Sehr geehrter Herr Präsident! Fast 200.000 Männer wurden bis Ende der 60er-Jahre in der Bundesrepublik und DDR aufgrund ihrer Sexualität verfolgt. Auch viele jetzt in Schleswig-Holstein lebende Männer sind unter den Opfern. Sie wurden zu Bewährungsstrafen verurteilt oder auch inhaftiert. Durch juristische Urteile wurden sie stigmatisiert, diskriminiert und als pervers dargestellt.
Der in den 60er-Jahren 17-jährige Heinz Schmitz beschrieb der „Tagesschau“, wie er als junger Mann unter dieser Stigmatisierung litt. Irgendwann wurde er aus seinem Elternhaus von der Polizei abgeholt.
„Und dann kam erst das volle Programm. Fingerabdrücke. Fotos. Du warst sofort aufgenommen für ein Strafverfahren.“
Diese Erinnerung teilte er - sehr mutig, wie ich finde - in einem Gespräch mit der „Tagesschau“ mit. Anfang 1962 verurteilte ihn das Amtsgericht zu zwei Jahren auf Bewährung und drei Wochenenden Jugendarrest in Einzelhaft. Heinz Schmitz leidet bis heute unter dieser systematischen Stigmatisierung. Er hat sich viele Jahre lang nicht getraut, mit seiner Sexualität offen umzugehen.
Viele der Opfer von damals sind bis heute traumatisiert. Ihnen ist von staatlicher Seite Unrecht geschehen. Dies kann man nicht wiedergutmachen, wir müssen aber durch die Rehabilitierung zumindest das Signal setzen: Nicht euer Verhalten war falsch, sondern die Verfolgung durch Bundesrepublik und DDR.
Wir haben uns deshalb bereits im Dezember 2014 für die Rehabilitierung der Opfer dieser systematischen Verfolgung ausgesprochen. Die Kollegen sind bereits darauf eingegangen.
Unsere Landesregierung war seitdem nicht untätig. Sie hat sich seitdem - wie viele andere Landesregierungen mit grüner, roter und anderer Beteiligung für die Rehabilitierung auf Bundesebene starkgemacht. Vielen Dank dafür!
Mit dem Gutachten der Antidiskriminierungsstelle des Bundes liegt jetzt eine rechtliche Grundlage für die Rehabilitierung vor. Auch aus verfassungsrechtlicher Perspektive ist eine Aufhebung der Strafurteile also denkbar.
Wir Grüne unterstützen Entschädigungszahlungen und die Durchführung von Aufklärungsprojekten. Für uns ist wichtig, dass die Opfer von damals in die Rehabilitierung eingebunden werden. Wir sind den Opfern von damals verpflichtet. Wir begrüßen ausdrücklich, dass Bundesjustizminister Maas endlich handeln will. Wir Grüne unterstützen ihn dabei und warten gespannt darauf, wann der Gesetzentwurf endlich vorgelegt wird.
Allerdings ist es aus unserer Sicht damit nicht getan. Wir wünschen uns beispielsweise, dass sich Bundeskanzlerin Merkel und Bundespräsident Gauck bei den Opfern entschuldigen und sich in dieser Sache äußern. Das wäre ein starkes Signal für alle Männer, die unter dieser Verfolgung gelitten haben. Es geht darum, um Verzeihung zu bitten und den vielen Männern, zumindest im Alter, etwas Frieden zu geben.
Wir Grüne fordern auch mehr Aufklärungsarbeit über das staatliche Unrecht gegenüber Homosexuellen, so wie es die Antidiskriminierungsstelle des Bundes vorschlägt. Dies könnte man beispielsweise durch Schulprojekte im Geschichtsunterricht tun oder auch im Rahmen des von uns aufgelegten und hier auch breit unterstützten Landesaktionsplans sexuelle Vielfalt.
Die Kollegin Lange hat es erwähnt: Im sachsen-anhaltinischen Landtag forderte vor wenigen Tagen der AfD-Abgeordnete Gehlmann in einem Zwischenruf, dass man auch in Deutschland wieder Haftstrafen für Homosexuelle einführen sollte. Das ist so unfassbar diskriminierend, hetzerisch und menschenverachtend, dass jede Kommentierung eigentlich eine Relativierung oder Untertreibung wäre.
