Protokoll der Sitzung vom 10.06.2016

Das können Sie über den Preis machen, das können Sie auch über Belegungsrechte der Stadt machen. Dann müssen Sie die im Zweifel kaufen. Oder Sie müssen es möglich machen, dass beispielsweise höher gebaut werden kann, wenn sich der Bauherr verpflichtet, einen Teil des Wohnraums, der zusätzlich entsteht, für Menschen zur Verfügung zu stellen, die sich eine Miete, die normalerweise genommen werden müsste, nicht leisten können. Auch das ist regulativ machbar.

Aber Sie dürfen nicht die Illusion erwecken, dass jeder die Möglichkeit erhält - durch staatliche Zuteilung oder wie auch immer -, Wohnraum in einer Gegend zu nehmen, in der der Wohnraum extrem knapp ist.

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenbemerkung des Herrn Abgeordneten Dr. Tietze?

Selbstverständlich.

Bitte schön.

(Lars Harms)

Vielen Dank, Herr Kollege Kubicki. Ich fühle mich von Ihrem Beispiel Wowereit und Berlin angesprochen. Sind Sie der Auffassung, dass es auch für einen Sylter das Recht gibt, auf Sylt zu wohnen?

(Unruhe)

Ja, es gibt selbstverständlich für jeden Menschen das Recht, da zu wohnen, wo er gern möchte. In Deutschland gilt das Recht, dass jeder eine Wohnung nehmen kann, wo er sie nehmen möchte, nicht nur auf Sylt.

(Unruhe)

Selbstverständlich gäbe es sehr viele Möglichkeiten, auch auf Sylt Wohnraum zu schaffen, wenn man es denn wollte. Beispielsweise hat für die Kommunen vor Ort die Möglichkeit bestanden, Liegenschaften der Bundeswehr zu übernehmen und dort Wohnraum zu einem bezahlbaren Preis zu errichten. Darauf hat die Gemeinde- oder Stadtvertretung offensichtlich verzichtet. Dafür gibt es möglicherweise einen Grund. Aber Sie können doch nicht das, was die Gemeindevertreter dort versäumt haben, auf den Schultern privater Investoren abladen.

Gestatten Sie eine Zusatzbemerkung?

Herr Kollege Kubicki, das ist eher eine Bemerkung. Ihr Beispiel ist marktwirtschaftlich gedacht. Der private Vermieter hat auf der Insel Sylt überhaupt kein Interesse, seinen Wohnraum einem normalen Mieter zur Verfügung zu stellen, weil er ein Vielfaches an Geld mit der Vermietung von Appartements an Gäste verdient. Ihr Beispiel zu Ende gedacht, freie Marktwirtschaft, Marktliberalität, würde bedeuten, dass es auf Sylt irgendwann keine Möglichkeit mehr gäbe zu wohnen. Also muss es doch eine irgendwie geartete staatliche Eingriffsmöglichkeit geben - hier ist die Mietpreisbremse angesprochen -, damit es Wohnungen gibt, in denen normale Menschen auf dieser Insel wohnen, Postboten, Krankenschwestern, unter ande

rem auch meine Familie. Es muss für die Sylter Familien bezahlbare Wohnungen geben.

(Zurufe Christopher Vogt [FDP])

- Herr Tietze, sind Sie auf der Insel Sylt auch politisch tätig, oder wohnen Sie da nur? Ich habe Sie darauf hingewiesen, dass es die Möglichkeit gegeben hätte, für die städtischen Einrichtungen Flächen zu erwerben, auf denen entsprechende Mietwohnungen hätten errichtet werden können. Darauf ist verzichtet worden. Fragen Sie doch einmal Ihre Finanzministerin, was mit den Landesliegenschaften geschehen ist, die dort vorhanden waren, ob die denn dafür bereitgestellt worden sind, preiswerten Wohnraum zu errichten, oder ob die meistbietend verkauft worden sind. - Also, wenn Sie sich hier schon hinstellen, dann wäre ich an Ihrer Stelle mal ganz vorsichtig und würde fragen, was eigentlich das Land macht mit einer Regierung, der Sie als sie tragende Fraktion auch zur Verfügung stehen.

