Protokoll der Sitzung vom 23.03.2012

Der Debatte habe ich entnommen, dass Ausschussüberweisung beantragt wurde. Ich nehme an, dass das nicht nur für den Gesetzentwurf gilt, sondern auch für alle anderen gestellten Anträge. So ist beantragt worden, den Gesetzentwurf Drucksache 17/2380 sowie die Anträge Drucksachen 17/2330

(neu) , 17/2376 und 17/2378 und den Änderungsantrag Drucksache 17/2394 federführend dem Sozialausschuss und mitberatend dem Wirtschaftsausschuss zu überweisen. Wer so beschließen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Damit ist dies einstimmig so beschlossen. Meine Damen und Herren, bevor wir in der Tagesordnung fortfahren, weise ich darauf hin, dass Herr Abgeordneter Dr. Robert Habeck ebenfalls erkrankt ist. Wir wünschen ihm von dieser Stelle aus gute Besserung. (Beifall)

Des Weiteren teile ich Ihnen mit, dass sich die Parlamentarischen Geschäftsführerinnen und Geschäftsführer darauf verständigt haben, die Tagesordnung wie folgt zu verändern: Die Tagesordnungspunkte 25, 43 und 48 werden heute Vormittag noch aufgerufen. Nach der Mittagspause werden im Anschluss an die gemeinsame Beratung der Punkte 33, 37, 45 die Tagesordnungspunkte 52, 57 und 62 behandelt. Die Tagesordnungspunkte 10 und 30 sollen ohne Aussprache behandelt werden. Von der Tagesordnung abgesetzt werden sollen die Punkte 27, 66 und 67.

Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, bevor wir fortfahren, bitte ich Sie, mit mir gemeinsam weitere Schülerinnen und Schüler sowie Lehrerinnen und Lehrer des Gymnasiums Altenholz auf der Tribüne zu begrüßen. - Seien Sie uns herzlich willkommen hier im Kieler Landeshaus!

(Beifall)

Wir fahren nun in der Beratung fort. Ich rufe Tagesordnungspunkt 25 auf:

Neuordnung der Universitätsmedizin in Schleswig-Holstein

Antrag der Fraktionen von CDU und FDP Drucksache 17/2279

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Mit dem Antrag wird ein Bericht in dieser Tagung erbeten. Ich lasse zunächst darüber abstimmen, ob der Bericht in dieser Tagung gegeben werden soll. Wer dem zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Damit ist dies einstimmig so beschlossen. Ich erteile das Wort für die Landesregierung dem Minister für Wissenschaft, Wirtschaft und Verkehr, Herrn Jost de Jager.

(Minister Dr. Heiner Garg)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Wissenschaftsrat hat im vergangenen Jahr auf Bitten der Landesregierung die Hochschulmedizin in Schleswig-Holstein durchleuchtet und in seiner Stellungnahme Empfehlungen zu verschiedenen Bereichen gegeben. Das waren die Bereiche Forschung und Lehre an den Universitäten Kiel und Lübeck, das war die Fragestellung des Zusammenwirkens und der Abstimmung von Lehre und Forschung mit der Krankenversorgung. Weiter hat er die institutionelle Struktur der Hochschulmedizin in Schleswig-Holstein und die Finanzierung und Mittelverteilung in unserer Hochschulmedizin untersucht.

Der Wissenschaftsrat kommt zu einem bemerkenswerten Ergebnis, nämlich dass an beiden Standorten eine sehr gute, fast schon hervorragende Leistung im Bereich der Wissenschaft, der Forschung und der Lehre erbracht wird und dass beide Hochschulen national wie international sichtbare Profile in der medizinischen Forschung aufweisen. Und in der Tat sind die Erfolge der letzten Jahre in der Hochschulmedizin beispielsweise verbunden mit dem Begriff „Exzellenzcluster Inflammation at Interfaces“, der Beteiligung beider Standorte an den Zentren für Gesundheitsforschung und dem Einwerben von Mitteln für einen neuen Forschungsbau in Lübeck, dem CBBM, dem Center for Brain Behavior and Metabolism, für das in dieser Woche gerade der Spatenstich in Lübeck stattgefunden hat. Ich glaube, wir alle können sehr stolz auf die Erfolge der Hochschulmedizin in Schleswig-Holstein sein und sollten uns bei allen Beteiligten dafür bedanken.

