Protokoll der Sitzung vom 16.10.2015

den Praxisbereich mehr zu stärken. Herr Kollege Andresen, die Einführung eines Praxissemesters als große Stärkung des Praxisanteils im Studium zu verkaufen, ist ein bisschen irre. Ich möchte daran erinnern, dass es Bachelor-Absolventen, Hochschulabsolventen sind, die ins Praxissemester gehen und für 0 € an den Schulen eingesetzt werden. Wenn das seitens der SPD-Landtagsfraktion die Vorstellung von guter Arbeit ist, habe ich das irgendwie grundsätzlich falsch verstanden.

(Beifall FDP und CDU - Martin Habersaat [SPD]: Wollen Sie alle Praktika bezahlen? - Zuruf Rasmus Andresen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Das sind Hochschulabsolventen. - Ja, ja, ganz ruhig. Dass die Schulen die gern nehmen, kann ich verstehen, weil sie Probleme mit der Unterrichtsversorgung haben.

(Rasmus Andresen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es ist besser, wenn die gar nicht in die Schule gehen?)

Das heißt noch nicht, dass das ein Erfolgsmodell ist. Denn die Schulen nehmen natürlich gern Hochschulabsolventen, Bachelor-Absolventen, die kostenlos arbeiten. Das kann ich gut nachvollziehen.

Herr Kollege Andresen, wir sollten uns die Betreuung an den Schulen einmal genau anschauen. Es gibt 0,5 Ausgleichstunden für die Mentoren.

(Anke Erdmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Ja, übers ganze Jahr gerechnet!)

- 0,5 Stunden, grandios! Wir sollten uns im Ausschuss vertiefend angucken, wie die regionale Verteilung ist. Kollege Andresen, Sie haben das Wohnortproblem angesprochen. Sie haben gesagt, die Hochschulen müssten sich da Gedanken machen. Nein, die Landesregierung und die Koalition müssen sich da Gedanken machen.

(Beifall FDP und CDU)

Wir sollten uns die regionale Verteilung angucken. Wie läuft es mit der Betreuung in den Schulen, wie werden die Studenten in den Schulen eingesetzt? Das sollten wir uns näher angucken.

Herr Abgeordneter Vogt, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Rasmus Andresen?

Ja, ich lasse Sie auch nicht warten.

Vielen Dank. - Mir scheint, dass Sie nicht mit den Studierenden gesprochen haben, die das Praxissemester an der Universität Flensburg schon gemacht haben.

(Beifall Jette Waldinger-Thiering [SSW])

Was Sie kritisieren, beispielsweise fehlende Betreuung, wird von denen gar nicht kritisiert. Was die Betroffenen in ihren Stellungnahmen bisher kritisieren, sind technische Fragen. Sie wollen zum Beispiel Fahrtkosten, die im dreistelligen Bereich liegen, schneller

(Christopher Vogt)

erstattet bekommen oder, dass der Bereich Sonderpädagogik nicht ausgeklammert wird. Aber der Punkt Betreuung an den Schulen wird in den bisherigen Stellungnahmen der Studierenden ausdrücklich nicht kritisiert. Ich bitte Sie, dass Sie das zur Kenntnis nehmen und hier nicht solche Behauptungen aufstellen.

(Beifall Jette Waldinger-Thiering [SSW])

- Wie gesagt, wir sollten uns im Bildungsausschuss vertiefend angucken, wie das läuft. Es ist ja schön, dass Sie mit den Leuten gesprochen haben. Ob die Rückmeldungen repräsentativ sind, können wir uns im Ausschuss gern einmal anschauen, Herr Kollege Andresen.

Was ich Ihnen in allem Ernst mitteilen möchte, ist, dass das Praxissemester, das als großer Erfolg dargestellt wurde, nicht so gut läuft, wie Sie meinen. Dass man die Praxisanteile im Studium natürlich erhöhen muss, haben auch wir gefordert. Das muss man aber vielleicht früher machen und etwas sinnvoller strukturiert, als Sie das machen.

Sie sagen, die Hochschulen müssten sich über das Thema Unterbringung der Studenten während des Praxissemesters Gedanken machen, weil die Schulen im Großraum Kiel und in Flensburg sehr beliebt sind. Das muss aber auch in die Fläche gehen. Das sollten wir uns noch einmal vertiefend angucken.

