Meine Damen und Herren, Herr Ministerpräsident, Herr Stegner, richtig gemacht ist die Schuldenbremse Teil einer modernen linken Politik.
Lieber Herr Dr. Habeck, das übernehme ich. Ich glaube, es ist keine Frage mehr beabsichtigt. Ihre Redezeit ist beendet. - Für die Fraktion DIE LINKE erteile ich dem Fraktionsvorsitzenden, Herrn Abgeordneten Heinz-Werner Jezewski, das Wort.
Vielen Dank, Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Kollege Habeck, ich habe es gestern schon einmal gesagt. Man muss aufpassen, wem man den kleinen Finger reicht. Ich kann mir durchaus vorstellen, dass es in den Kreisen dieser Regierungskoalition sogar eine Einigkeit darin gibt, dass man eigentlich keinen Datenschutzbeauftragten mehr brauchte oder - wenn doch - für alle Länder den gleichen. Ich glaube, da sollte man vorsichtig sein.
Ich möchte damit beginnen, einer Legendenbildung vorzubeugen. Es gibt die große Legende, dass das Land Schleswig-Holstein - wie viele andere Länder und sogar auch die Bundesrepublik - eine in der Verfassung verankerte Schuldenbremse bräuchte. Begründet wird das einzig mit der Verschuldung und der darauf fußenden desaströsen Finanzlage des Landes und seiner Kommunen. Lassen Sie mich einen Vorschlag machen, dem sogar die größere Regierungspartei zustimmen könnte, wenn sie es denn wollte. Lassen Sie uns gemeinsam darauf dringen, den Spitzensteuersatz der Einkommensteuer auf den Wert zu korrigieren, der am Ende der Amtszeit von Helmut Kohl gültig war. Wenn Helmut Kohl damit ausgekommen ist, dann sollte das für uns immer noch reichen. Das bringt dem Land und den Kommunen Einnahmen in Höhe von etwa 150 bis 200 Millionen €. Ich lasse mich bei der exakten Zahl gern korrigieren, aber die Größenordnung ist richtig.
Lassen Sie uns weiter darauf dringen, eine Börsenumsatzsteuer einzuführen, wie sie in Norwegen seit vielen Jahren hervorragend funktioniert. Auch das bringt unserem Land - diesmal nicht von mir, sondern von Fachleuten - geschätzte 150 bis 200 Millionen €. Wenn wir so viel Geld aber gar nicht brauchen, weil es gar nicht um diese Riesensummen geht, dann machen wir die Börsenumsatzsteuer nach englischem Vorbild. Großbritannien war unter Frau Thatcher nicht gerade als Vorposten der Linken bekannt. Auch dann bringt diese Steuer
noch 100 Millionen €. Ich könnte jetzt fortfahren, zum Beispiel mit der Rücknahme der „MövenpickFörderung“, mit einer moderaten Korrektur der Unternehmenssteuerreformen von 1998, 2000 und 2002 oder mit einem gerechten Umbau der Erbschaftsteuer. All das bringt Milliarden, und für Schleswig-Holstein bleiben dabei hohe dreistellige Millionenbeiträge übrig.
Fakt ist also: Dieses Land braucht keine Schuldenbremse, denn es könnte gut und sorgenfrei wirtschaften, wenn jeder - natürlich abgestuft nach seiner Leistungsfähigkeit - solidarisch zur Finanzierung der öffentlichen Aufgaben herangezogen würde.
Sie können trotzdem gern sagen, wir brauchen eine Schuldenbremse in der Landesverfassung. Dann sagen Sie aber bitte auch: Wir brauchen sie, weil wir die Einnahmen des Staates nicht verbessern wollen. Wir brauchen sie, weil wir uns von dem Prinzip, dass die Starken zum Funktionieren des Staates mehr beitragen müssen als die Schwachen, verabschiedet haben. So viel zur ersten Legende. Wir werden innerhalb der nächsten zwölf Minuten noch auf weitere stoßen.
Da hat also die Föderalismuskommission Anfang 2009 die sogenannte Schuldenbremse für den Bund und die Länder beschlossen. Der Bundestag hat im Laufe des vergangenen Jahres den dazu notwendigen Verfassungsänderungen zugestimmt. So weit, so ungut. Nun hat das Land Schleswig-Holstein im Bundesrat den Verfassungsänderungen nicht zugestimmt. Dafür bedanken wir Linken uns. Es wurde sogar eine Verfassungsklage dagegen angekündigt. Das ist schon besser.
