Protokoll der Sitzung vom 27.01.2010

(Dr. Christian von Boetticher)

Meine Damen und Herren, es trifft zu, die Regelungen im ZDF-Staatsvertrag, die ein Vorgehen wie das von Koch initiierte ermöglichen, sind verfassungsrechtlich bedenklich und müssen deshalb geändert werden. Wir folgen aber dem Vorschlag des Ministerpräsidenten von Rheinland-Pfalz, baldmöglichst den ZDF-Staatsvertrag durch die Ministerpräsidenten und durch die Länder verfassungsgerecht umzugestalten. Wir sind der Auffassung, dass diese Revision am schnellsten durch die Länder selbst realisiert werden kann. Ein Spruch des Verfassungsgerichts dagegen würde mehrere Jahre auf sich warten lassen. Das wissen auch die Antragsteller.

Wenn es aber nicht gelingt - das will ich in aller Deutlichkeit sagen -, eine Änderung des Vertrags zu erreichen, die politische Einflussnahme bei Personalentscheidungen in der hier erlebten Form verhindert, werden wir uns für eine Normenkontrollklage aussprechen. Allerdings will ich auch dazu sagen, Herr Fürter: Vertreter der Parteien müssen auch künftig ihre Aufgaben als Teil der Kontrolle im öffentlich-rechtlichen Rundfunk in den Gremien wahrnehmen können.

(Beifall bei CDU, FDP und der LINKEN)

Sie sind, wie andere Organisationen, an der pluralen Willensbildung beteiligt, und dies selbstverständlich auch in den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten. Es darf ihnen allerdings dabei keine beherrschende Rolle zukommen.

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zu den Vorschlägen den NDR betreffend in diesem Antrag noch etwas sagen. Offensichtlich, Herr Fürter, hat die Denkpause zwischen Dezember und Januar auch bei Ihnen zu neuen Erkenntnissen geführt. Aber ich muss mich natürlich daran halten, was im Antrag steht, und nicht an das, was Sie heute vorgetragen haben. Aber die Denkpause hat Ihnen offensichtlich gut getan; das muss ich schon bestätigen. Denn es ist klar: Die Verhältnisse beim ZDF sind nicht gleichzusetzen mit denen der öffentlich-rechtlichen Anstalten der ARD, schon gar nicht des NDR.

Ich stimme Ihnen zu, Vertreter der Exekutive und der Legislative haben in entscheidenden Gremien von unabhängigen Fernsehanstalten nichts verloren. Beim ZDF-Fernsehrat sind fünf von 77 Mitgliedern wirklich unabhängig. Sie müssen nicht berufen werden. Fünf von 77! Das Gros wird von den Ministerpräsidenten direkt berufen. Dies ist beim NDR aber völlig anders. Im obersten Organ, dem Verwaltungsrat, dürfen überhaupt keine Abgeordne

ten, schon gar keine Regierungsmitglieder sitzen, und im Rundfunkrat des NDR sind von 58 Mitgliedern nur neun Vertreterinnen und Vertreter von politischen Parteien, nebenbei auch von den Grünen. 49 Mitglieder kommen damit aus gesellschaftlich-relevanten Organisationen, aus den Gewerkschaften, den Kirchen, der jüdischen Gemeinde, der Gemeinschaft ehemaliger politischer Häftlinge, Robin Wood, Aktion Sühnezeichen, den Frauenräten; ich kann Ihnen gern den Staatsvertrag - ich nehme aber an, Sie haben ihn selbst - zur Verfügung stellen; da sind sie alle aufgelistet. Sie werden direkt von ihren Verbänden entsandt. Damit wird eine breite Pluralität im Rundfunkrat gewährleistet.

Ihr Vorschlag, die Mitglieder des Rundfunkrates zukünftig in Anlehnung an die Auswahl von Schöffen zu wählen, zeigt äußerst ausgeprägte Unkenntnis - vielleicht aber auch nicht; vielleicht wissen Sie, was Sie sagen, fällt mir gerade ein -,

(Heiterkeit)

zeigt eine ausgesprochen ausgeprägte Unkenntnis darüber, wie Gerichtsschöffen in ihr Amt kommen. Wer in Kreistagen mitgewirkt hat, dafür Vorschlagslisten zu erarbeiten, der weiß, dass diese unter Berücksichtigung der Mehrheitsverhältnisse nach politischer Gewogenheit zustande kommen, und kein bisschen anders. Das ist zumindest von uns beim NDR nicht erwünscht. Ich bin da eigentlich auch sicher, dass Sie das genauso sehen.

