Protokoll der Sitzung vom 27.01.2012

Um wirklich an Problemlösungen zu arbeiten, schlage ich vor, dass wir einmal gemeinsam dem Gedanken eines eigenen Wissenschaftstarifs nä

(Daniel Günther)

hertreten, der dann auch Hiwis ohne Abschluss mit einschließen müsste. Viele Verwerfungen, so auch die wirklich nicht neue Problematik der halben Stellen mit voller Arbeitserwartung ließen sich damit wesentlich besser lösen.

Wir haben in einer Kleinen Anfrage vor rund zwei Jahren - das sage ich jetzt der Vollständigkeit halber, auch wenn das mit diesem Thema nur rudimentär zu tun hat - herausgearbeitet, wie es mit der Vereinbarkeit von Studium und Elternschaft im Land bestellt ist. Wir haben festgestellt, dass an den Hochschulen einiges passiert, vieles besser werden muss. Daran sollten wir arbeiten. Da ist unser Weg nach wie vor der, dass wir das in die Zielvereinbarungen mit den Hochschulen mit aufnehmen wollen. Ansonsten haben wir auch nichts dagegen, über Ihren Antrag im Bildungsausschuss weiterzudiskutieren.

(Beifall bei der SPD)

Für die FDP-Fraktion hat Frau Abgeordnete Kirstin Funke das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Antrag der Fraktion DIE LINKE reißt eine Problematik auf, die sicherlich im weitesten Sinne einer eingehenderen Betrachtung bedarf. In diesem Fall ist es jedoch - wie eigentlich immer die Frage, wie man mit einem wichtigen Thema umgeht. Und der Antrag der Linken strotzt nur so von Aufträgen an die Landesregierung, die zum Teil nicht umsetzbar sind oder eben auch mehr Geld kosten.

Ihr Plan läuft ja darauf hinaus, den Mittelbau der Universitäten stärker und strukturell aufzublasen. Wenn Sie also hier die Schaffung neuer unbefristeter Stellen für Daueraufgaben in Forschung und Lehre fordern, dann sind Sie sich hoffentlich im Klaren darüber, dass Sie damit sehr stark in die Eigenverantwortlichkeit der Universitäten eingreifen. Dass jetzt die Landesregierung die Hochschulen zwingen soll, mehr Stellen in bestimmten Bereichen zu schaffen, entspricht nicht meinem Verständnis einer vernünftigen Hochschulpolitik. Denn woher wissen die Linken, an welcher Stelle jetzt ein struktureller Mehrbedarf an den unterschiedlichen Hochschulen besteht, um mehr Personal für Daueraufgaben in Forschung und Lehre einzustellen?

(Antje Jansen [DIE LINKE]: Wir sprechen mit ihnen!)

Was passiert, wenn die Daueraufgaben im Laufe der Zeit andere oder weniger werden? - Meines Erachtens muss die Hochschule selbst, insbesondere für den Mittelbau, entscheiden können, a) für welche Aufgaben, b) für wie lange, und c) welches Personal sie dafür einstellt.

(Beifall bei der FDP sowie vereinzelt bei der CDU)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich möchte in dieser Debatte keineswegs verschweigen, dass die Startbedingungen für junge Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen finanziell betrachtet besser sein könnten. Fakt ist aber, dass die Behauptung, der Beruf in der Wissenschaft verliere an Attraktivität, nicht stimmt. Die Zahl der Promovierenden ist seit den 90er-Jahren mit circa 25.000 konstant.

Eine weitere haltlose Behauptung lautet, dass in Schleswig-Holstein die Möglichkeiten für das Studieren mit Kind schlecht seien und daher viele ausgebildete Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen lieber woanders forschten. Natürlich lässt sich die Situation immer verbessern. Fakt ist aber, dass das Familienservicebüro der CAU im Jahr 2002 durch das Audit familiengerechte Hochschule der „berufundfamile GmbH“ zertifiziert wurde und 2010 das Zertifikat bereits zum dritten Mal erhielt.