Nun aber wollen Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von CDU und FDP, die Schuldenbremse, die Sie im Grundgesetz ablehnen, unbedingt in der Landesverfassung verankern. Ja, Sie berufen sich in Ihrem heutigen Antrag auf den Artikel des Grundgesetzes, den Sie durch die Verfassungsklage beseitigen wollen. Ganz ehrlich: Mich wundert es nicht, dass die Bundeskanzlerin den Ministerpräsidenten und den FDP-Fraktionsvorsitzenden vor Weihnachten wie zwei Dorfdeppen abgekanzelt und wieder nach Hause geschickt hat.
Wir haben gestern gesehen, was bei den von Ihnen versprochenen Einsparungen und Förderungen herausgekommen ist. Wir werden aus der Bundeskasse nicht einmal die läppischen Millionen kriegen, um
das dritte Kita-Jahr zu erhalten. So ist es gelaufen, Sie haben sich über den Tisch ziehen lassen. Die Schuldenbremse darf aber - egal ob auf Bundesoder auf Landesebene - nicht isoliert betrachtet werden. Es gibt schließlich Gründe, die für diese Schuldenbremse verantwortlich sind.
Wenn jemand seine Finanzen nicht in den Griff bekommt, dann kann das zwei Gründe haben: Entweder sind seine Ausgaben zu hoch, oder seine Einnahmen sind zu niedrig. Strukturell lässt sich das ganz leicht lösen. Entweder man muss Ausgaben senken, was, wenn man sich die Situation in Schleswig-Holstein ehrlich anschaut, gar nicht mehr möglich ist, oder man muss die Einnahmen erhöhen. Die CDU-geführte Bundesregierung hat sich für den dritten Weg entschieden. Sie senkt die Einnahmen.
Das sogenannte Wachstumsbeschleunigungsgesetz ist dafür nur das letzte Beispiel. Es soll dazu führen, dass die Unternehmen schnell viel Geld verdienen, von dem sie Steuern zahlen müssen. Ich übernehme jetzt einmal die Argumentation derer, die das Gesetz beschlossen haben. Wohlgemerkt, die Steuern wurden durch dieses Gesetz gerade gesenkt, was dazu führen soll, dass sie Steuern bezahlen sollen. Ich denke jetzt einen Schritt weiter. Vielleicht schafft es die Bundesregierung im nächsten Schritt sogar, die Unternehmen ganz von Steuern zu befreien, damit sie noch mehr Geld verdienen, von dem sie dann gar keine Steuern mehr bezahlen müssen. Mit diesen nicht bezahlten Steuern können wir dann die öffentlichen Haushalte sanieren.
Sie haben in der letzten Plenartagung beschlossen, dem sogenannten Wachstumsbeschleunigungsgesetz zuzustimmen. Nur für den Fall, dass Sie es immer noch nicht gemerkt haben: Einen erheblichen Teil der Schulden, die Sie mit dem heutigen Gesetzentwurf bremsen wollen, haben Sie im letzten Monat mit dem Wachstumsbeschleunigungsgesetz erst verursacht.
Wem nutzt nun dieses Gesetz? - Der Oppositionsführer hat es im letzten Monat sehr treffend ausgedrückt: Hoteliers und reichen Erben. Herr Stegner, ich habe mich wirklich kurz gefragt, ob Sie vor die
ser Formulierung Einblick in die Spendenlisten der FDP oder in die Buchhaltung der Firmen von Baron Finck genommen haben.
Das Prinzip aber nutzt natürlich nicht nur denen, die gerade durch die unappetitliche Parteispendenaffäre ins Gerede gekommen sind. Ein vermeintlich armer Staat - in Wirklichkeit ist es ja ein Staat, der sich selbst arm hält - nutzt im Grunde genommen all denen, die ihn für überflüssig halten. Je ärmer der Staat, je weniger Mittel ihm für seine Aufgaben zur Verfügung stehen, desto mehr Möglichkeiten haben sie. Sie können sich zum Beispiel über kurz oder lang das Vermögen dieses Staates aneignen, denn was liegt näher, als bei maroden Finanzen die Privatisierung dieses Staatsvermögens zu fordern?
