Protokoll der Sitzung vom 22.07.2016

- Ich gebe das Abstimmungsergebnis bekannt. Dem Gesetzentwurf Drucksache 18/4270 haben 21 Abgeordnete zugestimmt, 44 haben ihn abgelehnt. Damit ist der Gesetzentwurf abgelehnt.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 27 auf:

Medienkompetenzförderung in Schleswig-Holstein sichern - Rundfunkbeitrag stabil halten

Antrag der Fraktion der PIRATEN Drucksache 18/4316

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Dann erhält für die Piratenfraktion der Abgeordnete Sven Krumbeck das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Kennen Sie zufällig das Projekt „Eltern-Medien-Lotsen“, das unter maßgeblicher Beteiligung des Offenen Kanals Schleswig-Holstein durchgeführt wird? Wie man schon hört, handelt es sich um ein Projekt, das sich hauptsächlich an Eltern richtet. Wie Sie vermutlich wissen, trifft das auf mich nicht zu, aber doch auf viele von Ihnen. Darum möchte ich Ihnen davon kurz erzählen.

In dem Projekt werden Eltern zu sogenannten Medienlotsen ausgebildet. Diese gehen dann als Multiplikatoren wieder an die Schulen oder zu Elternabenden und geben ihr Wissen weiter. Wie machen sie das? - Indem sie Antworten auf Fragen geben und teilweise helfen, die richtigen Fragen erst einmal zu stellen. Ich möchte Ihnen einige Beispiele geben. Wie nutzt mein Kind das Internet? Was macht mein Kind im Internet? Wie lange ist mein Kind im Internet? Wie lange sollte mein Kind im Internet sein? Was ist Counter-Strike? Was ist Twitter? Was ist Snapchat? Wie sollte man mit Online-Mobbing umgehen? In welchem Alter sollte ich meinen Kindern welche Apps erlauben?

(Beate Raudies [SPD]: Ganz spät! - Zurufe SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Kann oder sollte ich meinen Kindern überhaupt Apps verbieten? - Sie merken schon: Das alles sind Fragen, die Eltern beschäftigen und die ihnen auch Sorgen bereiten, und zwar häufig nicht aus prinzipieller Ablehnung gegenüber modernen Medien, sondern aus Unsicherheit. Das ist auch völlig verständlich, wenn man bedenkt, dass ich selbst inzwischen Mühe habe, die neuesten Trends zu erkennen und sie vor allem zu verstehen.

(Rasmus Andresen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was?)

- Ich habe keinen Snapchat-Account, Rasmus. Deswegen sind Projekte wie „Eltern-Medien-Lotsen“ so wichtig.

(Peter Eichstädt [SPD]: Pokémon Go!)

Die Lotsen helfen. Sie beraten. Sie geben Orientierung. Sie sind in der Regel selbst Eltern und wissen genau, vermutlich genauer als jedes Ministerium, wo die Eltern vor Ort der Schuh drückt. Man könnte dies auch als bürgernah im besten Sinne bezeichnen.

(Beifall PIRATEN)

Sie alle können erkennen, wie wertvoll und wichtig Projekte wie die „Eltern-Medien-Lotsen“ sind. Diese Projekte sind zurzeit in Gefahr, weil die Finanzierung wegzubrechen droht. Denn bald gibt es den sechsten Medienänderungsstaatsvertrag. Darin ist vorgesehen, die Medienkompetenzförderung der Medienanstalt Hamburg/Schleswig-Holstein von einer Muss-Aufgabe in eine Kann-Aufgabe umzuwandeln.

(Beate Raudies [SPD]: Aha!)

Im Klartext: Fehlende Verpflichtungen plus weniger Geld - damit ist die Einstellung der Medien

kompetenzförderung praktisch sicher oder todsicher, wenn Sie das so wollen. Die Medienanstalt Hamburg/Schleswig-Holstein wäre somit die einzige Landesmedienanstalt, die keine direkte Medienkompetenzförderung mehr leistet.

