Protokoll der Sitzung vom 28.01.2010

Nein, Sie dokumentieren damit, dass der Politikansatz veraltet und Sie auch nicht lernfähig sind. Er ist durch die rot-grüne Wirklichkeit widerlegt worden.

Es ist also eine falsche Politik, die die Verschuldung des Staates in die Höhe treibt und die gleichzeitig von der Schuldenbremse schwadroniert. Im Gegenzug zu undurchdachten und uneffektiven Verschwendungsorgien wird jetzt hier im Land die große Sparparty eröffnet. Gesundbeten und Kaputtsparen, das nenne ich bigott!

Wo fangen Sie an? - Beim Landesblindengeld, bei den Kita-Gebühren, bei den Theatern, beim FÖJ, bei der Kulturförderung, bei den Vereinen und Verbänden, bei all denen mit der schwächsten Lobby, mit dem geringsten Einfluss. Geschlossene Literaturhäuser, gestrichene Wattführungen, unbeheizte Schwimmbäder, gestrichene Schüler- und Arbeitslosenermäßigungen, nicht renovierte Bibliotheken im Land gehen die Lichter aus, und mit all den Maßnahmen haben Sie nicht einmal einen Bruchteil dessen ausgeglichen, was uns das Wachstumsbeschleunigungsgesetz beschert hat. Davon abgesehen, dass wir in den Bereichen Bildung, Gerechtig

keit, Kultur und erneuerbare Energien eher mehr statt weniger Investitionen brauchen.

Wie passen die Einschnitte im kulturell-sozialen Bereich mit dem Bau der Betonstraße, der Förderung eines insolventen Flughafens oder der mit falschen Zahlen gerechneten Hinterlandanbindung der Beltquerung zusammen?

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Gespart wird also nicht gleichmäßig oder gar systematisch, sondern nach Gutsherrenart beziehungsweise nach einem falschen Wirtschaftsverständnis.

(Zuruf)

- Ja, kommt gleich; ich bin ja erst bei der Hälfte meiner Rede.

Das ist der schlechteste Oppositionsstil, wie Sie ihn der SPD vorwerfen, umgekehrt nun in der Regierung. Wo ein klarer Kopf gebraucht würde, liberales Delirium!

(Heiterkeit und Beifall bei BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Diese Politik durchtrennt praktisch die Bremsschläuche der Schuldenbremse, um im Bild zu bleiben.

Aber noch einmal: Entwertet eine falsche Politik einen grundsätzlich richtigen Ansatz? - Die linke Theorie - ich befürchte, dass ich heute ohne großen Applaus nach Hause gehe; ich lege mich jetzt mit allen an

(Heiterkeit)

und die Forderungen der Linken hier im Hause passen mit der Wirklichkeit des Landes so wenig überein wie die reale Politik von CDU und FDP mit der Theorie der Schuldenbremse. Es gibt nämlich solange kein linkes Schuldenproblem - das wäre dann die Logik -, wie man argumentiert, dass die Schulden einer Gesellschaft, ja die Gesellschaft gemacht hat, dass die Ausgaben also gewollt und demokratisch beschlossen und die getätigten Investitionen, wie immer sie dann heißen mögen, und damit auch ihre Verschuldung uns allen gehören und dass das auch gut so ist. Aber genau das sagt die Linke - ich meine nicht nur die Partei DIE LINKE, sondern die politische Linke - ja nicht, auch ich sage es nicht. Es gibt falsche Politik und falsche Investitionen, und deswegen gibt es auch falsche Steuersenkungen. Deshalb gibt es auch falsche Schulden. Wenn es falsche Schulden sind, dann sind sie ein Problem. Wir müssen es lösen durch eine richtige Politik.

(Dr. Robert Habeck)

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das nicht zu Ende gedacht zu haben, ist auch das Problem des SPD-Antrags. Er führt - das wurde schon mehrfach angesprochen - eine pauschale Klausel ein. Jede Veränderung in Berlin hebelt die Schuldenbremse hier im Land aus. Neben den angesprochenen Problemen ist damit auch dieses Haus in einer logischen Klipp-Klapp-Mühle gefangen. Jedwede Initiative, die wir nun wiederum in Richtung Bundesrat entfalten, wäre ja ebenfalls gelähmt, wenn sie auf die Einwirkungen der Finanzströme Einfluss hätte. Das scheint mir entweder unschlau oder unehrlich zu sein.

Ich möchte für meine Fraktion darauf hinweisen, dass wir unsere Position in dieser Debatte konsistent und stringent beibehalten haben.

