Protokoll der Sitzung vom 27.04.2012

Zusätzlich werden wir eine Landesstelle „für Gleichbehandlung - gegen Diskriminierung“ einrichten, die auf den vorhandenen Strukturen aufbaut. Wir wollen mit den vorhandenen Akteuren gemeinsam daran arbeiten, zentrale Ansprechpartner in Ländern und Kommunen zu gewinnen, Beratungsmöglichkeiten vor Ort zu verbessern und gemeinsame Strategien gegen Diskriminierung zu entwickeln.

Als politisches Bekenntnis und zur Bekräftigung dieser wichtigen Ziele soll Schleswig-Holstein - das können Sie unserem Antrag entnehmen - wie schon andere Bundesländer der „Koalition gegen Diskriminierung“ beitreten.

Ich bitte um Zustimmung zu unserem Antrag - auch wenn ich weiß, dass das der Auftrag an eine zukünftige Landesregierung ist. Ich bin aber der guten Hoffnung, dass diese Landesregierung unserer freudigen Aufforderung nachkommt, weil diese Landesregierung von einem Sozialdemokraten geführt werden wird.

(Beifall bei der SPD - Zurufe)

Deshalb ist es gut, wenn auch die CDU unserem Antrag zustimmt und nicht der Regierung heute, die sowieso nicht mehr lange im Amt ist, einen Prüfauftrag erteilt. Ich werde als „Nichtmehrparlamentarier“ in der nächsten Legislaturperiode beobachten, was aus der Antidiskriminierungsstelle geworden ist, und von außen bewerten, inwieweit Sie die Diskussion in diesem Punkt weiterbringen.

Ich bin zwei Legislaturperioden im Parlament gewesen. Diese beiden Legislaturperioden zeichnen sich dadurch aus, dass sie unter der sogenannten arithmetischen Verkürzung litten.

Früher war es einmal so, dass Legislaturperioden in Schleswig-Holstein fünf Jahre dauerten.

(Zuruf: Vier Jahre!)

Das ist schon lange her. Dann dauerten sie etwas mehr als vier Jahre. Dann dauerten sie ein wenig mehr als zwei Jahre. Wenn man das weiter fortführt, kommen wir irgendwann einmal zu Legislaturperioden, die es gerade auf eine Zeit bringen, in der man den Ministerpräsidenten wählen kann, um

dann zu beschließen, dass man sich gleich wieder auflöst.

Ich hoffe, dass wir das in Zukunft nicht erleben. Ich hoffe, dass alle diejenigen, die mir nachfolgen, in Zukunft wieder fünf Jahre für ihre Arbeit nutzen können - zum Wohle unseres Landes; denn ich glaube nicht, dass die verkürzten Legislaturperioden dazu geführt haben, dass wir alle die Aufgaben gemeinsam und gemeinsam auch im Streit lösen konnten, die vor uns lagen und die wir hätten lösen müssen. Das ist das eine.

Ich bedanke mich auf der anderen Seite allerdings auch bei meiner Familie. Ich glaube, wir sollten uns alle bei unseren Familien bedanken, die unser Tun oder auch unser Nicht-Tun begleitet haben; denn ohne sie wäre das nicht möglich gewesen. Ohne unsere Familien wären wir in unserem Tun oder manchmal eben auch in unserem Nicht-Tun sehr einsam gewesen. Ich hoffe, dass Sie - genauso wie ich - auch in Zukunft mit der Unterstützung Ihrer Frauen, Männer, Lebenspartner rechnen können, die Ihre Arbeit so begleiten, dass alle befriedigt nach einer Legislaturperiode, die fünf Jahre gedauert hat, nach Hause gehen und sagen können: Ich habe etwas erreicht.

Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit und wünsche Ihnen für die verbliebenen Tage des Wahlkampfes noch viel Vergnügen und

(Heiterkeit)

viel Auseinandersetzung. Vielleicht führt dann diese Auseinandersetzung auch dazu, dass in der nächsten Legislaturperiode der eine oder andere Gedanke auch in Gesetze und in Handeln umgesetzt werden kann.

(Anhaltender Beifall)

Das Wort für die CDU-Fraktion erteile ich der Frau Kollegin Astrid Damerow.

Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Kollege Buder, zunächst einmal wünsche ich Ihnen alles Gute und bedanke mich auch für Ihre guten Wünsche. Leider muss ich Ihnen direkt antworten: Nur damit die nächste Landesregierung die Aufträge, die wir heute vergeben, ausführt, tut es nicht not, die SPD zu wählen.

(Detlef Buder)

(Heiterkeit und vereinzelter Beifall bei der FDP)

Ich bin sehr sicher, dass das auch eine CDU-geführte Landesregierung anschließend tun wird.

Sehr geehrte Damen und Herren, die Ungleichbehandlung von Frauen und Männern, von Menschen mit Behinderung, Diskriminierung aus Gründen des Alters, der sexuellen Identität, wegen Krankheit und - aus aktuellem Anlass betone ich das besonders - Diskriminierung wegen Rassismus und Antisemitismus in jedweder Form lehnen wir entschieden ab. Wir anerkennen und unterstützen die Arbeit der Antidiskriminierungsstelle des Bundes ausdrücklich. Ihre Projekte und vor allem ihre Hilfestellungen in konkreten Fällen sind unverzichtbar. Ebenso haben all die Institutionen und Vereine, die sich gegen unterschiedliche Formen der Diskriminierung engagieren, unseren Respekt.

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Ich wollte Sie nicht unterbrechen, ich wollte nur darum bitten, ein wenig Ruhe einkehren zu lassen.

Der Antidiskriminierungsverband SchleswigHolstein hat unter seinem Dach einige Akteure vereint, die Mitgliederliste ist sehr eindrucksvoll, und seine Hinweise sind ausgesprochen wichtig. Auch die Gleichstellungsbeauftragten, die Beauftragten für Menschen mit Behinderung und die Seniorenbeiräte in unseren Kommunen leisten - im Übrigen neben vielen anderen - wertvolle Arbeit. Diese wenigen Beispiele zeigen, dass Toleranz und Einsatz gegen Diskriminierung in unserem Land an vielen Stellen und damit bereits dezentral gelebt wird.

Nun zu Ihren Anträgen: Natürlich lehnen wir einen Beitritt zur Koalition gegen Diskriminierung nicht grundsätzlich ab. Allerdings - das ist im Übrigen der einzige Teil des Antrags der Fraktion DIE LINKE, dem ich zustimmen kann - darf dieser Beitritt nicht nur Symbolcharakter haben. Deshalb bitten wir mit unserem Antrag die Landesregierung zu prüfen, ob ein Beitritt dem Land und vor allem den betroffenen Menschen konkret hilft, oder ob andere Maßnahmen notwendiger wären. Aus diesem Grund werden wir die Anträge von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und auch den Antrag der Fraktion DIE LINKE ablehnen.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU)

Das Wort für die FDP-Fraktion erteile ich dem Kollegen - - Nein, ich erteile es der Frau Kollegin Brand-Hückstädt. Wir übernehmen das immer von den Zetteln, die wir von Ihnen erhalten haben.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich hoffe, ich überfordere hier niemanden. Ich bin nicht Gerrit Koch!

(Zuruf von der FDP: Noch nicht!)

Ich möchte die Gelegenheit ganz gern nutzen, um klarzumachen, worum es beim AGG, beim Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz, eigentlich geht. Entgegen einer vielfach vorhandenen Vorstellung geht es nicht um Gleichheit und Gerechtigkeit in allen Lebensbereichen, sondern - das ist schon von den Kollegen gesagt worden -, der § 1 des Gesetzes sagt, alle Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität sind zu verhindern oder zu beseitigen - nicht mehr und nicht weniger.

Das Leben bleibt trotzdem schwierig, nahezu lebensgefährlich und ab und zu auch ungerecht. Nach anfänglichen Schwierigkeiten bei der Umsetzung des 2006 aufgrund einer EU-Richtlinie in Kraft getretenen Gesetzes hat es seinen festen Bestandteil besonders im Arbeitsleben gefunden. Einstellungsverfahren und Stellenausschreibungen werden mittlerweile von den Unternehmen sehr sorgfältig auf Geschlechter- oder Altersdiskriminierung geprüft, wobei ich an dieser Stelle sehr deutlich sagen möchte, dass ich es sehr bedauere, dass der Pilotversuch von anonymisierten Bewerbungen von großen deutschen Unternehmen wie der Telekom und in der Verwaltung, zum Beispiel bei der Stadt Celle, nicht nur nicht fortgeführt worden ist, sondern anscheinend auch nicht auf großes Interesse bei anderen Unternehmen stößt.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abgeordneten Anke Spoorendonk [SSW])

