Liebe Kolleginnen und Kollegen, die vorliegenden Anträge enthalten viele richtige Fragen. Es ist wichtig aufzuklären, ob wir in Schleswig-Holstein auch Leichen im Keller haben, wie es die Grünen wollen. Es ist richtig, nach den allgemeinen Kampagnen gegen Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit zu fragen, wie es die SPD macht. Es ist auch berechtigt, einen transparenteren staatlichen Umgang mit der Extremismusbekämpfung zu erwägen, wie die LINKEN es fordern. Gleichwohl will ich sagen, dass wir uns gewünscht hätten, dass alle Anträge im Ausschuss weiter beraten werden. Sollte dies nicht der Fall sein - vieles deutet darauf hin -, dann können wir dem Antrag der Fraktion der LINKEN so nicht zustimmen.
Gründlichkeit ist geboten. Das spricht dafür, dass die Anträge im Innen- und Rechtsausschuss erörtert und weiter diskutiert werden. Das Angebot des Innenministers, diese Diskussion weiter zu begleiten, sollten wir annehmen.
Bevor ich die Dreiminutenbeiträge aufrufe, weise ich darauf hin, dass der Herr Abgeordnete Jezewski eben in seiner Rede erklärt hat:
„V-Leute sind Vertrauensleute. Es sind Leute, denen wir vertrauen. Es sind Nazis, und es sind Mörder. Denen vertrauen wir.“
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte das bestätigen, was Minister Schlie hier ausgeführt hat. Das Wichtigste, worauf
die Menschen jetzt warten - ich habe in den letzten Tagen mit vielen türkischstämmigen Migrantenorganisationen, Vereinen und Verbänden, auch mit vielen Menschen aus meinem Umfeld, mit Nachbarn gesprochen -, ist Aufklärung. Sie wollen, dass das aufgeklärt wird. Sie wollen wissen, was in den letzten zehn Jahren genau passiert ist.
Es wäre ein wichtiges und gutes Zeichen, dass den Menschen gerade in den Opferfamilien ihre Würde zurückgegeben würde, wenn sich zum Beispiel Polizei oder auch die oberen Bediensteten bei den Familien dafür entschuldigten, dass sie diese Familien jahrzehntelang verdächtigt haben, Drogenhändler gewesen zu sein. Es ist in diese Richtung ermittelt worden. Diese Menschen mussten sich jahrzehntelang bei ihren Verwandten, Familienangehörigen und Nachbarn dafür rechtfertigen. Untersucht worden ist auch, ob sie Verbindungen zu Mafiaorganisationen gehabt haben. Das sind ehrbare Bürger gewesen, denen von heute auf morgen Drogenhändlertätigkeit oder Mafiabezüge oder sonst etwas nachgesagt wurde.
Das kränkt die Menschen neben dem Verlust, den sie in ihrer Familie hatten, zusätzlich. Gerade, wenn man sich überhaupt nicht in diesem Umfeld bewegt und nie etwas damit zu tun gehabt hat, ist das eine ganz besondere Schande. Sie wissen, dass Ehre im moslimisch-arabischen Spektrum einen anderen Hintergrund hat, wenn sie sich auf einmal hinstellen und rechtfertigen müssen und erklären müssen, dass sie keine Drogendealer sind, dass sie nichts mit Schutzgeld, Schmiergeld oder sonst irgendetwas zu tun haben. Es wäre wirklich ein ganz wichtiges Zeichen, wenn man sich bei diesen Menschen dafür entschuldigt, dass man sie sozusagen jahrzehntelang mit diesem Stempel auf ihren Stirnen hat herumlaufen lassen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, mir ist auch ganz besonders wichtig, auf etwas aufmerksam zu machen, was in diesem Land eigentlich Alltag ist: Verdrängen, Wegschauen und Ablenken. Das ist in der Regel die Wahl des Mittels, das wir nutzen, wenn Rassismus und Intoleranz gesehen werden. Jedes Wochenende können wir hier vor Clubs und Discotheken erleben, dass türkischstämmige oder diejenigen, die so aussehen - es kommt ja alles in einen Topf hinein -, vor den Clubs stehen und ihnen gesagt wird: Du bist Türke, du kommst hier nicht rein. Auch das Zücken des deutschen Personalausweises nutzt gar nichts. Sie kommen nicht rein. Sie müssen vor den Clubs bleiben.
Es gibt einen Fitnessclub, da gibt es eine Türkenquote. Wenn die erreicht wird, dürfen sich nicht mehr Migranten in diesem Club anmelden. Denn, wenn zu viele Türken da sind, kommen die Deutschen nicht mehr.
