Protokoll der Sitzung vom 27.01.2010

(Beifall bei der SPD)

Wenn Sie das eiskalt durchziehen, wird das auf unseren Widerstand treffen, nicht nur hier im Haus, sondern auch außerhalb des Hauses. Darauf können Sie sich verlassen. Das werden wir nicht zulassen.

Herr Kollege von Boetticher, setzen Sie heute ein Zeichen! Sie wissen, dass Ihr Vorschlag eine Dummheit war. Nun sagt zwar Schiller, „mit der Dummheit kämpfen Götter selbst vergebens“, aber ich traue Ihnen das zu, dass Sie es schaffen, sich gegen die Dummheit in Ihren eigenen Reihen durchzusetzen. Nutzen Sie die Aktuelle Stunde zur Umkehr und Einsicht! Dafür ist es nicht zu spät. Bekennen Sie sich zur Beitragsfreiheit, zum KitaGesetz! Damit ersparen Sie sich und den Menschen in Schleswig-Holstein großes Unheil.

Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten bleiben dabei: Wir wollen die Beitragsfreiheit in den Kindertagesstätten haben.

(Beifall bei SPD und der LINKEN)

Das Wort hat der Vorsitzende der CDU-Fraktion, Herr Abgeordneter Dr. Christian von Boetticher.

Herr Landtagspräsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Kollege Ralf Stegner, Sie haben eben mit Ihrer Rede nachdrücklich belegt, warum Sie in den nächsten zehn Jahren regierungsunfähig sind,

(Beifall bei der CDU)

warum Sie nicht in der Lage sein werden, dieses Land zu regieren. Die große Herausforderung ist ich glaube, da sind wir uns ziemlich einig -, dieses Land in den nächsten zehn Jahren - Sie haben übrigens Morgen Gelegenheit zu zeigen, wie viel Ihnen das wert ist - überhaupt wieder in die Lage zu versetzen, soziale Wohltaten zu leisten, die nicht der

(Dr. Ralf Stegner)

nächsten Generation geklaut werden, die nicht auf Pump sind, die nicht immer wieder in die Tasche derjenigen greifen, die wir heute eigentlich entlasten müssten. Das ist die zentrale Frage, um die sich die Arbeit in den nächsten Jahren drehen wird.

(Beifall bei der CDU)

Wir haben diesen Klotz am Bein, lieber Herr Stegner, weil Sie immer alles zu Tabus erklärt haben, weil Sie nie bereit waren, in bestimmten Bereichen auch einmal den Menschen eben keine Versprechungen zu machen, sondern mit dem hauszuhalten, was Sie eingenommen haben. Das ist unsere Aufgabe. Die müssen wir jetzt erledigen, nicht, weil sie Spaß bringt, nicht, weil es Freude macht, Dinge einzusammeln, weil es Freude macht, Dinge zu überprüfen, von denen wir alle wissen, dass sie wichtig wären, sondern weil es eine Notwendigkeit ist, um die wir nicht umhinkommen.

(Antje Jansen [DIE LINKE]: Sie haben es doch mit beschlossen!)

Lieber Herr Stegner, ich würde mich ja freuen, wenn Sie zu solchen Wortbeiträgen auch einmal ohne vorgeschriebene Rede fähig wären, dann würden Sie nämlich zeigen, wie viel Sie von der Materie wirklich verstehen.

Ich sage Ihnen ganz bewusst: Das beitragsfreie Kindergartenjahr war in 20 Jahren unter Ihrer sozialdemokratischen Verantwortung komischerweise kein Thema. Es ist nicht gefordert worden, es ist nicht umgesetzt worden, es ist nicht angepackt worden. 20 Jahre haben Sie Zeit gehabt, um diese Dinge, wenn Sie Ihnen so wichtig gewesen wären, zu erledigen. Sie haben es nicht getan.

