Die Gymnasien leben Gott sei Dank noch. Mit all Ihren Maßnahmen bringen Sie aber schon deutlich zum Ausdruck, dass Sie den Gymnasien nicht über
Frau Abgeordnete, gestatten Sie eine zweite Bemerkung beziehungsweise Frage der Frau Abgeordneten Erdmann?
Frau Klahn, ich bitte Sie, zur Kenntnis zu nehmen, dass wir sehr klare Aussagen getroffen haben. Wir haben gesagt, dass Stabilität ins Schulsystem kommt. Es gibt das Zwei-Säulen-Modell. Ich bitte Sie, außerdem zur Kenntnis zu nehmen, dass wir die Förderung der freien Schulen verbessert haben. Ferner bitte ich Sie, zur Kenntnis zu nehmen, dass die PISA-Ergebnisse von 2001 mit 25 % funktionalen Analphabeten unter männlichen Jugendlichen im Alter von 15 Jahren nicht unbedingt ein Qualitätsausweis gewesen sind. Oder sehen Sie das etwa anders?
Meine Damen und Herren, mit der Abschaffung der Schulübergangsempfehlung und weiteren Maßnahmen hat die Landesregierung die Gymnasien benachteiligt und von innen ausgehöhlt. Die Lehrerausbildung wurde auf den Einheitslehrer getrimmt. Die Qualität der Bildung war bei all dem egal Hauptsache, die Systemumstellung erfolgte.
Der Bericht ist insgesamt eine Aufzählung quer durch den schulpolitischen Garten. Welche qualitativen Ziele die Landesregierung aber definiert und mit welchen Maßnahmen sie die Umsetzung plant, ist nicht erkennbar. Mir stellt sich die Frage, was Frau Ministerin Ernst überhaupt unter Qualität versteht.
Heißt das für Sie, Bildungsstandards bei Abschlussprüfungen abzusenken, wie Sie es zuletzt im Bereich der Rechtschreibung beim Abitur gemacht haben? Verstehen Sie unter Qualität, den Schulen immer neue Aufgaben im Bereich der Inklusion und Integration von Flüchtlingen aufzulasten, ohne ihnen entsprechende Mittel zur Verfügung zu stellen? Ist es für Sie Qualität, wenn in den neu geschaffe
nen Oberstufen der Gemeinschaftsschulen nur 45 % der Lehrkräfte im Mathematikbereich eine Lehrbefähigung für die Sekundarstufe II haben? Glauben Sie, dass die Qualität steigt, wenn man den Leistungsgedanken aus den Schulen verbannt, wie Sie es mit der Abschaffung von Noten beweisen? Oder halten Sie es für einen qualitativen Fortschritt, wenn bei der Neufassung der Lehrpläne, die jetzt Fachanforderungen heißen, der Wissensaspekt immer weiter hinter einer Kompetenzorientierung zurückfällt? Am Beispiel des Fachs Geschichte zeigte sich, dass das Ganze erst auf Druck der Fachkollegen zurückgenommen wurde und Sie das jetzt überarbeiten müssen.
Meine Damen und Herren, vor allem die Unterrichtsversorgung muss verbessert werden. Wir müssen etwas gegen den Fachlehrermangel insbesondere im MINT-Bereich unternehmen.
Wenn man den Schulen nicht die Mittel zur Verfügung stellt, um etwaige Probleme zu beheben, dann hilft auch die schönste Evaluation nichts.
Der Schul-TÜV wurde von der Interessenvertretung der Lehrkräfte und vom Philologenverband kritisiert. Die Abschaffung von EVIT war die einzig richtige logische Konsequenz. EVIT heißt externe Evaluation im Team. Das bedeutet nichts anderes, als dass Lehrer A und Lehrer B sich gegenseitig überprüfen. Wie das Ergebnis aussieht, ist ja wohl klar.
Meine Damen und Herren, am freiwilligen SchulTÜV nehmen von knapp 800 Schulen in SchleswigHolstein nur sieben teil. Das kann man mit Sicherheit nicht als ein gelungenes Verfahren bezeichnen.
Wenn die Landesregierung mehr mit den Lehrern reden würde, dann wüsste sie vielleicht besser, wo der Schuh drückt. So ist es die Empfehlung der Lehrerverbände, den kostspieligen, arbeitsintensiven und völlig bürokratischen Schul-TÜV auf Eis zu legen. Außerdem sind die Schulen mit VERA und anderen externen Erhebungen sowie einer gut genutzten internen Evaluation gut versorgt.
Zum Beispiel wäre es interessant, die Entwicklung bei den unterschiedlichen bestehenden Lernstandserhebungen vorzustellen. Darauf verzichten Sie aber gern.
Weitere Probleme werden auch nicht angesprochen. Interessant ist zum Beispiel das, was weggelassen wird. Dies betrifft zum Beispiel die Lage im offenen und gebundenen Ganztagsbereich. Wie sieht es mit der Betreuungssituation aus? Brauchen wir qualitative Verbesserungen bei den Schulmensen? Ich bin mir sicher, dass es noch Handlungsbedarf gibt. Aber auch das wird nicht aufgegriffen, geschweige denn problematisiert.
Zum Unterrichtsausfall sagen Sie im Qualitätsbericht auch nichts. Nur ein neues Erhebungssystem einzuführen, reicht da nicht. Ich glaube, die Landesregierung hat kein Konzept, wie sie dem Unterrichtsausfall begegnen will.