(Christopher Vogt [FDP]: Die haben die Mietpreisbremse eingeführt! Das bringt na- türlich ganz viel! - Zuruf Dr. Andreas Tietze [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Das Land hat zunächst einmal Landesliegenschaften dort lukrativ -

Sie können nicht so eine freie Diskussion führen, Sie müssten schon sagen, dass Sie noch einmal eine Frage haben. - Bitte, jetzt dürfen Sie.

Also, ich will noch einmal deutlich machen, dass gerade diese Landesregierung bei Landesliegenschaften, bei Wohnungen für Lehrerinnen und Lehrer jetzt dieses Paket in das kommunale Wohnungsbaupaket hineinnimmt. Nun darf ich daran erinnern, dass wir jetzt 1.000 Wohnungen auf der Insel bauen - übrigens ökologisch, sozial und barrierefrei -, um Menschen auf die Insel zu ziehen. Das ist neu, dass die Landesregierung zum ersten Mal in diesem kommunalen Wohnungsbestand - über die kommunale Liegenschaftsmanagementgesellschaft Wohnraum anbietet. Das haben vorherige Landesregierungen, übrigens auch eine Landesregierung, an der Sie als FDP beteiligt waren, nicht getan.

(Vizepräsident Bernd Heinemann)

Herr Tietze, ich nehme das alles gern zur Kenntnis, was Sie mir sagen. Ich kann nur darauf hinweisen, dass jedenfalls das Land Schleswig-Holstein auch unter dieser Regierung Wohngebäude - also Gebäude - in Westerland beispielsweise für Landesbedienstete, die nicht mehr notwendig waren, für Polizeibeamte beispielsweise, höchstpreisbietend verkauft hat, ohne sie als preiswerten Wohnraum zur Verfügung zu stellen.

(Christopher Vogt [FDP]: Skandalös! - Wei- tere Zurufe)

- Nein, nicht in unserer Regierungszeit, in Ihrer Regierungszeit! Aber darüber will ich mich auch gar nicht streiten. Wir sind doch einer Meinung. Wenn es uns denn gelingt, mehr Angebot zu schaffen und mehr Bauland zur Verfügung zu stellen, wenn wir die Städte Lübeck und Kiel veranlassen können, auch eine Hinterlandbebauung wirklich zu ermöglichen und nicht zu verhindern, dann werden wir das Problem eher in den Griff bekommen als mit einer Mietpreisbremse, die ausschließlich dazu dient, dass solvente Mieter geringere Mieten bezahlen müssen, als sie bezahlen könnten. So einfach ist Latein. Wenn wir da auf der gleichen Ebene liegen, dann hat ja die Diskussion schon einiges gebracht.

Vielleicht wird der Kollege Stegner noch einmal sagen, warum Herr Wowereit mit seiner Behauptung Unrecht hatte.

Aber zum Verteilsystem: Sie müssen erklären, warum Sie bei 30 Leuten einem die Wohnung zuteilen wollen, den anderen eben nicht, es sei denn, Sie machen das über den Preis. Mit der Mietpreisbremse schaffen Sie jedenfalls nicht einen einzigen Quadratmeter mehr Wohnraum. - Herzlichen Dank.

(Beifall FDP und vereinzelt CDU)

Weitere Wortmeldungen aus dem Parlament liegen nicht vor. Dann hat jetzt die Landesregierung das Wort. Das Wort hat der Innenminister Stefan Studt.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Seit dem 1. Juni 2015 besteht für die Länder die Möglichkeit, eine Mietpreisbremse umzusetzen. Die Landesregierung hat selbstverständlich den entsprechenden Landtagsbeschluss umgesetzt:

Seit dem 1. Dezember 2015 ist die entsprechende Verordnung hier bei uns im Lande in Kraft.

