Protokoll der Sitzung vom 10.06.2016

Wie viel Geld ist in den letzten Jahren in Landesstraßen geflossen? - Keine einzige Landesregierung hat so viel Geld in die Hand genommen, um unsere Löcher zu stopfen. Das macht sie übrigens sehr gut, und da hat sie auch einmal einen Applaus verdient.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SSW und vereinzelt SPD)

Lieber Herr Callsen - Herr Kollege Vogel hat das hier erwähnt -, ich habe mich wirklich über Ihren Antrag zum ÖPNV gefreut. Das war endlich einmal ein CDU-Antrag, bei dem ich gesagt habe: Wow, den liest du mal mit einer gewissen Freude. - Sie haben erkannt: Im ländlichen Raum, da geht es um Radwege, da geht es um ÖPNV, auch die Frage der Busverkehre im ländlichen Raum haben Sie angesprochen. Und ich habe gedacht: Jetzt kommt endlich einmal diese betonverliebte CDU, die nur Autos, Autos, Autos kennt, mit einem Ansatz, der wirklich interessant ist, mit dem wir gemeinsam auch einmal schauen können, wie wir das für die Zukunft Schleswig-Holsteins nutzen können.

Und jetzt kommen Sie heute mit dem Gegenteil. Heute dies, morgen das, da weiß man eben bei Ihnen nicht genau, wofür Sie stehen. Und am Ende kommt dann auch wieder Ihr Herr Koch - das haben wir auch schon hier erlebt -, der sagt: Das geht alles nicht, Frau Ministerin ist eine Schuldenministerin und bla, bla, bla. - Also diese ganze Debatte ist eine typische Oppositionshaltung.

(Zuruf Uli König [PIRATEN])

Aber es ist keine Haltung, die man von Ihnen eigentlich erwarten dürfte.

Deshalb kann ich Ihnen nur sagen: Die 70 zu 30, die wir seinerzeit festgelegt haben, waren auch eine Folge des Aushungerns des ÖPNV-Bereichs. Sie haben jahrelang diesen Bereich ausgehungert. Ich war selbst zehn Jahre in der Kreispolitik und habe gesehen: Wir haben eben keine Mittel gehabt, um den Umweltverbund zu unterstützen. Wir haben eben keine Mittel gehabt, um den ÖPNV sinnvoll auszubauen.

Deshalb stelle ich fest - lieber Herr Kollege, ich muss Ihnen das sagen, das müssen Sie jetzt abkönnen -: Ihr Antrag ist blutleer, Ihr Antrag bietet heute null Perspektive.

(Zuruf Lars Harms [SSW])

Sie gehen zurück in alte Bewertungen von Infrastruktur. Sie wollen den Mangel an Investitionsmitteln nur verwalten. - Dann einmal mutig voran!

(Zurufe)

- Entschuldigen Sie, Ihr Landesvorsitzender will Ministerpräsident werden. Da kann er doch einmal schauen, dass er jetzt dann bitte schön auch einmal ein paar Mittel für Schleswig-Holstein einwirbt. Das ist doch keine Aufgabe, die wir hier als Parteien haben, sondern wenn dann wird das doch in Berlin entschieden. Da wird doch über die Zukunft

(Kai Vogel)

der Entflechtungsmittel verhandelt. Da wird verhandelt, wie die künftigen Planungsmittel eingesetzt sind. Ich habe den in den letzten Wochen in Berlin zu dieser Frage nicht gehört. Da ist er abgetaucht.

(Christopher Vogt [FDP]: Warst du in Ber- lin?)

Ich meine, der Mann will Ministerpräsident werden. Da kann man an der Stelle einmal sagen:

(Christopher Vogt [FDP]: Gut, das wollen ja viele!)

- Ja, wollen viele, aber da hat er erst einmal zu liefern und nicht nur zu fordern.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Ich darf auch noch einmal sagen, dass wir als Grüne uns sehr, sehr ernsthaft mit der Frage der Sanierung der Landes- und Kommunalstraßen auseinandergesetzt haben. Wir sind uns auch sicher - das darf ich hier gar nicht sagen, aber ich sage es trotzdem -, dass wir am Ende nicht bei 70 zu 30 landen werden, weil wir natürlich auch gesehen haben, dass wir nach Wintern, wo eine ganze Menge an Straßen kaputt war, die Kommunen nicht hängen lassen können. Das ist doch selbstverständlich, dass man an der Stelle Kommunen nicht hängen lässt.