Nun wissen Sie so gut wie ich, dass mit dem Medienänderungsstaatsvertrag noch ganz andere Sachen auf uns zukommen. Ich sage nur: Wegfall der Anbieterabgabe. Wir werden es in Zukunft schwer genug haben, unsere Medienanstalt zu finanzieren, und nicht nur die. Die Filmförderung und die Filmwerkstatt sind davon genauso betroffen, wie es der Offene Kanal ist. Die Beibehaltung des derzeitigen Beitragsniveaus wäre ein kleiner erster Schritt, die Finanzierung zu sichern.

(Beifall PIRATEN)

Darum bitte ich die Landesregierung, sich im Rahmen der Ministerkonferenz dafür starkzumachen, dass der Rundfunkbeitrag nicht gesenkt wird. Ich habe schon vereinzelt gehört, dass das Bildungsministerium sowieso Medienkompetenz fördern wird und die Schulen diese Aufgabe erfüllen, das kann ich so nicht unterschreiben. Wir alle wissen um die prekäre Unterrichtsversorgung. Ich möchte noch einmal darauf hinweisen: Digitales Lernen ist nicht gleichbedeutend mit Medienkompetenztraining. Ein Laptop, ein Tablet oder ein Smartphone in die Hand zu nehmen, stellt einen nicht zu unterschätzenden Unterschied zu souveräner und kompetenter Nutzung dar.

Der Vorschlag, den Rundfunkbeitrag nicht zu senken, ist nicht besonders populär. Das ist mir klar. Auch wir PIRATEN haben eine kritische, wenn auch nicht ablehnende Haltung dem öffentlichrechtlichen Rundfunk gegenüber. Aber in diesem Fall spricht noch ein weiteres Argument dafür. Sie kennen vermutlich die Schätzung der KEF, dass wir bei einer jetzigen Senkung den Beitrag spätestens 2019 massiv erhöhen müssten. Das ist auch nicht im Sinne des Erfinders, zumal der Aufschrei über den teuren öffentlich-rechtlichen Rundfunk dann wieder groß sein wird.

(Beifall PIRATEN)

Also: Ersparen wir uns doch diese Wählertäuschung.

(Lachen Beate Raudies [SPD])

Halten wir den Beitrag stabil und vermeiden das Rauf und Runter der Beiträge. Denn wenn wir die Beiträge nach dem Motto: „Einen Schritt runter und zwei Schritte rauf“, festsetzen, wird es draußen im Land erst recht niemand verstehen. - Vielen Dank.

(Sven Krumbeck)

(Beifall PIRATEN)

Für die CDU-Fraktion hat der Herr Abgeordnete Dr. Axel Bernstein das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Kollegen von den PIRATEN! In der Rede hat der Kollege Krumbeck gerade zwei Themen angesprochen, die es allemal wert sind, diskutiert zu werden: die Frage, wie es mit der Medienkompetenzförderung weitergeht, und die Frage, wie wir uns zur Höhe des Rundfunkbeitrags einlassen wollen. Beides sind wichtige Themen, allerdings haben beide Themen keinen unmittelbaren Zusammenhang zueinander, anders als es der Antrag suggeriert.

Zunächst möchte ich ein paar Worte zur Medienkompetenzförderung sagen. Die Beispiele, die Sie genannt haben, sind sicherlich richtig. Man kann das beliebig erweitern, was den Umgang junger Menschen sowie von Bürgerinnen und Bürgern mit dem Internet angeht und was den Umgang mit sozialen Netzwerken angeht. Die Frage stellt sich: Was gebe ich preis, und was gebe ich besser nicht preis? Wie gehe ich mit Informationen um?