Das ist übrigens noch die Antwort auf die Frage des Kollegen Andresen, deswegen wäre es nett, wenn die Uhr angehalten worden wäre.

Herr Kollege Andresen, aus meiner Sicht ist das Praxissemester so, wie es bisher umgesetzt wird, eher eine Sparmaßnahme als eine vernünftige Regelung. Ich habe bei den Haushaltsberatungen festgestellt, wie die Fahrtkosten erstattet werden. Das sind für Flensburg 170.000 € pro Jahr.

(Zuruf Anke Erdmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Anders als es suggeriert wurde, wird das aus den Grundhaushalten der Hochschulen finanziert. Kollege Andresen, Sie haben immer gesagt: Wir müssen gucken, wie wir das Geld zur Verfügung stellen. Das wird jetzt einfach aus den Grundhaushalten der Hochschulen finanziert. Auch das halte ich für falsch.

Ich möchte das Thema Qualitätsoffensive Lehrerbildung ansprechen. Der Kollege Habersaat hat uns erklären wollen, dass die Uni Kiel in der zweiten

Runde Geld vom Bund bekommen hat. Flensburg nicht. Auch das sollten Sie einmal hinterfragen, wie es eigentlich sein kann, dass Flensburg kein Geld bekommen hat, obwohl alles so toll läuft, und Kiel erst in der zweiten Runde. Sie haben gesagt, das liege daran, dass die Reform so toll war. Ehrlich gesagt, egal, welches Gesetz da wäre, Kiel hätte auf jeden Fall Geld bekommen. Wer für den Erfolg verantwortlich ist, der ist auch für den Misserfolg verantwortlich. Kollege Andresen, das sollten Sie sich einmal ein bisschen kritischer angucken.

(Beifall FDP und CDU)

Die Kollegin Franzen hat vollkommen recht: Sie machen mit dieser Ausbildungsreform Schulstrukturpolitik. Gymnasien und Gemeinschaftsschulen sind zwei unterschiedliche Schultypen. Deswegen muss auch die Ausbildung unterschiedlich sein, damit die Menschen möglichst gut auf ihren Job vorbereitet sind. Dass Sie das missachtet und mit dieser Ausbildungsreform Schulstrukturpolitik gemacht haben, ist der große Fehler. Das werfe ich Ihnen vor, das halte ich für falsch. Wir haben einen anderen Ansatz. - Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall FDP und CDU)

Für die Piratenfraktion hat jetzt der Herr Abgeordnete Sven Krumbeck das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich halte diese Rede in Vertretung von Uli König, der leider erkrankt ist. Ich wünsche ihm von dieser Stelle aus alles Gute und eine gute Genesung.

(Beifall)

Am 23. September 2015 konnte „die beste Wissenschaftsministerin aller Zeiten“ aufatmen, die CAU hatte doch noch den langersehnten Erfolg bei der Qualitätsoffensive Lehrerbildung des Bundes erzielt. Das war wichtig, nachdem die beiden lehrerausbildenden Universitäten im März dieses Jahres noch leer ausgegangen waren. Das ist und bleibt ein schöner Erfolg, der mit 3,5 Millionen € belohnt wird. Ich gratuliere der CAU dazu sehr herzlich, denn unser Wissenschaftsflaggschiff hat erneut gezeigt, dass es Lehrerbildung kann. Das ist aktuell so und war auch in den vorhergehenden Jahren nicht anders.

(Christopher Vogt)

(Vereinzelter Beifall PIRATEN)

Daher weiß ich auch nach dem heute mündlich vorgetragenen Bericht immer noch nicht, ob die bundesweite Anerkennung auf die wissenschaftlichen Leistungen der Hochschule oder das Lehrkräftebildungsgesetz zurückzuführen ist. Wäre Letzteres der Fall, hoffe ich, dass auch die Universität Flensburg, die ja nun auf diesem Gebiet spezialisiert sein soll, von uns bald beglückwünscht werden kann. Warum das noch nicht der Fall ist, können wir vielleicht im Ausschuss klären.

Kritiker bemängeln nach wie vor die Verkürzung der Praxisphasen. Was als Praxissemester einen griffigen Namen erhalten hat, führt am Ende aber immer dazu, dass die Zeit in der Klasse verkürzt wird. Das hat Frau Ministerin Ernst auch in der gemeinsamen Sitzung des Bildungsausschusses und des Finanzausschusses am 5. Oktober 2015 deutlich erklärt.