Dass Sie Mitgliedern der Exekutive, der Legislative und der Judikative die Mitgliedschaft im Fernsehrat des NDR - den es im Übrigen überhaupt nicht gibt, Herr Fürter - und dem Verwaltungsrat verbieten wollen, wo diese jetzt schon nicht vertreten sein können, zeigt nur, dass Sie Ihren Antrag mit etwas heißer Nadel genäht haben.

Kommen Sie bitte zum Ende.

Ja, ich komme zum Ende. - Und dass Sie denjenigen, die nicht Mitglied sein dürfen, in den gleichen Gremien obendrein noch das Rederecht entziehen wollen, gehört eher in die Abteilung Realsatire.

(Beifall bei CDU und FDP)

Ich fasse zusammen, weil ich ein bisschen abkürzen muss. Die erforderlichen Änderungen am ZDFStaatsvertrag sollten zuerst einmal von den Ländern initiiert werden. Sollte dies scheitern, werden wir

(Peter Eichstädt)

eine Normenkontrollklage unterstützen, Herr Fürter. Die vorgeschlagenen Änderungen für den NDR sind unausgegoren, sie basieren auf unzutreffenden Annahmen - Sie haben das ja in der Zwischenzeit auch gemerkt - und sollten von Ihnen noch einmal überdacht werden. Dieser Punkt ist erledigt.

(Beifall bei SPD, CDU und FDP)

Für die Fraktion der FDP hat die Frau Abgeordnete Ingrid Brand-Hückstädt das Wort.

Vielen Dank. Mein Kollege Oliver Kumbartzky hat heute Nachmittag ein wunderschönes neues Wort geprägt: Schaufensteranträge. Ich würde diesen Antrag hier auch so bezeichnen, der angeblich der Sicherung der Rundfunkfreiheit dienen soll. Die Grünen nehmen offensichtlich für sich in Anspruch, auf eineinhalb Seiten mal ganz kurz für zwei Änderungen zweier Rundfunkstaatsverträge, nämlich des ZDF-Staatsvertrags und des NDR-Staatsvertrags, zu plädieren. Aber die Angelegenheit ist etwas komplexer. Damit man die fehlende Seriosität dieses Antrages versteht, muss ich ein bisschen ausholen.

Als man in Deutschland nach dem Krieg das System des englischen BBC übernahm und den Rundfunk in den Dienst und unter den Schutz der Öffentlichkeit stellte, hatte man gute Gründe dafür. Seit 1961 hat das Bundesverfassungsgericht fortlaufend die Aufgaben und Grenzen des öffentlichenrechtlichen Rundfunks konkretisiert. Es fing mit der gesetzlichen Verpflichtung zur Sicherstellung der Grundversorgung als wichtigste Aufgabe an, entwickelte sich weiter zu sogenannten klassischen Aufgaben, zur gesellschaftlichen Meinungs- und Willensbildung, und führte über die kulturelle Verantwortung weiter, gab ihm dann aus der Rundfunkfreiheit heraus die abgeleitete Bestands- und Entwicklungsgarantie und später dann eine gleichzeitige Finanzierungsgarantie und entwickelte daraus die Staatsfreiheit der Gebührenfestsetzung.

Es ist mittlerweile Konsens, dass der öffentlichrechtliche Rundfunk gemeinsam mit dem privaten Rundfunk zu einer pluralistischen und vielfältigen Medienlandschaft beiträgt und gehört. Als später dann die zweite mittlerweile gleichberechtigte Säule des privaten Rundfunks, durch Werbung finanziert und ohne grundversorgungs- und kulturellen Auftrag die öffentlich-rechtlichen Anstalten zu Tode erschreckte, gerieten diese auch erstmals in die

Kritik: Programmqualität, Finanzierung durch Gebühren, zusätzliche Werbeeinnahmen, Aufsicht und natürlich die Verflechtung mit der Politik.