Insofern bin ich der Auffassung, dass der Antrag als solcher zwar von vorn bis hinten nicht sonderlich gut durchdacht ist, die Problematik im Allgemeinen aber mit Sicherheit einer tiefergehenden Debatte bedarf. Daher freue ich mich über die Beratungen nicht zu diesem Antrag, aber zu diesem Thema - im Bildungsausschuss.

(Beifall bei der FDP sowie vereinzelt bei der CDU)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat Herr Abgeordneter Rasmus Andresen das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Bevor ich mit meiner Rede beginne, möchte ich etwas zu meinen drei Vorrednern sagen - nicht zu dem der Linksfraktion, sondern zu denen, die sozusagen teilweise berechtigte Kritik an dem Antrag geäußert haben, selbst aber in

(Martin Habersaat)

den letzten Jahren überhaupt nichts dazu beigetragen haben, dass sich die Situation für Nachwuchswissenschaftler verbessert. Das heißt, man könnte auch selbst Anträge vorlegen, wenn man hier schon so unkonstruktive Kritik äußert.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie vereinzelt bei der LINKEN)

In Schleswig-Holstein gehen bis 2025 über 1.000 Wissenschaftler in den Ruhestand. Hinzu kommt, dass Schleswig-Holstein in einem bundesweiten, wenn nicht sogar weltweiten, Wettbewerb um Wissenschaftler steht. Und die Voraussetzungen sind schlecht. Das haben Sie vom Kollegen Thoroe auch schon gehört. Schleswig-Holstein ist für Wissenschaftler zu unattraktiv. So sind wir bei der Professorenbesoldung beispielsweise unterdurchschnittlich. Wir müssen deshalb den Wissenschaftsstandort auf unterschiedliche Weise attraktiver machen.

Als grüne Landtagsfraktion haben wir letztes Jahr eine Veranstaltung zur Perspektive von Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftlern gemacht. Auf der Veranstaltung hat die Nachwuchswissenschaftlerin Dr. Anna Südkamp von der Christian-Albrechts-Universität deutlich gemacht, wie schwer es für sie und ihre Kolleginnen und Kollegen ist, eine Laufbahn in der Wissenschaft zu bestreiten.

Trotz guter Abschlussnoten ist es für viele schwer gewesen, überhaupt eine Promotionsstelle zu erhalten. Sie beschrieb, wie schwer es für Sie war, an der Hochschule zu promovieren und nebenbei ihr Leben zu finanzieren. Auch nach der Promotion wurde ihre Situation nicht erheblich besser. Dabei hatte sie noch Glück. Sie gehört zu der Gruppe, die sich in der starken Konkurrenz um Stellen durchsetzen konnte. Sie klagt aber darüber, dass sich Forschungsprojekte durch die große Anzahl an befristeten Stellen auch qualitativ verschlechtern. Keiner weiß, wie lange Finanzierungen stehen und vor allem, wie es danach weitergeht. Von Familienplanung - deshalb ist der Aspekt im Antrag der linken Fraktion äußerst relevant - kann da gar nicht die Rede sein. Auch da gibt es sehr, sehr viele Unsicherheiten.

Sie klagte darüber, dass die Politik zu träge agiere. Sie fordere auf der einen Seite Mobilität, gebe auf der anderen Seite den Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftlern aber keine Perspektive. So funktioniert das nicht.

(Vereinzelter Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

- Das Klatschen kam ein bisschen spät.

Die Landespolitik hat eine glasklare Verantwortung, sich gegen prekäre Beschäftigung einzusetzen, auch in der Wissenschaft. Herr Habersaat, wenn man hier über Tariftreue redet und dabei mehr oder weniger berechtigt so einen Popanz aufbaut, dann sollte man sich doch überlegen, ob das nicht auch für andere Bereiche gilt. Dann muss man in diesem Bereich aber auch weiterdenken und kann nicht einfach nur mit links Anträge kritisieren.