Und genau das wird der Effekt dieser Schuldenbremse sein: Diejenigen, die es sich leisten können, werden dieses Land systematisch ärmer machen und dann faktisch übernehmen.
Das trifft dann nicht mehr nur Menschen mit schlechter Ausbildung oder geringer Qualifikation, sondern auch immer mehr diejenigen, die Sie heute so schön als den „Mittelstand“ bezeichnen. Jedem dürfte klar sein: Aus denen, die jetzt schon ALG II beziehen, ist bald nichts mehr herauszupressen. Schauen Sie sich einmal die Lohnentwicklung der letzten Jahre an, gucken Sie, was im Leiharbeitssektor los ist, gucken Sie sich die Qualität der Arbeitsplätze in Deutschland und in Schleswig-Holstein an, dann sehen Sie, dass dieser Wandel schon längst begonnen hat.
Keine Frage: Wenn der Staat Schulden macht, ist das schlecht, weil diese Schulden die Umverteilung von unten nach oben befördern. Auch die LINKE will keine Schulden machen, sondern den Staat über Steuereinnahmen finanzieren, denn so gehört sich das. Aber bevor wir das können, müssen wir unsere Hausaufgaben machen. Das heißt, wir müssen die Einnahmen erhöhen, weil wir die Ausgaben nicht mehr senken können.
Leider - es ist öfter gesagt worden - sind weder FÖJ-ler noch Bezieher von ALG II in der Lage, Parteispenden in Millionenhöhe abzudrücken, sonst stünde ich mit dieser Meinung vielleicht nicht ganz so allein hier.
Was im Übrigen davon zu halten ist, dass der Staat über Einnahmeverschlechterungen immer handlungsunfähiger gemacht wird, was das für unsere Demokratie bedeutet, das überlasse ich Ihrem eigenen Nachdenken.
Das Fazit dieser Debatte zu ziehen, ist eigentlich relativ einfach: Das Gegenteil von „gut gemacht“ ist „gut gemeint“. Demnach haben Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen der Regierung, es verdammt gut gemeint. Das, Herr Ministerpräsident, ist es aber nicht, wofür die Menschen in diesem Land Ihnen und Ihrem Koalitionspartner beinahe so viele Stimmen gegeben haben wie der Opposition in diesem Landtag.
Die Menschen wollen, dass Sie die Probleme des Landes lösen und nicht die Probleme von Reichen und Superreichen. Gehen Sie nach Berlin und setzen Sie sich für eine anständige Finanzausstattung der Länder und der Kommunen ein. Sorgen Sie dafür, dass die ungerechten Umbauten der staatlichen Aufgabenfinanzierung aus den letzten Jahren korrigiert werden.
Wenn Sie das alles getan haben, wenn Land und Kommunen endlich wieder in der Lage sind, ihre Aufgaben aus ihren Einnahmen zu bestreiten, dann haben Sie sogar die LINKE an Ihrer Seite, wenn weitere Staatsschulden gesetzlich verboten werden sollen.
Oftmals werden Ministerpräsidenten als Landesväter bezeichnet. Ein Ministerpräsident, der mutwillig auf Einnahmen, die seinem Land zustehen, verzichtet, handelt aber wie ein Vater, der die Einnahmen seiner Familie in die Kneipe trägt und seinen Kumpanen davon den Alkohol bezahlt.
Herr Ministerpräsident, wenn Sie den Titel „PartyHarry“ gegen den Titel „Landesvater“ tauschen wollen, fangen Sie endlich an, etwas für dieses Land zu tun!
(Beifall bei der LINKEN und vereinzelt beim SSW - Zuruf des Abgeordneten Dr. Christian von Boetticher [CDU])
Herr Abgeordneter Jezewski, der Begriff „Dorfdeppen“ ist unparlamentarisch und hat beleidigenden Charakter. Dafür erteile ich Ihnen eine Rüge.
(Heinz-Werner Jezewski [DIE LINKE]: Ich bitte um Entschuldigung! - Beifall des Abge- ordneten Dr. Christian von Boetticher [CDU])
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit der heutigen ersten Lesung der drei vorliegenden Gesetzentwürfe zur Änderung unserer Landesverfassung beschäftigen wir uns erstmals mit dem Thema Schuldenbremse in all seiner Komplexität, und - um es gleich vorweg zu nehmen - für uns ist die Verankerung einer Schuldenbremse in der Landesverfassung eine gemeinsame Aufgabe des Parlaments.