Protokoll der Sitzung vom 27.01.2010

Finanzschwache Familien und besonders Migrantenfamilien sind dadurch jetzt endlich in der Lage, ihre Kinder ein Jahr vor der Schule in einen Kindergarten zu schicken und ihnen damit die gleichen Förder- und Bildungsmöglichkeiten zu eröffnen, wie sie für andere Kinder hier selbstverständlich sind. Meiner Meinung nach ist das aber immer noch zu spät, eigentlich müsste man das erste und zweite Jahr beitragsfrei machen und nicht nur das letzte.

(Beifall bei der LINKEN)

Deshalb sind wir auch für Beitragsfreiheit für die gesamten Kindergartenjahre.

(Ursula Sassen [CDU]: Wie wollen Sie das finanzieren? - Zuruf des Abgeordneten Dr. Christian von Boetticher [CDU])

- Wie wir das finanzieren wollen? Sie haben Steuergeschenke an die Hoteliers gemacht, Sie haben der Wachstumsbeschleunigungsbremse zugestimmt,

(Lachen bei CDU und FDP)

was letztlich zu weniger Einnahmen führt. Dem haben Sie zugestimmt. So kriegen wir weniger Steuereinnahmen hier in Schleswig-Holstein. Wenn man das nicht gemacht hätte, hätten wir mehr Steuereinnahmen und könnten hier auch mehr Geld einbringen.

Das beitragsfreie dritte Kindergartenjahr gilt in Schleswig-Holstein als Bildungsgerechtigkeit und bietet bessere Integrationsmöglichkeiten. Wenn dieses beitragsfreie letzte Kindergartenjahr wieder eingestellt wird, dann ist Schleswig-Holstein im deutschlandweiten Vergleich auch in Sachen Bildung weit, weit abgehängt.

(Beifall bei der LINKEN)

Das letzte beitragsfreie Jahr muss erhalten bleiben, denn Bildung ist die beste Prävention gegen Armut, Arbeitslosigkeit und soziale Ausgrenzung. Daran werden wir weiter festhalten und uns im Parlament dafür einsetzen, dass es weiter bestehen bleibt.

(Beifall bei der LINKEN)

Das Wort für die SSW-Fraktion erteile ich der Fraktionsvorsitzenden des SSW, der Frau Abgeordneten Anke Spoorendonk.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! „Es darf keine Tabubereiche geben!“, diktierte der Fraktionsvorsitzende der CDU-Landtagsfraktion nach den Weihnachtsferien einem Journalisten in die Feder. Soll heißen: Alles muss auf den Tisch, wenn es darum geht, den Landeshaushalt zu sanieren - auch das dritte beitragsfreie Kita-Jahr. Es darf keine Denkverbote geben.

Und damit auch alle die Botschaft kapieren, sattelt der liebe Kollege von Boetticher noch eine Botschaft drauf. Er sagt nämlich sinngemäß: Jetzt, wo Schleswig-Holstein bei den anderen Bundesländern betteln gehen muss, kann es nicht angehen, dass wir uns so etwas leisten. Nicht einmal das viel reichere Hessen leistet sich so etwas.

Das ist natürlich ein unschlagbares Argument, denn wir wissen alle, dass wir uns dann in Sack und Asche kleiden müssen. Dass Hessen aus Staatsgeldern ein Weingut subventioniert, dass andere Länder ein Landeskindergeld haben, dass das Saarland aus guten Gründen das letzte Kita-Jahr für die Eltern beitragsfrei macht.

(Zurufe der Abgeordneten Dr. Christian von Boetticher [CDU] und Wolfgang Kubicki [FDP])

- All das wird nicht gesagt.

Darum noch mal klar und deutlich: Es ist wirklich keinem zu vermitteln, dass alle Landtagsfraktionen - und es waren alle Landtagsfraktionen 2009, das heißt im letzten Jahr - beschlossen haben, sich positiv dazu zu äußern, dass das beitragsfreie dritte Kita-Jahr eingeführt werden sollte, und zwar genau aus den Gründen, die vorhin wieder genannt wurden, aus bildungspolitischen und sozialpolitischen Gründen. Dies alles soll jetzt ein Jahr später wieder eingesammelt werden. Darum bleibt der bittere Nachgeschmack, dass das alles, was wir im letzten

(Antje Jansen)

Jahr besprochen und beschlossen haben, nur ein Wahlgeschenk für die Eltern zur Landtags- und zur Bundestagswahl sein sollte.

(Beifall der Abgeordneten Antje Jansen [DIE LINKE])

Richtig ist ja: Die Finanzmisere des Landes war auch im letzten Jahr klar und deutlich erkennbar. Daran hat sich nichts Grundlegendes geändert. Auch im letzten Jahr stand das Land SchleswigHolstein vor dem finanzpolitischen Abgrund.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Jetzt sind wir einen Schritt weiter!)

Wir haben damals gesagt, es ist aus bildungs- und allgemein gesellschaftspolitischen Gründen notwendig, dies zu machen.

(Beifall bei SSW, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN sowie vereinzelt bei SPD und der LIN- KEN)

Man kann das in den Reden nachlesen. Auch in der Rede des damaligen Kollegen und jetzigen Ministers Klug hieß es damals, das ist notwendig. Die FDP wollte das erste Kita-Jahr beitragsfrei machen und nicht das letzte. Dafür gibt es auch gute Gründe, aber alle waren sich einig, dass das kommen muss.