Man erlebt Diskriminierung in Behörden, in der Schule, auf der Straße. Eine Frau in Greifswald wurde angespuckt, weil sie asiatisch aussieht. Das ist etwas, wo wir alle mithelfen können, wo wir hingucken können. Wir wollen nicht verdrängen, wir wollen nicht wegschauen, und wir wollen nicht ablenken. Das können wir jeden Tag tun.
Ich weiß, es gibt Situationen, die Sie alle mit Sicherheit einmal erlebt haben, bei denen Sie sich vielleicht gedacht haben: Ist ja nicht ganz so schlimm. - Doch, es ist schlimm!
Ich bin 36 Jahre alt. Ich bin in diesem Land geboren und aufgewachsen. Ich bin Schleswig-Holsteinerin - mehr als alles andere. Wir wollen in diesem Land endlich akzeptiert werden. Wenn ich höre, dass Horst Seehofer im März dieses Jahres gesagt hat: „Wir werden uns gegen Zuwanderung in deutsche Sozialsysteme wehren - bis zur letzten Patrone“, dann hat das für mich einen ganz merkwürdigen Beigeschmack.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte zunächst der Kollegin Amtsberg für ihren Redebeitrag danken, der nicht nur sehr einfühlsam war, sondern auch sehr nachdenklich gemacht hat. Dass ich danach nicht geklatscht habe, hatte etwas damit zu tun, dass ich noch über das, was Sie gesagt haben, nachgedacht habe. Ich möchte das jetzt gern nachholen. Ich hätte Ihnen gern Beifall gespendet, weil Sie schon zu Beginn der Rede vor Schnellschüssen gewarnt haben, die sich teilweise wieder einschleichen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich möchte darauf hinweisen, dass nicht nur Deutsche mit Migrationshintergrund oder ausländische Mitbürgerinnen und Mitbürger von diesen Gewalttätern erschossen worden sind, sondern auch deutsche Polizeibeamte. Der Mord in Heilbronn an einer deutschen Polizei
beamtin geht auf das Konto dieser Täter. Und ich möchte von dieser Stelle aus mit gleicher Inbrunst den Angehörigen dieser Opfer mein Mitgefühl ausdrücken und damit überleiten zu dem, was der Kollege Jezewski gesagt.
Es sind Polizeibeamte, es sind Verfassungsschützer, die teilweise mit ihrem Leben oder mit dem Risiko, ihr Leben zu verlieren, dafür einstehen, dass der demokratische Rechtsstaat bestehen kann, damit der Staat nicht von Personen von der Kategorie, über die wir gerade reden, angegriffen werden kann. Ich verstehe deshalb nicht, Herr Jezewski - dafür sollten Sie sich vielleicht auch noch entschuldigen -, dass Sie erklärt haben: Verfassungsschützer schützten Mörder. Es ist unglaublich, mit welcher Inbrunst Sie eine solche Erklärung hier abgeben - unter dem Mantel der Meinungsfreiheit.
Herr Kollege Stegner, ich habe Herrn Schlie nicht so verstanden, dass er den sozialdemokratischen Innenministern einen Vorwurf machen wollte. Ich habe ihn so verstanden - und das ist auch mein Selbstverständnis, jedenfalls so, wie ich bisher die Sozialdemokratie eingeschätzt habe -, dass er in seiner Amtszeit ausschließen kann, dass es Bezüge dieser Art gegeben hat und er sich nicht vorstellen kann ich mir übrigens auch nicht -, dass es in Ihrer Amtszeit oder in der Amtszeit des Kollegen Wienholtz oder des Kollegen Buß - die ich auch alle persönlich kenne - solche Bezüge gegeben hat. Ich denke, das hat er gemeint, und dann sollten wir vielleicht aus dieser Frage etwas die Schärfe herausnehmen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, schlagartige Reflexe auf Vorgänge dieser Art helfen in der Tat nicht weiter. Wir kennen aus der Vergangenheit doch auch die Schwierigkeiten, mit denen der Staat trotz aller seiner Möglichkeiten dem Linksterrorismus - ich möchte die Begriffe links und rechts eigentlich gar nicht gebrauchen -, also den bereiten Gewalttätern, den radikalen Gewalttätern der 70er- und 80er-Jahre des letzten Jahrhunderts nicht beikommen konnte. Wir wissen, wie lange das gedauert hat, bis man festgestellt hat, welche Denkstrukturen da herrschen, welche Überlegungen es da gibt, damit man sie verfolgen konnte.
