Protokoll der Sitzung vom 25.01.2012

Also noch einmal, Herr Dr. Stegner: Es ist nichts Neues, wenn Sie der deutschen und der schleswigholsteinischen Bevölkerung mitteilen wollen, dass Sie sich in der SPD einmal durchgesetzt haben. Das können wir gern alle beklatschen. Aber uns wäre viel erspart geblieben, wenn es Ihnen bereits früher gelungen wäre, als Sie sich in der Großen Koalition in Kiel durchgesetzt hatten, aber auf Bundesebene offensichtlich nicht so stark waren, einen falschen Weg, wie Sie ihn heute skizzieren, zu verhindern.

(Beifall bei der FDP)

Meine Damen und Herren, auf der Zuschauertribüne begrüße ich Schülerinnen und Schüler des Gymnasiums Eckhorst, Bargteheide, sowie Soldatinnen und Soldaten des Schießausbildungszentrums Todendorf. - Seien Sie uns herzlich willkommen im Schleswig-Holsteinischen Landtag!

(Beifall)

Das Wort erteile ich jetzt dem Vorsitzenden der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Herrn Abgeordneten Dr. Robert Habeck.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kubicki, ich bin verwundert über ihre Prioritätensetzung, dass Sie Ihre Rede damit beginnen, die Frage, wie wir die Bildung finanzieren, sei nicht das wichtigste Problem des Landes. Das schlägt dem Fass den Boden aus.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Zurufe von der FDP)

- Ja, wir sind in der Aktuellen Stunde. Ich komme darauf noch. Ein Unternehmen muss nur mal ein bisschen jammern, dass es seine Wünsche nicht erfüllt bekommt, und Sie springen wie Rumpelstilzchen aus der Kiste, und wir fassen hier im Landtag einen Beschluss, der die Zukunft des Landes existenziell berührt. 13 Monate Duldsamkeit besitzen Sie da; das zeigt Ihre Prioritätenliste. Das ist völlig falsch!

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Aktuelle Stunde ist notwendig, weil gemessen an dem Vorgehen der Landesregierung die GMSH heute Morgen schnell war, als sie diese Boxen in fünf Stunden Arbeit installiert hat. Was aber nicht

(Wolfgang Kubicki)

sein kann, das ist die Geste der Selbstgerechtigkeit, mit der der Wissenschafts- und Wirtschaftsminister vor die Presse tritt und sagt: „Ich kümmere mich jetzt um die Aufhebung des Kooperationsverbots.“ Das ist ein Landtagsbeschluss, der lange verzögert wurde, der ausgesessen wurde. Und ich garantiere Ihnen: Hätten wir keine Neuwahlen, dann hätte es diesen Zeitplan auch nicht gegeben. Wir hätten diese Debatte heute nicht, nichts hätten wir erreicht.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Zuruf von Ministerpräsident Peter Harry Car- stensen)

- Das kann nicht nur sein, Herr Carstensen, sondern es ist ganz genau so.

Ich weise noch einmal auf das hin, was wir damals vor 13 Monaten beschlossen haben. Das Zitat lautet mit Verlaub: „Bestehende verfassungsrechtliche Hindernisse bei einer finanziellen Förderung dieses Zieles durch den Bund“ sollten schnellstmöglich beseitigt werden. Und was macht das Ministerium? - Nichts. Es legt die Hände in den Schoß. Hätte, wenn und aber - alles nur Gelaber. Und dann kommt Herr de Jager und sagt: „Ich werde es machen. Ich rette Schleswig-Holstein durch die Aufhebung des Kooperationsverbots“. Wir wissen, dass wir mehr Geld für die Bildung brauchen. Deswegen kann ich es Ihnen nicht ersparen, Herr Kubicki und Herr Carstensen, noch einmal darauf hinzuweisen, dass Sie am Anfang dieser Legislaturperiode im Tausch gegen das Wachstumsbeschleunigungsgesetz gesagt haben, dem Land kämen jährlich 100 Millionen € für Bildungsinvestitionen zu. Das ist eine schriftliche Auskunft Ihrer Landesregierung, Herr Carstensen. Wenn es nicht stimmt wir haben es ja schriftlich, wir haben es schwarz auf weiß in der Kleinen Anfrage -, dann haben Sie das Parlament getäuscht.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Zurufe von der CDU: Oh, oh!)

Bei dem Kaffeetrinken mit Frau Merkel ist nichts herausgekommen; es war ein billiges Abspeisen.

