Protokoll der Sitzung vom 10.03.2016

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Was ist das für eine Frechheit!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, in welchem Staat leben wir eigentlich, wo so etwas möglich ist? Das finde ich unglaublich. Ich sage Ihnen: Mit solchen Gesetzeslücken verspielen Sie das Vertrauen der Bürger in unsere Demokratie und in die Integrität ihrer Repräsentanten. Da brauchen Sie sich doch nicht zu wundern, wenn die Menschen nicht mehr zur Wahl gehen!

(Beifall PIRATEN - Wolfgang Kubicki [FDP]: Unglaublich!)

Herr Dr. Stegner, der es vorzieht, der Debatte nicht beizuwohnen, kündigte schon im Jahr 2014 einen Gesetzentwurf zur Einführung von Karenzzeiten an, der aber bis heute nicht vorgelegt worden ist. Sie kritisierten im letzten Jahr sogar die Bundesregelung zu Karenzzeiten als unzureichend, während aber hier in Schleswig-Holstein solche Drehtür

(Ministerin Monika Heinold)

wechsel in die Wirtschaft bis heute ohne jede Einschränkung zulässig sind.

Herr Dr. Stegner, indem Sie ohne Not eine Zustimmung auch von CDU und FDP zu der von Ihnen geplanten Regelung bekommen wollen, verhindern Sie doch in Wahrheit eine wirksame Regelung von vornherein, weil Sie genau wissen, dass diese beiden Fraktionen das kritisch sehen.

Ich sage ganz klar, meine sehr verehrten Damen und Herren von der Koalition: Es geht doch um Ihre Minister. Deswegen ist es auch Ihre Aufgabe als Koalition, ihnen Grenzen zu setzen beim Wechsel in die Wirtschaft. Einerseits scharfe Regeln zu fordern, sie hintenherum dann aber doch unmöglich zu machen, darauf wird die Öffentlichkeit nicht hereinfallen.

Herr Abgeordneter Dr. Breyer, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Harms?

Ich ziehe es dieses Mal vor, den Kollegen Lars Harms auf seine Redezeit zu verweisen, weil ich mich freuen würde, wenn unser Antrag auch von allen Kolleginnen und Kollegen debattiert würde.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, Schleswig-Holstein ist eben nicht nur bei der mangelnden Einführung von Karenzzeiten Schlusslicht. Wir sind auch Schlusslicht bei den völlig fehlenden Regelungen zur Offenlegung von Nebeneinkünften von Abgeordneten. Ferner gibt es bis heute keinen Schutz vor einem Abschreiben von Gesetzentwürfen, die Lobbyisten geschrieben haben.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, an dieser Stelle möchte ich ganz klar festhalten: Wir PIRATEN sind dafür da, die Politik zu modernisieren und die Demokratie, wo nötig, auch zu reparieren,

(Zurufe)

für Transparenz und für klare Regeln zu sorgen, um Korruption vorzubeugen und Lobbyismus zurückzudrängen.

Deswegen fordern wir heute, unseren Gesetzentwurf zur Einführung einer Karenzzeit für Minister nicht länger zu verschleppen, sondern heute hier abzustimmen, damit sich jeder Bürger in unserem Land sicher sein kann, dass sich ein Fall Breitner nie wiederholen kann.

(Beifall PIRATEN)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht jetzt der Abgeordnete Burkhard Peters.

(Zuruf)

- Vielleicht kann Herr Peters noch erklären, für wen genau er spricht.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich spreche für alle Fraktionen im Haus außer für die PIRATEN. Ich muss damit einführen, dass die Art und Weise, wie Sie versuchen, Herr Dr. Breyer, unser Land in eine Bananenrepublik umzufälschen, auch für mich als Grünen unerträglich ist.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD, FDP, SSW und vereinzelt CDU)

Das Gesetz über eine Karenzzeit, über das wir derzeit im Innen- und Rechtsausschuss beraten, ist ein richtiges und notwendiges Vorhaben. Die erste Beratung hat gezeigt, dass das im ganzen Haus so gesehen wird. Wir bestreiten jedoch, dass eine Dringlichkeit besteht, sodass wir sofort darüber entscheiden müssen. Deswegen werden wir Ihren Antrag heute ablehnen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD, FDP, SSW und vereinzelt CDU)

Die Argumente, die grundsätzlich für die Einführung einer Karenzzeit sprechen, liegen auf der Hand. Das Vertrauen in die Regierung und generell in die Politik wird jedes Mal in Mitleidenschaft gezogen, wenn Fälle bekannt werden, in denen Regierungsmitglieder unmittelbar nach dem Ausscheiden aus ihrem Amt in eine Position in der Wirtschaft wechseln, die eine Nähe zur vormaligen Tätigkeit im Regierungsamt aufweist.

Wir haben alle die Empörung erlebt in den Fällen von Daniel Bahr, Matthias Berninger und Ronald Pofalla und auch in dem Fall Andreas Breitner, den Sie zitiert haben. Ich bitte, wohlwollend zur Kenntnis zu nehmen, dass ich versucht habe, Beispiele aus allen wichtigen Parteien im Land aufzuführen.

(Dr. Ekkehard Klug [FDP]: Schröder! Fi- scher!)