Seit ungefähr 20 Jahren diskutieren wir also diese Probleme und - es ist kein Geheimnis - auch die FDP. Im Gegensatz zu den Grünen ist uns allerdings Folgendes klar: Wenn man sich an die Renovierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks macht, dann bitte richtig und an den richtigen Stellen. Solange wir Rundfunkstaatsverträge haben, die von Landesparlamenten unterzeichnet sind, haben wir diese auch einzuhalten. Wir sind zu jeder Grundsatzdiskussion über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk bereit. Natürlich muss auch aus unserer Sicht über eine grundsätzliche Evaluierung der Aufgaben und jetzigen Tätigkeiten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks gesprochen werden. Natürlich muss aus unserer Sicht auch über eine Rückführung auf den verfassungsrechtlich vorgegebenen Rahmen diskutiert werden;

(Beifall bei FDP und CDU)

selbstverständlich - das geschieht gerade schon wird über die Finanzierung durch Gebühren debattiert; selbstverständlich muss auch aus unserer Sicht über die Aufsichtsstruktur so diskutiert werden, und sie muss auch reformiert werden, dass eine professionelle, möglicherweise unabhängige und externe Aufsicht die Einhaltung der Regularien effektiv gewährleistet.

Aber zwei Politiker mehr oder weniger in einem Aufsichtsgremium des ZDF oder des NDR sind noch keine Garantie für mehr Rundfunkfreiheit in Deutschland.

(Beifall bei der CDU)

Auch die sogenannten Reformpläne der SPD für den ZDF-Staatsvertrag, wonach die Vertreter von Verbänden und Organisationen in den Gremien künftig nicht mehr von den Ministerpräsidenten berufen werden sollen, wären wieder einmal nur ein Drehen am kleinen Zahnrad eines Riesenrads. Ich hatte hier noch eine Vermutung hineingeschrieben, aber es ist tatsächlich so: Es wurde nur deshalb in Schwung gebracht, weil ein Abstimmungsergebnis vor ein paar Wochen einigen Herren nicht gepasst hat. Mit Ihrem Antrag soll nun also die Rundfunkfreiheit in Deutschland gesichert werden. Ich zitiere: „Die deutliche Reduzierung der von Parteien entsandten Mitglieder …“ in Fernsehräten, Rundfunkräten und Verwaltungsräten von NDR und ZDF. Nebenbei bemerkt: Anscheinend geht die Rundfunkfreiheit nicht unter, wenn beim Deutsch

(Peter Eichstädt)

landradio Vertreter der Länder in den Gremien sitzen bleiben.

(Beifall bei der FDP)

Offenbar geht die Rundfunkfreiheit auch nicht unter, wenn - wie durch den Medienstaatsvertrag zwischen Hamburg und Schleswig-Holstein festgeschrieben - die Mitglieder des Medienrats der Medienanstalt durch eine Dreiviertelmehrheit der Mitglieder des Landtags gewählt werden müssen. Ist das kein Einfluss der Politik? Ist das hinnehmbar? Wenn Ja, warum? - Nein, Ihnen geht es offensichtlich einzig und allein um die Personalpolitik im öffentlich-rechtlichen Rundfunk, wie wir es eben deutlich gehört haben. Ich finde, das ist für ein so wichtiges Thema, wie es die Medienpolitik und eine neue Medienstruktur in Deutschland sind, zu wenig, und e ist völlig unprofessionell.

Hinsichtlich Ihrer Aufforderung, eine abstrakte Normenkontrolle vor dem Bundesverfassungsgericht zum ZDF-Staatsvertrag anzustreben, sage ich: Ehrlich gesagt, ich finde es sehr bedauerlich, dass wir als Parlamentarier Verfassungsklagen für die Lösung solcher Fragen anschieben sollen.

(Beifall bei FDP und CDU)

Unsere Möglichkeiten sind die der politischen Gestaltung. Es wäre schön, wenn wir in Zukunft die richtigen Wege dafür finden würden.

Die FDP wird Ihren Antrag ablehnen, aber ich sage etwas Versöhnliches zum Schluss: Sie rennen bei der FDP und bei mir offene Türen ein, wenn es darum geht, sich Gedanken über die Veränderungen im öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu machen; aber bitte nächstes Mal so, dass wir Sie ernst nehmen können. Vielleicht noch ein Satz zum Schluss: Herr Fürter, nehmen Sie bitte zur Kenntnis: Auch wir haben für billige Publicity nichts übrig.

(Beifall bei FDP und CDU)

Für die Fraktion DIE LINKE hat Herr Abgeordneter Jezewski das Wort.

Vielen Dank, Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Thorsten Fürter, pass auf! Du reichst ihnen den kleinen Finger, und sie reißen dir den Arm ab. Ich glaube, das hast du bei dem letzten Beitrag gemerkt.

