Protokoll der Sitzung vom 15.12.2011

denn ohne nachhaltiges Wachstum in allen Ländern wird die Schuldenkrise nicht überwunden. Wir

brauchen solidarisches Handeln, und wir brauchen eine EZB, die endlich mehr im Auge haben darf als die Inflation. Wir brauchen eine strengere Finanzmarktregulierung und einen Beitrag der Finanzwirtschaft zur Krisenbewältigung. Wir wollen die Finanztransaktionssteuer. Sie reden immer davon. In Wirklichkeit sind Sie froh, dass die Briten sie verhindern, denn Sie wollen diese gar nicht. Dabei ist sie notwendig, wenn wir in Wachstum und Beschäftigung, in Bildung sowie in soziale Infrastruktur und Kultut investieren wollen.

(Beifall bei der SPD)

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Kubicki?

Dass er heute schon wieder zu Fragen aufgelegt ist, wundert mich. Aber bitte, gern.

Herr Kollege Dr. Stegner, Sie legen mich immer zu allen möglichen Fragen auf. Was Sie angeht, bin ich aufgelegt zu fragen: Habe ich Sie in Ihrem Beitrag richtig verstanden, dass die SPD den Empfehlungen von Helmut Schmidt in Gänze folgen sollte? - Würden Sie mit mir die Auffassung teilen, dass Peer Steinbrück dann der nächste Kanzlerkandidat der SPD wäre?

- Ich habe bei Ihren Zwischenfragen bemerkt, dass Sie die Fragen so stellen, als seien Sie im Gerichtssaal, und dass man die Fragen mit Ja oder Nein zu beantworten hätte. Der Zusammenhang mit der Kanzlerkandidatur erschließt sich mir nicht. Mir würde es schon reichen, wenn Sie das kapieren und lernen könnten, was er zum Thema Europapolitik gesagt hat. Wenn Sie das annehmen könnten, dann hätten Sie ganz viel gelernt.

(Beifall bei der SPD)

Dann würde die Debatte, die Sie in Ihrer Partei über den Mitgliederentscheid führen, mit dem Sie in Ihrer Partei sehr merkwürdig umgehen, vielleicht nicht Angst und Schrecken auslösen, sondern die FDP würde wieder die Rolle spielen, die sie früher einmal als proeuropäische Partei gespielt hat. Hier könnten Sie eine Menge von Helmut Schmidt lernen.

(Beifall bei der SPD)

(Dr. Ralf Stegner)

Insofern ist es mir eine große Freude, dass ich Ihnen heute Morgen einen Teil dieses Lernerfolgs vermitteln konnte.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, es geht um das Primat der Politik. In Europa müssen demokratische Entscheidungen gegen die Herrschaft der Finanzmärkte gesetzt werden. Wir müssen dafür sorgen, dass die Menschen in Europa wieder eine Zukunft haben und dass sie das Vertrauen in die demokratischen Entscheidungen zurückgewinnen. Wir brauchen jetzt nicht weniger Europa, sondern wir brauchen mehr Europa. Das muss man mutiger verfolgen. Man darf nicht aus innenpolitischer Rücksichtnahme oder weil man sich fürchtet, wie dies beschrieben wird, darauf verzichten, dafür zu werben.

(Beifall bei der SPD)

Das ist der Grund dafür, warum meine Fraktion diesen Antrag formuliert hat. Ich glaube, es beginnt hier in Schleswig-Holstein, dass wir uns entsprechend europäisch verhalten. Der Finanzminister wird dies vielleicht auch tun. Es beginnt vielleicht hier, dass sich die Regierung und die Regierungsfraktionen ihr Gerede dahingehend, man wolle nicht wie Griechenland werden, einmal überlegen. Vielleicht überlegen sich die Regierung und die Regierungsfraktionen einmal, ob die merkwürdige Art, mit der sie sich mit diesen Themen beschäftigen, nicht vielleicht ein bisschen fantasielos ist und ob man nicht dazu beitragen könnte.

Die gestrige Debatte über Minderheitenpolitik in diesem Hause hat gezeigt, wo Sie - was das europäische Verständnis angeht - noch Nachholbedarf haben. Hier sind Sie weit zurückgefallen. Nehmen Sie sich ein Beispiel an anderen. Ich bitte herzlich um Zustimmung zu unserem Antrag. Ich glaube, wir können noch einen großen Schritt in die Richtung von mehr Europa machen. Wir müssen begreifen, dass dies eine politische Aufgabe für unsere Generation ist, die wir in jedem Punkt zu erfüllen haben.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und des Abgeordneten Lars Harms [SSW])

Für die CDU-Fraktion erteile ich Herrn Abgeordneten Niclas Herbst das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich glaube, es gab und gibt große Europapolitiker in der SPD. Es gibt auch in der jetzigen Landtagsfraktion durchaus Kolleginnen und Kollegin, die Europa im Herzen tragen und Ahnung von der Materie haben. Es wäre gut gewesen, wenn heute einer von diesen hätte reden dürfen.

