Protokoll der Sitzung vom 26.04.2012

Ich bin der Auffassung: Wenn 2,40 € pro Stunde bezahlt werden, sollte man dafür nicht arbeiten und dafür auch keine Ausbildung machen.

Daher können Sie sicher sein, dass die Gewerkschaften, die mit am Tisch sitzen werden, keiner Regelung zustimmen werden, die auch nur annähernd in diesen Bereich geht. Ich prophezeie Ihnen, wir werden höhere Mindestlöhne bekommen, als wir es uns bisher vorgestellt haben, weil alle Branchen und Regionen mit einbezogen werden. Ein Stundenlohn von 3 € wird überhaupt keine Basis sein.

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Stegner?

Sehr gern.

Herr Kollege Kalinka, ist Ihnen bewusst, dass die Tarifregelungen, auf denen das aufsetzt, solche sind, die sich auch auf tarifliche Regelungen mit sogenannten christlichen Gewerkschaften beziehen können, also mit Lohndrückervereinen, die gar keine vernünftigen Gewerkschaften sind?

- Genau das ist nicht der Fall. Die Regelungen, die jetzt in Berlin getroffen werden, sehen vor, dass es eine kleine Kommission mit zweimal sieben Mitgliedern, also mit 14 Mitgliedern geben wird, die einen Vorschlag machen wird. Sie können davon ausgehen, dass es eine Signalwirkung für ganz Deutschland haben wird, wenn diese Kommission sich einig wird. Der große Vorteil ist doch, dass die Tarifpartner, die diese Wirtschaft und diesen Staat mit aufgebaut haben, jetzt in einem Bereich Verantwortung übernehmen, in dem es in der Tat Defizite gibt. Das ist eine Riesenchance.

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Tietze?

(Lars Harms)

Auch sehr gern.

Herr Kollege Kalinka, sind Sie bereit, es zu akzeptieren, wenn diese Kommission feststellt, dass ein Mindestlohn von 8,50 € sozial gerecht ist?

- Eine solche Kommission wird nicht feststellen, dass ein Mindestlohn von 8,50 € sozial gerecht ist. Vielmehr würde eine solche Kommission feststellen, dass ein Mindestlohn von 8,50 € wirtschaftlich tragbar und sozial vernünftig ist. Beide Komponenten müssen einbezogen werden.

Wenn eine solche Kommission einen Mindestlohn festlegt, dann ist das verbindlich. Das ist genau der Kernpunkt, wenn es um ein Gesetz geht; denn ein Gesetz gilt für alle. Das ist der Qualitätssprung in dieser Debatte.

(Beifall bei der CDU - Zuruf des Abgeordne- ten Dr. Andreas Tietze [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

- Herr Kollege, wollen Sie eine weitere Frage stellen?

(Dr. Andreas Tietze [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das entspricht nicht dem, was gestern gesagt worden ist!)

- Herr Kollege Dr. Tietze, ich darf vielleicht noch einen Satz hinzufügen. Der geschätzte Kollege Laumann war dieser Tage bei uns im Kreis, und wir haben das mit ihm diskutiert. Sie können getrost davon ausgehen, dass es keine Regelung geben wird, die auch nur annähernd Probleme im sozialen Bereich nach sich ziehen wird. Davon können Sie getrost ausgehen.

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Kubicki?

Mit der gleichen Freude.

Herr Kollege Kalinka, ich weiß, dass Sie ein profunder Sachkenner sind. Herr Kollege Baasch hat moniert, dass es Manager wie Herrn Winterkorn von VW gibt, die 17 Millionen € im Jahr als Gehalt erhalten. Ist Ihnen bekannt, dass bei VW die paritätische Mitbestimmung gilt? Ist Ihnen darüber hinaus bekannt, dass die Ar

beitnehmervertreter im Aufsichtsrat, die gleichzeitig Vertreter der IG Metall sind, dieser Entlohnung zugestimmt haben?

- Wenn es allen Arbeitnehmern in Deutschland so gut gehen würde wie den Arbeitnehmern bei VW, dann könnten wir glücklich sein.

(Beifall bei CDU und FDP)

Das bezieht sich übrigens auch auf Arbeitszeiten und sonstige Regelungen. Ich finde, VW zeigt, wie es auch gehen kann. VW zeigt auch, dass man damit einen großen Markterfolg haben kann.

Dazu kann man nur sagen: Weiter so, Deutschland. Dies gilt aber nicht für jede Einzelheit bei VW, Herr Kollege Kubicki.

