Protokoll der Sitzung vom 14.12.2011

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Fehlbeträge unserer Kommunen in Schleswig-Holstein belaufen sich für 2009 auf insgesamt 734 Millionen €. Die größten Schuldenpro

bleme konzentrieren sich in den vier kreisfreien Städten, in sieben von elf Kreisen und sieben weiteren Kommunen. Das heißt, 90 % dieser Fehlbeträge entfallen auf diese 18 Kommunen. Hier setzt der vorliegende Gesetzentwurf zur Konsolidierung der kommunalen Haushalte mit 95 Millionen € an. 75 Millionen € davon fließen in den Topf der Konsolidierungshilfe.

Die Finanzierung dieser 95 Millionen € wird von der kommunalen Familie größtenteils selbst erbracht. Wir haben dies das erste Mal in der Oktober-Tagung des Landtages diskutiert.

Auch aus Respekt vor der Solidarleistung aller Kommunen haben wir vor allem die kommunalen Landesverbände, verschiedene Bürgermeister und Vertreter der Selbstverwaltung zur Anhörung in den Innen- und Rechtsausschuss eingeladen. Es war uns wichtig, ihre Anregungen, aber auch ihre Kritik mit ihnen zu diskutieren.

Kritikpunkte waren vor allem: der Beitrag von zusätzlichen 15 Millionen € aus den Schlüsselzuweisungen; dass die konkrete Vertragsgestaltung noch zu unklar sei und einzelne strukturelle Besonderheiten der Kommunen nicht genügend berücksichtigt werden könnten; die Sorge, dass bisherige Konsolidierungsanstrengungen nicht gewürdigt werden; dass die Mitwirkungsmöglichkeiten der kommunalen Selbstverwaltung eingeschränkt werden könnten; zehn Jahre seien eine zu lange Vertragslaufzeit und dass nicht benötigte Mittel nur zwischen den beiden Säulen Konsolidierungshilfe und Fehlbetragszuweisung fließen sollten.

Mit dieser Kritik haben wir uns in den regierungstragenden Fraktionen auseinandergesetzt. Einige Feststellungen bewerten wir anders. Wir haben aber auch Kritikpunkte auf- und einige Änderungen in dem Gesetzentwurf vorgenommen. Dass der Beitrag von 15 Millionen € aus der Schlüsselmasse für die Kommunen schwer zu akzeptieren ist, verstehen wir. Es wäre uns auch lieber, wir könnten darauf verzichten. Doch unser Landeshaushalt bietet diese Möglichkeit leider nicht. Allerdings möchte ich auch darauf hinweisen, dass die Schlüsselzuweisungen 2012 gegenüber 2011 noch um cirka 57 Millionen € ansteigen werden.

Die Unklarheiten des Gesetzes zu den Vertragsausgestaltungen - wir haben das im Ausschuss auch heftig diskutiert - liegen allerdings in der Natur der Sache. Gerade weil die Voraussetzungen in den einzelnen Kommunen so unterschiedlich sind, und gerade weil wir diese Besonderheiten berücksichtigen müssen und wollen, ist es unmöglich,

(Ulrich Schippels)

schon im Gesetz Vertragsvorgaben festzulegen. Auch die bestehenden ganz verschiedenen Konsolidierungsprogramme der Kommunen müssen natürlich bei der Vertragsgestaltung berücksichtigt werden, und ganz ausdrücklich müssen auch die ehrenamtlichen Selbstverwaltungen den Verträgen vor ihrer Unterzeichnung zustimmen.

Eben weil diese Punkte im Gesetz nicht konkreter sein können, legen wir auch Wert auf die Mitwirkung des Landtages. Die Verträge, die mit den Konsolidierungskommunen geschlossen werden, sind den beteiligten Ausschüssen frühzeitig vorzulegen. So haben wir die Möglichkeit, uns zum Anwalt unserer Kommunen zu machen.

Selbstverständlich werden diese Verträge im Laufe der zehn Jahre immer wieder evaluiert werden. Auch darüber sind die Gremien des Landtages zu informieren.

