Protokoll der Sitzung vom 08.06.2016

(Beifall CDU und FDP)

Weil Sie gerade ähnlich schlechtgelaunt gucken, wie Sie bei der Rede des Ministerpräsidenten geguckt haben, will ich Ihnen das auch mit Beispielen unterlegen.

(Heiterkeit Dr. Heiner Garg [FDP] - Zurufe SPD)

Gucken Sie sich doch an, worüber wir hier reden: Gesetzentwurf der FDP zum Prüfrecht des Landesrechnungshofs für die Eingliederungshilfe. - Plötzlich setzt es die Regierung um. Die CDU-Fraktion fordert seit Ewigkeiten eine Verbesserung des Betreuungsschlüssels in Kitas. - Wird jetzt umgesetzt.

(Lachen Lars Harms [SSW] - Zurufe SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Innenminister Studt stellt gestern das seit Monaten geforderte CDU-Konzept

(Martin Habersaat [SPD]: Sommerferien! - Weitere Zurufe SPD)

zu Rückführungen vor. Das haben Sie übrigens hier im Schleswig-Holsteinischen Landtag immer wieder massiv kritisiert, als wir das gefordert haben. Der Innenminister macht das CDU-Konzept jetzt plötzlich zu seinem.

(Zurufe SPD)

Gleiches Thema: Befeuerung von Windkraftanlagen. Da wir heute über das Thema Energiepolitik reden: Abstandsflächen sind von CDU und FDP gefordert worden. Jetzt plötzlich tun Sie so, als sei das Ihre Idee gewesen. Sie können heute nicht einmal erklären, wie Sie das überhaupt umsetzen wollen, Herr Ministerpräsident.

(Beifall CDU und FDP - Zurufe SPD)

Ich finde, wenn Sie schon nur unsere Ideen umsetzen, dann wäre es auch fairer, wenn Sie das nicht mit Ihrem Hamburger Kabinett machten, sondern wenn Sie es dem nächsten schleswig-holsteinischen Kabinett übertragen würden, unsere Ideen entsprechend umzusetzen.

(Daniel Günther)

(Beifall CDU - Zuruf SPD: Hallo! - Weitere Zurufe SPD - Christopher Vogt [FDP]: Das finde ich jetzt fremdenfeindlich!)

Aber nun haben Sie sich auf das Thema Energiepolitik festgelegt. Das ist in der Tat ein wichtiges Thema. Wie das immer bei wichtigen Themen in Schleswig-Holstein ist, kann man sich sicher sein: Bei wichtigen Themen hat diese Landesregierung keine gemeinsame Linie, ob das in der Flüchtlingspolitik ist, ob das in der Energiepolitik ist; bei all diesen Fragen gibt es keine klare Linie, sondern immer nur Widersprüche, Streit und unterschiedliche Auffassungen. Von daher hatten wir uns eigentlich mehr erhofft, wenn Sie zum Thema Energiepolitik sprechen, Herr Ministerpräsident, nachdem wir ja monatelang von Ihnen überhaupt nichts gehört haben. Ich darf einmal in Erinnerung rufen: Wir als CDU haben damals das Gesetz mitbeschlossen. Das war keine Selbstverständlichkeit. Dann hieß es: Die Opposition wird selbstverständlich in die weitere Umsetzung eingebunden! Da hat die FDP schon damals zu uns gesagt: Glaubt das doch nicht, dass sie das machen.

Der gesamte Dialog ist völlig zum Erliegen gekommen, Herr Ministerpräsident. Sie haben sich über Monate hinweg überhaupt nicht um dieses Thema gekümmert und einen anderen in Ihrer Regierung dazu sprechen lassen. Auch aus diesem Grund ist diese Regierungserklärung für mich eine einzige Enttäuschung. Sie haben keinen der von der Regierung öffentlich angesprochenen Punkte klargestellt. Sie haben nicht klargestellt, wofür diese Landesregierung überhaupt steht. Zumindest den Anspruch haben wir gemeinsam gehabt.

Das Einzige, bei dem Sie in Ihrer Rede überhaupt konkret geworden sind, ist das, was Sie uns von den Ergebnissen auf Bundesebene erzählt haben. Das ist das einzig Konkrete. Dazu, was danach im Land Schleswig-Holstein an Umsetzung erfolgt, sind Sie jegliche Erklärung schuldig geblieben, Herr Ministerpräsident.

In der letzten Landtagstagung haben wir von der Regierung zum CDU-Antrag zur Erhöhung der Abstandsflächen noch reflexartig gehört, wir seien die Verhinderer der Energiewende.