(Beifall bei CDU und FDP)

Der Wissenschaftsrat übt aber auch Kritik. Der Hauptkritikpunkt des Wissenschaftsrats ist die mangelnde Verzahnung zwischen Wissenschaft und Krankenversorgung. So sei eine direkte Vertretung der Hochschulen im Vorstand des UKSH ebenso erforderlich wie eine gemeinsame Strategie der Hochschulen, die sie gegenüber der Krankenversorgung vertreten, sowie klinische Schwerpunkte der Krankenversorgung, die stärker an den Forschungsschwerpunkten der beiden Hochschulen orientiert sind. Aus meiner Sicht ist das übrigens der Kernbefund des Wissenschaftsrats. Die öffentliche Diskussion hat sich ja sehr stark an der Frage: Bleibt es bei einer Fusion, oder kommt es zu einer Defusion, oder wie sieht die Holding aus?, entlanggehangelt.

Aus wissenschaftspolitischer Sicht ist der Kernbefund, dass Forschung und Lehre zur Wahrung der Forschungsfortschritte stärker an den örtlichen Entscheidungen der Krankenversorgung beteiligt werden müssen. Das bedeutet eine Abkehr von der Konstruktion, die wir seit über einem Jahrzehnt, seit nun mittlerweile 13 Jahren, in Schleswig-Holstein haben, vom Kooperationsmodell und eine Hinkehr dazu, dass die Wissenschaft wieder in den örtlichen Vorständen und Entscheidungsgremien vertreten sein soll.

Der Wissenschaftsrat schlägt darüber hinaus die Entwicklung einer Organisationsstruktur vor, die sicherstellt, dass sich beide Hochschulen wissenschaftlich autonom entwickeln können. Entsprechend sollten auch die Mittel für Forschung und Lehre in der Krankenversorgung direkt an die Universitäten fließen. Der Medizinausschuss, der eine gemeinsame Klammer beider Standorte darstellen sollte, soll abgeschafft werden.

Um die bisher erzielten Synergien zu halten und Wirtschaftlichkeit der Krankenversorgung zu gewährleisten, sollen die gemeinsam gebildeten Einrichtungen beibehalten werden. Dies könne zum Beispiel durch eine Holdingstruktur des UKSH mit zwei Standorten erfolgen.

Das ist das, was uns der Wissenschaftsrat auf den Weg gegeben hat. Das ist eine ziemlich weitreichende Veränderung.

Zu der Frage, wie sehr man sich daran hält: Ich habe unmittelbar nach der Veröffentlichung der Empfehlung des Wissenschaftsrats auch von Vertretern des UKSH gehört, das sei alles nicht so, man müsse sich nicht daran halten. Ich habe vereinzelt sogar aus der Politik gehört, man müsse nicht alles umsetzen, was der Wissenschaftsrat empfiehlt.

Dazu habe ich eine ganz klare Meinung. Wenn man selbst als Landesregierung eine Bitte für eine Empfehlung ausspricht, ist man gut beraten, dieser Empfehlung auch zu folgen. Der zweite Punkt ist, der Wissenschaftsrat ist ja nicht irgendwer. Bei jeder Begutachtung für eine Exzellenzinitiative, bei jeder Begutachtung eines Clusters trifft man wieder auf den Wissenschaftsrat. Bei jeder Begutachtung übrigens auch für ein Bauvorhaben von überregionaler Bedeutung trifft man auf den Wissenschaftsrat. Insofern ist eine solche Empfehlung des Wissenschaftsrats überhaupt nicht banal. Deshalb sagt die Landesregierung, dass wir dieser Empfehlung des Wissenschaftsrats auch selbstverständlich nachkommen wollen.

Wir müssen das im Spannungsverhältnis mit einem anderen Erfolg tun, den wir haben. So stolz, wie ich auf die Erfolge der Wissenschaft und Forschung bin, so stolz bin ich ebenso auf den Sanierungsfortschritt im UKSH. Ein wesentliches Projekt zur Fortführung des Sanierungsfortschritts ist die Umsetzung des baulichen Masterplans am UKSH. Dafür sind die Weichen gestellt. Das Kabinett hat dazu am 28. Februar 2012 eine Entscheidung getroffen, das Projekt im Sinne einer ÖPP-Maßnahme umzusetzen. Die Vergabe für die Beratungsleistung, die jetzt für den wettbewerblichen Dialog erforderlich ist, ist heute Morgen rechtskräftig geworden. Insofern sind wir dort auf dem Weg, die Dinge umzusetzen.

