Protokoll der Sitzung vom 21.03.2012

Das ist der Punkt.

Ich sage Ihnen: Das ist nicht nur ein Problem für Griechenland, sondern das ist ein Problem für die Demokratie. Wenn die Menschen den Eindruck haben, dass nur die zur Kasse gebeten werden, die das gar nicht ausgelöst haben, dann werden sie sich von der Demokratie abwenden. Das ist eine Verantwortung, die sich diejenigen aufladen, die gegen die Finanztransaktionssteuer stimmen und das verhindern.

(Dr. Ralf Stegner)

Im Übrigen finde ich, Sie sitzen immer noch auf dem hohen Ross und sagen, die ganze Republik beneide Schleswig-Holstein um seine Regierungspolitik. Komischerweise habe ich das noch nie gehört. Klar, Sie inkorporieren den Rechnungshofspräsidenten in Ihre komische Haushaltsstrukturkommission. Und es gibt auch noch ein paar Unverbesserliche, die Sie loben. Aber insgesamt lacht doch der Rest der Republik über die Regierungspolitik in Schleswig-Holstein bei ganz vielen Punkten, weil Sie überhaupt nichts zustande bringen.

Wir glauben, dass Regierungspolitik solide, gerecht und zukunftsfähig sein muss, dass sie finanziell dann solide ist, wenn man nicht Dinge verspricht, die man nicht halten kann und wenn man sich im Übrigen ein anderes Schleswig-Holstein, ein anderes Europa vorstellt und die Bürgerinnen und Bürger mit ihren Chancen und Fähigkeiten so zum Zuge kommen, dass man die wirtschaftlichen Zusammenhänge nicht ignoriert. Ich glaube, SchleswigHolstein kann sich dieses Bündnis aus Konservativen und Egoisten nicht mehr länger leisten.

Wir wissen sehr genau, dass nur eine Politik für das Gemeinwohl, die in Bildung investiert, die sich um Einnahmen und Ausgaben kümmert, die sparsam wirtschaftet, aber die Zukunft unseres Landes nicht verspielt, das ist, worüber die Bürgerinnen und Bürger am 6. Mai abstimmen werden. Ihre Politik ist das jedenfalls nicht.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Für die FDP-Fraktion hat Herr Fraktionsvorsitzender Wolfgang Kubicki das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Rede des Oppositionsführers lässt mich etwas ratlos, weil ich nun überhaupt nicht mehr weiß, wozu er eigentlich geredet hat, außer dass er mit einer Philippika von polemischen Äußerungen versucht hat zu dokumentieren - Herr Stegner, das haben Sie heute wirlich wieder getan -, warum Ihre eigenen Mitglieder Sie nicht zum Spitzenkandidaten wählen wollten. Wir müssen wirklich dafür Sorge tragen, dass diese Reden verbreitet werden, die er hält, weil ich wirklich sicher bin - so viel kenne ich die Schleswig-Holsteinerinnen und Schleswig-Holsteiner -, dass sie so etwas nicht wollen, wenn es um ein fundamentales Anliegen geht, wie wir unser

Gemeinwesen wieder auf einen soliden Weg bekommen.

(Beifall bei FDP und CDU)

Liebe Frau Heinold, Sie wissen, wie sehr ich Sie schätze und wie sehr ich Sie akzeptiere. Aber es macht bei einer gespaltenen Opposition wirklich keinen Sinn, dass Sie immer sagen - was ich richtig finde -, wir sollten uns mit dem Problem der Zukunft beschäftigen, und Kollege Dr. Stegner kommt immer nur mit der Vergangenheit und bewältigt im Zweifelsfall seine eigene Vergangenheit. Wir müssen schon auch fragen, ob diejenigen, die beteiligt waren, uns in die Situation zu bringen, in der wir jetzt sind, die klügsten Ratgeber dafür sind, da jetzt wieder herauszukommen. Ich bestreite das.

