können.

Wenn man so will, zieht das Land die Erstattungsbeiträge auch nur treuhänderisch für die Gemeinden ein, um sie an die privaten Schulen oder in diesem Fall an die Hansestadt Hamburg weiterzureichen.

Der Gesetzentwurf der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN folgt der Logik des § 113 des Schulgesetzes, weil es nicht recht und billig sein kann, dass das Land die kommunalen Schulträger in die Pflicht nimmt, wenn es darum geht, sie an Ausgleichszahlungen an Hamburg zu beteiligen, die gegengerechneten Einnahmen aus Hamburg aber einbehält, wenn der Schulträger durch zusätzliche Schüler belastet wird.

Die Landesregierung hat sich bei den Verhandlungen mit dem Hamburger Senat in den vergangenen Jahren schwergetan, die Zahl der Hamburger Schülerinnen und Schüler zu benennen, die eine Schule in Schleswig-Holstein besuchen. Ich hoffe - vielleicht kann der Minister dazu heute eine Aussage machen -, dass wir inzwischen eine etwas bessere Datenbasis haben.

Für meine Fraktion kann ich sagen, dass wir die Fehler in der Systematik des Schullastenausgleichs mit Hamburg erkennen. Wir haben Sympathie für diesen Gesetzentwurf. Ich denke, wir sollten im Bildungsausschuss und im Finanzausschuss darüber diskutieren, wie wir diese Kuh im Sinne unserer Gemeinden vom Eis bekommen.