Protokoll der Sitzung vom 20.07.2016

Herr Dr. Stegner, bitte.

Verehrter Herr Dr. Klug, ich habe in den letzten Wochen und Monaten alle Polizeidirektionen und die größeren Dienststellen des Landes besucht und mit den Kolleginnen und Kollegen auch über ihre Ausrüstung gesprochen. Ich habe im Wesentlichen gehört, dass die Ausrüstung, die wir haben, im Vergleich zu anderen Bundesländern eine ist, die im oberen Drittel dessen liegt, was es in der Bundesrepublik gibt. Herr Kollege Dr. Klug, ich habe allerdings auch gehört, dass man das, was Sie

öffentlich zum Thema Ausrüstungsmängel der Polizei in Schleswig-Holstein gesagt haben, für unverantwortlich gehalten hat. Das habe ich gehört, und das will ich Ihnen hier gern übermitteln, weil das eine Resonanz war, die ich bei meinen Besuchen bekommen habe.

Herr Kollege Stegner, dann kann ich Ihnen entgegnen, dass es einen öffentlich bekannt gemachten Beschluss des Landesvorstands der Gewerkschaft der Polizei - einer DGB-Gewerkschaft, wie Sie wissen - gibt, in dem Defizite und Notwendigkeiten im Bereich der Ausrüstung der Polizei thematisiert werden.

(Beifall FDP und CDU)

Wenn das die Opposition hier tut - Herr Kollege Stegner, auch Sie sind zeitweilig in der Opposition gewesen, ich darf Sie daran erinnern, wie Sie im Landtag aus Ihrer Sicht bestehende Defizite im Bereich der Landespolitik angesprochen haben -, ist das die Aufgabe, die wir im Parlament haben. Herr Stegner, das sollten Sie als Parlamentarier im Blick haben, denn den Rollenwechsel werden Sie auch noch erleben.

(Beifall FDP und CDU)

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine weitere Bemerkung des Abgeordneten Dr. Stegner?

Ich bewundere Ihren Optimismus, Herr Kollege Klug. Ich will als Zweites gern hinzufügen, es geht nicht um das Recht der Opposition, Kritik zu üben, das ich selbstverständlich respektiere, sondern es geht darum, dass Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte, die täglich ihren Kopf für uns alle hinhalten, die ihre Gesundheit und ihr Leben einsetzen und schwierige Situationen zu bestehen haben - dafür haben wir Sondereinheiten und alles Mögliche -, ein leichtfertiges Daherreden über die Frage, wie sie für solche Aufgaben gewappnet sind, so nötig brauchen wie einen Kropf. Ich möchte feststellen, dass das Land Schleswig-Holstein für seine Polizei das tut, was menschenmöglich ist, um die Ausrüstung so gut wie mög

(Dr. Ekkehard Klug)

lich zu halten. Das will ich hier ausdrücklich sagen. Das ist die Verantwortung aller Abgeordneten in diesem Haus. Ich habe Ihnen eine ehrliche Rückmeldung über das gegeben, was die Leute zu Ihren Äußerungen sagen. Das wollte ich Ihnen nicht schuldig bleiben, wenn Sie uns hier attackieren.

- Herr Kollege Stegner, ich möchte noch einmal entgegnen: Ich habe in Eutin Polizeibeamten gegenübergesessen, die die Defizite, die wir in einer Anfrage, öffentlichen Stellungnahme oder auch im Ausschuss transportiert haben, beschrieben und gefragt haben: Was macht die Landespolitik, um uns in die Lage zu versetzen, mit solchen erhöhten Herausforderungen fertig zu werden?

(Beifall FDP und CDU)

Hinsichtlich der Ausrüstungsfragen stimmen wir den ersten Spiegelstrichen im CDU-Antrag zu. Man kann im Ausschuss sicherlich darüber diskutieren, welche weiteren Punkte oder Konkretisierungen sinnvoll wären, aber im Grundsatz ist das, was in den ersten vier Spiegelstrichen im CDU-Antrag angeregt wird, aus unserer Sicht vernünftig.

Nicht vernünftig ist - das wird Sie nicht überraschen - die Vorratsdatenspeicherung. Es ist nicht sinnvoll, eine anlasslose, massenhafte Speicherung von Vorratsdaten einzuführen. Das ist ein tiefer Eingriff in die Bürgerrechte für alle, und sie ist nicht sachdienlich. Es ist bereits gesagt worden, dass eine Vorratsdatenspeicherung, die in Frankreich seit vielen Jahren rechtlich abgesichert ist, den Franzosen nicht geholfen hat, konkrete Anschläge zu verhindern. Die Datenerfassung und -auswertung würde einen Personalbedarf generieren, Personal würde beansprucht, das sonst für konkrete Ermittlungsaufgaben zur Verfügung stünde. Auch das ist ein Ablehnungsgrund.