Die Erfolge bei den Einstellungen für Frauen und ältere Arbeitnehmer, ja sogar in der Kombination

(Astrid Damerow)

„ältere Frau“, waren nämlich beeindruckend. Es ist zu vermuten, dass es zu dieser flächendeckenden Praxis in Deutschland erst dann kommen wird, wenn die Bußgelder für Verstöße gegen das AGG höher werden und nicht mehr auf drei Monatsgehälter beschränkt sind.

(Beifall der Abgeordneten Oliver Kumbartz- ky [FDP] und Christopher Vogt [FDP])

Wer den nachweisbaren Fehler der Diskriminierung in den USA bei Einstellungen begeht, kann über diesen Betrag nur müde lächeln.

Die deutschen Gerichte jedenfalls haben inzwischen eine dezidierte Rechtsprechung zum AGG entwickelt und 60-jährigen Piloten genauso das Recht gegeben weiterzufliegen, wie einem 62-jährigen Arzt als Geschäftsführer das Recht auf Weiterbeschäftigung zugestanden, obwohl sein befristeter Vertrag auslief und man ihn gegen einen 41 Jahre alten Bewerber austauschte - wegen des Umbruchs auf dem Gesundheitsmarkt.

Ebenso musste eine Diskothek Schadenersatz bezahlen, weil einem jungen Mann mit dunkler Hautfarbe der Zugang verweigert wurde, weil „schon genug Schwarze drin sind“, wie der Türsteher meinte.

Die Gerichte haben mit der Anwendung des Gesetzes Fakten geschaffen, Fakten gegen Diskriminierung - und das ist auch gut und richtig so.

Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes wurde im § 25 des AGG festgeschrieben. Sie ist in ihrer Ausübung unabhängig, unterstützt und berät auf unabhängige Weise Personen, die sich an sie wenden, um ihre Rechte zum Schutz vor Benachteiligung wahrzunehmen. Gemäß § 29 AGG soll sie auf europäischer, Landesoder regionaler Ebene zum Schutz gegen Benachteiligungen tätig werden. Die Koalition gegen Diskriminierung gibt es also: Es ist das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz und die Antidiskriminierungsstelle des Bundes. Beide gelten für jeden und gegen jeden - auf Bundes-, Landes- oder kommunaler Ebene.

Eine Erforderlichkeit und der Nutzen einer Koalition gegen Diskriminierung erschließt sich also nicht auf den ersten Blick, sodass wir die Landesregierung bitten, dies zu prüfen. Insbesondere könnte Konnexität ausgelöst werden, jedenfalls ganz sicher beim Antrag der LINKEN, was nicht verwunderlich ist, weil alle Anträge der LINKEN mit Geldausgeben zu tun haben.

Institutionen, Einrichtungen, Runde Tische oder Ähnliches gibt es genug, Frau Damerow hat das

eben sehr ausführlich dargelegt. Deswegen ist es nicht erforderlich, so weit zu gehen, wie die Anträge von SPD und Grünen das fordern.

Der allgemeinen Stimmung des heutigen Tages angemessen sage ich: Seien wir einfach zu allen nett, und behandeln wir jeden so, wie wir selbst behandelt werden möchten. Dann gibt es wenig Gefahr, dass diskriminiert wird.

(Beifall bei FDP und CDU)

Das Wort für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erteile ich der Frau Kollegin Luise Amtsberg.

Vielen Dank. - Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Diskriminierungen von Menschen aufgrund ihrer ethnischen Herkunft oder aus rassistischen Gründen, wegen des Geschlechts, der Religion oder der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität sind in keinster Weise hinnehmbar.

Die Vereinten Nationen definieren den Kampf gegen Diskriminierung als die zentrale Säule menschenrechtlicher Arbeit. Das macht auch Sinn. Unser Grundgesetz greift diesen Gedanken auf und spricht in Artikel 1 von der Würde des Menschen. Würde wird damit zu einem Wert und zum tragenden Fundament der Menschenrechte, und sie meint damit, dass alle Menschen ein Leben in freiheitlicher Selbstbestimmung und Selbstachtung führen dürfen.