Was jetzt bei der Neufindung der Struktur der Hochschulmedizin in Schleswig-Holstein gelingen muss, ist, dass wir auf der einen Seite den wissenschaftspolitischen Empfehlungen des Wissenschaftsrats entsprechen und gleichzeitig auf der anderen Seite eine Managementstruktur am UKSH aufrechterhalten, die das UKSH in die Lage versetzt, dieses höchst anspruchsvolle ÖPP-Verfahren mit einem Volumen von über 500 Millionen € auch tatsächlich über die 25 Jahre so zu managen, dass die ganzen wirtschaftlichen Annahmen, die mit dem baulichen Masterplan einhergehen, auch tatsächlich eintreten werden.

Die beiden Universitäten haben zusammen mit dem UKSH und den Fakultäten jetzt einen Vorschlag für eine Neuorganisation gemacht, der aus meiner Sicht in allen Punkten eine Übereinstimmung mit den Empfehlungen des Wissenschaftstrats beinhaltet, nämlich eine stärkere wissenschaftliche Autonomie der Standorte, eine Mittelzuweisung für die klinische Medizin an die Hochschulen, Mitsprache von Forschung und Lehre im Vorstand und die Abschaffung des Medizinausschusses sowie die Bildung einer Holding. Auf diesem Weg haben wir die Möglichkeit, in einem einvernehmlichen Prozess in den kommenden Monaten und Jahren tatsächlich eine Organisationsstruktur für die Hochschulmedizin in Schleswig-Holstein zu finden, die zukunftsfähig ist und die von beiden Standorten auch mitgetragen wird.

Eines muss man bei der Bewertung sagen - das ist ja auch immer eine parteipolitische Frage -: Die einen hängen stärker an der Fusion des UKSH als die anderen, weil die einen sie eingeführt und die anderen sie nur übernommen haben. Aber bei all diesen Diskussionen geht es doch im Wesentlichen darum, dass wir die Voraussetzung dafür schaffen

müssen, dass wir die Standortrivalität, die es zwischen Kiel und Lübeck gegeben hat, überwinden.

(Beifall bei der CDU sowie vereinzelt bei FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Da können wir eine erste Lernkurve in den vergangenen Wochen beobachten. Kaum steht die Ankündigung im Raum, dass die gemeinsame Klammer gelöst werden soll, fällt es den beiden Standorten leichter, einen gemeinsamen Vorschlag vorzulegen als vorher. Wenn das die Matrix, das Muster für die kommenden Jahre ist, bin ich sehr gelassen, dass es uns gelingen wird, eine solche zukunftsträchtige Struktur auf den Weg zu bringen. Ich würde mich freuen, wenn wir uns auch hier im Parlament - auch kurz vor der Wahl - auf eine gemeinsame Organisationsstruktur verständigen könnten.

Das Dringendste, was die Hochschulmedizin und das UKSH im Moment brauchen, ist ein breit getragener politischer Konsens darüber, wie es weitergehen soll. Diesen Konsens können wir heute herstellen. Es wäre sowohl für die Forschung und Lehre an den beiden medizinischen Standorten wie für das UKSH gut, wenn es zu einem solchen breiten Konsens kommen würde.

(Beifall bei der CDU sowie vereinzelt bei FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Vielen Dank, Herr Minister. - Ich weise darauf hin, dass der Minister seine Redezeit, die vereinbart war, um drei Minuten überzogen hat. Diese Zeit stünde jetzt auch allen Fraktionen als Redezeit zusätzlich zur Verfügung. Sie können, müssen davon aber keinen Gebrauch machen.

In der Aussprache erteile ich Herrn Abgeordneten Daniel Günther von der CDU-Fraktion das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zur Überraschung der SPD begrüßen wir das.

(Lachen und vereinzelter Beifall bei der SPD)

Wir werden unseren Beitrag zu Aufforderung und Wunsch des Ministers leisten, hier einen möglichst breiten Konsens herbeizuführen. Ich weiß, dass es der SPD etwas schwerer fällt als anderen Fraktio

(Minister Jost de Jager)

nen, zu diesem Thema eine einheitliche Meinung zu formulieren. Dazu später mehr.

(Zuruf des Abgeordneten Jürgen Weber [SPD])

Ich bedanke mich erst einmal herzlich für den Bericht des Ministers zu diesem Thema. Der Berichtsantrag, den wir gemeinsam, CDU und FDP, gestellt haben, dokumentiert eines: Die regierungstragenden Fraktionen unterstützen die Umsetzungen der Empfehlungen des Wissenschaftsrats und auch die Bestrebungen der beiden Universitäten, die Universitätsmedizin so neu zu strukturieren, wie es vom Wissenschaftsrat vorgeschlagen worden ist.