Eine weitere Änderung des Gesetzentwurfes haben wir bei der Verwendung nicht benötigter Konsolidierungshilfen und Fehlbetragszuweisungen vorgenommen. Unser Änderungsantrag stellt klar, dass Konsolidierungshilfen und Fehlbetragszuweisungen keine kommunizierenden Röhren sind. Nicht benötigte Gelder fließen zurück in die allgemeine Schlüsselmasse und stehen damit wieder allen Kommunen zur Verfügung.

Ausgesprochen interessant waren auch die Stellungnahmen der Bürgermeister. Herr Saxe, Bürgermeister aus Lübeck, hat klargemacht, dass er dieses Gesetz begrüßt. Die anderen Vertreter der Kommunen sahen dies im Wesentlichen genauso. Bis auf den Oberbürgermeister Kiels, Herrn Albig, waren sich alle einig, dass dieses Gesetz milder sei und mehr Handlungsspielraum lasse als ein vom Innenministerium nicht genehmigter Haushalt.

(Beifall bei der CDU)

Für den Oberbürgermeister Kiels war das einzige Kriterium, dass die Stadt Kiel aus diesem Topf laut seiner Berechnung weniger Geld erhalten würde. Bedauerlicherweise hat Herr Albig hier mit falschen Zahlen gerechnet - warum auch immer. Denn hätte er richtig gerechnet, hätte er festgestellt, dass das so nicht stimmt. Im Übrigen sind Fehlbeträge auch kein Automatismus.

Es geht bei diesem Gesetz nicht nur darum, einfach mehr Geld zur Verfügung zu stellen. Es geht auch nicht um Bestrafung oder Belohnung bisheriger Sparanstrengungen, und es geht uns auch nicht darum, die Kommunen zu knebeln. Ganz im Gegenteil: Immer weiter steigende Defizite in den kom

munalen Haushalten knebeln und beschränken die Gestaltungsmöglichkeit der Kommunalvertretungen. Durch dieses Gesetz können wir den Kommunen dabei helfen, die aufgelaufenen Defizite abzubauen und wieder eigene Gestaltungsspielräume zu gewinnen. Wir erwarten jedoch auch, dass diejenigen, die diese Hilfen in Anspruch nehmen, deutliche Anstrengungen unternehmen, um ihre Defizite zu verringern,

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der FDP)

und dass sie sich dazu auch vertraglich verpflichten. Das verlangt im Übrigen auch die Solidarität mit den anderen Kommunen.

Wir werden also dem Gesetz in der geänderten Form zustimmen. Im Namen meiner Fraktion danke ich ganz ausdrücklich der Landesregierung für die Erarbeitung des Entwurfs und nicht zuletzt den kommunalen Landesverbänden für ihre konstruktive Mitarbeit.

(Beifall bei CDU und FDP)

Für die SPD-Fraktion hat Herr Abgeordneter Thomas Rother das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben nun die Gelegenheit, in zweiter Lesung über ein Gesetz zu entscheiden, das trotz des spröden Themas gerade auch in den letzten Tagen für sehr viel Aufmerksamkeit gesorgt hat.

Es ist so - das hat auch für Aufmerksamkeit gesorgt -, dass die Regierungsfraktionen entgegen ihrer bisherigen Praxis dazu übergegangen sind, Anhörungsverfahren zu verkürzen, um den Gesetzentwurf hier durchzupeitschen. Es war nicht gewünscht, ein eigenes schriftliches Anhörungsverfahren im Ausschuss durchzuführen. Und es war auch nicht gewünscht, betroffene Verbände wie Gewerkschaften und Sozialverbände anzuhören. Bei anderen Gelegenheiten wurden bei Anhörungen die Anzuhörendenlisten gern relativ nutzlos aufgebläht, erstaunlicherweise war das hier nicht der Fall. Nicht einmal diejenigen, die wirklich etwas zu sagen haben, durften ihre Anliegen hier vortragen. Die Oppositionsfraktionen haben dann eine Anhörung der zu Unrecht Verschmähten nachgeholt.

