Protokoll der Sitzung vom 09.06.2016

Übrigens, Frau von Kalben: „Hate crimes“ gibt es inzwischen sogar bei uns in Deutschland. Es ist in manchen Kreisen offensichtlich modern, derartige Posts zu verschicken - übrigens auch an mich -, dass man Leute wie mich aufhängen oder aufschlitzen wolle.

Herr Abgeordneter, ich frage Sie, ob Sie eine Bemerkung des Abgeordneten Peters zulassen.

Normalerweise gern, das wissen Sie, aber an dieser Stelle würde ich den Gedanken gern zu Ende bringen.

Die Behauptung, die hier gefallen ist, man müsse Homosexualität als Asylgrund beweisen, ist auch falsch. Der Europäische Gerichtshof hat 2014 unmissverständlich festgestellt, dass Tests oder Beweise der Homosexualität unzulässig sind. Was man sehr wohl zulassen kann, Frau von Kalben, sind Fragen zur sexuellen Orientierung.

(Zuruf Eka von Kalben [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

- Es stimmt, das hat der Kollege Schmidt behauptet.

Fragen in einem Asylverfahren sind generell zulässig, aber Tests und Beweise im Hinblick auf die eigene sexuelle Orientierung sind unzulässig.

Insofern noch einmal: Ich akzeptiere, dass es unterschiedliche Auffassungen in dieser Frage gibt, auch Unterschiede, ob man hier als Parlamentsfraktion im Landtag sitzt oder sich im Deutschen Bundestag dazu zu verhalten hat.

Ich akzeptiere aber nicht, dass hier der Eindruck entsteht, dass der individuelle Anspruch auf Asyl ausgehöhlt oder auch nur angetastet würde. Das ist

(Dr. Ekkehard Klug)

nämlich definitiv nicht der Fall. Ich finde, wir sollten uns gerade bei einem so sensiblen Thema so etwas nicht wechselseitig vorwerfen. - Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall FDP und CDU - Eka von Kalben [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber was ändert sich denn dann?)

Vielen Dank. - Als Nächstes darf ich dem Abgeordneten Wolfgang Kubicki von der FDP-Fraktion das Wort erteilen.

(Zurufe)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Frau Kollegin Midyatli, ich finde es wirklich bedauerlich, dass Sie diese Debatte dazu nutzen wollen, den bisher hier geltenden sehr übergreifenden Konsens in der Flüchtlingspolitik aufzukündigen, der sich abhebt von dem, was wir in anderen Ländern erleben. Ich erlebe das bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN oft, wir reden ja heute noch weiter.

Wir unterbreiten einen Verfahrensvorschlag, den wir für sinnvoll halten. Über diesen Vorschlag kann man streiten. Der Abgeordnete Dr. Klug hat darauf hingewiesen, dass dieser Vorschlag von den Abgeordneten der SPD im Deutschen Bundestag nicht nur als sinnvolle Maßnahme vehement verteidigt worden ist, sondern auch durch Stimmabgabe unterstützt worden ist. Wenn Sie diese Debatte jetzt dazu nutzen zu erklären, die FDP habe ihre Position geändert, dann finde ich das bedauerlich.

Wir haben in der letzten Tagung aufgrund eines Antrags der FDP-Fraktion gemeinsam beschlossen, wie wir in der Flüchtlingspolitik vorgehen wollen. Wir haben dabei bekräftigt, dass es dringend notwendig ist, die Flüchtlingspolitik von der Zuwanderungspolitik zu trennen, und dass wir dringend ein Zuwanderungsgesetz brauchen. Bei fast jeder Tagung erklären wir das. Unsere Haltung hat sich da nicht geändert.

Jetzt kommen Sie und sagen: 2014 gab es einen FDP-Antrag, in dem wir das miteinander verbunden haben. Ja selbstverständlich! Aber in den letzten vier Wochen hat sich unsere Haltung dazu nicht geändert. Selbstverständlich brauchen wir dringend ein Zuwanderungsgesetz, weil ansonsten die Menschen, die zu uns kommen wollen, keine legale Zu

gangsmöglichkeit außerhalb des Asylverfahrens haben. Darüber streiten wir doch gar nicht.

Jetzt stellen wir fest, dass nur 0,7 % der Menschen aus diesen Staaten eine Anerkennung erfahren, was dazu führt, dass es zu einer widerleglichen Vermutung wird, dass sie keine Bleibeberechtigung haben, wenn man diese Länder als sichere Herkunftsländer einstuft. Dass wir jetzt diesen Antrag unterstützen, ist der Tatsache geschuldet, dass es numerisch bereits dokumentiert ist.

