Protokoll der Sitzung vom 10.06.2016

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat Herr Abgeordneter Dr. Andreas Tietze das Wort.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Kollege Vogt, Ihr Antrag will wieder einmal mit der Maßgabe „Viel hilft viel“ helfen. Ob das aber die richtige Ausrichtung ist, das will ich gern einmal intensiver überprüfen. Ich hoffe, Sie können mir dabei folgen.

Zunächst möchte ich aber Herrn Conradt begrüßen. Wir sollten uns an dieser Stelle auch einmal bei Ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bedanken. Sie sind in vielen Debatten hier zum Prügelknaben der Nation geworden. Das haben Sie nicht verdient.

(Christopher Vogt [FDP]: Nein! Sie! - Dr. Heiner Garg [FDP]: Sie sind der Prügel- knabe!)

An dieser Stelle möchte ich Ihnen einmal ausdrücklich für Ihre Arbeit danken.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Das gehört einfach dazu.

Jetzt gehen wir doch einmal in die Analyse. Meine erste These ist: Wir haben heute in Deutschland einen erheblichen Fachkräftemangel bei Ingenieurinnen und Ingenieuren. Alle technischen Berufe leiden darunter, qualifiziertes Personal fehlt, der demografische Wandel fordert seinen Tribut.

(Zuruf Wolfgang Kubicki [FDP])

Der Markt qualifizierter Ingenieurinnen und Ingenieure ist leergefegt. Ich darf auch einmal an dieser Stelle sagen: Die Umstellung von Bachelor auf Master hat das Problem noch verstärkt. Die Ingenieurinnen und Ingenieure gehen eben nicht nach dem Bachelor in den Beruf, sondern gehen in den Master. Das sehe ich gerade bei meinen Kindern auch. Die machen den Bachelor und gehen sofort in den Master. Das alte Fachhochschulstudium, das alte Ingenieurfachhochschulstudium, hatte einen sehr, sehr guten Ruf, nicht nur in Deutschland, sondern auch international.

Vielfach müssen wir doch sagen: Wir können die Leute von den Universitäten nicht mehr abwerben, weil sie teilweise auch andere Bildungskarrieren machen wollen. Das ist auch ein Problem im System der Ausbildung.

Zweitens: Wir haben in Schleswig-Holstein Planungsleistungen von historischem Ausmaß. Das ist meine zweite These. Die A 20 und die Fehmarnbelt-Querung sind keine Landes- oder Dorfstraßen, sondern das sind komplexe rechtliche, betriebswirtschaftliche und planungsrechtliche Projekte, die großer Erfahrung bedürfen. Seien wir ehrlich - da gebe ich dem Kollegen Arp recht -: Eine kleine Planungsbehörde wie der LBV hat bei solchen Aufgaben auch Probleme. Das System der Auftragsverwaltung - das ist das, was wir hier als Grüne diskutieren - ist einfach an dieser Stelle auch an seine Grenzen geraten.

(Beifall Tobias Koch [CDU])

Wichtig ist, dass Finanzierung, Planung und Bau sowie der Betrieb hier künftig aus einer Hand entstehen. Auch da ist der Ansatz - das sage ich ganz

(Kai Vogel)

bewusst - nicht einer privaten, sondern einer staatlichen Infrastrukturgesellschaft ein Lösungsansatz.

Ich hatte gestern den Eindruck, dass Frau Herbort und die DB Netz das Thema Fehmarnbelt-Querung mit ihrer Planungsabteilung - man muss wirklich sagen: Schienen planen können die bei der Bahn - auch mit der entsprechenden Perspektive für die schwierigen Gleisneubauarbeiten auf der Strecke Fehmarnsund-Brücke und so weiter gut im Griff haben.

Meine dritte These, die im Raum steht lautet: to buy or to make. Das ist ein betriebswirtschaftliches Prinzip. Will ich eigentlich alles über kurzfristig selbst eingestelltes Personal machen, oder gehe ich auf den Markt? - Ich darf auch einmal sagen: Wir haben an dieser Stelle eine gewisse Asymmetrie in der Frage der Personalplanung, der Planungsintensität und der Frage der späteren Weiterbeschäftigung des Personals.