Wenn die FDP-Fraktion nun mit dem vorliegenden Antrag die Abschaffung der Mietpreisbremse fordert, so kann ich an der Stelle nur sagen, dass ich dazu momentan keinerlei Veranlassung sehe. Es ist schlicht zu früh, um über die Wirksamkeit des Instrumentes zu befinden. Nach lediglich etwas mehr als einem halben Jahr seit der Einführung kann es für diese Situation in Schleswig-Holstein noch keine statistischen Erkenntnisse geben. Und auch wenn die kürzlich vorgelegte DIW-Studie darauf hindeutet, dass die Mietpreisbremse keine oder nicht die gewünschte Wirkung in vollem Umfang entfaltet, so bin ich der Meinung, dass wir diese Ergebnisse natürlich ernst nehmen müssen, dass wir die Situation betrachten müssen, aber aus einer ersten Studie auch keine vorschnellen Schlüsse ziehen sollten.

(Beifall SSW, vereinzelt SPD und Beifall Detlef Matthiessen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

In der Tat ist es jetzt an der Zeit, dass die Möglichkeiten, die die Mietpreisbremse bietet, auch durchgesetzt werden können. Dazu müssen die Mieter sicherlich noch intensiver über ihre Rechte aufgeklärt und auch darin unterstützt werden, diese Rechte auch durchsetzen und geltend machen zu können.

Meine Damen und Herren, ich möchte hier auch nicht den Eindruck hinterlassen, ich würde davon ausgehen, dass durch die Mietpreisbremse alle Probleme auf dem Wohnungsmarkt gelöst und beseitigt werden könnten. Wir haben dieses häufig genug hier in diesem Plenum diskutiert. Ich bin in der Tat davon überzeugt, dass die Mietpreisbremse geeignet ist, mögliche Exzesse zu vermeiden und den massiven Anstieg der Mietpreise in engen Wohnungsmärkten zumindest abzubremsen.

Genauso bin ich aber auch davon überzeugt, dass nur der weitere Neubau dauerhaft für bezahlbaren Wohnraum sorgen kann. Lieber Herr Vogt, diese Erkenntnis ist nun wahrlich nicht neu. Das prägt die Tätigkeit der Landesregierung seit Jahren, auch gemeinsam mit den Kommunen.

Die erfolgreichen Anstrengungen in diesem Bereich spiegeln sich in den Baugenehmigungszahlen wieder. Gern würde ich hierzu einige Daten nennen. In den Monaten Januar bis März diesen Jahres wurden 4.157 Wohnungen genehmigt, ein Anstieg um fast 60 % gegenüber dem Vergleichszeitraum 2015. Im

Jahr 2015 selbst wurden 12.790 Wohnungen genehmigt - die höchste Baugenehmigungszahl seit 2001.

Dieser Trend spiegelt sich auch in der Wohnraumförderung wider. Nach den sehr erfolgreichen Förderjahren 2013 bis 2015, in denen insgesamt mehr als 5.000 Wohneinheiten gefördert wurden, zeichnet sich eine weitere Intensivierung des geförderten Bauens ab. Sowohl die Baugenehmigungen als auch die Förderzahlen machen deutlich, dass in Schleswig-Holstein sehr massiv in neuen Wohnraum investiert wird und dies insbesondere in den Gebieten mit angespannten Wohnungsmärkten.

Dies bedeutet jedoch nicht, dass wir uns auf diesen Erfolgen ausruhen dürfen. Vielmehr müssen wir gemeinsam mit den Kommunen nach Wegen suchen, kurzfristig weiteren, vor allem bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. Unser Fördersystem richtet sich dabei nicht nur auf den Neubau von Wohnungen, auch - und das ist hier angesprochen worden - die Eigentumsförderung ist seit Langem ein wesentliches Instrument. Diese werden wir auch weiterhin nutzen, um die Schaffung von Eigenheimen nachhaltig zu unterstützen.

