Protokoll der Sitzung vom 25.01.2012

Um dieser Schädigung der Waldbestände Rechnung zu tragen und gleichzeitig Bürokratie abzubauen, haben wir mit dieser Novelle die Möglichkeit geschaffen, die genehmigten Abschusspläne um 30 % nach oben zu überschreiten, ohne dass es einer erneuten Genehmigung bedarf - wie es bisher der Fall ist.

Die FDP wäre auch durchaus bereit gewesen, auf Obergrenzen beim Schalenwild, insbesondere beim Rehwild, ganz zu verzichten, sieht aber die gefundene Regelung als einen guten Kompromiss an, zumal auch die Möglichkeit besteht, eine weitere

(Sandra Redmann)

Überschreitung der Abschusszahl unbürokratisch zu beantragen.

(Vereinzelter Beifall bei FDP und CDU)

Auch die Möglichkeit, die Abschusspläne für drei aufeinanderfolgende Jahre festzusetzen und innerhalb dieser drei Jahre die Abschüsse flexibel zu gestalten, ist ein weiterer Schritt zur Vereinfachung und Entbürokratisierung der Jagdausübung. Das häufige Problem zu großer Rehwildbestände entsteht meist bei der Aufstellung der Abschusspläne. Sie basieren auf zu ungenauer Bestandsschätzung oder -zählung, die dann wiederum dazu führen, dass eine zu geringe Zahl zum Abschuss freigegeben wird. Damit erhöhen sich die Bestände, und die Verbiss- und Schälschäden nehmen zu - zum Ärger der Waldbesitzer.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, einen weiteren Abbau von bürokratischen Hemmnissen haben wir im Bereich des Aussetzens von Wild vorgenommen. Seit 1999 musste die Aussetzung von Wild grundsätzlich durch die obere Naturschutzbehörde genehmigt werden, ist jedoch lediglich beim Aussetzen von Birkwild zur Anwendung gekommen. Aus Sicht der Koalition wird dem Tierschutz, aber dadurch auch einer Genehmigungsregelung Rechnung getragen.

Ich möchte gern noch zwei zentrale Aspekte ansprechen, die wir in den vorliegenden Entwurf eingearbeitet haben. Das von uns zunächst vorgesehene erweiterte Betretungsrecht von Privatgrundstücken durch die Jagdbehörde wurde nicht übernommen, so darf die Jagdbehörde private Grundstücke nach wie vor nur mit Genehmigung betreten.

(Beifall bei der FDP)

Weiter wurde Kritik geäußert, dass der Einsatz von bleihaltiger Munition nicht ausgeschlossen wurde. Warum haben wir das nicht berücksichtigt? - Die Koalition möchte zunächst die jetzt vom Bundesrat angesetzte Untersuchung zur Giftigkeit - Toxizität von Ersatzstoffen wie zum Beispiel Kupfer abwarten. Es ergibt keinen Sinn, jetzt schon bleihaltige Munition zu verbieten, ohne dass die Ergebnisse der Studie vorliegen, die die Wirkung verschiedener Materialien auf Mensch und Tier prüfen. Die FDP-Fraktion hätte gern eine Übergangsregelung in das Gesetz aufgenommen. Wir haben allerdings die Regelung beibehalten, dass auch in Zukunft auf Wasserwild nicht mit bleihaltiger Munition geschossen werden darf. Ich bin davon überzeugt, dass in absehbarer Zeit ganz auf bleihaltige Munition verzichtet werden kann. Aber dieses muss auch entsprechend durch Untersuchungen belegt werden.

Zum Schluss - in Anlehnung an Friedrich Schillers Wilhelm Tell - noch zwei neue Regelungen, die unwaidmännisches Verhalten verhindern sollen. Zum einen ist das Schießen mit Bolzen und Pfeilen verboten. Zum anderen zitiere ich aus der Drucksache 17/1710 in Bezug auf den vermehrten Bau von Querungshilfen für die Tierwelt an Bundesautobahnen und Straßen:

,,Es entspricht nicht den Grundsätzen der deutschen Waidgerechtigkeit, dass an derartigen Zwangswechseln des Wildes von Ansitzeinrichtungen aus Abschüsse getätigt werden."