(Zuruf)

- Es steht ja der Vorwurf im Raum, wie es manchmal in den Zeitungen heißt, wir würden uns anbiedern. Es ist natürlich schwierig, sich anzubiedern, wenn der Kurs gerade ist.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich will darauf hinweisen, dass meine Fraktion schon im letzten Landtag einen Gesetzentwurf zur Schuldenbremse eingebracht hat, während, wenn wir vom Kurs reden, der Kurs der SPD vielleicht schlingernd war und mir bis heute nicht ganz klar ist. Klar ist jedoch, eine pseudo-linke Position, die eine linke Politik verhindert, ist keine gute Position. Ich nenne sie Alt-Links.

Jetzt möchte ich in den verbleibenden Minuten, die ich noch habe, aufzeigen, wie Links neu aussehen kann.

(Heiterkeit)

Das Anliegen der SPD und der LINKEN-Kritik ist ja richtig. Die Schuldenbremse darf nicht zum Vorwand für ein Verarmungsprogramm werden. Das bedeutet zweierlei. Erstens. Ja, es wäre besser, wie die SPD es fordert, wir hätten einen Altschuldenfonds statt direkter Finanzzuweisungen aus Berlin an die Länder, und zwar einmal deshalb, weil die Landesregierung -, das hat Herr von Boetticher ja gesagt - schlecht verhandelt hat und die Finanzzuweisungen nicht ausreichen, zum anderen jedoch das läuft dann wiederum gegen die SPD - deshalb, weil wir die Schuldenbremse dann sehr viel schneller hätten. Wir wären dann ja die Schulden auf einmal los. Insofern verstehe ich den Zusammenhang zwischen den beiden SPD-Anträgen nicht so rich

tig, beziehungsweise das scheint mir widersprüchlich zu sein.

Zum anderen muss jedoch das Ungleichgewicht der Kräfte ausgeglichen werden. Es gibt ein Ungleichgewicht. Das Land muss die Schuldenbremse umsetzen, hängt aber an den Entscheidungen von Berlin. Das ist ein Widerspruch. Dieses Missverhältnis ist von der SPD richtig erkannt worden, spricht aber nicht gegen die Schuldenbremse, sondern dafür, sie vernünftig aufzustellen.

Deshalb haben wir drei Änderungsvorschläge eingebracht. Einmal ziehen wir einen Schutzwall um die Kommunen, die nicht unter die Schuldenbremse fallen und deshalb - das ist leicht absehbar - weiter geplündert werden würden, wenn wir nicht gesetzliche Regelungen schaffen, um das zu verhindern.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Zweitens geben wir den Bildungsausgaben bis zum Greifen der Schuldenbremse den Status von Investitionen. Das hätte man längst und nicht nur auf Landesebene machen müssen. Natürlich gibt es da einen Konflikt mit der Bundesgesetzgebung, aber diesen Konflikt nicht zu suchen, wäre in dieser Situation wirklich falsch.

Der dritte Vorschlag ist, dass die Landesregierung dann, wenn so beschlossen wird, daran gehalten ist, diese beiden Punkte bei zukünftigen Abstimmungen im Bundesrat auch zu berücksichtigen.

Viertens - das haben wir nicht beantragt, das kann ich hier nur ausführen - werden wir zu dem von Herrn von Boetticher angeführten Umdenken Schwarz-Gelb eine zur Kahlschlagspolitik alternative Debatte aufzwingen und das Sparen wieder vom Kopf auf die Füße stellen. Ran an die Strukturen, die ineffektiv sind: Verwaltungsstrukturreform, Gebietsreform, dank der FDP ein teures acht- oder neungliedriges Bildungssystem, zweifelhafte Wirtschaftsförderung, eine noch immer ausbaufähige Kooperation mit Hamburg - einen ersten Schritt in diese Richtung leiten wir morgen mit der Enquetekommission ein - bis hin zu den bundespolitischen Ebenen.

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Christian von Boetticher [CDU])

- Herr von Boetticher, warum haben wir denn zwei Datenschutzzentren, eins in Hamburg und eins in Schleswig-Holstein? Da sind Tausende von kleinen Sachen. Wir haben bei der IHK gesessen, und Sie haben eifrig genickt. Wir beide sind uns doch persönlich einig darin, dass hier noch viel Geld einzu

(Dr. Robert Habeck)

sparen ist. Also, ran an den Topf. Das muss als Erstes gemacht werden.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich verstehe ja, dass Sie parteipolitische Restriktionen haben. Persönlich aber sollten Sie nicht dazwischenrufen, wenn Sie selbst nicht so denken und auch nicht so fühlen.