(Vereinzelter Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Die Landespolitik hat hier eine Verantwortung; denn prekäre Beschäftigungsverhältnisse haben an unseren Hochschulen nicht abgenommen, sondern drastisch zugenommen. Frau Funke, in anderen Ländern wird in diesem Bereich wesentlich mehr getan. In anderen Ländern wird im Bereich der Arbeitsbedingungen für Wissenschaftler viel mehr getan als in Schleswig-Holstein.

Es geht nicht darum, dass Nachwuchswissenschaftler die Beamtenprofessur „vor die Füße geschmissen bekommen wollen“. Das wollen die Nachwuchswissenschaftler gar nicht. Vielmehr geht es darum, klugen jungen Menschen eine berufliche Perspektive aufzuzeigen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Unsere Hochschulen stehen nicht nur im Wettbewerb mit den Hochschulen anderer Bundesländer und anderer Staaten, sondern auch mit der Privatwirtschaft und mit außeruniversitären Forschungseinrichtungen. Wer heute forschen will und das gut kann, der geht doch gar nicht mehr an die Hochschulen. Der sucht den Weg zu außeruniversitären Einrichtungen oder in die Privatwirtschaft. Es kann nicht im Interesse unseres Landes sein, dass wir alle klugen Köpfe an die Privatwirtschaft verlieren.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN- BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LIN- KEN)

Herr de Jager, Sie reden immer gern über die Exzellenzinitiative. Wenn ich es richtig verstehe, ist dies die einzige Priorität, die Sie in den vergangenen Jahren als Landesregierung bzw. als Koalitionsfraktionen im Hochschulbereich gesetzt haben. Das ist alles schön und gut. Dazu kann man unterschiedliche Meinungen haben. Man kann aber nicht über diese Exzellenzinitiative diskutieren, ohne nicht auch über diese Aspekte nachzudenken. Wenn

(Rasmus Andresen)

die Arbeitsbedingungen bei uns so schlecht bleiben, wie sie jetzt sind, dann ist die Exzellenzinitiative im Prinzip erst einmal egal, weil es uns nicht gelingen wird, kluge junge Leute ins Land zu holen. Deshalb interessiert mich, was Sie gleich noch zu diesem Aspekt beizutragen haben.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Ich muss jetzt leider zum Schluss kommen, auch wenn ich noch viel zu sagen hätte.

Wir beantragen, diesen Antrag dem Bildungsausschuss zu überweisen. Ich fordere alle Fraktionen, die sich gerade kritisch zu diesem Antrag geäußert haben, dazu auf, eine Anhörung zu diesem Antrag zuzulassen. Wir sind nicht bei jedem Aspekt hundertprozentig einer Meinung. Wir schreiben nicht einfach - die Spitze kann ich mir nicht verkneifen das Positionspapier der GEW ab. Wir haben noch ein paar andere Ideen, die wir gern einbringen würden. Wir wollen das Ganze noch etwas mehr auf Schleswig-Holstein herunterbrechen. Wir sollten aber auf jeden Fall eine Anhörung zu diesem Thema durchführen. Ich hoffe, dass Sie sich im Ausschuss dazu durchringen können, zumindest eine schriftliche Anhörung durchführen zu lassen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Für die Fraktion des SSW erteile ich der Frau Fraktionsvorsitzenden Anke Spoorendonk das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Fraktion DIE LINKE fordert in ihrem Antrag eine verlässliche berufliche Perspektive für den wissenschaftlichen Nachwuchs. Das Ansinnen dieses Antrags findet voll und ganz unsere Unterstützung. Um sich aber an den konkreten Problemlagen der Betroffenen orientieren und Lösungen entwickeln zu können, reicht es unserer Meinung nach nicht, mit dem staatlichen Holzhammer zu kommen.