Es war die CDU-Fraktion, die sich am 5. November 2007 auf einer Fraktionsklausurtagung in Kiel sehr mühselig, weil man die finanzielle Lage kannte, zu diesem dritten beitragsfreien Kindergartenjahr entschieden hat, wohl wissend, dass das schwer genug wird. Und ich kann Ihnen sagen: Wir waren als Regierung damals überrascht. Ich habe im Übrigen damals Leistungen erbracht, die Sie nie erbracht haben, ich habe nämlich einmal in einem Ressort 30 Millionen € einsparen müssen, und ich weiß, wie schwer das ist, wenn es beim Sparen konkret wird. Große Forderungen, große Summe in diesem Haus lassen sich immer sehr schnell formulieren, aber wenn es dann ans Eingemachte geht, wenn man dann ganz konkret werden muss, ist Sparen immer schwer. Darum hat man es sich nicht leicht gemacht, dies zu fordern. Und ich kann Ihnen sagen: Sie wissen doch, wie die Reaktion war; Sie waren damals kalt überrascht, weil in der Tat in 20

Jahren bei Ihnen niemand auf die Idee gekommen ist, das zu fordern, weil Sie genau wussten, wie schwer es ist, das zu finanzieren.

Wissen Sie, was Sie dann gemacht haben? - Sie haben dann die typische politische Reaktion folgen lassen, nämlich den Wettlauf darum: Wer kann am meisten Wohltaten bringen? Wer kann die größten Versprechungen in diesem Land machen? Und als Sie merkten, o Gott, die Union hat plötzlich ein sozialpolitisches Feld aufgemacht, hat eine Position besetzt, die Sie sich nie zu besetzen getraut haben,

(Lachen bei der SPD)

haben Sie schnell nachgearbeitet, haben gesagt: Wenn die Union ein beitragsfreies Kindergartenjahr fordert, dann fordern wir drei, weil wir dann sozialpolitisch besser dastehen. So haben Sie in all den Jahren hier Politik gemacht, meine Damen und Herren!

(Beifall bei CDU und FDP)

Darum sage ich: All das geschieht immer auf dem Rücken der nächsten Generation, weil all das schuldenfinanziert wird.

Wissen Sie, was ich gern möchte? - Ich möchte gern, dass wir drei beitragsfreie Kindergartenjahre haben.

(Beifall bei der LINKEN)

Das ist im Übrigen auch ein erklärtes Ziel der Großen Koalition gewesen. Aber doch nicht aus Schulden für die Generation finanziert, die wir eigentlich fördern wollen, der wir in Zukunft ein ruiniertes Land hinterlassen! Das kann doch nicht die Logik sein.

(Beifall bei CDU und FDP)

Nur, damit wir hier keine Legendenbildung betreiben: Sie beziehen sich auf ein Interview. In dem Interview habe nicht ich gesagt, wir müssen das dritte beitragsfreie Kindergartenjahr infrage stellen, sondern es wurde gefragt: Ist die Gebührenbefreiung im Kindergarten ein Tabu? Darauf habe ich gesagt: Es gibt keine Tabus. Deswegen stehen selbstverständlich auch die Kita-Gebühren auf dem Prüfstand.

(Dr. Ralf Stegner [SPD]: Ja!)

Es geht doch gar nicht anders. Wenn wir anfangen, auf jede Frage eines Journalisten zu sagen: Nein, das ist uns natürlich wertvoll, das ist uns wichtig, da gibt es ein Tabu, dann müssen Sie mir erklären, wie man jährlich 125 Millionen € in diesem Land in den nächsten zehn Jahren einsparen will, wenn Sie

(Dr. Christian von Boetticher)

heute bei dem ersten Schritt schon überall Tabuzonen errichten.

Mit der Union wird es keine Tabus geben. Es wird politische Schwerpunkte geben. Wenn dieser Schwerpunkt dazu führt, dass am Ende diese Leistung unberührt gelassen wird, wenn das Gesamttableau nach Abarbeitung aller Aufträge an dieses Ministerium dies ergibt, wäre ich der Letzte, der nicht seine Hand begeistert dafür höbe, aber es muss eine Gesamtentscheidung sein, und sie muss finanzpolitisch verantwortungsvoll sein.