Ich frage mich jetzt: Brauchen wir hier nicht gerade einen Mix? Wir hatten darüber diskutiert, den Auftrag an die DEGES zu geben. Auch da erkennen wir aber, dass längst nicht alle Ingenieurbüros in der Lage sind, diese komplexen Aufgaben zu erfüllen. Es stellt sich deshalb die Frage, ob man nicht künftig solche Dinge mit Fremdvergabe macht.

(Christopher Vogt [FDP]: Auch!)

Viertens, da richte ich mich an Herrn Koch, das Thema Planungsrisiko und Haushaltsrisiko: Wenn wir uns die Planungskosten bei diesem historischen Ausmaß Fehmarnbelt-Querung und A 20 einmal anschauen, sieht man: Man muss von ungefähr 17 % Planungskosten ausgehen, davon zahlt uns der Bund nur 3 %, und 14 % müssen wir selber zahlen.

(Christopher Vogt [FDP]: Sie haben kein ein- ziges baureifes Projekt!)

Dann müssen Sie doch bei allem, was Sie hier diskutieren, auch eine haushalterische Perspektive einnehmen. Wenn wir nur einmal die Elbquerung nehmen: 1,8 Milliarden €: Da betragen die Planungskosten 216 Millionen €, das heißt 64 Millionen € bleiben bei uns. Ich habe mir einmal die Mühe gemacht, all diese Projekte nachzurechnen. Das sind fast 600 Millionen € an Planungskosten, die anfallen, bei der Annahme von diesen 17 %. Jetzt gehen Sie einmal davon aus, dass das 200 Millionen € sind, die beim Land Schleswig-Holstein verbleiben. Das muss finanziert werden, und dann müssen Sie auch sagen, wo Sie denn sparen wollen und wo nicht.

Jetzt komme ich noch einmal in der Perspektive der Lösung dazu, was wir für die Zukunft brauchen: Erstens brauchen wir endlich einmal eine Transparenz. Da bin ich mit Ihnen einer Meinung. Alle Zahlen und Kostenfaktoren für die Planung gehören auf den Tisch des Hauses.

Zweitens brauchen wir eine vernünftige Analyse, was wir selbst machen können, und was wir nach außen geben können, und zwar mit einer vorausschauenden Planung für die nächsten drei Jahre.

Drittens müssen wir den Bund stärker einbinden. Ohne den Bund und auch ohne Abkehr von dem unfairen Personalkostenschlüssel bei der Planung werden wir überhaupt nichts erreichen können.

Und viertens - das ist ein Vorschlag, den ich Ihnen hier unterbreite und von dem ich hoffe, dass wir über ihn diskutieren -: Warum setzen wir nicht stärker auf Kooperation und Zusammenarbeit im Norden? Ich könnte mir vorstellen, dass hier ein norddeutscher Verbund zwischen Schleswig-Holstein, Hamburg, Niedersachsen und Mecklenburg-Vorpommern möglicherweise eine Lösung wäre. Viele dieser Verkehrsprojekte sind ja gerade Projekte, die nicht nur in Schleswig-Holstein stattfinden. Nehmen Sie beispielsweise den Bau des Elbtunnels.

Warum wollen wir den in Schleswig-Holstein planen? Die Hälfte des Baus ist auf dem Grund und Boden Niedersachsens. Deshalb hätten man doch schon längst einmal überlegen können: Kann man nicht auch hier Planer austauschen? Da sind wir gefordert, da ist Kreativität gefordert.

Ich bin der festen Überzeugung: Wir werden das nicht alleine hinkriegen, sondern wir werden das nur mit einem großen Maß an Zusammenarbeit und Kooperation hinbekommen. Ich mache aber auch keinen Hehl daraus: Am liebsten wäre es mir, wenn der Bund diese Kosten übernehmen würde; denn wer bestellt, der muss auch zahlen. - Vielen Dank.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Für die Piratenfraktion hat jetzt das Wort der Herr Abgeordnete Uli König.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Der Landesbetrieb Straßenbau betreut mit einer Gesamtlänge von rund 10.000 km ein sehr großes Straßennetz in Schleswig-Holstein,

(Dr. Andreas Tietze)

538 km Bundesautobahnen, 1.500 km Bundesstraßen, 1.600 km Landesstraßen sowie 4.000 km Kreisstraßen. Hinzu kommen dann noch einmal etwa 5.000 km Radwege. Nicht zu vergessen: Wir betreuen auch etwa 2.200 Brücken.

