Protokoll der Sitzung vom 20.11.2015

Für die CDU-Fraktion hat jetzt der Herr Abgeordnete Johannes Callsen das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Industrie fristet bei dieser Landesregierung ein Mauerblümchendasein. Wer die Szene beobachtet, weiß: Es gibt seit Jahren unter Rot-Grün-Blau keine industriepolitischen Impulse. Deshalb dürfte es in der Tat niemanden wundern, dass der Anteil des verarbeitenden Gewerbes an der Bruttowertschöpfung in Schleswig-Holstein leider seit 2012 gesunken ist. Und es waren - Kollege Vogt hat darauf hingewiesen - erst Initiativen aus dem Parlament, die den Wirtschaftsminister auf Trab gebracht haben, worauf er dann eilig ein Industriereferat in seinem Haus gebildet hat. Aber ich sage Ihnen: Das reicht nicht aus.

(Vereinzelter Beifall CDU)

Deswegen ist es gut, dass wir dieses wichtige Thema heute wieder hier im Parlament auf der Agenda haben.

Meine Damen und Herren, dass die Industrie von der Landesregierung so stiefmütterlich behandelt wird, ist angesichts der Tatsache, dass wir in einer vernetzten Weltwirtschaft leben und SchleswigHolstein im Übrigen das einzige Bundesland mit hochseefähigen Häfen an gleich zwei Meeren ist, doch bemerkenswert. Es ist ein Alarmsignal, wenn mehr als die Hälfte der Industrieunternehmen in einer IHK-Umfrage, die auch schon zitiert wurde, den Standort Schleswig-Holstein als nur noch befriedigend oder sogar schlechter bewerten. Da ist es kein Wunder - wir haben oft genug darüber debattiert -, dass die Betriebe angesichts der rot-grünblauen Standortbedingungen hier im Lande entsprechend frustriert sind.

Die Landesregierung überzieht die Unternehmen mit Misstrauen und Bürokratie, verschlechtert damit die internationalen Wettbewerbschancen unserer Industriebetriebe.

(Vereinzelt Lachen SPD)

Sie ist nicht in der Lage, Investoren Planungssicherheit für Erweiterungen und Ansiedlungen zu geben. Denn monatelang gab es keine Klarheit hinsichtlich der Investitionsförderung in SchleswigHolstein; mehr als 120 Ansiedlungsanträge konnten schlichtweg nicht bearbeitet werden. Meine Damen und Herren, die Landesregierung behindert durch ordnungsrechtliche Auflagen, wie wir sie jetzt beim neuen Landesnaturschutzgesetz wieder erleben werden,

(Olaf Schulze [SPD]: Ah! Ja! - Oliver Kum- bartzky [FDP]: Da hat er recht!)

Schleswig-Holsteinischer Landtag (18. WP) - 104. Sitzung - Freitag, 20. November 2015 8745

(Christopher Vogt)

Betriebserweiterungen und Ansiedlungen. Ich sage Ihnen: Auch deswegen ist die Zahl neuer Ansiedlungen in Schleswig-Holstein unter Rot-Grün-Blau kontinuierlich zurückgegangen.

Ich komme zu einem Standortfaktor, der im Rahmen dieser Debatte wichtig ist: das Industriegebiet Brunsbüttel. Hier wird von der Landesregierung alles Mögliche angekündigt. Das einzig Konkrete, was wir jetzt im Ausschuss erfahren haben, ist, dass eine Schnellbuslinie geschaffen wird. Herzlichen Glückwunsch, kann ich da nur sagen. Nein, ich glaube, es ist vielmehr notwendig, dass jetzt bei der Vielzweckpier nicht länger die Chancen vertan werden; sie müssen genutzt werden.

(Vereinzelter Beifall CDU)

Aber es ist schon auch für Brunsbüttel nicht hilfreich, wenn sich der Staatssekretär, Herr Dr. Nägele, öffentlich hinstellt und sagt, dieses Industriegebiet habe seinen Zenit überschritten, die Chemie allein sei nicht seligmachend.

Herr Abgeordneter Callsen, erlauben Sie eine Zwischenfrage oder -bemerkung des Herrn Abgeordneten Matthiessen?

Bitte schön, Herr Abgeordneter.

Herr Kollege Callsen, der verkehrspolitische Sprecher Ihrer Fraktion hat einmal gesagt, die Fähre Brunsbüttel-Cuxhaven sei Blödsinn und entbehrlich. Nun gibt es sie. In diesem Zusammenhang wird auch die von Ihnen erwähnte Schnellbusverbindung geschaffen. Ist das aus Sicht der CDU nun gut oder schlecht?

(Volker Dornquast [CDU]: Das reicht aber nicht!)

Genau. - Der Kollege Dornquast nimmt die Antwort vorweg. Ich habe doch nur darauf hingewiesen, dass dies das einzig konkrete Projekt ist, das Sie auf den Weg gebracht haben. Das reicht für die Industrie in Schleswig-Holstein nicht.

