Wir waren der Meinung, dass unser älterer Gesetzentwurf, nämlich Drucksache 17/889, umfassender und ausreichend sei. Deshalb wollten wir den durchsetzen und nicht am Gesetzentwurf der Regierung herumdoktern.
Nun ist es so, dass zu Beginn dieses Jahres ganz schnell für die anstehenden Ausschreibungen der Bahnnetze das Mittelstandsförderungsgesetz im Bereich der Tariftreue auf der Schiene und in Bussen geändert werden muss. Dann hat man manchmal auch eine Verfahrensschwierigkeit, wenn der Drucksachenschluss - ich sage es einmal - fünf Tage nach Ende einer sitzungsfreien Zeit liegt. Herr Dr. Tietze, ich gönne Ihnen, dass Sie dies zum Anlass nehmen, sich vielleicht ein bisschen von uns abzusetzen und sich an uns abzuarbeiten. Dass Sie fünf Minuten darauf verwenden und nicht das ausdrücken, was ich eigentlich von Ihnen immer wahrgenommen habe, nämlich für Tariftreue zu sein, finde ich an der Stelle eher schade. Aber geschenkt.
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Nachdem die Kollegin Poersch kurz „beschrieben“ hat, wovon wir abgeschrieben haben, nämlich vom damaligen SPD-Gesetzentwurf, möchte ich kurz dazu Stellung nehmen, was für uns das Ziel ist. Für uns ist nicht das Ziel, noch einmal etwas politisch hochzuziehen, sondern uns bewegt, dass wir demnächst Ausschreibungen haben werden. Unsere Sorge ist, dass das für die Beschäftigten, aber auch für die Unternehmen, die faire Löhne zahlen, ein Problem werden könnte. Dieses Problem wollen wir lösen.
Deshalb haben wir einen Gesetzentwurf vorgelegt, der sehr schlank ist und der all die Konflikte, die möglicherweise entstehen könnten - Stichwort Mindestlohn, Stichwort Sozialstandards, Stichwort Umweltstandards - außen vor lässt, weil wir das Problem der Bahnunternehmen und das Problem der ÖPNV-Unternehmen sehen. Wir wollen erst einmal dieses Problem kurzfristig, schnell lösen und wünschen uns, dass das auch in den Regierungs
fraktionen noch einmal ernsthaft betrachtet wird. Deshalb bin ich - das sage ich ganz ehrlich - dankbar für das, was der Kollege Vogt gesagt hat. Er hat gesagt: Wir sind immer noch kritisch, wir haben immer noch Bedenken, aber wir wollen uns als FDP ernsthaft damit beschäftigen.
Genau das ist das Ziel, dass wir uns im Ausschuss hinsetzen und uns ernsthaft mit dieser Problematik beschäftigen. Das ist Sinn und Zweck des Gesetzentwurfs und nicht unbedingt ein Heraufbeschwören von Konflikten. Wir wollen versuchen, eine möglichst breite Einigkeit zu erreichen, um den Beschäftigten im SPNV und im ÖPNV zu helfen.
Herr Kollege Harms, die Kollegin Poersch hat auf die engen Verfahrensfristen hingewiesen. Können Sie mir erklären, warum ein Telefonanruf von der SPD zum SSW offenbar schneller geht als zwischen SPD und Grünen?
(Wolfgang Kubicki [FDP]: Das ist eine Fangfrage! - Christopher Vogt [FDP]: Das ist Mobbing! - Weitere Zurufe)
- Lieber Kollege Callsen, wie die Telekommunikationswege hier im Hause zwischen anderen Fraktionen laufen, ist mir nicht bekannt. Ich weiß nur, dass ich einen sehr guten Draht zu allen habe.
Lieber Herr Kollege Harms, ich will Sie nicht nach dem Liebeswerben fragen wie der Kollege, sondern etwas anderes fragen. Würden Sie es angesichts dessen, was Sie gerade als Ziel ausgeführt haben, für dienlich halten, wenn SSW und SPD den Kollegen aus den Regierungsfraktionen den europäischen Entwurf zur
- Sie meinen die Richtlinie, die Ihre Kollegin Poersch zitiert hat? - Ich gehe davon aus, da dies im Protokoll genannt worden ist, dass auch CDU und FDP in der Lage sind, dies selbst herauszusuchen.
Lieber Kollege Stegner, mir geht es nicht um Rechthaberei, sondern mir geht es wirklich darum, dass wir ernsthaft versuchen, die Problematik kurzfristig zu lösen.
Derzeit haben CDU und FDP nun einmal die Mehrheit in diesem Haus, und wir wollen uns vernünftig an unsere Kollegen in den Regierungsfraktionen wenden, in der Hoffnung, dass wir eine vernünftige Diskussion hinkriegen, dass wir das möglichst schnell durchdiskutieren. Das Thema an sich ist durchdiskutiert. Dass wir es schaffen, eine Mehrheit dafür zu bilden, dass wir den SPNV- und den ÖPNV-Leuten helfen, dass wir das schaffen - egal auf welchem Weg -, ist für uns als SSW das Entscheidende.