(Beifall bei CDU und FDP)

Für die FDP-Fraktion erteile ich der Frau Kollegin Cornelia Conrad das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Übernahme der Kosten für ein beitragsfreies Kindergartenjahr durch das Land ist eine durchaus wünschenswerte Sache und soll an dieser Stelle auch nicht bestritten werden. Diese Entscheidung hat in der letzten Legislaturperiode auch unsere Unterstützung erfahren. Aber, meine Damen und Herren, machen wir uns doch nichts vor: Die Haushaltslage Schleswig-Holsteins ist unbestritten angespannt. Spätestens jetzt muss auch Ihnen bewusst sein, dass auch Einsparungen vorgenommen werden müssen und das alles, wirklich alles auf den Prüfstand kommen muss, wie eben auch dieses Thema.

(Dr. Ralf Stegner [SPD]: Nur die Steuersen- kungen nicht!)

Wir sind wegen der Schuldenbremse dazu angehalten, den Haushalt unseres Landes langfristig zu konsolidieren, um wieder voll handlungsfähig zu sein. Von einem ohnmächtigen Zusehen wird die Lage nicht besser. Das heißt im Klartext: Wir müssen über eine Vielzahl von freiwilligen Leistungen diskutieren. Das heißt, das Land kann eben nicht mehr alles leisten, was wünschenswert wäre; dafür ist die Haushaltslage zu dramatisch. „Weiter so!“ zu betreiben ist nicht im Sinne der Zukunft unseres Landes, und wir als verantwortungsbewusste Regierungsfraktion sehen es als unsere Pflicht an, entsprechende Überlegungen anzustellen, wo Einsparpotenziale liegen. Deshalb müssen auch alle freiwilligen Leistungen auf den Prüfstand.

(Jürgen Weber [SPD]: Das ist ein Gesetz und keine freiwillige Leistung!)

Meine Damen und Herren, ich habe es in der Förderrunde gestern bereits angesprochen: Das, was wir hier diskutieren, sind Denkmodelle, Denkansätze. Beschlossen ist noch gar nichts.

(Beifall bei der FDP)

Statt so viel rhetorische Energie in die Kritik an unseren Denkmodellen zu investieren, sollten Sie sich mehr darauf konzentrieren, Alternativen aufzuzeigen, wie Sie das strukturelle Defizit von jährlich 1,25 Milliarden € ausgleichen wollen. Das ist auch die Pflicht der Opposition.

(Beifall bei der FDP)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich freue mich schon auf entsprechende Vorschläge.

(Jürgen Weber [SPD]: Die kommen! Da kön- nen Sie unbesorgt sein!)

Darüber hinaus müssen wir auch die Steuerschätzung im Mai abwarten, um zu wissen, in welchem Rahmen sich unsere Bemühungen abspielen müssen und wie groß unser Handlungsspielraum ist.

Gestatten Sie mir abschließend zu sagen: Ob das beitragsfreie Kindergartenjahr Bestand haben wird oder nicht, können wir zum jetzigen Zeitpunkt nicht abschließend beantworten. Aber, meine Damen und Herren, Denkverbote werden wir uns nicht auferlegen lassen. Dafür ist die Lage zu ernst.

(Beifall bei FDP und CDU)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erteile ich der Frau Abgeordneten Monika Heinold das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vor der Wahl haben alle Parteien den Familien fest versprochen, dass das beitragsfreie Kindergartenjahr bleibt, und nach der Wahl wird dieses plötzlich als soziale Wohltat dargestellt, die auf den Prüfstand müsse. Es wird von Luxusleistung gesprochen. Das muss man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen.

(Zuruf Wolfgang Kubicki [FDP]: Wer hat denn das gesagt?)