Protokoll der Sitzung vom 25.04.2012

Ich glaube, dass Sie damit dem Parlamentarismus mehr schaden, als es die Piratenpartei oder andere je könnten. Das glaube ich wirklich, denn die Menschen haben nicht mehr das Gefühl, dass wir uns hier ernsthaft mit den Themen beschäftigen.

(Zuruf der Abgeordneten Luise Amtsberg [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

- Ich komme gleich noch dazu.

Die Menschen bekommen den Eindruck, dass wir hier Fensterreden halten und in der Sache nichts bewegen.

Der Antrag datiert vom 9. März 2012. Am 9. März 2012 wussten die Sozialdemokraten bereits, dass sie zum Ende der Koalition und eine Woche vor der Wahl eine Aktuelle Stunde beantragen wollten.

(Lachen bei FDP und CDU - Günther Hilde- brand [FDP]: So aktuell war der Antrag!)

- So aktuell war er. Das ist Teil der Wahlkampfkampagne. Da dem Kollegen Stegner inhaltlich nichts Besseres einfiel, um dies zu begründen, hat er sich darauf rekurriert, Beratungsgegenstände aus einem Ausschuss zum Anlass zu nehmen, wohl wissend, dass es in beiden Fällen, also sowohl beim Tariftreuegesetz als auch bei der Kurabgabe, um die es ging, nämlich bei der Einrechnung in die Beherbergungspreise, erhebliche rechtliche Probleme

gibt, die noch einer differenzierteren und tieferen Betrachtung bedürfen, als wir sie zum Schluss der Legislaturperiode leisten können.

Der Kollege Callsen hat bereits etwas zum Tariftreuegesetz gesagt. Sie wissen, dass bei der Kurabgabe die Einrechnung in die Beherbergungspreise zu dem Problem einer höheren Umsatzsteuer führt, dass aber gleichzeitig die Vorsteuer nicht geltend gemacht werden kann. Bevor dieses Problem nicht auf Bundesebene gelöst ist, macht es tatsächlich keinen Sinn, die Betreiber der Beherbergungsbetriebe mit zusätzlichen Kosten zu belasten, die sie eigentlich gar nicht tragen müssen. - Der Kollege Tietze nickt. Ich freue mich, dass die Grünen das in gleicher Weise sehen.

(Beifall bei FDP und CDU)

Herr Kollege Dr. Stegner, nicht die Koalition ist am Ende. Die Opposition ist bereits am Ende. Das, was Sie hier machen, identifiziere ich mittlerweile als eine gewisse Form der Panik.

(Zurufe)

- Logischerweise. Herr Dr. Stegner, Sie stellen entgegen Ihrer vollmundigen Ankündigungen in den Umfragen und bei allen Wahlbörsen fest, dass RotGrün keine Mehrheit mehr hat.

(Zuruf von der SPD: Schwarz-Gelb auch nicht!)

- Ja, aber Rot-Grün hat keine Mehrheit mehr. Wie sind Sie denn in den letzten Wochen und Monaten aufgetreten? – Das geschah mit einer Überheblichkeit sondergleichen und in dem sicheren Gefühl, -

(Beifall des Abgeordneten Martin Habersaat [SPD] - Zurufe)

- Herr Kollege Habersaat, warten wir den Abend des 6. Mai ab. Ob Sie dann noch so lachen werden, weiß ich nicht. Wir werden das sehen. In jedem Fall hat Rot-Grün keine eigene Mehrheit mehr. Wenn Sie sämtliche Wahlbörsen und möglicherweise die neuen Umfragen, die am Wochenende kommen, zugrundelegen, dann sehen Sie, dass auch die Dänen-Ampel keine eigene Mehrheit mehr haben wird. Herr Dr. Stegner, was machen Sie denn nun mit Ihren großen und vollmundigen Ankündigungen, dass Sie alles zurücknehmen wollen, was wir geschaffen haben? – Das bleibt so sehr im luftleeren Raum hängen, wie es besser nicht geht.

