Protokoll der Sitzung vom 27.04.2012

(Beifall bei der LINKEN)

Wenn wir mit den Ehrenamtlern diskutieren, dann sehen wir, dass sie aufgrund der Bürokratie, die durchaus auch in Schleswig-Holstein zu finden ist, Probleme haben. Insofern finden wir es sehr gut, wenn jetzt gesagt wird, man wolle über das Internet eine zentrale Anlaufstelle für Fragen zum Ehrenamt einrichten, um den ehrenamtlich Tätigen vor Ort bei ihrer Arbeit zu helfen.

An dieser Stelle möchte ich noch einige kritische Anmerkungen machen. Leider gibt es die Tendenz, dass sich der Staat aus vielen gesellschaftlich wichtigen Bereichen zurückzieht. Hier müssen andere ehrenamtlich einspringen. Ich finde, das Ehrenamt sollte kein Lückenbüßer dafür sein, dass der Staat seinen sozialen Verpflichtungen nicht nachkommt. Wir sehen das zum Beispiel in Kiel bei den Büchereien.

(Zuruf des Abgeordneten Rolf Fischer [SPD])

- Ich weiß, Herr Fischer. Wir hatten das Thema schon. Hier müssen Ehrenamtliche zum Teil das übernehmen, was die Stadt nicht mehr leisten kann. Vor Kurzem war ich bei der Kieler Tafel. Hier sehen wir das Engagement von ehrenamtlich Tätigen. Es gibt viele Menschen, denen aufgrund der sozialen Situation und der Tatsache, dass Hartz IV nicht zum Leben reicht, durch Ehrenamtliche dabei geholfen werden muss, über die Runden zu kommen. Ich glaube, das ist eine gesellschaftliche Verant

wortung des Staates. Das Ehrenamt ist zwar wichtig, aber es ist auch problematisch, wenn der Staat die notwendigen Aufgaben nicht erfüllt.

Noch eine kritische Anmerkung zu der Positionierung, die wir heute durch unsere Stimme mit verabschieden. Ich glaube, die Resolution ist zu einseitig auf die Ehrenamtsbereiche ausgerichtet, die eine monetäre Kompensation finden. Zu Punkt zwei sage ich: Es ist gut, wenn es eine bessere steuerund sozialversicherungsrechtliche Behandlung von Ehrenamtsentschädigungen gibt. Die meisten ehrenamtlich Tätigen in unserem Land erhalten aber keine Entschädigung. Ich denke, dass deren Interessen hier ein bisschen zu kurz kommen und dass die Interessen der Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitiker, die durchaus entschädigt werden, etwas zu sehr im Vordergrund stehen.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir haben sehr oft über das Ehrenamt diskutiert. Es entsteht der Eindruck, als seien wir alle für das Ehrenamt und als sei in Schleswig-Holstein alles gut. Ich sehe das aber ein bisschen anders. Herr Tietze hat es schon erwähnt: Ehrenamtlichkeit braucht auch Hauptamtlichkeit. Damit die ehrenamtlich Tätigen in ihrem Bereich vernünftig wirken können, brauchen sie hauptamtliche Unterstützung. In diesem Kontext muss ich sagen: Das, was die Landesregierung mit ihren Kürzungsbeschlüssen im Rahmen des letzten Doppelhaushalts gemacht hat, war ein Schlag ins Gesicht für alle ehrenamtlich Tätigen.

(Beifall des Abgeordneten Björn Thoroe [DIE LINKE])

Dies gilt für die Kürzungen beim Dachverband, bei der kulturellen Jugendbildung und für Kürzungen im Bereich des Landesjugendrings, der Jugendverbände oder auch der überregionalen Träger. Ehrenamt braucht Hauptamtlichkeit. Daher werden wir dafür eintreten, dass die Kürzungen in diesem Bereich, die dem Ehrenamt den Boden entziehen, zurückgenommen werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Nach vielen letzten Reden freuen wir uns jetzt auf die erste Rede der Kollegin Jette Waldinger-Thiering von der SSW-Fraktion.

(Beifall)

Sehr geehrte Frau Landtagspräsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Gäste! In Schleswig-Holstein gibt es viele Menschen, die sich ehrenamtlich für das Gemeinwesen engagieren, ohne dabei nur eine Sekunde lang an Ausgleichzahlungen, Fahrtkostenerstattungen oder Steuerpauschalen zu denken. Es ist ihnen nicht so wichtig, ob wir hier im Landtag ihre Arbeit gutheißen oder, wie es in den Anträgen der Regierungsfraktionen heißt, uns für ihre Arbeit aussprechen. Sie wünschen sich von der Politik aber faire Rahmenbedingungen für ihr Engagement. Genau die sollten das Thema unserer Debatte sein.