Die Mitarbeiter des LBV haben eine verantwortungsvolle Aufgabe, deren Bewältigung Auswirkungen auf unser gesamtes Leben hat. In diesem Sinne zu allererst einmal ein Dank an die Mitarbeiter des LBV für ihre gute Arbeit.

(Beifall Tobias Koch [CDU])

- Na, das ist ja ein stürmischer Applaus.

Die ansteigenden Investitionen im Straßenbau werden durch den Personalabbau der letzten Jahre von einem geringen Personalstamm verwaltet. Das ist eine beachtliche Leistung. Ich ziehe meinen Hut vor den Mitarbeitern des LBV. Personalstamm und Personalabbau, das sind hier die entscheidenden Stichworte, um die es heute geht.

Herr Nägele bezeichnete den durch den Stellenabbaupfad vorgeschriebenen Personalabbau als gigantische Herausforderung. Man wisse -, ich zitiere „wie wir weiter optimieren müssen“. Was genau meint Herr Nägele damit, dass wir weiter optimieren müssen?

Wie sieht die Entwicklung des Personalbestandes beim LBV aus? Wie sieht der Personalabbaupfad beim LBV konkret aus? Ich dachte, der Kollege Vogt hätte insoweit noch etwas aktuellere Zahlen als ich. Inwieweit passt der Abbaupfad zum Aufgabenabbau? Dies zu wissen, ist ganz wichtig, meine Damen und Herren, wenn man Personal abbaut oder nicht aufstockt, gleichzeitig aber Aufgaben aufbaut; dann ist das ein Problem. Vor allem muss man die zeitlichen Zusammenhänge dabei sehen.

Im Übrigen ist der Personalabbau in Einklang zu bringen mit den zusätzlich geplanten Investitionen über das Impulsvermögen. Kommen da nicht noch mehr Aufgaben hinzu? Wie sieht das Personalentwicklungskonzept aus, um all die notwendigen, in die mittelfristige Finanzplanung integrierten Infrastrukturvorhaben umzusetzen?

Alle diese Fragen sind für mich noch nicht ausreichend geklärt. Einigkeit besteht momentan nur darüber, dass der LBV bei weiterem Personalabbau vor echte Probleme gestellt werden würde, die kaum zu stemmen sind.

Selbst der Landesrechnungshof weicht beim LBV von seiner Fundamentalposition ab und sagt an dieser Stelle nicht, wir müssten unbedingt den Stellen

abbaupfad einhalten. Ich finde es sehr bemerkenswert, dass sich der Landesrechnungshof hier so verhält.

Wir verstehen insofern den Ansatz der FDP, den sie ja bereits in ihrem Antrag vom April zum Ausdruck gebracht hat. Wie sich die Situation jedoch genau darstellt, also wo und welche Stellen nun genau benötigt werden, das ist uns an dieser Stelle unklar.

Personal muss effektiv und sparsam eingesetzt werden. Insofern wollen wir erst einmal einen genauen Überblick über die Faktenlage haben, eine Grundlage, auf der man ein schlüssiges Konzept aufbauen und verabschieden kann.

Die FDP ist hier in gewisser Hinsicht den zweiten Schritt vor dem ersten gegangen. Sie sagt, sie wolle erst einmal Daten haben, und erst daraufhin könne man ein Konzept aufbauen. Deswegen beantragen wir zur nächsten Tagung einen ausführlichen schriftlichen Bericht, der die Situation des LBV dezidiert darstellt und Antworten auf die eingangs genannten Fragen gibt. Der wird allerdings, wie wir gerade vom Kollege Vogel schon signalisiert bekommen haben, zu diesem Plenum nicht mehr kommen; denn der Änderungsantrag der Koalition wird wahrscheinlich den Vorrang erhalten. Aber wenn wir so wenige Antworten auf unsere Fragen hätten haben wollen, dann hätten wir unseren Berichtsantrag deutlich dünner formuliert.

Zu dem Argument, „Wir haben nur zwei Tage Zeit, wenn wir zur 44. Tagung einen Bericht haben wollen“, sage ich: Liebe Landesregierung, vielleicht können Sie Ihre Abläufe ja noch ein bisschen optimieren. Ich sehe da noch ein gewisses Potenzial.

(Beifall Dr. Patrick Breyer [PIRATEN])

- Danke, Herr Breyer.