Sie sehen also, wir wollen eine faire Jagd und dem Wild eine faire Chance geben, deshalb also nicht, dass man am Ausgang dieser Brücken schon auf das querende Wild wartet.

Herr Kollege, kommen Sie bitte zum Schluss!

Ich komme zum Schluss.

Noch einmal zu Bolzen und Pfeilen: Ich habe noch einmal gegoogelt, um die Frage zu klären, womit Wilhelm Tell geschossen hat, mit einem Pfeil oder mit einem Bolzen. Ich schlage Ihnen vor, versuchen Sie auch einmal, das herauszufinden, dann werden wir weitersehen.

(Heiterkeit)

Ich freue mich -

Herr Kollege, Ihre Redezeit ist abgelaufen.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat Frau Abgeordnete Marlies Fritzen das Wort.

Vielen Dank, Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Hildebrand, als Germanistin ist mir erinnerlich, dass Wilhelm Tell einen Apfel „erlegt“ hat. Ich wusste nicht, dass die Äpfel neuerdings zu den jagdbaren Arten gehören. Insofern müssten wir uns darüber noch einmal gesondert unterhalten.

(Heiterkeit)

(Günther Hildebrand)

Sie von CDU und FDP haben mit diesem Jagdgesetz - wie üblich im Umweltbereich - ins SchwarzGelbe getroffen, gleichzeitig bedeutet das aber auch: völlig daneben. Das bestehende Landesjagdgesetz ist in der Tat - die Kollegin Redmann hat es gesagt - reformbedürftig. Wir brauchen ein modernes Jagdgesetz, das auch den Ansprüchen des Tierschutzes und des Natur- und Artenschutzes gerecht wird. All dies leistet Ihr Entwurf nicht.

Nicht einmal mit dem von Ihnen beschlossenen Waldgesetz ist dieses Jagdgesetz vereinbar. Dort ist eine naturnahe Bewirtschaftung der Wälder als Ziel festgelegt. Zur guten fachlichen Praxis gehört die Anpassung der Wilddichten an die natürliche Biotopkapazität der Waldökosysteme.

So haben Sie es in § 5 Abs. 2 Nr. 7 Waldgesetz festgelegt. Und wir haben in der Tat in SchleswigHolstein - nicht nur hier, sondern auch in anderen Bundesländern - massive Probleme mit zu hohen Wildbeständen in den Wäldern, die eine Naturverjüngung des Baumbestandes verhindern.

Von 2005 bis 2009 wurden fast 1,6 Millionen € allein für den Bau von Wildschutzzäunen ausgegeben. Das ist fast ein Drittel sämtlicher Mittel für den Waldumbau. Weder ökologisch noch ökonomisch ergibt das Sinn.

Wir haben über das System der Abschusspläne gesprochen. Ich sage Ihnen - das ist auch bei den Anhörungen deutlich geworden -, dieses System reicht nicht aus, es ist nicht geeignet, den Wildbesatz auf vertretbarem Niveau zu halten.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Regelung, die Sie jetzt einführen - der Kollege Hildebrand hat es ausgeführt -, verhindert weiterhin eine effiziente Jagd auf Rehwild. Mindestabschusspläne mit körperlichem Nachweis, an die Wildbiologie und nicht an den Trophäenträgern orientierte Jagdzeiten wären wichtige Schritte hin zu einer effektiven und tierschutzgerechten Jagd.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abgeordneten Flemming Meyer [SSW])

Eine Verlängerung der Jagdzeiten, wie Sie sie anstreben, ist nicht zielführend, zumal dann, wenn man bedenkt, dass wir bereits heute schon die längsten Jagdzeiten in der Republik haben.