(Beifall bei FDP und CDU)

Selbstverständlich gestehe ich Ihnen zu, dass wir wirklich darüber nachdenken müssen, ob und wie wir hier den Konsolidierungspfad beschreiten und welche Freiräume, wenn wir sie denn haben, wir nutzen, um in bestimmten Bereichen zu investieren, um etwas zu erreichen, was für mich auch ein Teil von Bildungsgerechtigkeit ist, aber auch ein Teil von Wachstumsvoraussetzungen. Ich komme gleich noch einmal darauf zurück. Sie müssen bei Ihrer Argumentation nach draußen aber auch eins erklären, weil es in sich nicht logisch ist. Wenn Sie sagen, Sie wollen höhere Schuldenobergrenzen als wir, Sie wollen sie aber nicht nutzen, dann müssen Sie sich fragen lassen, warum Sie sie überhaupt einrichten wollen. Wenn Sie sie nicht nutzen wollen, brauchen Sie sie nicht. Die Tatsache, dass Sie sie einrichten wollen, deutet mit Sicherheit darauf hin, dass, wenn Sie es nicht persönlich wollen, jedenfalls der Genosse Stegner der erste wäre, das kann ich Ihnen sicher sagen, der sie in voller Höhe in Anspruch nehmen würde

(Beifall bei FDP und CDU)

und damit dazu beitragen würde, dass das Problem, das wir haben, nicht minimiert, sondern verstärkt werden würde.

Der Finanzminister hat zu Recht darauf hingewiesen: Schauen wir uns doch einmal in Europa um! Was ist das Ergebnis einer verfehlten Staatsschuldenpolitik? Hohe Jugendarbeitslosigkeit, Perspektivlosigkeit gerade für die jungen Menschen, nicht nur, weil sie Lasten abtragen müssen, sondern auch, weil ihnen wirtschaftlich keine Perspektive gegeben wird, ihr eigenes Leben in die Hand zu nehmen, ihre eigene Existenz aufzubauen. Es erklärt, warum jetzt viele junge Griechen, Spanier und Portugiesen

(Dr. Ralf Stegner)

nach Europa, heißt nach Deutschland, wollen oder nach Übersee, um wieder eine Chance zu bekommen. Wir wollen das nicht. Wir wollen, dass die jungen Menschen in unserem Land eine Chance behalten und hier genauso glücklich aufwachsen können, wie es uns vergönnt war.

(Beifall bei FDP und CDU)

Nun ist Sparen wirklich kein Selbstzweck. Aber ich darf einmal sagen: Dass wir sparen müssen, haben wir uns auch selbst zuzuschreiben. Es waren Ausgaben der Vergangenheit, wo die Leute wirklich gesagt haben: Völlig egal, was passiert, das machen wir künftig aus der Portokasse. - Wir müssen feststellen, das hat nicht funktioniert. An der Tatsache, dass wir uns eine Schuldenbremse gegeben haben, schärfer als im Bund, schärfer als in anderen Ländern, nämlich das strukturelle Defizit in zehn gleichen Jahresraten abzubauen, wird niemand vorbeikommen, es sei denn, er will die Verfassung brechen. Bei vielen Vorschlägen, die ich gerade von Herrn Dr. Stegner höre - ich unterstelle ihm das jetzt nicht -, geht das nur mit Verfassungsbruch, sonst funktioniert es nicht.

(Beifall bei FDP und CDU)

Das erklärt, warum Herr Albig sich in diesen Fragen immer stärker wegduckt. Er weicht wirklich jeder Diskussion aus. Wir haben einen Ministerpräsidentenkandidaten, der nicht in der Lage und bereit ist, sich wirklich einem Wahlkampf zu stellen. Er macht wunderbare Plakate, schreibt darauf: „Ich liebe dieses Land“. Toll, das Land möchte gern wissen, was er will, und nicht, was Herr Dr. Stegner hier dauernd vorträgt.