(Christopher Vogt [FDP]: Was? Frau Hei- nold hält sich nicht an den Koalitionsvertrag? - Das ist ein Skandal!)

Aber es geht um das Prinzip, dass der Umweltverbund hier in den Blick gerät, dass es ganzheitlich verteilt wird, und dass es nicht darum gehen kann, dass es immer nur heißt: Straße, Straße, Straße.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich darf dann zum Ende auch noch einmal sagen: Wenn wir jetzt schon darüber reden, wie wir künftig mehr Mittel für den Bund brauchen - das ist auch im vorherigen Antrag angesprochen worden -, dann lassen Sie, Herr Callsen, uns doch gemeinsam dafür streiten, dass wir endlich die Lkw-Maut auch auf Gemeindestraßen und Landesstraßen bekommen. Die fahren unsere Straßen kaputt! Die machen die kaputt, diese Schwerlastverkehre sind nicht gut für unsere Gemeindestraßen. Dann müssten doch die, die Verursacher dieser Schäden sind, auch bitte schön zur Kasse gebeten werden. Da meine ich jetzt nicht unsere kleinen und mittelständischen Unternehmen, da können wir gern über 50 km Ausnahmen reden. Aber unsere Großverkehre, die hier die Straßen kaputtfahren, die müssen

zur Kasse gebeten werden. Das ist nur recht und billig. Das geht auf Autobahnen, das muss auch auf Gemeindestraßen gehen. - Vielen Dank.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SSW und Kai Vogel [SPD] - Zuruf Volker Dorn- quast [CDU])

Für die FDP-Fraktion hat jetzt der Kollege Christopher Vogt das Wort.

Frau Präsidentin, ich wollte nur kurz mitteilen, dass ich meine fabelhafte Rede zu Protokoll geben möchte.

(Anke Erdmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Wir waren auf eine lange Sitzung ein- gestellt! - Lars Winter [SPD]: Wo hast du denn die fabelhafte Rede her? - Dr. Heiner Garg [FDP]: Also, wenn du so weitermachst, hält er sie noch! - Heiterkeit - Dr. Kai Dolg- ner [SPD]: Der meint das im ursprünglichen Sinn mit der Fabel!)

Vielen Dank. - Dann hat jetzt für die Piratenfraktion der Abgeordnete Uli König das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Vogel, ich habe noch eine Anmerkung: Der Antrag für HVV in Steinburg kommt von den PIRATEN, nicht von der FDP.

(Beifall Dr. Patrick Breyer [PIRATEN] - Zu- ruf Kai Vogel [SPD])

Wir haben auch einen Finanzierungsvorschlag dazu gemacht. Das sehen Sie dann in dem Antrag, und dass werden wir ja in der nächsten Plenartagung - hoffentlich - behandeln.

(Dr. Kai Dolgner [SPD]: Ihr habt wahr- scheinlich auch die zehn Gebote geschrie- ben!)

Meine Damen und Herren!

„Der Mensch von heute: das dümmste Lebewesen, dass die Erde hervorgebracht hat: Er kriecht mit seinem Auto in die Großstadt wie eine Schnecke, nimmt die Umweltgifte in sich auf wie ein Staubsauger und ist oben

(Dr. Andreas Tietze)

drein auch noch stolz, dass er das zustande gebracht hat.“

Meine Damen und Herren, so schrieb der britische Schriftsteller John B. Priestley vor ein paar Jahrzehnten und ist heute damit noch immer brandaktuell. Noch immer gehen wir mit der Welt um, als hätten wir eine zweite in der Hosentasche.

(Beifall Eka von Kalben [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] - Eka von Kalben [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist ein schöner Satz! Das ist ein sehr grüner Satz!)