Aus politischer Sicht finde ich insbesondere das Thema Auffindbarkeit besonders bedeutsam, sodass wir immer unter dem Gesichtspunkt diskutieren sollten: Wie können wir sicherstellen, dass in neuen Medien Qualitätsjournalismus auffindbar bleibt? Das ist zunächst einmal eine technische Fragestellung, wird aber auch zu einer Fragestellung der Medienkompetenz. Denn im Moment haben wir es noch mit einer Generation zu tun, für die vielleicht die „Tagesschau“ und bestimmte Printmedien einen gewissen Ruf als qualitätsjournalistische Medien haben.

Wenn man sich aber anschaut, wie sich gerade die jüngste Generation informiert und woher sie ihre Informationen nimmt und wie sie sie gewichtet, können wir nicht davon ausgehen, dass sich dieser Zustand beliebig in die Zukunft fortsetzen wird. Qualitätsjournalismus wird mit allem möglichen anderen - ich sage das einmal bewusst - „Kram“, der im Internet und in den sozialen Netzwerken zu finden ist, gleichwertig wahrgenommen werden. Eine zentrale Aufgabe der Medienkompetenz ist es, deutlich zu machen: Woher kann ich welche Information in welcher Qualität bekommen?

Deswegen ist es wichtig, darauf hinzuweisen, dass wir bei der Medienkompetenz eher mehr als weniger machen müssen. Deswegen ist es auch wichtig, darauf hinzuweisen, dass es gut wäre, dass die Medienanstalt in diesem Bereich weiterhin tätig ist.

Wenn wir uns anschauen, welche Reduzierungen bei der Medienanstalt ins Haus stehen, von denen etwa ein Drittel auf Schleswig-Holstein entfallen werden, ist die Sorge auch nicht ganz von der Hand zu weisen, ob das, was die Medienanstalt im Bereich der Medienkompetenzförderung macht, bei einer Kann-Bestimmung eventuell leiden würde.

Aber an dieser Stelle den Zusammenhang mit dem Rundfunkbeitrag herzustellen, halte ich nicht für gerechtfertigt. Denn die Höhe des Rundfunkbeitrages bemisst sich zunächst einmal an dem, was die KEF ermittelt. Wir haben uns als CDU-Fraktion sehr frühzeitig sehr deutlich positioniert und haben gesagt: Wenn es so sein sollte, dass mit der Einführung der Rundfunkabgabe Mehreinnahmen erzielt werden, müssen die nach einer Information auch an die Beitragszahler zurückgegeben werden, es sei denn, wir finden bestimmte Punkte, beispielsweise den Umgang mit kleinen und mittelständischen Unternehmen, wo wir noch Verbesserungsbedarf sehen. Diese Position vertreten wir nach wie vor.

Die Frage, was wir im Bereich der Medienkompetenzförderung tun, ist in meinen Augen zunächst einmal eine Aufgabe, die wir im Landtag unabhängig von der Aufgabe des Rundfunkbeitrages zu entscheiden haben. Es wäre sicherlich klug gewesen, in dem Staatsvertrag, in dem es auch um unsere Medienanstalt geht, dafür zu sorgen, dass bei gleichbleibenden oder sinkenden Mitteln keine zusätzlichen unnötigen Aufgaben dazukommen wie die Totgeburt lokales Radio.

Davon aber einmal ganz abgesehen, ist es eine Frage, die wir als Haushaltsgesetzgeber beantworten müssen, in welchem Umfang wir die Notwendigkeit sehen, mehr in diesem Bereich zu tun. Wenn ich mir anschaue, dass der Offene Kanal, der nach dem jetzigen Stand der Beratungen mit deutlichen Einschnitten zu rechnen hat und einer der wesentlichen Träger der Medienkompetenzförderung und Multiplikatorenschulung ist, anstrebt, sein Engagement in diesem Bereich trotzdem stabil zu halten, ist das eine gute Nachricht, zeigt aber, dass das die Bereiche sind, in denen wir überlegen müssen, wie wir mehr tun und dafür sorgen können, dass die notwendigen Mittel, die für Medienkompetenzförderung nötig sind, aus Landesgeld tatsächlich zur Verfügung gestellt werden. - Vielen Dank.