(Beifall bei CDU und FDP)

Ich habe mich gefragt, was das Ziel dieses Antrags ist. Ich bin davon ausgegangen, dass das Ziel ist, dass wir einmal grundsätzlich über die europäische Idee reden, denn dies ist in diesen Tagen notwendig, in denen man immer nur über Börsenkurse und über Stabilisierungsmaßnahmen redet. Ich habe jetzt herausgefunden, dass es eigentlich nur darum ging, wieder einmal Ihre Rolle als politischer Alpharüde in der SPD zu untermauern. Das ist schade, denn das Thema hat mehr verdient.

(Beifall bei der CDU)

Der Antrag der SPD bezieht sich im Wesentlichen auf die Ergebnisse des vorletzten EU-Gipfels.

(Zuruf des Abgeordneten Detlef Matthiessen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] - Wider- spruch des Abgeordneten Wolfgang Kubicki [FDP] - Zuruf des Abgeordneten Detlef Mat- thiessen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

- Lieber Kollege Matthiessen, unser Änderungsantrag bezieht sich im Wesentlichen auf die aktuelleren Ergebnisse.

(Zuruf des Abgeordneten Detlef Matthiessen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Herr Kollege Matthiessen, das Wort hat zurzeit Herr Abgeordneter Niclas Herbst.

Ich habe bisher eine Minute und zwölf Sekunden geredet. Vielleicht bewerten Sie meine Rede am Ende, das wäre sehr nett und kollegial.

Unser Änderungsantrag betrifft die Ergebnisse des letzten EU-Gipfels, und diese sind wirklich bemerkenswert. Wir haben den Einstieg in eine echte Fiskalunion geschafft. Wie wegweisend dies war, was für ein Durchbruch dies ist, können Sie sich vorstellen, wenn Sie sich einmal anschauen, wer vor einem Jahr davon geredet hat, dass wir dies erreichen. Wir sind jetzt soweit, dass wir uns gegensei

(Dr. Ralf Stegner)

tig versprechen, unsere Haushalte wieder in Ordnung zu bringen.

Solidarität ist nämlich keine Einbahnstraße, und das ist die entgegenkommende Straße. Wir sagen eben nicht nur: Starke Schultern müssen helfen. Das müssen sie, und das müssen wir den Bürgern auch erklären. Die CDU hat keinen Nachholbedarf dabei, dies in der Öffentlichkeit zu sagen. Es geht aber auch darum, Menschen - Politiker - in die Pflicht zu nehmen. Nur so schaffen wir es, die Macht der Märkte zu brechen, was unser gemeinsames Ziel ist. Solidarität ist also keine Einbahnstraße. Die Fiskalunion, wie sie von Angela Merkel und Nicolas Sarkozy eingeführt wurde und von der beide bereits viele Länder überzeugt haben, ist die Antwort auf die Transferunion. Davon sind wir überzeugt, und das ist die Antwort auf die Probleme Europas.

(Beifall bei der CDU)

Sie haben die Finanzmärkte sowie die Finanztransaktionssteuer angesprochen.. Wenn Sie sich das Europaparlament anschauen, wenn Sie sich anschauen, wer dort wie abgestimmt hat, dann sehen Sie, dass dies gar kein großes Kampfthema mehr ist. Wenn wir uns die Ergebnisse des letzten EUGipfels anschauen, dann müssen Sie doch sehen, dass es jemanden - nämlich David Cameron - gab, der Lobbyist für seinen Finanzmarkt war, nämlich die City of London, den größten Finanzmarkt Europas, aber auf ihn wurde nicht gehört. Anders als früher - wie zum Beispiel beim Briten-Rabatt - haben die anderen europäischen Staaten darauf keine Rücksicht genommen. Das ist ein echter Fortschritt, den Sie hätten würdigen können.

(Beifall bei der CDU)

Ich will die Intention des Antrags durchaus würdigen, auch wenn solche Sätze wie „Menschen in Europa müssen wieder eine Zukunft haben“ in ihrer Allgemeinheit vielleicht ein bisschen schlicht sind. Wir sind auch für Zukunft. Wir sind für eine Zukunft, die gut ist für alle. Wir sind auch für eine Zukunft mit Zukunft, aber ein bisschen konkreter darf es sein.