Ich habe sozusagen bei den Bundesregelungen angefangen, dem Kooperationsverbot. Herr Kubicki, ich bin gleich fertig. Ich brauche noch zwei Minuten, ich bin gerade so gut in Fahrt. Ich war beim Kooperationsverbot und bei den Finanzströmen im föderalen System, angefangen beim Länderfinanzausgleich bis hin zur Infragestellung des Ost-Solis, der zu einem Bildungssoli umgewandelt werden könnte. Darüber redet man bei Schwarz-Gelb aber noch nicht, während die Pläne zum Sozialabbau schon sehr weit fortgeschritten sind und die schon lange fertig in den Schubladen hätten liegen müssen, denn die CDU regiert schon lange. Wir merken es gerade selbst, und unsere Mittel sind natürlich begrenzt, diese Pläne zu erstellen, ist Kernarbeit. Das ist die Mühe der politischen Ebene, da kann man nicht immer flott Schlagzeilen produzieren. Es ist aber der richtige Ansatz: Erst wenn wir wissen, wie viel eingespart werden kann, wenn man die Strukturen stark und schlank macht, dann wissen wir auch, wie groß die Differenz ist, die wir zu erbringen haben, um die Schuldenbremse einzuhalten. Dann, wenn man seine Hausaufgaben gemacht hat, dann kann man darüber reden, ob man weiter spart, ob man den sozialen Frieden riskiert und alles kaputt macht, ohne wirklich etwas zu gewinnen, oder ob wir nicht doch lieber die Einnahmeseite verbessern.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Für die Kommunen wäre dies etwa durch die Umwandlung der Gewerbesteuer in eine Wirtschaftssteuer möglich, im Land wäre das etwa durch eine Erhöhung der Grunderwerbsteuer möglich. Im Bund wäre dies etwa durch ein Anziehen der verteilungswirksamen Steuerarten möglich. Die objektiven Fakten sind diese: Etwa 110 Milliarden € nimmt der deutsche Staat an Steuern und Abgaben im EU-Vergleich zu wenig ein, und dass vor allen Dingen bei den Steuern, die am ehesten eine ausgleichende Wirkung auf die Vermögensverteilung hätten, würden sie denn erhoben werden.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

- Ja, so ist es. So hat man eine Gegenüberstellung von Hotelsubventionen und beheiztem Schwimmbad, von höherem Kindergeld oder guten Kita-Plätzen und niedriger Erbschaftsteuer oder einem vernünftigen Klassenteiler, einem bisschen mehr eigenem Geld oder einem intakten Gemeinwesen. Das ist dann die gesellschaftliche Konfrontation, beziehungsweise die Chance, einen gesellschaftlichen Konsens durch Einsicht herbeizuführen. Darauf kann ich ja noch hoffen. Die Pointe ist, dass dies nicht so ist, obwohl, sondern gerade weil es eine Schuldenbremse gibt. Das ist eine gesellschaftliche Konfrontation, die man so gewinnen kann. Mit der Schuldenbremse lässt sich eben nicht nur sparen, sondern es lässt sich auch die Niedrig-und-GerechtPhantasie der FDP als Phantasma entlarven und die nächste Steuersenkungsrunde stoppen, wie es die CDU gegenüber Herrn Westerwelle auch schon angekündigt hat.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Zuruf des Abgeordneten Wolfgang Kubicki [FDP])

Mit der Schuldenbremse kann man deutlich machen, dass die FDP die Verfassung bricht. Der Vorschlag der SPD lässt einem solchen Verfassungsbruch letztlich ein Hintertürchen. Das ist nicht nötig, und es schwächt die politische Auseinandersetzung. Die Schuldenbremse wird so zu dem Hebel, um Schwarz-Gelb an ihren eigenen Vorstellungen zu messen und aus dem Sattel zu werfen.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Sehr gut!)

- Da freue ich mich, Herr Kubicki. Dann können Sie richtig lange im Bayerischen Landtag zugucken.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abgeordneten Wolfgang Kubicki [FDP])

An der Schuldenbremse kann man eine erstaunliche Umkehr beobachten: Früher galten Verschwendung als links und Haushaltspolitik als konservative Domäne. An der Schuldenbremse kann man nun schön sehen und zeigen, was sich in Deutschland alles verändert hat: Da sitzen die Verschwender, wir übernehmen die Verantwortung für den gesellschaftlichen Zusammenhalt.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)