2014 wurden 100 Stellen für Lehrer im Vorbereitungsdienst abgebaut. 2015 sind es 175 Stellen, und 2016 sollen es 200 Stellen sein. Damit soll sich aber nicht die Anzahl der Personen ändern, sondern sie erhalten schlicht weniger Praxiszeit an den Schulen. Die Dauer des Referendariats wird verkürzt.

Ob das ein Erfolgsmodell ist oder nicht, wird sich erst zeigen, wenn diese Lehrer im Vorbereitungsdienst als ausgebildete Pädagogen am Lehrerpult stehen werden. Erst dann werden wir sehen, ob dieses Modell Fluch oder Segen ist. Ich wage die Prognose, dass es in Zeiten von deutlicher Heterogenität in den Klassen und gestiegenen Anforderungen an die Lehrkräfte nicht zwingend gut sein muss, die Praxisanteile zu verkürzen. Ich glaube, dass eine Momentaufnahme des persönlichen Eindrucks hier keine belastbaren Daten und Informationsgrundlagen darstellt. Die Ministerin hat an dieser Stelle auch zu wenig über die Erhebung zu diesem Themenbereich gesagt. Es ist meine Vermutung, dass sie dazu auch nichts sagen wird. Aber auch das können wir im Ausschuss sehen.

Der Wissenschaftsstaatssekretär hat in der gleichen Ausschusssitzung gemeldet, dass das Semesterticket gut laufe. Das finde ich erfreulich. Sie wissen, dass mir das tatsächlich sehr am Herzen lag. Ich freue mich, wenn das gut klappt und die Mittel, die in der Grundversorgung der lehrerbildenden Hochschulen den Studierenden zur Verfügung stehen, auskömmlich sind.

Auch wenn sich der Bericht der Ministerin heute wie beantragt - mit der Akkreditierung, der Umset

zung und der Praxis beschäftigt, gestatten Sie mir eine weitergehende Anmerkung. Was sich auf dem Papier gut liest, muss sich auch immer an der Praxis messen lassen. Denn man kann Pädagogik nie ohne die Menschen machen, die sie umsetzen, die lehren und die auch erziehen sollen. Reicht die Praxiszeit? Sind wir qualitativ gut genug? - Das sind Fragen, die seriös beantwortet werden müssen und die wir auch gern im Ausschuss noch einmal diskutieren sollten. Dazu wäre eine schriftliche Vorlage gut. Vielleicht können wir uns darauf noch verständigen.

Genauso müssen wir auch noch Fragen beantworten, die die Menschen dazu bewegen könnten, in diesem Land Lehrer zu werden. Dazu gehören gute Arbeitsbedingungen ebenso wie eine gerechte Besoldung, entsprechend den von dieser Regierung eingeleiteten Reformmaßnahmen. Wir können dieses Thema der äußeren Ausgestaltung des Lehrberufs nicht vom Inhalt der Lehrerbildung trennen. Das ist meine feste Überzeugung.

Ich habe das Lehrkräftebildungsgesetz damals abgelehnt, weil es nicht ausfinanziert war, zum Beispiel im Hinblick auf die Schlussfolgerung der Besoldung. Bei diesem Standpunkt bleibe ich und hoffe sehr, dass wir alle in dieser Frage zu einer Antwort kommen, die den jungen Leuten signalisiert: Wir wollen euch nicht nur gut ausbilden, sondern euch auch eine gute Beschäftigungsperspektive in diesem Land bieten! Wir werden in Zukunft nämlich jeden Lehrer brauchen. - Vielen Dank.

(Beifall PIRATEN und vereinzelt CDU)

Für die Abgeordneten des SSW hat jetzt Frau Abgeordnete Jette Waldinger-Thiering das Wort.

Sehr geehrter Herr Landtagspräsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Ministerin, vielen Dank für den mündlichen Bericht. Wenn ich auf das gesamte Verfahren rund um diese Reform zurückblicke, muss ich eins deutlich sagen: So modern und zukunftsweisend dieses Gesetz aus meiner Sicht auch ist, die Art der Auseinandersetzung über dieses wirklich wichtige Thema war es nicht. Wir haben viel ideologisch motiviertes Getöse gehört

(Heike Franzen [CDU]: Das stimmt!)

und viel zu wenige Beiträge zur inhaltlichen Diskussion. Nicht nur die Presse sprach daraufhin wie

(Sven Krumbeck)