So wird die Qualität in unserem System nicht behoben. Der vorliegende Bericht gibt keine Antworten, sondern lässt viele Fragen offen. Diese werden wir aber sicherlich noch im Bildungsausschuss stellen. Vielen Dank.
(Dr. Ralf Stegner [SPD]: Einsamer Höhe- punkt des Tages! - Dr. Heiner Garg [FDP]: Immerhin hatten Sie heute schon einen Hö- hepunkt! - Heiterkeit)
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich danke der Ministerin und ihrem Haus für den vorliegenden Bericht. Ich hatte ihn schon kritisch kommentiert. Ich tue das heute wieder.
Der Anspruchsvolle hätte sich eine deutliches Mehr an konkreten neuen und innovativen Handlungsoptionen gewünscht. Der Geduldige - und dazu zähle ich mich ausdrücklich, weil ich für viele bildungspolitische Grundideen dieser Regierung Sympathien habe - hätte sich mindestens eine Gedankenskizze gewünscht, die die Felder wenigstens an
spricht, die eine Qualitätsoffensive bitter nötig haben. Eine Ideensammlung, die echte qualitative Akzente setzt. Stattdessen verharrt der Bericht in altbekannten Zahlenkolonnen und Merkmalen, die nicht nur veraltet sind, sondern noch nicht einmal repräsentativ für alle Schulen sein können.
Ich möchte das an wenigen ausgewählten Beispielen deutlich machen. Wenn ein Bildungsbericht etwas zur Qualität sagt, muss er zwingend auch etwas zur Unterrichtsversorgung sagen. Wir haben den Bericht zur Unterrichtssituation bereits zur Kenntnis genommen. Ausdrücklich wird dort an verschiedenen Stellen deutlich, dass wir sehr große Unterschiede in der Versorgung haben. Immer wieder hören wir, dass Schulen, die einen großen Mangel zum Beispiel an Lehrerstunden beklagen und diesen in einen Zusammenhang mit der zu leistenden Aufgabe setzen, keinen repräsentativen Charakter haben. Man erklärt uns, dass es große regionale Unterschiede gibt. Dann muss ich zwingend auch ein weiteres Feld für die Qualitätssicherung annehmen.
Die Regierung macht es sich einfach. Sie schiebt die Verantwortung gern auf die Schulleitungen und lässt diese als Mangelverwalter allein.
Ohne eine gleichmäßige gute Versorgung wird es keine Fortschritte in der Qualitätsentwicklung geben. Dass darüber nichts gesagt wird, verwundert. Oder sind wir auf dem völlig falschen Pfad? Sollten wir nicht, wenn wir über Schulleiter sprechen, uns einmal über die Berufsbildung derselben unterhalten? Könnte es ein Qualitätsmerkmal sein, über das Anforderungsprofil zu sprechen und hier ganz neu anzusetzen? Dann würden die multiprofessionellen Teams in Schulen auch tatsächlich Sinn machen. Dann hätten die Schulassistenten nicht den faden Geschmack von Hilfsarbeitern, die zu niedrigem Lohn den Job von Lehrern machen müssen, wie wir es von den pädagogischen Hilfen kennen.
Diesen Schritt geht die Landesregierung aber nicht. Sie spricht weiter von statistischen Durchschnittswerten und druckt sie auf geduldiges Papier.
Ein anderes Feld. Von den Vor-Ort-Besuchen wissen wir, dass es auch in der Ausstattung große Unterschiede gibt. Während ein reicher Schulträger Systemadministratoren einstellt und somit die Lehrer von diesen Aufgaben entlastet werden, bleiben diese an anderen Schulen allein zuständig. Das Problemfeld heißt doch: gleichwertige Ausstattung.
Es reicht nicht, die Verantwortung dafür auf die Schulträger zu übertragen. Da muss man doch ganz konkret die Strukturfrage stellen und einen Prozess in Gang setzen, um sich damit zu beschäftigen. Wir haben doch weniger ein Kompetenz- als ein Ausstattungsproblem. Aber da geht keiner ran.
Solange wir keine vergleichbaren Verhältnisse haben, können wir auch nichts vergleichen oder gar bewerten.
Ich bleibe dabei: Schul-TÜV, egal ob freiwillig oder verbindlich, macht erst Sinn, wenn die Verhältnisse dies hergeben. Hier liegt die Verantwortung des Landes für die Unterrichtsqualität. Da will aber keiner ran.
Lehrerarbeitszeit. Das ist eine echte Möglichkeit zur Qualitätsentwicklung. Ich bin mir sicher, wenn wir hier neue und gute Akzente setzen würden, würden sich das Bild des Lehrers in diesem Land und seine Motivation und Fortbildungsbereitschaft deutlich erhöhen.
Ein anderes Feld: Chronotypen. Ich weiß, dass Frau Ernst das in Hamburg schon erfolglos versucht hat, aber nicht, weil es falsch ist, sondern weil es Mühe macht. Unser System ist träge.
Dieser Bericht zeigt, dass wir es zusammen in Bildungsfragen auch sind. Mir bleibt der Bericht viel zu sehr in der Vergangenheit hängen. 15 Jahre PISA, 12 Jahre Bildungsstandards. Der Blick in die Zukunft ist mir zu unscharf. Darum bleibe ich dabei: zu wenig Neues, zu wenig Mut für einen guten Bericht. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wer von Schulen als Teil eines Systems erwartet, dass sie sich fit machen für die Schüler der Gegenwart, der muss das auch vom ganzen System erwarten. - Vielen Dank.