Selbstverständlich haben wir - das heißt: hat momentan Deutschland - ausreichende Erfahrungen damit. Es ändert aber überhaupt nichts am individuellen Grundrechtsschutz auf Asyl. Überhaupt nichts!

Das Entscheidende ist: Das Verfahren wird deutlich schneller. Wir müssen doch ein Interesse daran haben, dass bei denen, von denen wir wissen, dass sie überwiegend gar keinen Aufenthaltsstatus bekommen würden, die Verfahren schneller abgewickelt werden, damit wir uns mit denen intensiver beschäftigen können, die seit 16 Monaten darauf warten, dass ihr Fall bearbeitet wird. Auch darüber haben wir uns doch unterhalten. Das ist nicht nur eine Frage der Ausstattung, sondern es ist eine Frage der Erfahrungen, die wir seit mehr als einem Jahr mit Zuströmen aus bestimmten Ländern haben.

Wir müssen doch ein gemeinsames Interesse haben. Da wird jetzt denunziert: Man nähere sich der AfD an oder man übernehme NPD-Parolen. Wenn wir aber diesen rationalen Diskurs hier im Parlament nicht mehr miteinander führen können, machen wir die Kräfte stark, die wir bekämpfen wollen. Es ist unsere Aufgabe, denen entgegenzutreten

(Beifall FDP und CDU)

und nicht mit einer nachvollziehbaren eigenen moralischen Überhöhung dann so zu tun, als seien diejenigen, die rational versuchen, die Sache in den Griff zu bekommen, eigentlich menschenverachtende Parlamentarier, die man in ihre Schranken weisen müsse.

Ich sage es hier ausdrücklich: Ich erwarte vom stellvertretenden Bundesvorsitzenden der SPD, Ralf Stegner, eine Erklärung dazu, wie er sich persönlich dazu verhält.

(Zuruf Dr. Ralf Stegner [SPD])

Herr Kollege Dr. Stegner, Sie sind eine Führungsfigur in Ihrer Partei. Ich erwarte, dass Sie heute unabhängig davon, was der Minister macht, einmal dem Parlament und der Öffentlichkeit erklären, wie sich

(Dr. Heiner Garg)

der sechste stellvertretende Bundesvorsitzende der SPD dazu stellt, dass seine eigene Fraktion im Bundestag dem zugestimmt hat, und dazu, dass hier aus den Reihen der SPD-Landtagsfraktion, deren Vorsitzender er ist, das genaue Gegenteil, nämlich es sei menschenverachtende Politik, behauptet wird. Das sind Sie sich selbst und der Öffentlichkeit in Schleswig-Holstein und in Deutschland schuldig. Herzlichen Dank.

(Lebhafter Beifall FDP und CDU)

Nun hat das Wort der Abgeordnete Rasmus Andresen, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich habe mich gemeldet, um Ihnen noch einmal deutlich zu machen, was für uns Grüne besonders wichtig ist. Man kann schon darauf hinweisen, wie es die Kollegin von Kalben heute Morgen in der Debatte getan hat, dass Menschenrechtsarbeit eben nicht an der Haustür aufhören darf, sondern wir uns auch die Menschenrechtslage in den betroffenen Staaten angucken müssen.

Man kann feststellen, dass beispielsweise in Marokko zurzeit zwei Männern die Haftstrafe droht, weil sie sich vor einer Moschee geküsst haben. Man kann feststellen, dass im Dezember in Tunesien sechs Homosexuelle zu drei Jahren Haft verurteilt wurden - nur wegen ihrer Sexualität. In Algerien werden Organisationen, die sich für die Menschenrechtsarbeit im Bereich der Schwulen, Lesben, Transgender und Intersexuellen einsetzen, verboten.

(Zuruf Wolfgang Kubicki [FDP])

- Auf Sie wollte ich eigentlich gar nicht eingehen, denn Sie beschäftigen sich lieber mit der Frage, welchen Posten Ralf Stegner in Berlin hat, als mit der Frage, wie internationale Menschenrechtspolitik definiert werden soll. Dazu habe ich eigentlich keine Lust.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Schaut man sich die Sachen einmal genau an und sieht man, dass es in diesen Ländern massive Diskriminierung staatlicherseits gegenüber unterschiedlichen Gruppen gibt, aber gerade auch gegen Schwule und Lesben, muss man sich schon die Fra

ge stellen, was für ein Signal wir mit einem solchen Beschluss aussenden und welches Signal wir an die Regierungen in diesen Ländern aussenden, wenn wir sagen: Ihr seid jetzt sichere Herkunftsstaaten, wir haben mit eurer Politik kein Problem.