Damit das nicht passiert, damit man sich nicht als Minister hier hinstellt und sich für 13 Monate Schlaflosigkeit auch noch feiern lässt, halten wir es für unbedingt erforderlich, dass wir das im Ältestenrat beantragte Verfahren in Gang bringen und man im Parlament nicht die Hand hebt für etwas, was man als Regierungsabgeordneter dann verschlampt. Wir finden es richtig, wenn es ein Weisungsrecht des Parlaments an die Regierung gibt, damit das nicht wieder passiert.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir würden uns freuen, wenn das noch in dieser Legislaturperiode auf den Weg gebracht werden könnte, damit die kommende Opposition mehr Rechte hat als die hiesige Opposition. Insofern hoffe ich, dass Sie zustimmen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Zurufe von CDU und FDP)

Das Wort für die Fraktion DIE LINKE erteile ich Herrn Abgeordneten Ulrich Schippels.

Vielen Dank, Herr Präsident. Ich bin mir nicht so sicher, ob dies eine gute Aktuelle Stunde wird, aber wir sind noch nicht am Ende. Als ich zum ersten Mal von dem Antrag der SPD auf eine Aktuelle Stunde gehört hatte, hatte ich ein kleines Déjà-vuErlebnis. Ich dachte: Moment mal, vor Kurzem hatten wir doch eine kleine Aktuelle Stunde, die von der CDU und von der FDP initiiert wurde. Es ging damals um das Thema CCS. Diese Aktuelle Stunde wurde damals von Ihnen beantragt. Sie wollten damit offensichtlich noch einmal dokumentieren, dass Sie im Hinblick auf die Durchsetzung schleswigholsteinischer Interessen beim Bund - Stichwort Länderklausel und CCS - komplett versagt haben. Das ist Ihnen damals richtig gut gelungen.

Nun gibt es durch die SPD eine Aktuelle Stunde. Auch hier dachte ich mir: Was soll dies an dieser Stelle? - Wer hat damals das Kooperationsverbot verursacht? - Wer hat damals im Rahmen der Großen Koalition in Berlin damit zu tun gehabt? Wie hat sich damals die SPD in Berlin dazu verhalten? - Das ist übrigens genau so wie bei der Einführung der Föderalismusreform II. Die Einführung der Schuldenbremse ist ein Eigentor für SchleswigHolstein gewesen, und auch bei der Föderalismusreform I war das Kooperationsverbot ein Eigentor.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir brauchen endlich einheitliche Lebensverhältnisse in Deutschland, und zwar im Norden wie im Süden, im Osten wie im Westen. Hier brauchen wir eine Angleichung. Das ist die Voraussetzung für ein selbstbestimmtes und freies Leben durch ein gut ausfinanziertes Bildungssystem.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich schaue mir die Debatte hier im Haus an, und zwar den Abbruch, den wir durch CDU und FDP

(Dr. Robert Habeck)

bei der Bildung jetzt schon erlebt haben. All dies wurde diskutiert und unter den Deckmantel der sogenannten Haushaltskonsolidierung gestellt. Wenn ich mir dies anschaue, dann sehe ich: Dies ist der deutlichste Beleg dafür, dass das Kooperationsverbot eine große Eselei war. Wer hat es angerührt? - Es war die damalige Große Koalition. Ich habe es schon gesagt. Auch wenn es in Schleswig-Holstein zusammen mit Mecklenburg-Vorpommern damals mutig gelungen ist, eine Enthaltung im Bundesrat durchzusetzen, so hat dies leider nichts, aber auch gar nichts gebracht.

Auch über den Antrag war ich etwas irritiert. Es gibt doch noch drei Anträge im Verfahren zum Kooperationsverbot. Diese liegen in den Ausschüssen. Ehrlich gesagt, ich finde das ein bisschen albern. Dies wird aber noch durch die Reaktion der Regierung getoppt. Dazu komme ich gleich. Sie haben es selbst gesagt: Das alles geschieht nur, weil sich der Kandidat der CDU auf Bundesebene bei dem Thema nicht durchsetzen konnte. Das hat aber keinen Neuigkeitswert. Wann konnten sich die CDU oder die FDP auf Bundesebene mit ihren Positionen schon durchsetzen? - Dazu fällt mir nicht viel ein. Das ist übrigens auch kein Privileg von CDU und FDP. Liebe Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten, ich erinnere zum Beispiel an Ihren Kampf für eine gerechte Erbschaft-steuer. Da sind Sie bei Schröder und bei der Großen Koalition auch ordentlich auf Granit gestoßen.