Solche Forderungen sind nach meiner Auffassung vielfach ein billiges Alibi zur Ablenkung, dass die eigentlich notwendigen Maßnahmen, eine bessere personelle und sächliche Ausstattung der Polizei und der Nachrichtendienste nicht nur in Deutschland, sondern zum Teil auch in anderen Ländern, fehlen.

Der Gesetzentwurf zur Schaffung eines gemeinsamen norddeutschen Telekommunikations-Überwachungszentrums wird von uns auch deshalb abgelehnt, weil das TKÜ-Zentrum für eine Vorratsdatenspeicherung genutzt werden kann. Andere Partnerländer - es soll ja ein Fünf-Länder-Projekt sein behalten sich dies ausdrücklich vor, weshalb die Unterstützung für solche Aufgaben auch im Staats

vertrag abgebildet wird, der für alle Partner einen identischen Text vorsieht. Insofern ist die Aussage der schleswig-holsteinischen Landesregierung, Verkehrsdatenabfragen sollten nicht erhoben werden, aus unserer Sicht nicht hinreichend. Diese Entscheidung könnte nämlich jederzeit einkassiert werden, ohne dass der Landtag noch einmal zu beteiligen wäre.

Der Antrag der Koalitionsfraktionen enthält gleichermaßen Teile, die wir für richtig halten, und andere, die nach unserer Auffassung nicht ausreichen. Die Ablehnung einer Wachpolizei ist nach unserer Auffassung sehr notwendig und richtig. Mit einer Kurzausbildung kann man für anspruchsvolle Polizeiaufgaben niemanden einsetzen. Polizei ist eine hoch anspruchsvolle Tätigkeit, die eine anspruchsvolle Ausbildung erfordert.

Ceterum Censeo: Was fehlt, ist die Forderung nach dem Aufbau einer zweiten Einsatzhundertschaft. Das bleibt das Ziel der FDP, weil nur auf diesem Weg unsere Landespolizei auch personell in die Lage versetzt wird, den gestiegenen Herausforderungen Rechnung tragen zu können. - Danke schön.

(Beifall FDP und vereinzelt CDU)

Herr Abgeordneter, darf ich Ihre Ausführungen, die Sie gerade gemacht haben, dahin gehend verstehen, dass Sie für beide zuletzt genannten Anträge Ausschussüberweisung beantragen? Ja?

(Zuruf Dr. Ekkehard Klug [FDP])

- Genau, danke schön.

Dann hat jetzt für die Fraktion der PIRATEN der Abgeordnete Patrick Breyer das Wort.

Frau Präsidentin! Verehrte Damen und Herren! Auch uns PIRATEN ist wichtig, dass die Polizei sowohl personell als auch hinsichtlich ihrer Ausrüstung sachgerecht ausgestattet wird. Gerade weil die Polizei eine so wichtige Aufgabe hat, dürfen aber keine Mittel und Kapazitäten verschwendet werden, die nicht gebraucht werden oder die einen völlig unverhältnismäßig geringen Nutzen haben. Dazu zählen Mittel wie die Einrichtung von Gefahrengebieten für verdachtslose Kontrollen, bei denen noch nie etwas herausgekommen ist; dazu zählen Mittel wie die Vorratsdatenspeicherung, die nichts verhindert oder aufklärt; und dazu zählen auch Mit

(Dr. Ekkehard Klug)

tel wie die jetzt geplanten Bodycams für Polizeibeamte.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, es gibt keinen Grund, in eine Hysterie angesichts von Terroranschlägen zu verfallen. Schleswig-Holstein ist ein sicheres Land, und da dürfen unsere Bürger auch nicht verunsichert werden.

Umso erstaunlicher ist es, dass diese Koalition die Telekommunikations- und Internetüberwachung zunächst durch den Verfassungsschutz aufgerüstet hat und es jetzt mit einem Telekommunikationsüberwachungszentrum der Polizei der norddeutschen Länder weiter tun will. Herr Innenminister, dass dieses Überwachungszentrum irgendeinen Beitrag für die Sicherheit der Bürger leisten könnte, ist doch eine bloße Behauptung. Dafür haben Sie nichts vorgebracht. Es gibt keinen Beleg dafür, dass es irgendwelche Defizite in der Telekommunikationsüberwachung bei uns gäbe. Dass gar zusätzliche Mittel freigesetzt würden, ist doch in Anbetracht der Millionenkosten, die dieses Rechenzentrum zu verschlingen droht, wirklich eine Irreführung der Öffentlichkeit.

(Beifall PIRATEN)

Der Landesrechnungshof hat zu Recht darauf hingewiesen, dass eine nachvollziehbare Kostenrechnung hier überhaupt nicht vorgelegt worden ist.