(Beifall bei FDP und CDU)

Jetzt komme ich zu der Aussage des Finanzministers. Auch das mache ich schon seit mehreren Jahren, Frau Heinold, ich weiß, ich bin dafür früher immer bekämpft worden. Manchmal finden Begriffe auch Eingang in andere Überlegungen. Wenn wir das Bruttoinlandsprodukt als Maßstab nehmen und sagen, es darf nur eine bestimmte Grenze geben, in der wir uns in Relation zum Bruttoinlandsprodukt verschulden dürfen, dann kann man das auf der einen Seite mit Sparen machen, auf der anderen Seite durch die Erhöhung des Bruttoinlandsprodukts. Wir müssen uns doch die Frage stellen: Was sind denn die Bedingungen für besseres Wachstum, für mehr Wachstum? Das führt uns dann auch dazu, dass die Korsettstangen, die wir uns gegeben haben, nicht mehr so weh tun, weil wir mehr Möglichkeiten und Freiräume haben für Investitionen in andere Bereiche.

(Zuruf)

- Nein, nein, das ist mir zu billig. Ich komme nicht auf Feuchtgebiete. - Aber dann hören Sie einmal ganz genau zu. Die Sozialdemokraten erklären auch dauernd, sie wollten Wachstum, erklären uns aber gleichzeitig, die Deutschen sollten weniger exportieren, weil die Exporte der Deutschen die Schulden der anderen seien. Leute, wer erklärt, wir sollten weniger exportieren, der sagt gleichzeitig, die anderen sollten schlechtere Güter kaufen, als sie kaufen könnten, denn sie kaufen sie ja nicht, weil wir sie erpressen, sondern weil sie besser sind als die, die zuhause angeboten werden. Die wollen keinen Wettbewerb. Wer Wettbewerb verhindert, legt die Axt an Wachstumsvoraussetzungen. Wettbewerb ist eine Triebfeder für Wachstum.

(Beifall bei FDP und CDU)

Liebe Freunde auch von den Grünen, Sie müssen sich wirklich einmal fragen, wenn Sie in sich gehen: Was ist denn noch Voraussetzung für Wachstum? Eine ordentliche Verkehrsinfrastruktur. Ich höre immer wieder, dass man nicht mehr ganz so streng gegen die A 20 ist. Aber ich sage Ihnen sicher, dass, wenn Sie die Fehmarnbelt-Querung nicht bauen, Sie Wachstumschancen in SchleswigHolstein definitiv minimieren. Ich sage Ihnen sicher, wenn die A 20 noch länger auf sich warten lässt, werden die Wachstumschancen minimiert, denn Güter - das kann ich Ihnen garantieren - transportieren Sie nicht auf Fahrradwegen, sondern nur mit entsprechender Infrastruktur. Ansonsten nehmen wir an diesem Prozess nicht teil.

(Beifall bei FDP und CDU)

Dann müssen Sie selbstverständlich auch schauen: In welchen Bereichen der Bildung müssen wir investieren, wie können wir die Effizienz in diesem System steigern, wie können wir die Ergebnisse verbessern, mit welchen Maßnahmen und welchen Schritten? Selbstverständlich ist klar, dass wir, da wir kaum oder keine Bodenschätze haben, davon leben, was in den Köpfen unserer jungen Menschen entsteht und sich entwickeln kann. Das hängt mit Ausbildung und Bildung zusammen. Deshalb fand ich die Debatte von heute Morgen ein bisschen gestrig ausgerichtet. Wir hätten die Frage stellen sollen: Wie erhöhen wir die Effizienz, wie erreichen wir bessere Ergebnisse im System, auch mit den Mitteln, die wir zur Verfügung haben? Stattdessen liefern wir uns Debatten, wie gesagt, des letzten Jahrhunderts, was ich bedauerlich finde und was auch den jungen Menschen nicht weiterhilft.

(Wolfgang Kubicki)

Noch einmal, beides in gleicher Weise muss ins Werk gesetzt werden. Wir müssen konsolidieren, wir müssen sparen. Wir müssen sehen, dass wir nicht mehr so viele konsumtive Ausgaben in den öffentlichen Haushalten haben, auf allen Ebenen. Wir müssen gleichzeitig dafür Sorge tragen, dass wirtschaftliches Wachstum möglich wird und verstärkt wird. Noch einmal: Hätte Schleswig-Holstein das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf der Bevölkerung von Baden-Württemberg oder Bayern, Frau Heinold, wir müssten uns nicht über Einschränkungen in diesem Bereich unterhalten, sondern wir könnten Geld für Kitas, Schulen und Hochschulen ausgeben, wie wir uns das vorstellen. Das deutet darauf hin, wie der Weg beschritten werden muss.