Ich möchte die Gelegenheit nutzen, um auf die Umsetzung des Antrags einzugehen, der vor 13 Monaten gestellt wurde. Das ist ein Anlass, bei dem man fragen kann: Hoppla, was ist damals passiert? Herr Stegner, hier gebe ich Ihnen selbstverständlich recht. Es ist schon peinlich, dass die Landesregierung 13 Monate lang gar nichts tut. Vielleicht hat das auch etwas mit der Formulierung des damaligen Antrags zu tun? - Dort stand nämlich drin: Die Landesregierung wird gebeten. Die Landesregierung wurde nicht aufgefordert, sondern sie wurde gebeten. Die Landesregierung hat gesagt: Nein, das machen wir nicht.

Herr Habeck hat es schon gesagt: Wir brauchen das, was in der Stuttgarter Erklärung des Landtagspräsidenten und jetzt auch in dem Papier „Parlamentarismus im Wandel“ gefordert wird. Wir brauchen eine Verfassungsänderung. Es ist unerträglich, wenn sich welche Regierung auch immer über die Forderungen oder Bitten des Landtags erhebt, diese einfach ignoriert und nicht bereit ist, auch nur einen Finger zu krümmen, um die Beschlüsse des Landtags umzusetzen.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir brauchen endlich eine Weisungsbefugnis des Landtags gegenüber der Landesregierung in Bundesratsangelegenheiten.

(Beifall bei der LINKEN)

Parlamentarismus im Wandel bedeutet mehr Mitbestimmung der Menschen vor Ort. Es bedeutet aber ebenso die Stärkung des Landtags gegenüber der Regierung. Dann klappt es vielleicht auch mit dem Kippen des Kooperationsverbots.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich erteile der Vorsitzenden der SSW-Fraktion, der Frau Abgeordneten Anke Spoorendonk, das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn man sich die Mühe machen würde, nachzurechnen, wie oft wir in den letzten zwölf Monaten bei Bildungsthemen im Landtag oder im Bildungsausschuss die Notwendigkeit, das Kooperationsverbot zu kippen, heraufbeschworen haben, dann wird man - so denke ich - ohne Weiteres auf eine zweistellige Zahl kommen. Selten hat es einen größeren fraktionsübergreifenden Konsens gegeben als in dieser Frage. Darum denke ich, dass es nicht zielführend ist, jetzt ein solches Schwarzer-Peter-Spiel zu spielen, wie der Kollege Kubicki dies vorhin machte.

(Beifall der Abgeordneten Susanne Herold [CDU])

- Ja, ja! Warte mit dem Klatschen.

(Heiterkeit)

Es war vorhersehbar, dass der Kollege Kubicki dies sagen wollte. Darum sage ich noch einmal: Fakt ist, dass die Landesregierung erst gestern einen Antrag für den Bundesrat zum Thema Bildungsföderalismus veröffentlicht hat. Liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist eindeutig zu spät. Das ist eine Missachtung des Parlaments, denn wir wissen es und haben es heute noch einmal zu wissen bekommen: Schon im Dezember 2010 haben wir die Landesregierung einvernehmlich aufgefordert, zu handeln und diesen Weg zu gehen. Spätestens nach der Verabschiedung des Wahlgesetzes hätte die Landesregierung sich darüber im Klaren sein müssen, dass es gilt, in die Puschen zu kommen, denn diese

(Ulrich Schippels)

Wahlperiode wird nicht 5 Jahre dauern. Das weiß man, das wusste man damals.

Was bleibt, ist die Feststellung, dass sehr viel Zeit verlorengegangen ist; Zeit, die man hätte nutzen können, um auf dem Berliner Parkett Beharrlichkeit und Stehvermögen zu zeigen.

Ich könnte auch sagen: Wenn die regierungstragenden Fraktionen - nicht zuletzt die Kollegen Arp und Kubicki - bei dem Unternehmen, das Kooperationsverbot aufzuheben, genauso viel Energie verwendet hätten wie beim Glücksspielvertrag, dann wären wir sehr viel weiter.

(Beifall bei SSW, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und der LINKEN)

Die Bundesratsinitiative der Landesregierung fällt daher in die Kategorie von weißer Salbe. Sie wird nichts bewirken und ist ein reiner Schaufensterantrag. Sie wird der Diskontinuität anheimfallen, oder glauben einige hier im Ernst, dass man bis zum 6. Mai noch etwas bewegen kann? - Darum sage ich: Tröstlich ist, dass jetzt auch in Berlin erkannt wird, dass eine stärkere Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern in der Bildungspolitik notwendig und unabdingbar ist und dass das Kooperationsverbot, das 2006 in das Grundgesetz aufgenommen wurde, sich als kontraproduktiv herausgestellt hat. Es ist zu hoffen, dass diese Erkenntnis wächst.

Frau Abgeordnete, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Wolfgang Kubicki?