(Astrid Damerow)

In Bezug auf die schon oft genannte Eile zieht schon gar nicht das Argument, dass die betroffenen Gemeinden vielleicht noch in diesem Jahr für das Jahr 2012 haushaltswirksam eine Vereinbarung treffen wollten.

Zum einen hat die Landesregierung selbst in ihrem Entwurf ein Inkrafttreten zum 1. Januar 2012 hineingeschrieben, zum anderen sind die meisten kommunalen Haushalte sowieso schon beschlossen. Das sieht alles sehr nach Torschlusspanik aus, was wir hier vorgelegt bekommen haben.

Frau Damerow, wenn das Beteiligungsverfahren ernst genommen werden soll, dann müssen die Anregungen der Beteiligten Eingang in den Gesetzentwurf finden können. Das war offenkundig unerwünscht. Sie haben das, was vorgetragen worden ist, hier auch schön in einer Auflistung zur Kenntnis gegeben. Aber Sie haben nur in technischen Fragen nachgebessert und das Vertragsverfahren um eine Beteiligung des Innen- und Rechtssausschusses und des Finanzausschusses ergänzt - was auch immer das unter dem Strich bringen soll. Eine Reihe von anderen Fragen, gerade aus den Reihen der kommunalen Landesverbände, beispielsweise im Hinblick darauf, was denn genau ein Konsolidierungskonzept sei, was ein angemessener Eigenbeitrag der Kommunen sei oder bis wann eine Antragsstellung zu erfolgen habe, bleiben offen und sind in das Ermessen des Innenministeriums gestellt.

Die Gewerkschaften haben uns vorgetragen - Sie wollten das ja leider nicht hören -, dass sie ihre Arbeit bei einem auf zehn Jahre festgelegten Finanzrahmen weitgehend einstellen könnten. Jetzt verstehe ich auch die bereits erfolgte Kürzung bei der Freistellung von Personalräten ein Stück weit besser.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD)

Die Wohlfahrtsverbände hätten Ihnen vorgerechnet, welche Kostensteigerungen bei den kommunalen Pflichtaufgaben wie Jugendhilfe oder Eingliederungshilfe zu erwarten sind, wenn Sie freiwillige soziale Leistungen, die häufig einen präventiven Charakter haben, kürzen beziehungsweise streichen lassen.

Unabhängig davon ist das gesamte Konzept der Konsolidierungshilfen, sprich kommunale Schuldenbremse, grundsätzlich fragwürdig.

(Beifall der Abgeordneten Antje Jansen [DIE LINKE])

Auf EU-Ebene erfolgt eine Schuldenbremsenvereinbarung mit einer Ausnahme einvernehmlich, auf Bundes- und Landesebene war es ebenso; die neokonservative Rolle wurde hier von den LINKEN gespielt. Nun wird auf der kommunalen Ebene eine Schuldenbremse nicht vereinbart, sondern von oben verordnet. Die Selbstentleibung der kommunalen Selbstverwaltung soll zehn Jahre dauern. Die nächsten Kommunalwahlen wären dann in mancher Gemeinde oder manchem Kreis entbehrlich, weil hier faktisch der Innenminister regiert. Selbst wenn das ein Sozialdemokrat ist, ist das nicht richtig.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Unabhängig davon - Frau Damerow hat es angesprochen - bleibt es für manchen potenziellen Antragsteller fraglich, ob sich eine solche Vereinbarung mit dem Land tatsächlich lohnt. Herr Koch hat sich ja schon gemeldet; er wird uns vielleicht über das Zahlenwerk des Kieler Haushalts aufklären, das manchmal von der CDU-Ratsfraktion mitgetragen wird, manchmal auch nicht, wo Dinge falsch hinund hergeschoben worden sein sollen. Darauf warten wir mit Spannung.