Lesenswert ist auch die Pressemitteilung der Kollegin Heike Franzen, weil sie in dieser Pressemitteilung noch einmal die guten Gründe nennt und auch noch einmal deutlich hervorhebt - das kann ich auch verstehen -, dass das alles auf eine Initiative der CDU-Landtagsfraktion aus dem Jahr 2008 zurückgeht. Das war dann vielleicht auch das Problem der SPD in dieser Sache, weil dann auch die Diskussion aufkam, alle drei Jahre beitragsfrei zu stellen, was auch richtig ist. Aber ich bleibe dabei: Alle haben sich auf das beitragsfreie dritte Kita-Jahr verständigt.

Wenn man sich jetzt die öffentlichen Reaktionen anguckt, kann man nicht sagen, alles ist vorhersehbar, wir verhaften einfach mal wieder die üblichen Verdächtigen. Denn genauso, wie man Zahnpasta nicht zurück in die Tube holen kann,

(Zuruf: Kann man schon!)

kann man die Aussage des Fraktionsvorsitzenden von Boetticher auch nicht zurückholen.

(Beifall der Abgeordneten Antje Jansen [DIE LINKE])

Darum muss noch einmal gesagt werden: Unter Fachleuten ist unbestritten, dass Schleswig-Holstein

das Schlusslicht in dieser Entwicklung darstellt. Hohe Elternbeiträge und niedrige öffentliche Zuschüsse für den gesamten Kita-Bereich - wir erfüllen längst nicht das, was von Bundesseite von uns erwartet und verlangt wird. Wir brauchen also diese Entlastung für die Eltern. Das ist kein Luxus, das ist wirklich schiere Notwendigkeit.

(Beifall bei SSW, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Wir brauchen auch - das will ich auch noch einmal in Klammern hinzufügen, weil das im letzten Jahr auch eine Rolle spielte - eine weitere Qualitätsdebatte darüber, wie der Kita-Bereich weiterzuentwickeln ist.

Aber insgesamt bleibt bestehen, dass wir massiv in den Kita-Bereich investieren müssen, um den Kreislauf von Armut, geringeren Bildungschancen und Strukturschwäche unseres Landes zu durchbrechen. Denn wenn wir das nicht machen, zementieren wir dies alles. Und das ist das Schlimmste an dieser Sache. Isoliert betrachtet ist dieser Vorstoß symptomatisch für das Niveau der aktuellen Spardebatte. Die Regierung und die regierungstragenden Fraktionen geben fast gebetsmühlenartig zu verstehen, dass sie ganz schreckliche Einsparkonzepte in der Schublade liegen haben. Sie werden sie erst nach der Mai-Steuerschätzung veröffentlichen.

(Zuruf: Nach der Landtagswahl in Nord- rhein-Westfalen!)

Manchmal sickert etwas durch. Manchmal wird eine Sau durchs Dorf getrieben, um zu dokumentieren, dass Handlungsstärke da ist. Es muss ja etwas geschehen, um es in einer Anspielung auf eine sehr interessante Kurzgeschichte von Heinrich Böll zu formulieren. Es muss etwas geschehen, und es geschieht dann wenigstens im virtuellen Raum etwas.

Frau Kollegin, denken Sie an Ihre Redezeit.

Das mache ich, Herr Präsident. - Denn das, was im Moment im Raum steht, sind Kürzungen, keine strukturellen Änderungen, keine Vorschläge für Einnahmeverbesserungen, kein Konzept dafür, wie mit Berlin weiter umzugehen ist. Will man jedes Mal, wenn ein Problem entsteht, nach Berlin reisen, oder wie will man das machen? Das Regierungsprogramm der Landesregierung gibt darüber keine Auskünfte, die Pressemitteilungen darüber sind auch nicht weiter ergiebig.

(Anke Spoorendonk)

Das ist wirklich bitter: Es bleibt der Eindruck von Beliebigkeit. Ich denke, das ist das Katastrophale an dieser ganzen Geschichte.

(Beifall bei SSW, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Das Wort hat der Vorsitzende der FDP-Landtagsfraktion, Herr Abgeordneter Wolfgang Kubicki.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich finde es auch nach 18 Parlamentsjahren immer noch begeisternd, Ratschläge von denen zu hören, deren politische Lebensleistung darin bestanden hat, das Land in die Krise zu führen, in der wir uns gerade befinden.

(Beifall bei FDP und CDU)

Es schreckt auch keiner vor Argumenten zurück, die schon vordergründig so unsinnig sind, dass ich mich dafür schäme, dass die deutsche Öffentlichkeit das zur Kenntnis nehmen muss.

(Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Tut mir leid, wenn Sie sich schämen!)

- Frau Kollegin Heinold, alle Ausgaben, die im letzten Jahr beschlossen worden sind, nicht nur das beitragsfreie dritte Kindergartenjahr, sind in Kenntnis der Haushaltslage des Landes Schleswig-Holstein beschlossen worden. Wenn Sie das zum Maßstab machen für Nichtveränderung, zementieren sie die Ausgabenpositionen des letzten Jahres in der Zukunft. Das ist das Gegenteil von Sparbemühungen. Dann haben wir die Bereiche, in denen wir nichts ändern können.

(Beifall bei FDP und CDU)

Auch die Argumentation, wir würden hier etwas für die Kinder tun - das wissen Sie doch ganz genau ist vordergründig plausibel, aber falsch. Wir tun momentan etwas für die Kassen der Eltern.