Protokoll der Sitzung vom 22.03.2012

(Dr. Jörg Nickel)

spensterdebatte, weil ein Programm, das es noch gar nicht gibt, als „Schultrojaner“ diffamiert werde. Dann, lieber Herr Minister, könnte man ja auch sagen, dass man für etwas, was es noch nicht gibt, keinen Vertrag abschließen müsste.

Ganz so ist es aber nicht, denn im Vertrag wird in § 6 auf die in den Schulen einzusetzende Plagiatsoftware hingewiesen, mit der digitale Kopien von Unterrichtsmaterial auf Speichersystemen identifiziert werden können. Von einem Minister für Bildung und Kultur und der Schulaufsicht hätte ich mir daher etwas mehr Weitsicht gewünscht. Denn es muss klar sein, was eine Software nicht darf, nämlich die Lehrkräfte ausspionieren, und die Schulen darf man auch nicht im Regen stehen lassen.

(Beifall bei der LINKEN und vereinzelt bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft hat unter anderem rechtliche Probleme deutlich gemacht. Sie hält den Einsatz der „Schultrojaner“ für mitbestimmungsrechtlich bedenklich, weil Lehrkräfte einer Ausforschung im Interesse Dritter ausgesetzt sein könnten. Außerdem kritisiert sie, dass der Vertrag ohne Einbeziehung der Gewerkschaften und Verbände als Vertretung der Beschäftigten abgeschlossen wurde, und stellt klar, dass vor einem Einsatz der Software die Personal- und Betriebsräte sowie die Mitarbeitervertretungen der Schulen beteiligt und in die Entscheidung einbezogen werden müssen.

Aus datenschutzrechtlicher Sicht hat sich im Übrigen der Datenschutzbeauftragte unseres Landes kritisch geäußert, weil nicht klar sei, welche Informationen übermittelt und wer auf die Daten zugreifen könne.

Zwischenzeitlich hat ein Gespräch mit dem Sekretariat der Kultusministerkonferenz stattgefunden. Man verständigte sich, dass 2012 keine Plagiatssoftware eingesetzt wird und die Vertragspartner in den kommenden Monaten eine Lösung erarbeiten sollen. Wie die GEW betont, muss diese Lösung den Lehrkräften einen guten Unterricht ermöglichen, Mitbestimmungsrechte beachten, Autorenrechte schützen und den Anforderungen des Datenschutzes genügen. Das sehen wir genauso.

Kürzlich war in einem Onlineportal nachzulesen, wohin unkontrolliertes Treiben führen kann: In Kanada haben im Januar zwei Hochschulen Verträge mit einer Lizenzierungsgesellschaft abgeschlossen. Die Verträge definieren als Vervielfältigungen Übertragungen per E-Mail sowie das Speichern,

Hochladen, Anzeigen oder gar Verlinken digitaler Dateien. Man kann also erahnen, wie tief in die Grundrechte von Lehrenden eingegriffen wird, wenn eine entsprechende Kontrollsoftware eingesetzt werden sollte. Soweit darf es bei uns nicht kommen.

Wir unterstützen die Intention der Linken. Wir fänden es richtig, wenn es zu einer Ausschussüberweisung käme. Wir werden dem Antrag zustimmen, weil die Richtung stimmt. Alle Einzelheiten hätte man aus unserer Sicht im Ausschuss debattieren müssen.

(Beifall bei SSW, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und der LINKEN)

Das Wort zu einem Dreiminutenbeitrag erteile ich Herrn Abgeordneten Ulrich Schippels.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Höppner und Frau Conrad, lesen bildet! Ich erwarte ja nicht, dass Sie immer jubeln, wenn wir einen Antrag stellen. Aber ich hätte mir schon gewünscht, dass Sie sich den Antrag einmal ansehen. Es ist wirklich nicht so, dass sich dieser Antrag aufgrund der Tatsache, dass am 13. Dezember die Kultusministerin und Kultusminister entschieden haben, das Thema weiter zu behandeln, erledigt hat. Ich gehe davon aus, sie haben es bisher noch nicht gemacht. Herr Klug wird uns sicherlich gleich darüber etwas erzählen. Es ist einfach nicht so, dass dieses Ding vom Tisch ist.