(Beifall des Abgeordneten Dr. Ralf Stegner [SPD])

Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, meine zweite Bemerkung, die mir ganz wichtig ist, bezieht sich darauf, dass wir als Union in der Tat einen weiten Weg gegangen sind, um zu diesem Ergebnis zu kommen. Jetzt haben wir aber ein Ergebnis.

Dies halte ich auch mit Blick auf die soziale Gewichtung für wichtig. Für uns sind die Wirtschaft und das Soziale die beiden entscheidenden Säulen. Nachdem es in den vergangenen Jahren möglicherweise ein zu geringes Gewicht auf das Soziale gelegt worden ist, wird diese Gewichtung nun wieder auf die richtige Bahn kommen.

Eines ist aber auch wichtig: Wir müssen möglichst viele auf diesem Weg mitnehmen. Das Gehalt, das gezahlt werden soll, muss zunächst einmal verdient werden. Es gibt möglicherweise manch eine Firma, die in einer Situation steckt, in der sie das derzeit nicht bezahlen kann, weil sie das Geld nicht verdient. Ich glaube, wir dürfen diese nicht aus dem Blick verlieren. Deshalb müssen wir das Gesamtgefüge unserer Wirtschaft im Blick haben.

(Beifall bei der CDU)

Lassen Sie mich eine Schlussbemerkung machen. Ich finde, es ist ein großer Wert, dass wir in diesem Haus bei bestimmten Dingen gar nicht so weit voneinander entfernt sind. Herr Kollege Vogt, wir haben uns über einige Dinge schon einmal genauer unterhalten.

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Ralf Stegner [SPD])

- Ach, wissen Sie, was ich so manchmal an Bemerkungen zu hören bekomme, dazu kann ich nur sa

gen: rein und raus. Das ist das Beste, was man in solchen Augenblicken tut.

(Demonstrativer Beifall bei der SPD)

Wer mich in die Nähe des Sozialismus bringt, der kennt mein Leben nicht.

(Beifall und Heiterkeit bei CDU und FDP)

Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, vom Lohn muss man leben können. Die Würde des arbeitenden Menschen und die Tatsache, dass er von seiner Arbeit seine Familie ernähren können muss, ist der Kernpunkt. Lassen Sie uns diesen wichtigen Wert in diesem Haus - wobei es sicherlich unterschiedliche Nuancen hinsichtlich der Interpretation im Detail gibt - trotz Wahlkampf nicht gefährden.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort zu einem weiteren Dreiminutenbeitrag erteile ich Herrn Abgeordneten Wolfgang Baasch.

Herr Kollege Kalinka, was gestern vorgelegt worden ist, lässt natürlich weiterhin Tariflöhne zu, die Dumpinglöhne sind.

(Werner Kalinka [CDU]: Nein!)

Frau von der Leyen hat erklärt, dass sich die Arbeitsgruppe in der Union auf ein Modell für die Festlegung eines einheitlichen Mindestlohns in den Bereichen verständigt hat, in denen es keine gültigen Tarifverträge gibt. Dann müssten Sie aber auch sagen: Wenn es Tarifverträge mit Mindestlöhnen gibt, die als Dumpinglöhne anerkannt werden müssten, dann muss der Tarifvertrag außer Kraft gesetzt werden. Dann muss Ihre Kommission neu verhandeln, damit die Abschlüsse mit Christlichen Gewerkschaften ausgehebelt werden.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Das wäre zumindest konsequent. Das haben Sie in Ihrer Vorlage auf Bundesebene aber nicht beschrieben.

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Kalinka.

Herr Kollege, ist Ihnen bewusst, dass bei den von Ihnen kritisierten Tarifverträgen auch die Vertreter der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, nämlich die Gewerkschaften, mit am Tisch gesessen haben? Denn nur dadurch kommen Tarifverträge zustande.

(Beifall bei der CDU - Zuruf des Abgeordne- ten Dr. Ralf Stegner [SPD])

- Herr Kollege Kalinka, es geht natürlich um Christliche Gewerkschaften. Es geht um die Gewerkschaft der Handelsreisenden und so weiter, die dann als Arbeitnehmer fungieren und solche Verträge aushandeln. Es geht aber mitnichten um die gewählten und von starken Gewerkschaften geprägten Einzelgewerkschaften des DGB.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sondern es geht tatsächlich um solche obskuren Organisationen, die Sie selbst genauso hart kritisieren, wie wir das tun.