Die Landesregierung legt diesen Menschen Steine in den Weg. Selbsthilfegruppen und anderen ehrenamtlichen Einrichtungen wurden in den letzten Monaten teilweise existenzbedrohende Bescheide zugestellt, in denen es heißt: Es gibt nichts mehr. Auch wenn es sich dabei meist um geringe Beträge handelt, so bedeuten die Bescheide für die Betroffenen oft riesige Einschnitte. Für sie ist diese Nachricht gleichbedeutend mit einer Geringschätzung ihres ehrenamtlichen Einsatzes.

(Beifall bei SSW, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN sowie vereinzelt bei SPD und der LIN- KEN)

Ehrenamt ist auch nicht gleich Ehrenamt, weil bei den Ehrenamtsentschädigungen mit zweierlei Maß gemessen wird. Deshalb wäre eine einheitliche Behandlung besser. Eine Vereinheitlichung nach unten darf es dabei aber nicht geben. Gleiches gilt für die Standards ehrenamtlicher Arbeit. Das Ehrenamt stützt sich auf das Freiwilligkeitsprinzip aller Bürgerinnen und Bürger. Den Einsatz von Beamten und Angestellten, die im Ruhestand an ihren Schreibtisch zurückkehren sollen, lehnt der SSW ab. Wir sehen die Gefahr, dass jüngere Mitarbeiter nicht nachrücken können, dass die Tür zu einem Lohndumping geöffnet wird und dass das Freiwilligenprinzip ausgehöhlt wird. Für den SSW ist klar: Ehrenamtliche Tätigkeiten müssen freiwillig bleiben, und Arbeitsplätze dürfen nicht verdrängt werden.

(Beifall bei SSW, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Wenn der EU-Vorstoß zur EU-Arbeitszeitrichtlinie unverändert umgesetzt wird, dann würden einem Feuerwehrmann bei der Freiwilligen Feuerwehr Eckernförde zum Beispiel, der 38 Stunden in der Woche berufstätig ist, nur noch zehn Stunden bleiben, um seinen Ehrenamtsdienst auszuüben.

Hätten die Feuerwehren keine Nachwuchssorgen und würden nicht häufig betriebliche Gründe gegen einen Einsatz sprechen, dann wäre die Begrenzung wohl ein kleineres Problem. Ansonsten kann die Umsetzung verheerende Folgen für die Gefahrenabwehr und für die Unfallhilfe haben. Ähnliches gilt für alle von diesem Vorstoß betroffenen Hilfsorganisationen. Hilfsorganisationen, Vereine, Verbände und natürlich die kommunale Selbstverwaltung ergeben die unverzichtbare kommunale Medaille, um die es sich zu kümmern gilt. Für den SSW heißt das, dass vernünftige Regeln für das Ehrenamt geschaffen und Internetportale wie Bürgergesellschaft und Ehrenamt und ,,engagiert-inSH“ weiterentwickelt werden können.

(Beifall der Abgeordneten Ranka Prante [DIE LINKE])

Der SSW unterstützt den Appell an die Landesregierung, dass die Schulen dafür sensibilisiert werden sollen, Gemeinderatsitzungen zu besuchen und kommunales Engagement in Projektwochen zu thematisieren. Appelle reichen aber nicht aus. 2011 war das Jahr des Ehrenamts. Jetzt, im Jahr 2012 diskutieren wir in der letzten Landtagssitzung über so ein wichtiges Thema. Ehrenamt bedeutet Gemeinschaft, Solidarität und Kultur. Es ist ein wichtiger Baustein für das Miteinander vor Ort und unbezahlbar. Unverzichtbar sind aber auch alle hauptamtlichen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, die das Ehrenamt auf vielfältige Weise unterstützen.

(Beifall bei SSW, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie vereinzelt bei CDU, FDP und der LINKEN)

Schönen Dank, Frau Kollegin. - Zu einem Dreiminutenbeitrag erteile ich der Frau Abgeordneten Kirstin Funke das Wort.

Verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte in der Debatte um das Ehrenamt noch einen Punkt gesondert herausgreifen. Im Hauptbericht des Freiwilligensurveys 2009 ist damals schon deutlich geschrieben worden, dass das Ehrenamt nicht nur bei Jugendlichen sehr stark im Vordergrund steht, sondern dass es bei Jugendlichen sogar noch stärker verankert ist als bei Studierenden, also bei der Altersgruppe nach 20. Wie wollen wir für die Zukunft gewährleisten, dass genau diese Schülerinnen und Schüler sich weiterhin ehrenamtlich für unsere Gesellschaft engagieren?

In diesem Bericht von 2009 steht explizit drin, dass sich Schülerinnen und Schüler von Gymnasien, die das G 9 anbieten, weil sie eben auch Planungssicherheit haben, in ihrer Freizeit besonders stark engagieren. So war es nur konsequent und richtig, dass wir in unserem Schulgesetz diese Wahlmöglichkeit für Schülerinnen und Schüler, Lehrer und auch Eltern anbieten, nämlich zu wählen, ob sie auf ein G-8- oder G-9-Gymnasium gehen beziehungsweise ihre Kinder dorthin schicken wollen, um so eben auch die Chance zu haben, sich ehrenamtlich für unsere Gesellschaft einzusetzen.

In Zukunft - darum geht es ja letztlich - brauchen wir aber eine noch stärkere Verzahnung von Schule und Verbänden zum einen für unsere Jugendlichen, aber eben auch für die Verbandsstrukturen.

Positiv möchte ich noch Folgendes anmerken: Obwohl unser Koalitionspartner am Anfang ein wenig skeptisch war, ob man beides, G 8 und G 9, einführen sollte, muss ich heute sagen: In den letzten Wochen und Monaten hat unser Koalitionspartner gezeigt, dass er auch fest hinter dieser Entscheidung steht.

Bevor ich meinen letzten Redebeitrag in dieser Legislaturperiode beende, möchte ich die Gelegenheit wahrnehmen, mich bei allen hier im Hohen Haus ganz herzlich für die konstruktive Zusammenarbeit zu bedanken, auch bei der Verwaltung. Obwohl ich erst 2009 als Neuling in dieses Haus eingezogen bin, haben Sie mir Ihr Vertrauen ausgesprochen, den Landtag in der Arbeitsgruppe „Integrierte Meerespolitik“ bei der Ostseeparlamentarierkonferenz zu vertreten und die Positionen Schleswig-Holsteins einzubringen und voranzubringen. Deswegen möchte ich mich noch einmal ganz besonders für dieses mir entgegengebrachte Vertrauen bedanken.

(Beifall)

Gern habe ich mit Ihnen um den besten Weg für das Land gerungen. Nicht jede Entscheidung ist mir persönlich leichtgefallen.

Ich wünsche Ihnen allen persönlich alles Gute auf Ihrem weiteren Weg und weiterhin gute und richtige Entscheidungen für unser Land.

(Beifall)

Vielen Dank. - Für die Landesregierung erteile ich Herrn Minister Wiegard das Wort.

Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Ich bedanke mich sehr, dass Sie den Bericht, den ich Ihnen vor einem Jahr vorgelegt habe, so intensiv insbesondere auch mit den beteiligten Organisationen, Vereinen und Verbänden diskutiert haben und dass wir auch partei- beziehungsweise fraktionsübergreifend viele Übereinstimmungen erzielt haben, wie wir künftig die ehrenamtliche Tätigkeit erleichtern können, sei es im Steuerrecht, sei es im Sozialversicherungsrecht, sei es aber auch unter anderen Rahmenbedingungen, die wir schaffen. Ich glaube, dies ist für die Zukunft unseres Landes von außerordentlich großer Bedeutung.

900.000 Menschen in Schleswig-Holstein sind ehrenamtlich tätig. 900.000 Menschen, das ist fast jeder zweite über 14 Jahre, die für die Gemeinschaft im Durchschnitt 200 Stunden im Jahr aufbringen, um in Vereinen, Verbänden, Organisationen oder in der Feuerwehr, die ja einen erheblichen Teil der ehrenamtlichen Tätigkeit ausmacht, in Sportvereinen oder in sozialen und kulturellen Bereichen sich einbringen.

Wenn man einmal versucht, diese rund 200 Millionen Stunden, die insgesamt für ehrenamtliche Tätigkeit aufgebracht werden, in einen volkswirtschaftlichen Nutzen umzumünzen, dann hieße dies bei einem durchschnittlichen Erwerbseinkommen, dass wir etwa 4 Milliarden € aufbringen müssten, wenn die Menschen diese ehrenamtliche Tätigkeit nicht verrichten würden. Weil keine dieser Aufgaben verzichtbar ist, müssten wir das hauptamtlich finanzieren. Somit weiß jeder, welche auch finanzielle Bedeutung diese Tätigkeit hat.