Damit sich die Fachpolitiker, Herr Höppner, noch einmal vergegenwärtigen, was wir in unserem Antrag gefordert haben, möchte ich ihn zitieren:

Der Landtag wolle beschließen:

Der Landtag fordert die Landesregierung auf,

1. eine rechtliche Überprüfung des ‚Gesamtvertrages zur Einräumung und Vergütung von Ansprüchen nach § 53 UrhG’ insbesondere

a) zum Einsatz von Überwachungssoftware (hier unter Einbeziehung des Beauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit) ,

b) zu den Rechten der Beschäftigten (hier un- ter Einbeziehung der Beschäftigtenvertre- tung), und hierbei insbesondere die nach § 6 eingegangene vertragliche Verpflichtung zur

(Anke Spoorendonk)

Einleitung von Disziplinarverfahren gegen Schulpersonal, zu veranlassen.

Weiterhin wird die Landesregierung aufgefordert,

2. die Anwendung des Vertrags insbesondere des § 6, bis zum Abschluss der Überprüfung auszusetzen,

3. sich bundesweit und in der KMK dafür einzusetzen, dass der Vertrag so verändert wird, dass analoge Unterrichtsmaterialien digitalisiert genutzt werden können,

4. eine detaillierte Kostenprognose mit Begründung für den gesamten Vertrag vorzulegen,

5. alle Beteiligungsgremien der Lehrer-, Eltern- und Schülerschaft zum Thema anzuhören.

Die Landesregierung wird gebeten, bis zur 26. Tagung zum Stand der oben genannten Aspekte zu berichten.“

Das war der Antrag. Und das, was Sie gerade vorgeführt haben, war peinlich.

(Beifall bei der LINKEN)

Das Wort zu einem weiteren Dreiminutenbeitrag erteile ich Herrn Abgeordneten Dr. Kai Dolgner.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Kollege Schippels, gut gemeint ist nicht immer gut gemacht. Es ist ein Vertrag abgeschlossen worden. Diesen kann man nicht so einfach einseitig aussetzen.

Wir werden Ihren Antrag nicht ablehnen, sondern uns enthalten, weil wir die grundsätzliche Kritik an dieser Vertragsklausel teilen. Aber ich würde allen in deutschen Parlamenten vertretenen Parteien, die Regierungen stellen - das dürften alle sein, inklusive der Linken -, in der ganzen Debatte ein bisschen mehr Demut empfehlen. Denn uns allen ist das durchgerutscht, den Grünen, der SPD, der CDU. Am 31. Oktober haben wir davon erfahren. Kollege Höppner, am 1. November, also einen Tag später, haben wir die Kleine Anfrage gestellt, weil wir zunächst einmal wissen wollten, was dran ist. Daraufhin haben wir die Antwort bekommen und festgestellt: Es ist etwas dran. Vor dem Hintergrund, dass es eine vertragliche Grundlage gibt, aber noch

nichts umgesetzt ist, haben wir gesagt, dass wir darüber in Ruhe reden müssen.

Für uns ist völlig klar, dass der Vertrag in dem Punkt neu ausgehandelt werden muss. Ich glaube, das ist in vielen anderen Landesregierungen auch klar. Aber ich glaube nicht, dass Ihr Antrag dazu geeignet ist, den grundsätzlichen Vertrag neu zu verhandeln.

(Zuruf von der LINKEN)

- Wir nehmen ja ernst, was Sie schreiben. Sie haben es uns ja auch vorgelesen. Wir stimmen aber Anträgen nur zu, wenn alle Punkte umsetzbar sind. Das sind sie für uns nicht. Dies habe ich Ihnen bereits gesagt. Natürlich wollen wir weiter darüber reden, wahrscheinlich in der nächsten Wahlperiode.

Man kann natürlich Widersprüche konstruieren, wo keine sind. Wir sind uns sicherlich einig, dass in diesem Vertrag ein Fehler ist, den es in vielen anderen Bereichen auch gibt. Das Urheberrecht muss sich verändern, und zwar mit der technischen Entwicklung. Es nutzt überhaupt nichts - da sind wir bei ACTA und allen anderen Sachen -, zu versuchen, der technischen Entwicklung mit einem alten Urheberrecht hinterherzulaufen.