Es hat einen Vorteil, wenn man als Vertreter einer relativ kleinen Partei hier spricht. Es wurde schon viel Richtiges gesagt. Es hat aber auch einen Nachteil. Viel Richtiges ist nicht mehr übrig. Da ich nichts wiederholen will, und da wir gleich noch zur zentralen Gedenkkundgebung wollen, fasse ich mich ganz kurz.

Auch ich habe mich über die Causa Brender aufgeregt, das ist gar keine Frage. Ich habe mich vor allen Dingen darüber aufgeregt, wie der hessische Ministerpräsident der Öffentlichkeit ganz ungeschminkt sein Verständnis von Pressefreiheit zeigen konnte. Die Frage ist aber, ob der Schleswig-Holsteinische Landtag das richtige Forum ist, um die dort aufgezeigten Missstände in Zukunft zu verhindern.

Ich nehme ein Beispiel heraus - ich habe mehrere Beispiele, aber ich nenne dieses -: Der Fernsehrat des ZDF besteht derzeit aus 77 Mitgliedern, von denen 12 aus den Reihen der Parteien benannt werden. Kollege Fürter, nach Ihrem Vorschlag wären das in Zukunft nur noch sechs. Der Kollege Eichstädt hat aufgeführt, was das für eine qualitative Veränderung bedeutet. Mich stört das Folgende: Diesen sechs Parteienvertretern stünden dann unter anderem jeweils zwei Vertreter gegenüber, die von der evangelischen und der katholischen Kirche benannt werden, sowie ein Vertreter des Zentralrats der Juden in Deutschland. Ganz abgesehen davon, dass ich mich frage, warum der Zentralrat der Muslime in Deutschland in diesem Proporz nicht berücksichtigt ist, habe ich ein Problem damit, wenn die Vertreter der Religionsgemeinschaften in etwa ebenso viele Mitglieder in diesem Fernsehrat haben sollten wie die Vertreter von politischen Parteien, die sich immerhin alle Jahre wieder einem demokratischen Legitimierungsprozess unterziehen müssen.

Trotzdem sehen wir speziell im zweiten Teil dieses Antrags Änderungsbedarf, nämlich beim NDRStaatsvertrag. Das sehe ich ähnlich wie Herr Eichstädt. Vieles davon ist redundant, vieles von dem, was Sie fordern, ist schon da. Trotzdem möchten wir den NDR-Staatsvertrag am liebsten noch in dieser oder in der nächsten Legislaturperiode so ändern, dass die politische Einflussnahme auf Programm und Personalpolitik weiterhin unmöglich gemacht wird. Es ist bekannt, dass es von anderen ich gucke dabei niemanden an - schon die Idee gibt, auch diesen Staatsvertrag wieder in eine andere Richtung zu ändern. Ich würde mich daher freuen, wenn wir diesen Antrag an den Ausschuss überweisen könnten, um dort auf der Fachebene noch ein

(Ingrid Brand-Hückstädt)

mal über ihn diskutieren zu können. Ansonsten werden wir ihn in jedem Fall nicht ablehnen, sondern wir werden uns bei der Abstimmung über diesen Antrag enthalten.

(Beifall bei der LINKEN und SSW)

Für den SSW hat Frau Abgeordnete Silke Hinrichsen das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir reden immer noch über die skandalöse Absetzung des ZDF-Chefredakteurs Brender. Ob dieser Antrag geeignet ist, daran etwas zu ändern, ist fraglich. Das haben meine Kollegen schon ausgeführt. Das Problem bei dieser Diskussion ist auch in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ genannt. Dort wurde 35 Staatsrechtlern das Wort gegeben, die wegen des ZDF-Staatsvertrags auch Bedenken hatten. Sie hatten Bedenken dahin gehend, ob dieser Staatsvertrag überhaupt mit dem Grundgesetz vereinbar wäre. Über diese Frage würden wir gern im Ausschuss weiter diskutieren.

Die Frage ist, wie die jetzige Besetzung im ZDFRundfunkrat in Bezug auf die Rundfunkfreiheit läuft. Die Frage ist, ob dies grundgesetzkonform wäre. Hinsichtlich der Absetzung sind wir uns trotz allem in großen Teilen einig darüber, dass es nicht richtig war, wie Herr Brender abserviert wurde. Ich verweise aber in der Frage, wie Rundfunkänderungsstaatsverträge und anderes zustande kommen, auf die morgige Tagesordnung.