Das wird massiv kritisiert. Das wird nicht nur von Menschenrechtsgruppen in Deutschland kritisiert. Das wird auch massiv von Menschenrechtsorganisationen in diesen Ländern kritisiert. Die tunesische Menschenrechtsorganisation „Mawjoudin We exist“ spricht beispielsweise davon, dass die Einstufung Tunesiens als sicherer Herkunftsstaat ein billiger Abschreckungseffekt ist und bei den LGBTMenschen in der Region die Wirkung hat, dass sie hier kein Asyl mehr suchen. Die marokkanischen Organisation ASWAT spricht von unmenschlicher Diskriminierung. Vielleicht sollten wir diese Stimmen in der Debatte auch einmal hören. Vielleicht sollten wir uns mehr Gedanken darüber machen, wie wir Menschenrechtsarbeit positiv machen können. Losgelöst Staaten zu sicheren Herkunftsstaaten zu erklären, ist eben kein Konzept.

Es gibt im Deutschen Bundestag eine Anfrage von dem Grünen-Abgeordneten Kai Gehring. Er hat die Bundesregierung vor einigen Wochen gefragt, was sie, abgesehen von der Debatte über die sicheren Herkunftsstaaten, eigentlich tut, um Menschenrechte in diesen Ländern zu stärken. Das Ergebnis war mehr oder weniger: Die Heinrich-Böll-Stiftung hat ein paar Projekte, die kooperieren im menschenrechtlichen Bereich.

(Zuruf Dr. Ekkehard Klug [FDP])

Das freut mich als Grüner sehr, dass die HeinrichBöll-Stiftung das macht. Aber für eine Bundesregierung ist es peinlich. Es ist wichtig für die Organisationen, die sich in diesen Ländern für Menschenrechte einsetzen, dass wir diese Sachen ablehnen.

Ich habe inzwischen in der Zeitung lesen können, dass es im Bundesrat wahrscheinlich dank uns Grünen keine Mehrheit dafür geben wird. Darüber bin ich sehr glücklich. - Vielen Dank.

(Vereinzelter Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Zu einem weiteren Kurzbeitrag hat jetzt die Kollegin Astrid Damerow von der CDU-Fraktion das Wort.

(Wolfgang Kubicki)

Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Wenn ich mich richtig erinnere, Herr Ministerpräsident, war das Thema sichere Herkunftsstaaten, Maghreb-Staaten, Thema in den Verhandlungen zum Asylpaket II. Das Asylpaket II haben Sie durchaus akzeptiert. Jetzt, wo man nach A vielleicht auch einmal B sagen sollte, kneift Ihre Landesregierung, und zwar allein deshalb, weil Sie einen innerkoalitionären Streit haben. Sonst hätten Sie im Vorfeld nicht verkündet, Sie könnten sich vorstellen zuzustimmen, und Sie müssten jetzt nicht zurückrudern.

(Birgit Herdejürgen [SPD]: Das bedeutet, dass sich die Regierung enthält!)

Was es bedeutet, ein Land zu einem sicheren Herkunftsstaat zu erklären, und was es für die Asylsuchenden bedeutet, um trotz allem ein Aufenthaltsrecht hier zu bekommen, ist schon hinlänglich erklärt worden. Darauf will ich gar nicht mehr eingehen. Allerdings will ich schon noch einmal deutlich machen - der Kollege Kubicki hat es eben schon gesagt -: Wir diskutieren hier über Asylrechte, wir diskutieren über Flüchtlingspolitik, wir diskutieren nicht über gesteuerte Zuwanderung. Diese Dinge müssen stets getrennt bleiben. Auch das haben wir hier schon mehrfach betont.

Frau Midyatli, ich will auf Ihren Redebeitrag eingehen. Sie haben die Abschiebung und die Zentralisierung der Abschiebung angesprochen. Jetzt so zu tun, als mache der Minister nur etwas, was es schon lange gibt, ist wohl ein Treppenwitz. Es ist mitnichten so. Sie verfahren hier so, wie Sie in der Vergangenheit bei ganz vielen Themen verfahren sind: Wir fordern etwas, Sie beschimpfen uns, Sie lehnen es mit Ekel und Abscheu ab, nur um es dann einige Monate später genau so umzusetzen.