(Beifall CDU und Oliver Kumbartzky [FDP])

Herr Abgeordneter, erlauben Sie noch eine Nachfrage oder Anmerkung des Herrn Abgeordneten Matthiessen?

Nein, ich glaube, die Antwort ist gegeben.

Meine Damen und Herren, der Breitbandausbau ist von dieser Landesregierung auf die lange Bank geschoben worden; er ist 2030 verschoben worden. Gerade in Bezug auf den Breitbandanschluss von Gewerbegebieten hören wir immer wieder, dass es erhebliche Probleme gibt und nötige Impulse fehlen.

Beim wichtigsten Standortfaktor, der Infrastruktur, tritt diese Landesregierung seit Langem auf der Stelle. Herr Minister, da nützen auch noch so viele PR-Aktionen Ihres Hauses wenig. Denn Fakt ist doch, dass es bei der A 20 nicht vorangeht, dass es bei der westlichen Elbquerung nicht vorangeht. Das einzige überregional wichtige Infrastrukturprojekt, das derzeit in Schleswig-Holstein erfolgreich läuft, ist der sechsspurige Ausbau der A 7, und der - ich darf daran erinnern - ist von der CDU beschlossen worden.

(Beifall CDU - Zuruf Christopher Vogt [FDP]: Aber nicht alleine!)

- Richtig, Herr Kollege Vogt, nicht alleine! - Anstatt jetzt Gas zu geben, verschreckt der Ministerpräsident die Industrie mit der Aussage im NDR, dass es sicherlich noch mindestens ein Jahrzehnt dauern wird, bis alles bei der A 20 fertig ist.

Nein, Herr Meyer, eine neue Imagekampagne kann dieses Versagen der Landesregierung bei den wichtigsten Standortfaktoren nicht überdecken.

(Beifall CDU)

Der Antrag der FDP greift viele wichtige und richtige Dinge auf: die Verbesserung der Infrastruktur, die Kooperation mit Hamburg in der Industriepolitik, bezahlbare Energie und vieles mehr. Wir unterstützen diese Forderungen aus voller Überzeugung. Aber ich sage auch: Wir warten im Wirtschaftsausschuss in der Tat seit mittlerweile anderthalb Jahren auf das industriepolitische Konzept oder wie auch immer es heißen soll - dieser Landesregierung. Deswegen, Herr Meyer, sind wir gespannt, ob denn beim industriepolitischen Kongress

(Johannes Callsen)

nächste Woche endlich konkrete Maßnahmen vorgestellt werden oder es wieder nur ein PR-Ereignis mit viel heißer Luft wird. - Herzlichen Dank.

(Beifall CDU und FDP)

Für die SPD-Fraktion hat jetzt der Herr Abgeordnete Olaf Schulze das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Eines wird mit dem vorliegenden Antrag besonders deutlich: Geduld scheint nicht die Stärke der Kolleginnen und Kollegen der FDP zu sein.

(Detlef Matthiessen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Überhaupt nicht!)

Anscheinend können Sie den industriepolitischen Kongress, der am kommenden Mittwoch in Büdelsdorf stattfindet, nicht erwarten. Ich persönlich finde es ja sinnvoll, zuerst mit allen Beteiligten zu sprechen und dann Entscheidungen zu treffen.

(Beifall SPD)

Dass Sie mit Ihrem Antrag die Ergebnisse des Kongresses vorwegnehmen, halte ich für wenig hilfreich. Lieber Kollege Johannes Callsen, die alten Kamellen, die wir jetzt schon seit Jahren hören, helfen da auch nicht weiter.

(Vereinzelter Beifall SPD)

Herr Abgeordneter Schulze, erlauben Sie eine Zwischenfrage oder -bemerkung des Herrn Abgeordneten Vogt?

Immer wieder gern.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Wird das eine Abschiedsrede?)

- Keine Angst! Sie müssen mich noch öfter ertragen.

Danke, Herr Kollege Schulze. - Ich habe ein gewisses Verständnis, dass Sie als designierter Bürgermeister stark auf die Exekutive schauen. Nun hatte ich auch erklärt, dass wir bereits im vergangenen Jahr im Ausschuss eine schriftliche Anhörung durchgeführt haben, wir dazu auch Gespräche geführt haben und unsere In

itiative das Ergebnis dieser Anhörung ist. Insofern haben wir alle Betroffenen einbezogen. Der Antrag ist also das Ergebnis eines Beteiligungsverfahrens und nicht eine Vorwegnahme.

- Lieber Kollege, dann überrascht es natürlich schon, dass Sie den Antrag, den Sie jetzt gestellt haben, eine Woche nach Einladung zu dem Kongress in Büdelsdorf geschrieben haben

(Detlef Matthiessen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da hat er doch abgeschrieben!)

und dann erst einmal geguckt haben, was darin steht, und dass Sie in Ihrem Antrag geschrieben haben, dass er auf Ihren ersten Antrag aufbaut. Dann hätten Sie den Antrag auch im Ausschuss stellen können.

(Zuruf Dr. Heiner Garg [FDP])