- Mehr davon! - Meine Damen und Herren, fossiles Denken schadet noch mehr fossilen Brennstoffen. Auch die letzten Verfechter des Individualverkehrs müssen endlich umdenken und offen für neue Lösungsansätze sein. Ohne Bahnen und Busse ist der Verkehr in der Stadt und den Ballungsräumen nachhaltig nicht mehr zu bewältigen. Schon heute werden im Linienverkehr in Deutschland täglich 30 Millionen Fahrten gemacht - mit kontinuierlichen Zuwachsraten. Immer mehr Menschen erkennen, dass in den Städten das öffentliche Verkehrssystem die beste Möglichkeit für die individuelle Fortbewegung ist. Für eine Verdopplung des Marktanteils des öffentlichen Verkehrs, wie es der internationale Verband für öffentliches Verkehrswesen als weltweites Ziel formuliert hat, muss das öffentliche Verkehrssystem massiv ausgebaut und seine Kapazitäten entsprechend erweitert werden. Ohne eine wesentlich stärkere Nutzung von Bussen und Bahnen sind die Klimaziele nicht erreichbar.

(Beifall PIRATEN)

Der öffentliche Verkehr entwickelt sich dabei weiter zum öffentlich organisierten Verkehr, der neben Taxisystemen auch Individualverkehre wie Carsharing, Bike & Ride oder Fahrdienste intelligent integrieren kann. Damit kann die individuelle Mobilität - das hat auch die Landesregierung schon erkannt effizienter, billiger und umweltfreundlicher werden.

(Beifall Dr. Patrick Breyer [PIRATEN])

Öffentlicher Verkehr hat hohen externen Nutzen: Weniger verkehrsbedingte Umweltschäden, Entlastung von Straßen, bessere Voraussetzungen für lebenswerten Straßenraum, Aufwertung von Standorten, was nicht zuletzt auch für den Tourismus wichtig ist, Sicherung von Mobilität auch für diejenigen, die kein Auto haben oder vielleicht auch gar nicht mehr Autofahren können oder wollen. Beim Vergleich des spezifischen Energieverbrauchs spart der öffentliche Verkehr etwa die Hälfte der Energie im Vergleich zum Auto. Eine Verdopplung

des Marktanteils des öffentlichen Verkehrs würde also ganz wesentlich auch den Klimazielen zugutekommen.

Einige Untersuchungen schätzen den externen Nutzen laut Aussage des VCD auf insgesamt viermal so hoch wie die derzeitigen öffentlichen Betriebszuschüsse. Wir teilen daher die Position der Landesregierung, die eine Verteilung der Mittel von 70 zu 30 für den öffentlichen Verkehr vorsieht

(Beifall PIRATEN)

und lehnen daher die Position der CDU in diesem Punkt ab.

Was den Punkt Förderung nach 2019 angeht, sind wir bei Ihnen. Der Bund muss die kommunale Infrastruktur weiter fördern, denn ohne diese Mittel würden die Kommunen vor eine nicht lösbare Aufgabe gestellt. Ob wir die Landesregierung auffordern müssen, sich in diesem Sinne für schleswigholsteinische Kommunen auf Bundesebene im Rahmen des Länderfinanzausgleichs für eine verlässliche Nachfolgeregelung für das Jahr 2019 für das auslaufende Entflechtungsgesetz einzusetzen? Nun, das können wir machen. Frau Heinold hat sich dazu ja schon geäußert, beispielsweise war bereits im Mai 2013 auf den Seiten des Finanzministeriums zu lesen, dass die Länder den Bund angesichts der schwächer werdenden Konjunktur und weiterer größerer Herausforderungen wie stark ansteigender Versorgungsaufgaben an seine im Rahmen der Ratifizierung des Europäischen Fiskalpakts gemachten Zusagen im Hinblick auf Anschlussregelungen für Entflechtungsmittel erinnern.

Insofern wundert mich auch der Änderungsantrag der Koalition ein bisschen. Ich dachte immer, die in dem Antrag genannten Dinge hätten wir schon längst. Und Frau Heinold ist doch bereits in diesem Feld tätig, dachte ich. Oder täusche ich mich, und wir müssen die Regierung tatsächlich noch einmal auffordern, sich auf Bundesebene für eine dauerhafte verlässliche, auskömmliche und zukunftsfähige Finanzierung für alle Verkehrsträger in SchleswigHolstein einsetzen? Ich bin mir sicher, Herr Callsen, dass Frau Heinold ein ganz eigenes Interesse an einer Nachfolgeregelung hat und sich auf Bundesebene dafür einsetzen wird.