Für die Landesregierung erteile ich dem Minister für Wissenschaft, Wirtschaft und Verkehr, Herrn Jost de Jager, das Wort
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich gebe ehrlicherweise zu, dass ich nach dem Beitrag des Abgeordneten Tietze kurz überlegt habe, ob ich für die Landesregierung überhaupt noch rede oder nicht den Beitrag im Raum stehen lasse. Manchmal muss man auch schweigen und genießen.
Denn es zeigt sich ja, wenn wir nicht gerade als Regierung selber Anlässe bieten, lieber Wolfgang, dass es mit der Geschlossenheit und Schlagkraft der Opposition gar nicht weit her ist.
(Heiterkeit und Beifall bei CDU und FDP - Zuruf der Abgeordneten Anke Erdmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Ich habe mich gleichwohl entschlossen, ans Rednerpult zu gehen, weil ich das Vorhaben der Abgeordneten Poersch nicht durchkreuzen wollte. Ich habe vernommen, dass die Debatte dazu dient, dass
Sie zu Protokoll geben können, Sie haben gekämpft, und wir zu Protokoll geben, wir lehnen es ab, und Sie jetzt im Wahlkampf loslaufen und sagen: Die Bösen haben abgelehnt.
- ja, das hat er gehört, er hat vieles gehört, Herr Stegner -, warum die Formulierung, die Sie erneut vorschlagen, nach unserer Rechtsauffassung gegen die Vorgaben des Europäischen Gerichtshofs verstößt und deswegen nicht rechtssicher zu realisieren ist.
Öffentliche Aufträge im Bereich des öffentlichen Personennahverkehrs sollen nach Ihrem Gesetzentwurf nur an Unternehmen vergeben werden, die sich bei der Angebotsabgabe schriftlich verpflichten, ihren Beschäftigten - jetzt kommt der entscheidende Passus - mindestens das am Ort der Ausführung tarifvertraglich vorgesehene Entgelt zu zahlen. Exakt dies hat der Europäische Gerichtshof beanstandet. Das wissen Sie genauso gut wie ich. Der Unterschied ist, dass man als Opposition so etwas gleichwohl beantragen kann, es aber meinen Ansprüchen an Regierungshandeln nicht genügt, eine Formulierung in ein Gesetz zu schreiben, von der man selber der Auffassung ist, dass sie nicht rechtssicher ist. Aus dem Grund haben wir uns als Koalition für eine andere Formulierung im Mittelstandsförderungsgesetz entschieden, von der wir glauben und wissen, dass sie rechtssicher ist.
Bei uns werden ÖPNV-Leistungen unter Beachtung des Vergaberechts vergeben, das seine Rechtsgrundlage in den europäischen Vergaberichtlinien hat, die wiederum auf dem EG-Vertrag fußen. Deshalb ist es bei der Vergabe öffentlicher Aufträge aus wettbewerbsrechtlichen Gründen zwar zulässig, für allgemeinverbindlich erklärte Tarifverträge vorzuschreiben, nicht jedoch sonstige nicht allgemeinverbindliche Tarifverträge.
Mir ist natürlich bekannt - das ist ja der Punkt, über den wir reden -, dass es im Bereich des öffentlichen Personennahverkehrs derzeit keine allgemeinverbindlichen Tarifverträge gibt und die Tariftreueregelungen damit dort praktisch nicht greifen. Das kann aber aus unserer Sicht nicht dazu führen, dass wir ein Gesetz machen, das einer europarechtlichen Prüfung nicht standhalten würde.
Frau Poersch, wenn Sie das Beispiel der Nord-Ostsee-Bahn und der Streiks, die es dort gegeben hat, nennen, dann stelle ich fest, dass das nicht allein eine Frage der gesetzlichen Regelung ist, sondern auch eine Frage der Tarifpolitik eines einzelnen Unternehmens ist. Denn es hat ja nicht bei allen Bahnen und Vergabelosen unlösbare Streiks gegeben, sondern wir hatten die besondere Situation bei der NOB.
Ich bin nicht jemand, der einseitig in öffentlichen Debatten Unternehmen kritisiert, aber ich bin auch nicht jemand, der einseitig in öffentlichen Debatten die Gewerkschaft der Lokführer kritisiert. Denn es gehört auch zur Wahrheit, dass sich die NOB als eine der Letzten, wenn nicht sogar als Einzige der Schlichtung widersetzt hat, als andere Unternehmen das schon lange gemacht haben. Insofern haben wir es nicht nur mit gesetzlichen Voraussetzungen zu tun, sondern wir haben es auch damit zu tun, wie sich einzelne Unternehmen rechtfertigen.
Dass wir bei künftigen Vergaben unsere Lektion gelernt haben und Erfahrungen ziehen aus dem, was wir auf den Strecken der NOB und vor allem auf der Marschenbahn gesehen haben, habe ich für die Regierung schon mehrfach ausgeführt.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung. Es ist beantragt worden, den Gesetzentwurf Drucksache 17/2183 dem Wirtschaftsausschuss zu überweisen. Wer so beschließen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Das ist einstimmig so beschlossen.
Gute Arbeit in der Wissenschaft - Verlässliche berufliche Perspektiven des wissenschaftlichen Nachwuchses in Schleswig-Holstein sicherstellen
Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich eröffne die Aussprache. Für die Fraktion DIE LINKE erteile ich Herrn Abgeordneten Björn Thoroe das Wort.