Halbherzig ist auch - das ist gerade noch einmal deutlich geworden - Ihre Haltung beim Thema Bleimunition. Es gibt dringenden Handlungsbedarf. Sie haben die Seeadler angesprochen, die überwiegend

an Bleivergiftung verenden. Dies ist schon aus Artenschutzgründen nicht hinzunehmen. Es gibt aber auch andere Gründe. Genau wie der Seeadler nehmen auch wir Blei am Ende der Nahrungskette auf und reichern es in unseren Körpern an. Der Einsatz von Bleimunition bei der Jagd ist deshalb auch ein Thema des Verbraucherschutzes. Das Bundesamt für Risikobewertung warnt ausdrücklich Frauen mit Kinderwunsch, Schwangere und Kinder bis sieben Jahren vor dem Verzehr von durch Bleimunition erlegtem Wild.

Sie haben gesagt, Sie würden gerne handeln. Hierzu sage ich Ihnen, wer gehandelt hat. In den brandenburgischen Landesforsten wird ab 2013 bleifrei geschossen. Die Lübecker Stadtforsten werden dies in diesem Frühjahr einführen. Die saarländischen Landesforsten werben schon heute mit bleifreiem Wild aus naturnahen Wäldern.

Dies könnten auch unsere Landesforsten tun, würden sie nicht von einer ewiggestrigen Jagdlobby davon abgehalten.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Mär, die leider auch der Kollege Hamerich aufgetischt hat, bleifreie Munition sei noch nicht genügend erprobt, ist durch zahlreiche wissenschaftliche Studien widerlegt worden. Das Abprallverhalten wichtig für die Sicherheit jagdausübender Personen - ist weitgehend ähnlich dem bleihaltiger Geschosse. Die Tötungswirkung ist ebenfalls keine Frage des Materials, sondern eher eine der Geschosskonstruktion.

Herr Kollege Hamerich, es gibt viele Studien, unter anderem eine Studie, die vom Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz in Auftrag gegeben und von der Deutschen Versuchsanstalt für Jagd- und Sportwaffen durchgeführt wurde. Diese Studie hat ganz klar zum Ausdruck gebracht, dass es diese signifikanten Unterschiede bei den Punkten, die Sie gerade angesprochen haben, nicht gibt.

Frau Abgeordnete, lassen Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Hamerich zu?

Gerne.

Frau Kollegin Fritzen, bitte nehmen Sie zur Kenntnis, dass ich nicht in Zweifel ziehe, dass es Untersu

(Marlies Fritzen)

chungen über die toxikologische Wirkung von bleihaltiger Munition gibt. Vielmehr habe ich gesagt, die toxikologischen Ergebnisse sowie die ballistischen beziehungsweise physikalischen Ergebnisse von nicht bleihaltiger Munition mit anderen Ersatzstoffen seien noch nicht erwiesen. Es bringt uns nicht weiter, wenn wir mit Kupfer oder Zink schießen, weil diese Stoffe auch toxikologische Nebenwirkungen haben.

- Ich nehme das zur Kenntnis. Meine Redezeit ist zwar schon abgelaufen, aber ich sage es Ihnen trotzdem. Herr Hamerich, Sie sind doch Jäger und wissen deshalb, wie die Geschosse aussehen. Auch die bleihaltigen Geschosse haben einen Kupfermantel. Das heißt, es wird schon heute mit Kupfer geschossen. Wenn Sie das auch nicht verantworten können, müssen Sie mit einem Lasso in den Wald gehen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich würde die Debatte gern fortsetzen, aber da ich aus welchen Gründen auch immer nur noch eine Redezeit von 37 Sekunden habe, möchte ich gerne noch einmal -

(Zuruf)

- Es ist aber genau die Debatte. Wir haben jetzt schon Kupfer in bleihaltigen Geschossen. Das steht im Hintergrund der Debatte über die bleifreie Munition. Es gab zahlreiche Studien, und es ist immer wieder gefordert worden: Bevor wir in diesem Bereich bundesweit Regelungen schaffen -

(Zuruf des Abgeordneten Hartmut Hamerich [CDU])