Wenn Menschenhasser in unserem Land Zulauf bekommen, ist es unsere Aufgabe, dem deutlich zu widersprechen und Aufklärung zu unterstützen.
Das gilt vor allem für unsere Schulen, aber auch für die Antidiskriminierungsstelle und andere öffentliche Einrichtungen. Wir Grüne sprechen uns beispielsweise auch für die Errichtung eines Landesdenkmals zur Erinnerung an die homosexuellen Opfer aus der NS-Zeit aus. Das ist ein Thema, das zwar nicht direkt mit dem hier debattierten im Zusammenhang steht, das aber ebenso viel mit Erinnerung, Erinnerungskultur und Erinnerungsarbeit zu tun hat. Auch da haben wir meiner Meinung nach bei uns im Land noch etwas Nachholbedarf.
Wir Grüne freuen uns, dass es uns gelungen ist, gemeinsam einen einstimmigen Beschluss hinzubekommen. Ich möchte mich bei der CDU-Fraktion ausdrücklich bedanken. Das zeigt mal wieder, dass man auch mit der CDU bei diesen Themen gute, gemeinsame Wege gehen kann. Das freut uns ausdrücklich. Ich glaube, dass so das Signal im Bund noch deutlich stärker wird. Es ist ein gutes Zeichen an diesem Tag. - Vielen Dank.
giert, desto weniger scheinen einem die Dinge selbstverständlich. Das trifft auch auf diesen vorliegenden Antrag zu.
Schon im letzten Jahr hat der Bundesrat die Bundesregierung einvernehmlich aufgefordert, einen Gesetzentwurf vorzulegen, der Maßnahmen zur Rehabilitierung für die wegen einvernehmlicher homosexueller Handlungen unter Erwachsenen verurteilten Menschen vorsieht.
Das Ausleben der eigenen sexuellen Neigungen ist für uns heute selbstverständlich. Dazu brauchen wir dem Grunde nach eigentlich weder die Europäische Menschenrechtskonvention noch das Grundgesetz oder sonst eine Vorschrift: Das sagt uns unser klarer Menschenverstand. Dass dies vor gar nicht allzu langer Zeit noch nicht so war, wissen wir alle und bedauern wir zutiefst.
Dass Männer aufgrund ihres frei gestalteten Liebeslebens unter das Strafrecht fielen, ist für uns heute fremd. Beschämend ist überdies, dass die in der NS-Zeit verschärften Strafnormen im westlichen Teil unseres Landes noch bis 1996 unverändert galten. Diese schändliche und unmenschliche Tatsache ist in den Jahren danach immer wieder diskutiert und besprochen worden.
Die Opfer der Strafverfolgung durch das Nazi-Regime aufgrund der §§ 175 und 175 a des Reichsstrafgesetzbuches wurden zwischenzeitlich bereits rehabilitiert und entschädigt. Allerdings steht dies für die nach 1945 erfolgten Verurteilungen noch aus. Es gibt einen ganz breiten Konsens darüber, dass dieser Zustand unhaltbar ist.
„Der Landtag fordert die Landesregierung auf, sich auf Bundesebene für eine rasche Umsetzung dieser kollektiven Rehabilitierung und Entschädigung einzusetzen.“
Von daher ist nicht nur der Anstoß der FDP zu dieser Debatte gut. Noch besser ist, dass es heute gelingt, ein gemeinsames Signal aus diesem Lande in Richtung Bund zu senden.
Ich freue mich aufrichtig darüber, dass es heute einen gemeinsamen Antrag gibt, weil es sich um ein Thema handelt, bei dem man gar nicht unterschiedlicher Meinung sein kann, über das man gar nicht politisch streiten kann, und bei dem die Politik zusammenstehen muss. Ich finde daher, dass wir
alle zusammen das gut gemacht haben. Ich danke Ihnen allen dafür, dass Sie an diesem gemeinsamen Antrag mitgewirkt haben, und freue mich über den heutigen Beschluss.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Als möglicherweise letzter Redner der Fraktionen möchte ich die Gelegenheit nutzen, mich bei allen Vorrednern dafür zu bedanken, was sie gesagt haben. Ich persönlich bin sehr froh, dass alle demokratischen Parteien - zum Glück sind wir hier im Hause nur demokratische Parteien - tatsächlich voll hinter diesem Antrag und dem Ansinnen stehen. Das bringt zum Ausdruck, dass homosexuelle Handlungen zwischen Erwachsenen den Staat einfach nichts angehen.