(Beifall Eka von Kalben [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Wörtlich wurde in der letzten Tagung gesagt:

„Der Antrag der CDU, wie er heute vorliegt, bringt den Windausbau in Schleswig-Holstein vollständig zum Erliegen. Das ist ein

Nullausbau, das ist faktisch ein Verbot von weiteren Windkraftanlagen, das Sie hier beantragen.“

(Eka von Kalben [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Genau! - Beifall Eka von Kalben [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Lars Harms [SSW])

Drei Wochen später erklärt derselbe Minister, der in der Landtagstagung dazu gesprochen hat, plötzlich: Wir wollen die Abstandsflächen zu den Windkraftanlagen auch erhöhen. Das begründet er nicht so, wie wir, die „bösen Atomlobbyisten“, das begründet haben; nein, wenn es von dieser Regierung gefordert wird, ist es natürlich Politik mit Augenmaß und dass die Bürgerinnen und Bürger mitgenommen werden sollen. Der gleiche Fakt, den wir beantragt haben! Wie unglaubwürdig ist das bitte, meine sehr geehrten Damen und Herren?

(Beifall CDU und FDP)

Dem Fass den Boden ausgeschlagen hat, dass der Minister, der jetzt auf die Bürgerinnen und Bürger zugeht,

(Lars Winter [SPD]: Neidisch?)

in einem großen Pressegespräch und einem Riesenartikel ein Verschieben der Energiewende auf 2030 ankündigt. Das hätte sich einmal ein CDUPolitiker in Schleswig-Holstein trauen sollen! Wie wären Sie über ihn hergefallen!

(Beifall CDU)

Auf Bundesebene, wo vielleicht ein bisschen mit Augenmaß beim Netzausbau geguckt wird, sind es natürlich wieder - der Kollege Matthiessen schreibt gleich für seinen Dreiminutenbeitrag mit - die „dunklen Gestalten des Atomlobbyismus“, die sozusagen das Handwerk gemacht haben. Ich frage mich wirklich: Wer soll diese gegensätzlichen Positionen hier in Schleswig-Holstein erst nehmen? Herr Ministerpräsident, genau deswegen hätte ich von Ihnen heute erwartet, dass Sie das einmal richtigstellen. Wollen Sie wirklich dieses SchwarzWeiß-Denken ohne eine inhaltliche Substanz, oder wollen Sie sich ernsthaft darüber auseinandersetzen, wie wir in Schleswig-Holstein die Energiepolitik vernünftig umsetzen wollen?

(Beifall CDU und FDP - Lars Harms [SSW]: Ohne Schwarz!)

Die Hälfte Ihrer Rede haben Sie mit den Ergebnissen des Gipfels verbracht.

(Daniel Günther)

(Birgit Herdejürgen [SPD]. Sie haben die Hälfte Ihrer Rede verbracht mit - -!)

Das war für uns alle nichts Neues. Das, was Sie dazu gesagt haben, haben wir der Zeitung entnehmen können. Bei einigen Bewertungen sind wir uns durchaus einig. So ist beispielsweise die Novellierung des EEG wichtig gewesen. Darin sind Bestandteile, die Sie wie wir beklagen. Darin hätten wir uns noch mehr Schleswig-Holstein-Politik gewünscht. Das ist bei Kompromissen so, die man schließt.

Bei den Ausbauzielen haben wir es ein Stück weit selbst in der Hand, was wir schaffen, denn der Deckel wird gekippt, wenn wir beim Netzausbau entsprechend schneller werden. Ich kann akzeptieren, dass Sie auf die Südländer und andere, die nicht schnell genug sind, schimpfen. Ich frage mich aber immer, warum Sie aus parteipolitischen Gründen immer nur die unionsgeführten Länder nennen und dabei vergessen, dass es insbesondere in Niedersachsen, bei Ihren rot-grünen Parteifreunden, beim Netzausbau erheblich hapert. Da würde ich mir im Sinne einer norddeutschen Zusammenarbeit - Sie sitzen immer zusammen - schon einmal wünschen, dass Sie Ihre Parteifreunde einmal ordentlich auf Trapp bringen. Das würde Schleswig-Holstein auch ein Stück weit helfen.

(Beifall CDU und FDP - Zuruf Peter Eich- städt [SPD])

- Herr Kollege Eichstädt, Sie haben nachher noch Gelegenheit, uns zu erklären, was der Herr Ministerpräsident zu den eigentlich konkret umzusetzenden Fragen vorhin gesagt hat. Ich habe das, ehrlich gesagt, wirklich nicht verstanden.