Dabei ist die finanzielle Bedeutung für die Menschen selbst, die diese Tätigkeit ausüben, relativ zweirangig, im Übrigen auch manche Regel, über die wir diskutieren. Wir sollten aber anerkennen, dass das, was eigentlich der Einsatz ist, wenn Menschen in der Zeit, in der sie nicht berufstätig sind oder anderen Dingen nachgehen, ihre Fähigkeiten, ihre Kenntnisse einbringen in unsere Gesellschaft, etwas ist, was man nicht vergüten und nicht bezahlen kann. Leistung kann man vergüten, Aufgabenerfüllung kann man bezahlen. Aber Zeit, die man gegeben hat, kann man nie wieder zurückgeben. Deshalb ist dies wohl auch der größte Ansatz, den wir hier würdigen sollten.

(Beifall)

In den Beiträgen zu diesem Thema, zu diesem Tagesordnungspunkt ist zu Recht auf verschiedene Aspekte hingewiesen worden. Andreas Tietze, Sie

(Kirstin Funke)

haben gesagt: „Wir waren bei der Arbeitszeitrichtlinie hellwach.“ Das ist wohl richtig. Wir sehen daran aber auch, dass es sie im Entwurf gibt, dass man einige auch noch wecken muss andernorts. Das gilt auch für viele andere Bereiche.

Ich will noch auf einen Aspekt hinweisen, der mit der demografischen Entwicklung in unserem Land zusammenhängt. Wir wissen, dass die Zahl der erwerbsfähigen Menschen in den nächsten Jahrzehnten erheblich sinken wird, dass die Zahl der Kinder und Jugendlichen erheblich sinken wird, dass aber die Zahl derjenigen, die älter sind, erheblich steigen wird. Somit stellt sich nicht nur die Frage, wie wir junge Menschen für eine ehrenamtliche Tätigkeit gewinnen können, sondern diese Frage richtet sich auch an diejenigen, die nach dem Krieg geboren worden sind. Die erste Generation, die nach dem Krieg geboren worden ist, geht jetzt in Rente. Deshalb müssen wir auch an jene appellieren, die in den letzten 65 Jahren in Deutschland ohne Krieg in Frieden und Freiheit, in sozialer Sicherheit und in stetig wachsendem Wohlstand haben leben können und bisher vielleicht nicht die Gelegenheit gefunden haben, ehrenamtlich tätig zu sein, doch jetzt in der letzten Phase des Lebens einen Teil dessen an die Gesellschaft zurückzugeben, was diese Gesellschaft ihnen ermöglicht hat. Ich glaube, auch dies ist ein wichtiger Appell, den wir aussprechen sollten, wenn es um die Zukunft ehrenamtlicher Tätigkeit außerhalb aller wichtigen und richtigen Regelungen geht, die wir hier zu treffen haben.

(Beifall bei CDU und FDP sowie vereinzelt bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der LINKEN und SSW)

Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe daher die Beratung.

Wir kommen zur Abstimmung zu a): Antrag der Fraktionen von CDU und FDP, Drucksache 17/2504, und Beschlussempfehlung Drucksache 17/2477. Der Innen- und Rechtsausschuss hat sich bereits im Wege der Selbstbefassung mit dem Antrag Drucksache 17/2504 befasst. Im Rahmen der Ausschussberatung ist dem Antrag in modifizierter Form zugestimmt worden und dem Plenum als interfraktioneller Antrag in der Fassung der Beschlussempfehlung Drucksache 17/2477 zugeleitet worden. Der Antrag Drucksache 17/2504 ist damit in diese Entschließung aufgegangen.

Wer der interfraktionellen Entschließung zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Damit ist dies einstimmig angenommen.

Zu b): Antrag der Fraktionen von CDU und FDP, Drucksache 17/2505. Wer diesem Antrag zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Das sind die Stimmen der Fraktionen von CDU und FDP und des SSW. Wer ist gegen diesen Antrag? Das ist zunächst die Kollegin Heinold, die noch nachdenken möchte.

(Heiterkeit)

Dann frage ich zuerst, wer sich enthalten möchte. Das sind nunmehr die Stimmen der Fraktionen DIE LINKE, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.