Oft bleibt mindestens ein Geschmäckle - das ist unbestritten -, unabhängig davon, ob an den Vorwürfen der voreingenommenen Amtsführung im Hinblick auf spätere Karriereaussichten tatsächlich etwas dran ist. Denn natürlich erscheint es erst einmal folgerichtig, dass man in Jobs wechselt, die zu den

(Dr. Patrick Breyer)

persönlich gesammelten Erfahrungen und inhaltlichen Kompetenzen passen. Doch es nützt nichts. Bereits die Mutmaßungen, die dann im Raum stehen, beschädigen nachhaltig das Ansehen der gesamten Politik.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, deswegen ist unser Ziel, möglichst alle im Landtag vertretenen Fraktionen mit ins Boot zu holen und hinter einen gemeinsamen Gesetzentwurf zu bringen; denn eine Karenzzeitregelung betrifft gleichermaßen alle Parteien, deren Mitglieder Regierungsverantwortung tragen oder in Zukunft vielleicht einmal übernehmen. Liebe PIRATEN, wahrscheinlich gehört Ihre Partei allerdings nicht dazu.

(Beifall Dr. Marret Bohn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Lars Harms [SSW])

Ihr Ansatz, der mit der Attitüde auftritt, man habe in ganz besonderer Weise die politische Moral mit Löffeln gefressen und andere seien weniger tugendhaft, ist allerdings nicht hilfreich in dieser Debatte.

(Vereinzelter Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

Ich möchte daher noch einmal ausdrücklich betonen, dass die Fraktionen der CDU, der FDP und der PIRATEN herzlich eingeladen sind, in die konstruktiven Gespräche einzusteigen, die wir in den Koalitionsfraktionen schon seit einiger Zeit führen. Wir müssen eine Regelung finden, die möglichst alle Fraktionen vertreten können.

(Vereinzelter Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

Sie muss zum einen ein deutliches Signal nach außen setzen, aber sie muss auch gut handhabbar sein. Vor allem muss das Gesetz die Interessen aller Betroffenen in einen fairen Ausgleich bringen. Das ist im Detail ausgesprochen anspruchsvoll. Die Fraktionen von CDU und FDP haben diesbezüglich noch Klärungsbedarf angemeldet. Um der Sache willen wollen wir die Zeit dafür auch geben.

Meine Damen und Herren, wir Grüne setzen uns dafür ein, dass das Gesetz am Ende eine Lösung beinhaltet, die im Hinblick auf das Vertrauen und die Glaubwürdigkeit gegenüber der Öffentlichkeit rundum befriedigend ist. Vor allem ist uns wichtig, dass die Regelung in Schleswig-Holstein in dieser Hinsicht nicht hinter der Regelung der Großen Koalition auf Bundesebene zurücksteht.

Alle Fraktionen hinter ein Gesetzesvorhaben zu bringen, ist kein leichtes Unterfangen. So liegt der ursprüngliche Entwurf der Piratenfraktion in der

Tat schon einige Zeit im Ausschuss. Aber gut Ding will Weile haben. Das Vorhaben wurde schon 2014 vom Landtag in den Innen- und Rechtsausschuss überwiesen. Es ist nur eines von überaus vielen Gesetzen und Anträgen, die wir im Ausschuss Woche für Woche zu behandeln haben. Es ist ja nun weiß Gott nicht so, dass wir im Innen- und Rechtsausschuss nur herumsitzen und Tee trinken.

(Beifall Eka von Kalben [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Lars Harms [SSW])

Dass Sie die Überweisung nun rückgängig machen wollen, damit noch laufende Beratungen unterbrechen und eine sofortige erneute Befassung im Landtag erzwingen wollen, wird von uns scharf kritisiert. Dieses Vorgehen ist unparlamentarisch. Es ist destruktiv, und da machen wir nicht mit.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD, FDP, SSW und Klaus Jensen [CDU])

Der parlamentarische Betrieb, meine Damen und Herren, kann nicht immer so schnell sein, wie wir alle uns das wünschen. Politik besteht nicht darin, anderen seine Regeln aufzwingen zu wollen, sondern Politik besteht in wesentlichen Teilen darin, Kompromisse zu finden. - Vielen Dank.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU, SPD, FDP und SSW)

Für einen Dreiminutenbeitrag hat der Herr Abgeordnete Uli König das Wort.

Meine Damen und Herren, ich hatte eigentlich nicht vor, mich in dieser Debatte zu äußern.

(Unruhe)

Die Äußerungen des Kollegen Peters haben mich aber dazu bewogen, doch noch ein, zwei Worte dazu zu sagen.

Ich möchte Ihnen an dieser Stelle ganz klar sagen, dass niemand in meiner Fraktion ernsthaft auf die Idee kommen würde, dass Schleswig-Holstein eine Bananenrepublik ist.

(Zuruf SPD: Dann reden Sie doch nicht so!)

Wir leben hier in einem Rechtsstaat. Hier gelten Gesetze, und an die halten wir uns. Wenn wir der Meinung sind, dass diese Gesetze nicht so sind, wie sie sein sollten, dann sind wir hier in diesem Hohen Haus, um darüber zu diskutieren, wie man sie än