Kollege Kumbartzky hat zum Thema, was an Ausbau in Schleswig-Holstein möglich ist, vieles gesagt. In der letzten Landtagstagung wurde uns vorgehalten, es sei kein Ausbau von Windkraft mehr möglich. 0,3 % mögliche Ausbaufläche wurden von Herrn Habeck behauptet. Danach wurden etliche Gespräche geführt. Die Grünen waren auch ein bisschen irritiert und fragten, wo die Zahl eigentlich herkommt. Es gab Gespräche mit der Landesregierung. Die Zahl konnte bis heute nicht begründet werden.

(Oliver Kumbartzky [FDP]: Genau!)

Dieses Totschlagargument, das die Landesregierung hier im Plenum gesagt hat, kann bis heute nicht belegt werden. Ich finde es einen absoluten Skandal, Herr Minister Habeck, dass Sie hier im

Schleswig-Holsteinischen Landtag solche Unwahrheiten erzählen.

(Beifall CDU und FDP)

Bisher war es nur eine Behauptung. Heute hat der Ministerpräsident den Beweis angetreten. Gestern sagt der Kollege Harms in der Talkrunde noch, es bedeute 0,8 %. Heute sagt der Ministerpräsident, es seien 1,1 %. Werden diese Vorwürfe an die CDU in Ihren Ministerien ausgewürfelt? Es kann doch nicht angehen, dass solche Zahlen hier herumgeistern und wir keine ernsthafte, seriöse Debatte darüber führen können, weil Sie nicht in der Lage sind, diese Zahl einigermaßen vernünftig zu berechnen. Herr Ministerpräsident, vielleicht wollen Sie es aber auch nicht, um sich über dieser Debatte nicht stellen zu müssen.

Das Einzige, was Sie sagen, ist - das bestreite ich auch nicht -: Wenn man die Abstände von Windkraftanlagen zu den Menschen erhöhen will, bedeutet das, dass es auf Kosten anderer Schutzziele geht. Diese Erkenntnis ist doch nicht neu. Wenn Sie daraus ableiten, dass die Abstände zu den Menschen nicht erhöht werden dürfen, weil Sie andere Schutzziele nicht absenken wollen, sagen Sie damit automatisch, dass Ihnen alles andere wichtiger ist als die Menschen in Schleswig-Holstein. Den Weg halten wir für falsch, Herr Ministerpräsident.

(Beifall CDU und FDP)

Was ich wirklich für eine grobe Täuschung der Öffentlichkeit halte, ist, dass Sie im Manuskript und in der Rede eine offene Debatte über harte und weiche Kriterien anregen und sagen, wir müssten das gemeinsam austarieren. Am 30. April 2016 hat das Kabinett doch darüber entschieden. Am 17. Mai ist ein Erlass in Kraft getreten, in dem die Kriterien alle schon durchdekliniert worden sind. Das ist schon Gesetzeslage. Das ist schon Regierungspolitik der Landesregierung. Gaukeln Sie den Menschen doch nicht vor, dass Sie irgendwo offen seien. Sie haben Ihre Entscheidung schon vor einem Monat getroffen. Warum stehen Sie denn nicht dazu, wenn wir hier im Schleswig-Holsteinischen Landtag darüber sprechen?

(Beifall CDU und FDP)

Ich finde Ihren demokratischen Führungsstil im Kabinett, dass jeder seine Auffassung in der Öffentlichkeit vertreten darf, auch wenn sie noch so abweichend ist, durchaus modern, aber ich hätte mir schon einmal gewünscht zu erfahren, was das eigentlich bedeutet, was Frau Nestle gesagt hat. Wir diskutieren hier ein Jahr lang darüber, dass es für

(Daniel Günther)

uns alle wünschenswert wäre, wenn die Kommunen ein Mitspracherecht bei den Abstandsregelungen und beim Ausbau der Windkraft hätten. Ihre Juristen sagen in allen Gesprächen, die wir geführt haben, das sei rechtlich überhaupt nicht möglich. Frau Nestle sagt eine Woche vor dieser Landtagstagung: Wir als Landesregierung werden ein Mitspracherecht der Kommunen einführen. - Der Ministerpräsident sagt eine Woche später kein einziges Wort dazu. Was ist jetzt Ihre Auffassung dazu? Wollen Sie das Mitspracherecht der Kommunen durchsetzen, oder wollen Sie es nicht? Darauf hätten Sie hier doch eine Antwort geben müssen, Herr Ministerpräsident.