Dass man sich gegenüber den Vertragspartnern nicht immer 100-prozentig klug verhält, und zwar über alle Parteigrenzen hinweg, das passiert und zeigt deutlich, dass alle Beteiligten in Zukunft vorsichtiger sein müssen, was Vertragsklauseln angeht. Ich hoffe, dass alle Beteiligten gelernt haben. Der Effekt sollte nicht sein, dass eine Trojanersoftware zum Einsatz kommt.

Nebenbei gesagt: Wenn man sich den möglichen Profit der Verlage ansieht, dann stellt man fest, dass dieser im Vergleich zum Imageschaden, den sie haben, extrem gering ist.

Ich habe jetzt nur noch eine Redezeit von bis zu 20 Sekunden. Ich könnte noch viel zum Thema Open Access in der Wissenschaft sagen. Das müssen aber alle im System bewegen. Da reicht nicht ein Antrag aus.

Natürlich kann man auch Lernsoftware einsetzen, zum Beispiel für Projekte, die Pädagogen Anreize geben, freie Lernsoftware und freie Literatur, die es übrigens auch gibt, und zwar nicht nur von den Verlagen. Aus dem Bereich der Chemie könnte ich Ihnen das jetzt alles zitieren. Ich glaube, das wäre eine gute Aufgabe für die nächste Wahlperiode, und das nicht nur für den Bildungsausschuss.

(Beifall bei der SPD)

(Ulrich Schippels)

Das Wort zu einem weiteren Dreiminutenbeitrag erteile ich Herrn Abgeordneten Björn Thoroe.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich freue mich über den Beitrag von Herrn Dolgner, weil wir jetzt in der Diskussion schon ein bisschen weiter und ein bisschen mehr auf der fachlichen Ebene sind. Genau das, was Herr Dolgner gerade gesagt hat, steht ja in unserem Antrag. Wir wollten eine rechtliche Überprüfung, damit nicht in neun Monaten genau das gleiche passiert, was uns jetzt Anfang des Jahres passiert ist, nämlich dass alle wieder sagen, das haben wir nicht gewusst, und dann wieder das große Geschrei losgeht und wieder neu verhandelt werden muss. Deshalb wollten wir jetzt die Möglichkeit geben, gut vorbereitet in Verhandlungen mit den Schulbuchverlagen und mit den anderen Bundesländern zu gehen.

Deshalb haben wir den Antrag gestellt, in dem unter anderem steht, man soll die Lehrerverbände, die Elternverbände und die Beteiligten anhören, die von diesem Vertrag und von diesem Bereich betroffen sind. Das hätte allen, auch der Landesregierung, gute weitere Erkenntnisse gebracht.

Auch das, was Herr Dolgner gerade gesagt hat, nämlich in den Vertrag aufzunehmen, dass man auch analoge Unterrichtsmaterialien digitalisieren darf, dass dafür ein Weg gefunden wird, dass sich die Landesregierung von Schleswig-Holstein darüber Gedanken macht, wie das funktionieren kann, ohne dass gleich Lehrerinnen und Lehrer bestraft werden, genau das steht alles in unserem Antrag. Ich bin gespannt, was uns Herr Klug gleich zu diesen Themengebieten erzählt.

(Beifall bei der LINKEN)

Das Wort für die Landesregierung erteile ich dem Minister für Bildung und Kultur, Herrn Dr. Ekkehard Klug.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bei dem Thema, über das wir hier sprechen, geht es in erster Linie um Rechtssicherheit für unsere Lehrerinnen und Lehrer beim Kopieren von Unterrichtsmaterialien. Und es geht natürlich um das Verfahren, wie das gewährleistet werden kann.

In diesem Vertrag, der von den Ländern - federführend war das der Freistaat Bayern - mit den Inhabern der Urheberrechte, den Verlagen, abgeschlossen worden ist, gibt es entsprechende Regelungen. Es hat schon gute Gründe, dass kein Bundesland, kein Bildungsminister, keine Bildungsministerin, auch nicht die von den Grünen und nicht die von den Sozialdemokraten, bislang das getan haben, was hier von der Fraktion der LINKEN gefordert wurde,