Deshalb haben wir in unserem Antrag, den Sie vielleicht gelesen haben, die aus unserer Sicht positiven Punkte hervorgehoben, die wir hier würdigen wollen. Mit Ihrem Antrag und Ihrer Rede wollen Sie versuchen, so etwas wie einen deutsch-nationalen Angriff seitens der liberal-konservativen Regierungen Europas zu konstruieren. Da sind Sie in einer merkwürdigen Koalition mit Herrn Kaczynski. Darüber sollten Sie einmal nachdenken.

(Beifall bei CDU und FDP)

Wenn wir das Zustandekommen der EU-GipfelErgebnisse anschauen, dann müssen Sie sehen, dass - das ist nicht selbstverständlich angesichts der verschiedenen Positionen, die es vorher gab - es eine deutsch-französische Position gab. Das hat nichts mit Dominanz zu tun, sondern mit Verantwortung. Die erstgrößte und die zweitgrößte Volkswirtschaft Europas haben angesichts ihrer schlimmen Geschichte - die Auseinandersetzungen zwischen Deutschland und Frankreich hätten fast den ganzen Kontinent vernichtet - eine Verantwortung, und dieser Verantwortung sind sie gerecht geworden. Das ist keine Dominanz, das ist Verantwortung.

(Beifall bei CDU und FDP)

Die Frage ist also: Was können wir auch hier tun? Ich will jetzt nicht den Eindruck erwecken, als wäre die Schuldenbremse die Antwort auf jede politische Frage, aber hier ist sie ein ganz zentrales Element. Wenn wir uns fragen, was wir in SchleswigHolstein tun können, so ist das natürlich, dass wir unseren Haushalt in Ordnung bringen, so wie alle Ebenen in Europa das jetzt tun sollten.

Der Antrag, den wir vorgelegt haben, geht nicht auf den vorletzten, sondern den aktuellen Gipfel ein. Er zeigt auf, dass die Ergebnisse dieses Gipfels weitreichende und positive Wirkung auf Europa und die Stabilisierung Europas haben werden. Man darf nicht erwarten, dass EU-Gipfel an einem Tag zu Ergebnissen führen, sondern es geht darum, langfristige Wege einzuschlagen. Die Verschuldung ist nicht über Nacht gekommen, und es ist immer leichter, sich zu verschulden, als zu entschulden. Da stehen wir vor einem langen Weg. Die Ergebnisse des letzten Gipfels sind ein gutes Signal für ein starkes Europa, weil sie aufzeigen, wie die Lösung aussehen kann. Es wird ein langer Weg. Wir sollten gemeinsam daran arbeiten.

(Beifall bei CDU und FDP)

Meine Damen und Herren, auf der Zuschauertribüne begrüße ich Schülerinnen und Schüler der Regionalschule Plön. - Seien Sie uns herzlich willkommen im Schleswig-Holsteinischen Landtag!

(Beifall)

Für die FDP-Fraktion erteile ich dem Fraktionsvorsitzenden Wolfgang Kubicki das Wort.

(Niclas Herbst)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe mich genauso wie die Kolleginnen und Kollegen aus der Unionsfraktion gefragt, was die SPD-Fraktion mit ihrem Antrag eigentlich bezweckt. Herr Kollege Dr. Stegner, ich hätte mir gewünscht, Sie hätten die Gelegenheit genutzt, einmal wirklich wieder eine gute Rede zu halten mit Perspektiven und wären nicht in den altbekannten demagogisch-polemischen Stil verfallen, für alles, was in der Welt schlecht ist, CDU und FDP verantwortlich zu machen und zu suggerieren, die SPD wäre der Lösung Weisheit.

Ich habe die Rede von Helmut Schmidt auf dem Bundesparteitag der SPD mit hohem Genuss zur Kenntnis genommen und kann vielen seiner Ausführungen zustimmen. Es gibt einige Punkte, bei denen ich anderer Auffassung bin; darüber kann man sachlich streiten, ohne das mit Polemik austragen zu müssen. Ich habe festgestellt: In der SPD gibt es wirklich noch gute Leute; bedauerlicherweise sind sie über 90.

(Beifall bei der FDP und des Abgeordneten Tobias Koch [CDU])

Herr Kollege Dr. Stegner, wenn Sie bei der Rede von Helmut Schmidt zugehört hätten, hätten Sie gehört, dass die Staatsschuldenkrise in Europa nicht überwunden werden kann ohne die Entfachung einer neuen Wachstumsdynamik. Ich hätte mir gewünscht, Sie würden einmal begreifen, was das Entfalten von Wachstumsdynamik fürs Land, für die Bundesrepublik Deutschland und auch für Europa bedeutet.