Dieser Staatsvertrag ist ein Blankoscheck, ein kontrollierter Kontrollverlust des Parlaments sozusagen, denn die wesentlichen Entscheidungen bezüglich dieses Zentrums - was darf eigentlich überwacht werden, mit welchen Mitteln darf überwacht werden, wie sollen der Datenschutz und die IT-Sicherheit geregelt werden, welche Überwachungsunternehmen und welche Überwachungssoftware dürfen eingesetzt werden, welche Überwachungstechnologie wird selbst entwickelt -, all diese Fragen soll die Exekutive ohne parlamentarische Zustimmung und zum Teil sogar ohne Vetorecht unseres Landes treffen. Wohin das führt, zeigt die Beanstandung von 44 Datenschutzverstößen an einer gemeinsam genutzten Telekommunikationsüberwachungsanlage durch die niedersächsische Datenschutzbeauftragte - übrigens eine Mängelliste, die uns vorenthalten und nicht einmal zur vertraulichen Einsicht zur Verfügung gestellt wird.

Auch ob dieses Überwachungszentrum einen Computer-Trojaner entwickelt, um zum Beispiel Quellentelekommunikationsüberwachung durchzuführen, auch das soll nicht öffentlich und am Parlament vorbei entschieden werden.

Und damit nicht genug: Auch die öffentliche Kontrolle wird doch ausgehebelt, wenn alle Entscheidungen als Verschlusssache eingestuft werden. Und das sei durchaus beabsichtigt, sagt das Innenministerium. Meine sehr verehrten Damen und Herren, selbst wenn die Beamten in Niedersachsen gegen eindeutige Anweisungen aus Schleswig-Holstein verstoßen, selbst dann dürfen nicht wir entscheiden, ob sie zur Verantwortung gezogen werden, sondern allein das Land Niedersachsen. Wir haben gesehen: Im Bereich Fracking hat das niedersächsische Bergamt gegen ausdrückliche Anweisungen aus dem Umweltministerium verstoßen. - Folgen: null! Und deswegen ist es der falsche Weg, hier eine weitere gemeinsame Überwachungseinrichtung aufzubauen.

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Bemerkung des Abgeordneten Peters?

Herr Peters, bitte.

Ich höre Ihre Ausführungen mit Interesse. Das alles hätten wir in einer Innen- und Rechtsausschusssitzung - ich glaube, es war die vorletzte - mit einem Beamten aus Niedersachsen besprechen können. Der ist extra auf Ihren Wunsch zu dieser Sitzung eingeladen worden und angereist. Der Einzige, der nicht da war, war der Kollege Dr. Breyer. Der Vertreter hatte dann keine einzige Frage. Ich muss Ihnen sagen: Das war einer der peinlichsten Momente, die ich im Innen- und Rechtsausschuss erlebt habe, dass wir da extra einen hochdotierten Polizeibeamten heranzitieren und dann nicht eine einzige Frage, die in Ihrem Zusammenhang ja durchaus interessant gewesen wäre, gestellt wurde. - Wie erklären Sie sich das?

(Beifall Barbara Ostmeier [CDU] und Lars Harms [SSW])

Das ist falsch, Herr Peters. Es ist falsch. Wir haben nicht darum gebeten, dass irgendwelche Beamten aus Niedersachsen herzitiert werden, sondern wir

(Dr. Patrick Breyer)

haben darum gebeten, dass wir Einsicht erhalten, zum Beispiel in die Liste der Datenschutzverstöße. Das ist schriftlich abgelehnt worden. Da bedarf es keiner Befragung. Und wir haben auch schriftlich die Antwort bekommen, dass über Disziplinarverfahren allein das Land Niedersachsen entscheidet. Auch da besteht keinerlei Klärungsbedarf. Das stand von vornherein fest. Sie gehen einfach über diesen Punkt hinweg. Daran ändert keine Anhörung etwas.

Die Folge dieses Überwachungszentrums, wenn es denn Überwachung erleichtert und effizienter macht, wie man sagt, wird doch ganz klar sein: noch mehr Telekommunikationsüberwachung, noch mehr Internetüberwachung. Und wir wissen alle, dass die Zahlen sowieso schon explodieren. Seit Jahren nimmt die Überwachung immer stärker zu.

Statt noch genauer erforschen zu wollen, wie der Bürger besser durchleuchtet werden kann, sollte Schleswig-Holstein ein Freiheitspaket beschließen und unnötige, exzessive Überwachungsgesetze der Vergangenheit wieder abschaffen und nicht, wie es hier mit diesem Staatsvertrag geplant ist, eine Blackbox mit Blankoscheck verabschieden. Dazu sagen wir PIRATEN ganz klar Nein. Ich freue mich, dass sich inzwischen auch die Kolleginnen und Kollegen von der FDP zu einer Ablehnung durchgerungen haben.

Zu dem Antrag der CDU-Fraktion hat Burkhard Peters das Nötige gesagt.

Zu dem Antrag der Koalitionsfraktionen, wenn er in der Sache zur Abstimmung kommt, bitte ich, den ersten Punkt separat abzustimmen. Dem können wir zustimmen, auch der Ablehnung von Hilfspolizeibeamten, nicht aber der restlichen Lobhudelei in diesem Antrag.

(Beifall PIRATEN)

Für die Kolleginnen und Kollegen des SSW hat nun der Abgeordnete Lars Harms das Wort.