In der Tat ist es ein bemerkenswerter Vorgang, dass sich die beiden Universitäten, die in der Vergangenheit nicht immer damit auf sich aufmerksam gemacht haben, dass sie sich in vielen Dingen einig gewesen wären, hier einen eigenen Vorschlag unterbreitet haben, der von beiden Universitäten getragen wird.

Nachdem wir ursprünglich diesen Entwurf als Union als einzige Fraktion unterstützt hatten, ist es gut, dass in die Debatte ein Stück weit Bewegung dadurch gekommen ist, dass es mittlerweile ein gemeinsames Modell gibt, das nicht nur von den beiden Hochschulen getragen wird, sondern auch vom UKSH. Das ist beileibe keine Selbstverständlichkeit. Denn natürlich ist es so, dass das, was der Wissenschaftsrat in diesem Bereich vorschlägt, eine gewisse Machtverschiebung vom UKSH hin zu den Fakultäten bedeutet. Das wird vom Wissenschaftsrat aber auch ausdrücklich hervorgehoben, dass diese Struktur, die in den vergangenen 13 Jahren geherrscht hat, hin zu einer Verschiebung zum UKSH geführt hat und die Fakultäten zum Teil in eine etwas schwierige Situation gebracht hat. Deshalb ist es gut, dass es einen gemeinsamen Vorschlag gibt. Wir standen von Anfang an zu ihm. Wir haben nachher beobachtet, wie sich plötzlich alle anderen Fraktionen auch in diese Richtung bewegt haben.

(Zuruf des Abgeordneten Lars Harms [SSW])

- Nein, das stimmt. Sie meine ich ausdrücklich damit jetzt auch nicht. Aber die SPD hat schon einen ganz spannenden Eiertanz dazu aufgeführt. Es kommt jetzt keine Defusion, aber zumindest eine Konfusion bei der SPD auf. Während sich die SPDFraktion am Anfang gleich gegen diesen Vorschlag positioniert hat, hat der SPD-Spitzenkandidat - was er, wenn er sich denn einmal äußert, eigentlich immer macht - alles gelobt, wusste allerdings nicht, was er hier gelobt hat, deswegen ist ihm wahr

scheinlich auch nicht aufgefallen, dass die SPDFraktion dazu eine völlig andere Auffassung vertreten hat. Das passiert aber relativ häufig.

Die Grünen haben das gemacht, was sie in solchen Fällen immer machen. Sie finden das eigentlich ganz gut, aber sagen, das hätte eigentlich von der Politik kommen müssen. Wir fragen uns dann immer, ob irgendwann bei den Grünen noch einmal ankommt, was man unter Hochschulautonomie versteht. Anstatt zu sagen: Das ist doch spitzenmäßig, dass die beiden Universitäten sich zusammengetan und mit dem UKSH hingestellt und einen gemeinsamen Vorschlag unterbreitet haben, ist das Einzige, was BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN einfällt, zu fragen, warum der Vorschlag denn nicht von der Politik gekommen ist. Das ist in diesen Debatten immer ein bisschen schade.

Wir sehen in dem vorliegenden Modell eine wirklich gute Chance zur Umsetzung der Empfehlung des Wissenschaftsrats. Das ist eine Chance für die Stärkung der Medizinischen Fakultäten, aber auch eine Chance, dass wir es im Rahmen dieses Modells hinbekommen, den baulichen Masterplan möglichst erfolgreich umzusetzen. Wir freuen uns darüber, wenn dieses Konzept schnell Realität wird.

Natürlich sind noch einige rechtliche Fragen zu klären. Es ist auch noch nicht klar, was man mit dem Holding-Modell macht. Ich habe jetzt gelesen, dass das eigentlich ein Kubicki-Modell sei. Aber man kann sagen, der Startschuss ist gegeben für die Vernetzung, ein gemeinsames Projekt der Hochschulen in Kiel und Lübeck. Die Hochschulen in Kiel und Lübeck und auch das UKSH können sich bei der Umsetzung der Unterstützung durch die CDU-Fraktion gewiss sein.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege. - Das Wort für die SPD-Fraktion erteile ich jetzt Herrn Abgeordneten Jürgen Weber.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zum ganzen Themenkomplex baulicher Masterplan möchte ich mich heute Morgen nicht äußern. Wir haben darüber im Ausschuss intensiv beraten. Das muss jetzt nicht alles wiederholt werden. Lassen Sie mich mich konzentrieren auf die Vorschläge,

(Daniel Günther)

die zur Neuordnung der Hochschulmedizin auf dem Tisch liegen.