Wir erleben auf der anderen Seite ein Phänomen, das ich mir vorher so gar nicht habe vorstellen können. Ich habe mir nicht vorstellen können, gerade weil wir doch die rechte Szene sehr intensiv beobachten, dass sich kleine Gruppen herausbilden können, die eine Vielzahl von Tötungsdelikten über
einen so langen Zeitraum hinweg begehen können, ohne dass unsere Sicherheitsorgane und die Kriminalpolizei in der Lage sind, Spuren aufzunehmen, sie zu verfolgen und die Ermittlungen zu einem Abschluss zu bringen.
Es war ja auch nicht das Ergebnis von Ermittlungstätigkeit, dass diese Gruppe aufgeflogen ist, sondern das war reiner Zufall. Es war reiner Zufall. Wenn es in dem Haus keinen Brand gegeben hätte, wenn die Waffen vernichtet worden wären, wenn die Ceska-Pistole von den Tätern vernichtet worden wäre, dann hätten wir die Bezüge gar nicht herstellen können. Allein die Tatsache, dass wir über die Waffe eine Verbindung haben herstellen können, hat uns dazu gebracht, Morde in einen Zusammenhang zu bringen, bei denen vorher zunächst kein Zusammenhang gesehen worden ist.
Also tun wir nicht so - im Nachhinein ist man immer schlauer als vorher -, als hätten wir eine Patentlösung, sondern lassen Sie uns in Ruhe und mit Gelassenheit die Situation analysieren und fragen, wie die Zusammenarbeit der Sicherheitsbehörden bei der Abwehr solcher Tötungstaten, die wie auch immer motiviert sein sollten - Schizophrene, Paranoide, Irregeleitete von einer anderen Richtung verbessert werden kann beziehungsweise wie wir besser vorsorgen können. Das geht nicht, indem wir sofort ein NPD-Verbot fordern oder Verfassungsschutzämter auflösen oder auch nicht auflösen.
Herr Jezewski, ich gehöre so einem Gremium seit 20 Jahren an. Ich weiß wirklich, was das bedeutet. Wollen Sie wirklich ernsthaft öffentlich debattieren, wer überwacht wird? Wollen Sie denjenigen, die wir im Visier haben, vorher erklären, wie Sie sich verhalten sollen? - Herr Ministerpräsident, unterlassen Sie es, auf solche Einwürfe zu reagieren! Wenn wir es nicht unterlassen, auf solche Einwürfe zu reagieren, gestehen wir zu, dass diese eine Berechtigung haben. Und sie haben keine Berechtigung!
Seitdem ich politisch tätig bin, setze ich mich - wie viele andere hier auch, die meisten anderen, fast alle, die ich kenne - für den Erhalt dieser freiheitlichen demokratischen Grundordnung ein. Ich werde sie mit meinem Leben gegen Extremisten verteidigen, die sie beseitigen wollen, die Demokratie, Freiheit und Meinungsfreiheit mit ihrer verqueren Ideologie beseitigen wollen.
Ich wäre dankbar, wenn wir ausreichende Instrumente hätten, damit der Staat tatsächlich damit fertig werden kann. Denn wir haben gesehen, was pas
siert - nicht von innen heraus, aber von außen -, was passiert, wenn diese Instrumente nicht zur Verfügung stehen. Meine Damen und Herren, deshalb müssen wir in aller Ruhe die Sachlage analysieren, um zu Lösungen zu kommen, die uns weiterhelfen, und wir sollten uns politisch nicht so austauschen, wie das teilweise hier der Fall gewesen ist.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich will die Diskussion nicht weiterführen, ich will die Diskussion vor allen Dingen nicht anheizen. Herr Kollege Kubicki, wenn Sie verstanden haben sollten „Verfassungsschützer schützen Mörder“, dann ist das falsch. Ich habe gesagt: Die Frage stellt sich.
Ich bin nicht der Einzige, der gesagt hat, dass sich diese Frage stellt. Wir müssen das sehr genau untersuchen. Wenn sich herausstellt, dass das stimmt der Kollege Stegner hat das eben gesagt -, dann haben wir eine massive Staatskrise.
Ich habe vom Präsidenten einen Ordnungsruf für eine Äußerung erhalten. Ich möchte diesen Ordnungsruf zu dieser Äußerung nicht weiter kommentieren.
Ich möchte nur anmerken, dass am Ende der Äußerung, die kommentiert wurde, ein Ausrufezeichen und ein Fragezeichen stehen. Das möchte ich einfach nur so in den Raum stellen.