Ich frage mich: Was haben wir eigentlich für eine Opposition, bei der der wahrscheinlich kleinere Partner der Opposition - in Relation zur SPD - bereits heute öffentlich erklärt, dass all das, was Sie

(Johannes Callsen)

versprechen, gar nicht finanziert werden kann? Ich sage das einmal etwas untechnisch: Das ist möglicherweise Betrug am Wähler, denn Sie versprechen Dinge, die Sie gar nicht finanzieren können. Die Grünen erklären, sie werden keinen Koalitionsvertrag unterschreiben, in dem diese Zusagen enthalten sind, ohne dass entsprechende Finanzierungsmittel zur Verfügung stehen. Was ist das denn? - Das ist das Ende einer möglichen Koalition, bevor diese begonnen hat. Das zu dokumentieren, ist des Schweißes der Edlen wert.

(Beifall bei FDP und CDU)

Wir kommen im Verlauf dieser Tagung noch bei einigen Sachthemen dazu, uns mit dem Spitzenkandidaten der SPD zu beschäftigen. Herr Albig erklärt, dass er das Blindengeld gar nicht vollständig wieder auf die ursprüngliche Höhe zurückführen will, nämlich auf 300 €. Das sind 100 € weniger, als Herr Dr. Stegner hier vollmundig ankündigt. Herr Albig erklärt mittlerweile, dass er im Zusammenhang mit dem Glücksspielgesetz definitiv eine positive Stellungnahme dahin gehend erwartet, dass das alles in Ordnung ist. Damit beschäftigen wir uns noch.

Herr Dr. Stegner, Ihr eigener Spitzenkandidat stellt Sie regelmäßig in den Senkel. Umgekehrt versuchen Sie, Ihren Spitzenkandidaten in den Senkel zu stellen, weil der auf dem Weg ist, die Herzen der Menschen in Schleswig-Holstein erobern zu wollen, weil Sie es nicht schaffen, den Verstand der Menschen zu erobern.

(Beifall bei FDP und CDU)

Ich will mit einem wunderschönen Satz des Kollegen Neugebauer schließen, dem Traditionslenker der SPD. Er hat gestern im „sh:z“ erklärt: Viele Menschen begegnen ihm auf den Marktplätzen und anderswo, die gern wieder die SPD wählen würden, davon aber abgehalten werden, da Herr Dr. Stegner noch sein Unwesen in der SPD treibt.

(Beifall bei FDP und CDU)

Mein Gott! Herr Dr. Stegner, aus unserer Sicht kann ich nur sagen: Weiter so! Gehen Sie auf die Marktplätze, und reden Sie dort wie heute Morgen hier von diesem Pult aus, und ich bin sicher, dass die SPD ein herausragend schlechtes Ergebnis erzielen wird, und das hat sie verdient.

(Beifall bei FDP und CDU)

Ich erteile dem Vorsitzenden der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Herrn Abgeordneten Dr. Robert Habeck, das Wort.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Von uns aus hätte es dieser Aktuellen Stunde nicht bedurft.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU und FDP)

Über die Inhalte, über die wir uns austauschen könnten, haben wir uns entweder hier oder in den Ausschüssen ausgetauscht. Das, was der ursprüngliche Antrag vorgesehen hat, weiß sowieso jeder: Sowohl in Berlin als auch in Schleswig-Holstein hat Schwarz-Gelb fertig,

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

und zwar in Berlin in Bezug auf die Vorratsdatenspeicherung, den Atomausstieg und das Betreuungsgeld. Nichts geht mehr zusammen. In Schleswig-Holstein schlägt sich Herr Kubicki in der ihm eigenen Bescheidenheit selbst als Finanzminister vor, und Herr de Jager schlägt eine Bildungsministerin gegen die FDP vor. Ich glaube, es ist im Land einmalig, dass ein Koalitionspartner jeweils dem anderen bescheinigt, das falsche Personal in den Schlüsselministerien dieser Regierung zu haben, nämlich in den Bereichen Bildung und Finanzen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt bei der SPD)

Hier braucht es keinen Grünen mehr, der sagt: Diese Regierung ist am Ende. Jeder weiß es. Herr Kubicki, Schwarz-Gelb wird auch keine Mehrheit bekommen. Wie immer die Wahl ausgeht, auch Schwarz-Gelb wird keine Mehrheit bekommen. Im Übrigen hat es diese nie gegeben.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt bei SPD und SSW)

Die Frage ist nur, ob es besser wird, wenn wir wiederholen, was sowieso jeder weiß. Ich meine nicht. Deshalb hoffe ich, dass diese Episode, die für Schleswig-Holstein sowieso zu lange gedauert hat, schnell zu Ende geht. Ich will sie hier nicht verlängern.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SSW und des Abgeordneten Dr. Christian von Boetticher [CDU])