Dies mag für die jüngere Generation selbstverständlich klingen, aber es war ein langer Weg dorthin. Seit der Gründung des deutschen Staates war der Paragraf, der sich auf sogenannte widernatürliche Unzucht zwischen Männern bezieht, rechtlich verankert. Das war richtig geltendes Recht. Für Frauen galt der Paragraf im Übrigen nicht.
Erst im Jahr 1994, nach genau 123 Jahren, hat man diesen Paragrafen aus dem Gesetz entfernt. Das ist eigentlich schon sehr schockierend und in gewisser Weise auch zynisch.
Natürlich muss man anerkennen, dass sich hinter diesem Paragrafen mehr verbirgt als nur eine Rechtsordnung, denn dieser Paragraf steht für den gesamtgesellschaftlichen Wandel. Jedoch ist der letzte Schritt noch nicht vollzogen worden, nämlich die Aufhebung der entsprechenden Urteile sowie eine angemessene Entschädigung für die verurteilten Männer herbeizuführen. Im Jahr 2002 wurden die Opfer des § 175 aus der NS-Zeit rehabilitiert, nicht jedoch die Verurteilten der bundesrepublikanischen Geschichte und auch nicht die der DDR. Diese schmerzliche Lücke zu schließen, muss in der modernen Bundesrepublik des Jahres 2016 schlichtweg möglich sein.
welcher eine vollständige Rehabilitierung der Opfer vorsieht. Von daher ist es absolut richtig, dass unsere Landesregierung auch ein Auge auf die rasche Umsetzung haben möge. Die rasche Umsetzung ist vor allem deshalb wichtig, damit die Betroffenen und ihre Familien so schnell wie möglich von der Rehabilitierung in ihrer vollen Lebenskraft und Würde erfahren können. Es geht schließlich auch um Menschen, die durchaus schon ein hohes Lebensalter haben. Auch deshalb müssen wir uns dabei beeilen.
Von daher gilt es wieder einmal, auf eine zügige Umsetzung zu pochen. Die staatlichen Handlungen lassen sich nicht rückgängig machen. Jedoch sollte sich der Staat durch die genannten Forderungen zu seiner Schuld bekennen und zudem Verantwortung übernehmen. Man wird die Bundesrepublik ganz unweigerlich an ihren Taten messen. Unsere Aufgabe ist es jetzt und wird es auch in Zukunft bleiben, ganz genau hinzusehen. Wir dürfen nicht Stillhalten, wenn Unrecht geschieht - nicht im Jahr 1966, nicht im Jahr 2016 und auch in den kommenden Jahrzehnten nicht.
Wenn wir aber darüber reden, die Betroffenen zu rehabilitieren und zu entschädigen, dann kann ich nicht umhin, auch darauf hinzuweisen, dass homosexuelle Menschen in unserem Land immer noch nicht auf allen Gebieten völlig mit heterosexuellen Menschen gleichgestellt sind. Allein die Tatsache, dass diese Menschen eine Lebenspartnerschaft eingehen müssen, weil sie formal nicht heiraten dürfen, ist eine Diskriminierung.
Hinzu kommen dann noch Ungleichbehandlungen zum Beispiel beim Adoptionsrecht oder auch beim Blutspenden. Wir sehen also, dass es nicht nur um Vergangenheitsbewältigung und Aufarbeitung geht, sondern auch darum, aktuelle Benachteiligungen von homosexuellen Menschen auch jetzt noch abzuschaffen.
Von der Rehabilitation und der Entschädigung der Homosexuellen muss ein Signal an die Gesellschaft ausgehen, auch noch die letzten Ungleichbehandlungen abzuschaffen. Das muss das erweiterte Ziel sein. Es wird ein großer Tag für unser Land sein, wenn die Rehabilitierung der Betroffenen umgesetzt wird und sie ihre Würde zurückerhalten. Aber es wird ein noch größerer Tag sein, wenn sämtliche Menschen in diesem Land endlich gleichgestellt sind. - Vielen Dank.