Ein weiteres sinnvolles Instrument kann in der Tat der Dachgeschossausbau beziehungsweise die Aufstockung, aber auch die Umnutzung bestehender Flächen sein. Wir arbeiten gerade daran, die Förderbestimmungen hierzu zu aktualisieren. Die Umwandlung von Räumen, die bisher anderen als Wohnzwecken dienten, soll in der sogenannten Bestandsförderung aufgenommen werden. Diese Förderung wird sowohl den Umbau gewerblicher Räume als auch den Dachgeschossausbau einschließen.

Zudem soll auch die Aufstockung bestehender Gebäude zur Schaffung neuen Wohnraums künftig gefördert werden. Derzeit wird gerade die Anhörung der Verbände vorbereitet. Die Neuregelung soll möglichst frühzeitig in Kraft treten.

Im Rahmen des Neubaus von Wohnraum stellen derzeit insbesondere - auch das haben wir schon gehört - die knappen Bauflächen für Wohnungsbau sowie gestiegene Baupreise die Hindernisse dar. Konkret sind die Baupreise in den letzten 14 Jahren mit 36 % gegenüber den allgemeinen Lebenshaltungskosten mit 27 % deutlich gestiegen. Ursächlich ist eine Vielzahl von Faktoren, auch das wissen wir: Baulandpreise, Grundstücksherrichtungskosten, gestiegene Qualitätsansprüche und -normen, aber auch technische Vorgaben für Energieeffizienz, Barrierefreiheit oder kommunale städtebauliche Anforderungen zum Beispiel an Stell

plätze und Tiefgaragen. Städtebauliche Figur und Baukörper haben einen entsprechenden Einfluss.

Es muss daher - und da sind wir uns einig - stets kritisch geprüft werden, welche Anforderungen an ein Bauvorhaben tatsächlich gestellt werden sollen. Wir setzen uns auch auf Bundesebene intensiv dafür ein, die Baukosten nicht weiter in die Höhe zu treiben. So darf die vom Bund geplante weitere Novelle des Energiesparrechts nicht dazu führen, den Mietwohnungsbau durch neue Standardverschärfungen weiter zu verteuern. In diesem Bereich sind mit den am 1. Januar 2016 in Kraft getretenen Anforderungen die Grenzen aus unserer Sicht erreicht.

Lassen Sie mich auch noch etwas zum wohnungsbaulichen Entwicklungsrahmen der Landesentwicklungsplanung sagen: Für die meisten Kommunen mit angespannten Wohnungsmärkten gilt dieser Rahmen gar nicht, da sie Schwerpunkte der Stadtund der Siedlungsentwicklung sind und sich weitgehend unbegrenzt entwickeln können. Ein Aussetzen des Rahmens, wie von der CDU hier heute gefordert, wäre für diese Kommunen somit wirkungslos, ganz abgesehen davon, dass ein Aussetzen in der schlichten Form rechtlich auch gar nicht möglich ist. Der Rahmen kann allenfalls durch eine Fortschreibung der LEP entsprechend geändert werden.

Wir werden aber auf Basis unserer neuen Prognosen prüfen, und das ist sicherlich angezeigt, ob der Rahmen angepasst werden muss, welche Anpassungsbedarfe es gibt. Neben den Siedlungsschwerpunkten sollen auch die anderen Gemeinden angemessen auf den gestiegenen Wohnungsbedarf reagieren können. Die Landesregierung setzt sich zudem bereits seit Jahren dafür ein, dass beim Wohnungsbau und bei der Planung entsprechend mehr interkommunal gedacht und geplant wird, um zu einer bedarfsgerechten Wohnraumversorgung an geeigneten Standorten zu kommen.

Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Lehnert?

Gern.

Bitte.

(Minister Stefan Studt)