(Wolfgang Kubicki)

Das Wort erteile ich der Vorsitzenden der Fraktion DIE LINKE, der Frau Abgeordneten Antje Jansen.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In elf Tagen ist die Landtagswahl. Nach den vorangegangenen Debattenbeiträgen habe ich den Eindruck, dass wir in einer Wahlkampfarena sitzen und nicht im Parlament, in dem wir eigentlich Beschlüsse für die Bevölkerung, also für die Menschen vor Ort fassen müssen. Es gibt wahrhaftig keinen dringenden Anlass für die Frage, ob die Koalition aus CDU und FDP schon vor der Wahl am Ende ist. Wann, wenn nicht heute, soll der Landtag darüber debattieren, ob die schwarz-gelbe Landesregierung in eine tiefe Krise geraten ist? – Das ist eine Krise, die so tief ist, dass die Landesregierung ihre Handlungsfähigkeit verloren hat und vor dem Zerbrechen steht.

Gestatten Sie mir eine Prognose: Ich bin fest davon überzeugt, dass die Landesregierung die letzten eineinhalb Wochen bis zur Wahl irgendwie überstehen wird. Das Ende dieser Koalition wird am Abend des 6. Mai ausgezählt werden. Sie werden Ihre Mehrheit verlieren, davon bin ich fest überzeugt. Das ist eine Mehrheit, die Sie zweieinhalb Jahre lang nur aufgrund einer verfassungswidrigen Merkwürdigkeit des schleswig-holsteinischen Wahlrechts hatten. Das ist der Grund dafür, warum wir im Landtag in elf Tagen Neuwahlen haben werden.

Wir verdanken diese Aktuelle Stunde der politischen Fantasie der SPD-Fraktion. Die SPD hält den „schwindenden Einigungswillen der Koalitionsfraktionen“ für so dramatisch, dass wir diese Debatte noch brauchen. Für uns als Linke stellt sich dies aus der Erfahrung nach zweieinhalb Jahren schwarzgelben Einigungswillens anders dar. Auf diesen hätten wir bei der Halbierung des Landesblindengeldes, bei der Streichung des beitragsfreien dritten Kitajahres, bei der Schließung von Frauenhäusern und natürlich auch bei den immens hohen Streichungen im Bereich der Lehrerstellen gern verzichtet. Ich könnte diese Liste beliebig fortführen.

Das alles hätten wir wirklich auch nicht gebraucht.

(Beifall bei der LINKEN)

Im Gegenteil: Wo immer die schwarz-gelbe Mehrheit ihr Programm durchgezogen hat, da hat sie politischen Schaden angerichtet. Wenn sich der Einigungswille der Koalitionsfraktionen jetzt im

Schlussakt dieser Legislatur wirklich erschöpft haben sollte, dann bedeutet das für uns kein Unglück für die Menschen, die die Folgen der schwarz-gelben Politik ertragen mussten. Wir als Linke werden den beiden Regierungsparteien keinen Strick daraus drehen, dass sie die lange Liste ihrer politischen Fehlentscheidungen vor dem 6. Mai nicht mehr verlängern wollen und nach dem 6. Mai auch nicht mehr verlängern können.

In der Bilanz von zweieinhalb Jahren schwarz-gelber Politik gibt es allerdings einen Dreh- und Angelpunkt. Dieser zentrale Punkt ist die Schuldenbremse und das damit verbundene Konzept der Haushaltskonsolidierung, das politisch total verfehlt ist. Ich möchte an dieser Stelle noch einmal daran erinnern: Diese Schuldenbremse fällt nicht nur auf die beiden schwarz-gelben Parteien zurück. DIE LINKE im Landtag ist die einzige Fraktion, die an dieser Katastrophe nicht teilgenommen hat.

(Beifall bei der LINKEN)

Aber alle anderen Fraktionen neben CDU und FDP, eben auch die SPD, die Grünen und der SSW, haben der Schuldenbremse zugestimmt. Und mit der Verankerung der Schuldenbremse in der Landesverfassung haben auch die anderen Oppositionsparteien die Richtung des Schuldenabbaus mit beschlossen.