Der Landesbeitrag mit 15 Millionen € ist mager, und der Griff in die Mittel des Finanzausgleichs rechnet sich für weniger Kommunen als vom Innenminister in seiner Vorlage genannt. Bei diesen wenigen - das hat auch die Anhörung ergeben scheiden sich dann Freund und Feind, und zwar nicht nach dem Parteibuch, sondern nach der Haushaltslage, wie dreckig es einem geht. Die bekannte Misere vieler Gemeinden ist nicht durch verantwortungsloses Handeln ihrer Vertretung, sondern durch unterschiedliche Strukturen im Lande bedingt, und genau dort sollte angesetzt werden. Vor einer Inanspruchnahme der Hilfen ist die Entscheidung des Selbstverwaltungsgremiums gesetzt - schön, dass Sie das erkannt haben.

Wir lehnen dieses Gesetz der Bürokratisierung, der unbestimmten Begriffe, der unklaren Vor- und Nachteile ab. Für uns sind eine Verwaltungsstrukturreform, die diesen Namen verdient, und die Beschreibung kommunaler Aufgaben und deren Finanzierung in einem übersichtlichen Gesetz verbunden mit dem schrittweisen Zurückfahren des Eingriffs in den kommunalen Finanzausgleich der bessere Weg.

(Beifall bei SPD und SSW)

Nur so werden die Anstrengungen der Kommunen bei der Konsolidierung und Sanierung der Haushalte ernst genommen. Nur so wird die kommunale

(Thomas Rother)

Selbstverwaltung wirklich gewährleistet. Nur so kann ein gemeinsamer Weg von Land und Gemeinden aus der Misere erfolgen. Schade, dass Sie auf Zuckerbrot und Peitsche setzen. Das passt eigentlich nicht mehr in das 21. Jahrhundert.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN, der LINKEN und SSW)

Für die FDP-Fraktion hat Frau Abgeordnete Katharina Loedige das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! So wie es das Ziel des Bundes ist, den fünf außerordentlich defizitären Ländern, zu denen leider auch unser Land Schleswig-Holstein gehört, aus dem finanziellen Schlamassel herauszuhelfen, muss es auch unser Ziel sein, den Kreisen, kreisfreien und kreisangehörigen Kommunen, die es seit Jahren aus eigener Kraft nicht mehr schaffen, einen ausgeglichenen Haushalt aufzustellen, aus dieser Abwärtsspirale herauszuhelfen.

Die Zeit dafür ist günstig: Die Steuerquellen sprudeln für die Gemeinden, Kreisumlage und Schlüsselzuweisungen steigen um insgesamt knapp 7 %. Die Wachstums- und Beschäftigungszahlen sind gut. Das Zinsniveau ist günstig. Der Konjunkturhimmel über Deutschland ist weiterhin blau-gelb. Zum ersten Mal seit ich mich erinnern kann entlastet der Bundesgesetzgeber die Trägerkommunen signifikant durch die Übernahme der Kosten der Grundsicherung, zwar in einzelnen Schritten, aber immerhin.

Das bei einigen Kommunen seit Jahren angesammelte Defizit ist aus eigener Kraft und mit den zurzeit zur Verfügung stehenden Instrumenten nicht mehr abzubauen. Das Ziel muss sein, sie bei der Haushaltskonsolidierung zu unterstützen - ähnlich wie es der Bund mit uns macht. Wir kommen bei einem anderen Tagesordnungspunkt noch dazu.

Dass Hilfestellungen durch das Land erfolgen müssen, ist allen Beteiligten klar. Ein Ergebnis der Anhörung war, dass keiner die Lage der betroffenen Kommunen anders einschätzt als das Land, als die Landesregierung. Es handelt sich hierbei um eine notwendige Maßnahme, die schon vor Jahren hätte ergriffen werden können und müssen.

(Beifall bei der FDP)

Doch eines muss auch klar sein: Kassieren, ohne zu sanieren beziehungsweise zu konsolidieren, geht nicht.

(Beifall bei FDP und CDU)