Zunächst fällt im Antrag auf, dass in der Begründung gar nicht auf die Situation in Schleswig-Holstein eingegangen wird. Entweder werden Behauptungen mit Daten des Bundes untermauert, oder es ist nicht klar, ob sie sich auf das Land oder den Bund beziehen. Darum ist es wichtig, dass wir in der Ausschussberatung das Ganze herunterbrechen auf Schleswig-Holstein.

Auch die Aufreihung der Forderungen erscheint ein wenig weltfremd, weil notwendige Zwischenschritte und Fragestellungen ignoriert werden und als Lösung der Personalsituation lediglich auf die Unterfinanzierung des Schleswig-Holsteinischen Hochschulsystems eingegangen wird. Sicherlich ist die Unterfinanzierung der Hochschulen ein Kernproblem. Es wird aber zum Beispiel nicht danach gefragt, was in den Hochschulen, der Forschung und der Gesellschaft an qualifiziertem Mittelbau und Professuren gebraucht wird, welche Defizite auf eine verfehlte Hochschulpolitik der derzeitigen Landesregierung zurückzuführen sind, welche Initiativen der Hochschulen oder der betroffenen Akademiker es gibt, um die Situation zu ändern, und wo genau angesetzt werden muss, um die Betroffenen aus dem Teufelskreis prekärer Beschäftigung herauszuholen.

Das zentrale Problem scheint zu sein, dass die meisten Karrierevorstellungen des akademischen Mittelbaus nicht in einer Professur enden werden. Im Kern geht es darum, berufliche Anknüpfungspunkte jenseits der Professur zu finden, wobei unbefristete und existenzsichernde Beschäftigungsverhältnisse mit arbeitsvertraglicher Absicherung im Vordergrund stehen dürften.

Gewerkschaften wie ver.di bieten sich als Anlaufstellen an. Schwerpunkte dieser gewerkschaftlichen Arbeit bilden derzeit acht Universitäten bundesweit. Eine schleswig-holsteinische Universität gehört bisher noch nicht dazu. Um seine Lage zu verbessern und um seine Rechte einzufordern, ist der akademische Mittelbau also auch selbst gefordert. Bedauerlich ist, dass es bisher offensichtlich nicht gelungen ist, einen eigenständigen Tarifvertrag mit entsprechender Entgeltregelung für das an Hochschulen und außeruniversitären Einrichtungen beschäftigte Personal abzuschließen. Das ist unserer Meinung nach ein wichtiger Punkt.

(Beifall des Abgeordneten Martin Habersaat [SPD])

Ein großer Nachteil der akademischen Laufbahn scheint in ihrer Langwierigkeit zu liegen. Schon vor einem Jahrzehnt hat der SSW deshalb gefordert, die Hochschulstrukturen so zu ändern, dass nicht mehr die langjährige Habilitation, sondern eine aufgewertete Promotion die Voraussetzung für die Berufung auf eine Professur ist. Seitdem hat sich zum Glück vieles geändert. Das ist nun möglich. Wir wissen aber, dass die Promotion als Bewerbungsgrundlage für eine Professur immer noch als zweitrangig angesehen wird. Auch die Situation der Ju

(Rasmus Andresen)

niorprofessuren ist vor diesem Hintergrund sehr schwierig.

Anders als bei einer Habilitation, mit der meist eine akademische Laufbahn an einer Hochschule oder Forschungseinrichtung angestrebt wird, ist die Motivation für eine Promotion breiter gefasst. Hierbei spielen vermehrt andere Arbeitsmöglichkeiten wie etwa im Dienstleistungs- oder im Industriesektor oder im Rahmen einer freiberuflichen Tätigkeit eine zunehmend größer werdende Rolle. Hier ergeben sich Beschäftigungspotenziale jenseits der Hochschulen, die auch eine Dauerbeschäftigung oder zumindest eine Beschäftigung beinhalten können.