(Beifall bei FDP und CDU)

Ein Letztes, zur Frage der Finanztransaktionssteuer! Das ist mit Sicherheit kein Allheilmittel, mit Sicherheit sind die Erwartungen an das, was dadurch erzielt werden kann, unvergleichlich zu hoch. Aber darauf kommt es gegenwärtig nicht an. Auch meine Position ist bekannt. Wir werden schon erleben, dass wir eine Finanztransaktionssteuer nicht einmal in den Eurostaaten hinbekommen werden, weil Irland, Italien, Luxemburg aus naheliegenden Gründen dagegen sind. Deshalb finde ich dieses Gebrüll des Weltökonomen Stegner, die Sozialdemokraten werden mannhaft und massiv in Europa und wo auch immer die Finanztransaktionssteuer durchsetzen, ein bisschen neben der Spur.

Aber eines muss uns klar sein. Es hat auch einen symbolischen Charakter. Politik muss dokumentieren, dass das Primat der Politik wieder gilt. Deshalb, sage ich, ist es ein Baustein, auf den wir nicht verzichten sollten und für den wir kämpfen sollten. Aber er eignet sich jedenfalls nicht, Herr Stegner, zur Denunzierung, Sie seien der bessere Mensch und die anderen seien die schlechteren, die dieses Mittel nicht für das allein taugliche halten.

(Beifall bei FDP und CDU)

Liebe Freunde, lasst uns jetzt auch im Wahlkampf darum ringen - Frau Heinold, da gebe ich Ihnen recht -, wer die besseren Konzepte hat!

Herr Kubicki, Ihre Redezeit ist deutlich überschritten.

Ich sehe das, Frau Präsidentin. Es war mein letzter Satz, wenn ich das sagen darf.

Ich finde es immer sehr nett. Es war mein letzter Satz. Ich habe ihn mit „Liebe Freunde“ begonnen, und den darf ich bitte auch noch zu Ende führen.

(Sandra Redmann [SPD]: Auch noch patzig werden!)

Kommen Sie zum Schluss, Herr Kubicki.

Ich darf vielleicht einmal sagen, dass ich immer wieder erlebe, dass im Gegensatz zu anderen ich während eines Satzes unterbrochen werde. - Ich will den letzten Satz jetzt sagen: Lasst uns im Wahlkampf darum ringen, wer die besseren Konzepte hat. Die Menschen sind Polemik à la Stegner leid.

(Beifall bei FDP und CDU)

Für die Fraktion DIE LINKE hat nun Herr Abgeordneter Ulrich Schippels das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich glaube, hier im Landtag gibt es viele Leute, die es leid sind, Ihre Reden hören zu müssen, Herr Kubicki.

Ich finde es interessant, wieder die Griechenlanddebatte an dieser Stelle hören zu müssen, und dann singen Sie das Hohelied der Wettbewerbsfähigkeit. Ich sage Ihnen, die Wettbewerbsausrichtung von Europa, Ihres Europas, hat dazu geführt, dass Griechenland an die Wand gespielt worden ist. Das ist das konkrete Ergebnis Ihrer europäischen Ausrichtung auf Wettbewerb. Es ging bei der Gründung von Europa eben nicht um Solidarität und sozialen Ausgleich und Annäherung, sondern einzig und allein darum, dass die stärkeren die schwächeren Länder dominieren. Das Ergebnis sehen wir jetzt in Griechenland. Man kommt da auch nicht dadurch heraus, dass man in Griechenland weiterhin den Sozialstaat schleift, sondern nur durch Solidarität und solidarische Hilfe.

(Wolfgang Kubicki)

Meine Damen und Herren, wir erleben hier Scheindebatten, zum Beispiel auch zum Ausführungsgesetz nach Artikel 53 LVerf.