(Sven Krumbeck)

(Vereinzelter Beifall CDU)

Für die SPD-Fraktion hat Herr Abgeordneter Peter Eichstädt das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wo ist der Kollege Bernstein? - Ich bin positiv überrascht von Ihrer Rede; das deckt sich in wesentlichen Punkten mit unserer Einschätzung. Auch ich meine, dass der Antrag der PIRATEN in der Tat etwas speziell ist. Denn das Anliegen, die Medienkompetenz in Schleswig-Holstein zu fördern, finden wir nicht im Antrag, sondern erst in der Begründung. Das ist ungewöhnlich. Im eigentlichen Antrag wird gefordert, den Rundfunkbeitrag in der nächsten Beitragsperiode nicht um 0,30 € abzusenken. Auch wir halten eine Absenkung nicht für sinnvoll, denn dann würde bei der nächsten Beitragsrunde vermutlich eine kaum zu vermittelnde Erhöhung von mehr als 1 € anstehen.

(Beifall PIRATEN und Rasmus Andresen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Allerdings mache ich mir gerade Gedanken, wenn wir im Bundesgebiet die ausbleibende Absenkung damit begründen, dass in Schleswig-Holstein bei der MA HSH weiter Medienkompetenzförderung gemacht werden soll. Das stelle ich mir ein bisschen schwierig vor; damit würden wir zur Lachnummer in der Bundesrepublik werden.

Allerdings geht es bei der laufenden Runde noch um andere Dinge, wie zum Beispiel einen teilweisen Verzicht auf Werbung, was Einfluss auf die Beitragshöhe haben wird. Das ist von den Ländern einstimmig auszutarieren. Wir werden Ihrem Antrag deshalb nicht zustimmen, sondern setzen auf die sachgerechten Beratungen der Ministerpräsidenten.

Richtig ist: Eine Absenkung hätte auch Auswirkungen auf die Finanzierung der MA HSH, aber nicht nur auf diese - das haben Sie auch gestreift, Herr Kollege -, und nicht nur auf die Förderung von Medienkompetenz. Der Offene Kanal wäre genauso betroffen wie die Filmförderung, das Bredow-Institut, der TIDE-Kanal und einige andere mehr. Hier muss, wenn Einnahmen wegfallen, ein Ausgleich gefunden werden. Im Klartext heißt das: Wer die Medienkompetenzförderung bei der MA HSH unverändert lassen will, muss dann zum Beispiel beim Offenen Kanal kürzen.

Klar muss auch sein: Das Land Schleswig-Holstein streicht keine Mittel, sondern es entfallen Einnahmen, auf die die Länder keinen direkten Einfluss haben. Insofern bin ich nicht ganz zufrieden mit der heutigen Presseerklärung der MA HSH, in der der Eindruck vermittelt wird, als wenn von uns Gelder gestrichen würden. Das ist nicht richtig. Sie entfallen. Ich gehe in dem Zusammenhang gleich noch auf einen anderen Punkt ein. Da die MA HSH Medienkompetenzförderung und -vermittlung betreibt, gehe ich davon aus, dass diese kleine Flunkerei von den Menschen festgestellt wird.

Es geht nicht nur um Einnahmeverluste aus dem Rundfunkbeitrag. Bedeutender ist der Wegfall der Rundfunkabgabe. Sie ist bisher von regionalen privaten Sendern an die MA HSH abzuführen. Sie entfällt aber, weil sie ihre Grundlage durch die Einführung des bundesweiten Standards DVB-T2 verliert. Dadurch gehen jährlich 900.000 € verloren, um einmal die Größenordnung gegenüber dem Effekt aufzuzeigen, den eine Absenkung des Beitrags hätte.

Damit sind wir bei der eigentlichen Frage: Wie können wir die zunehmend komplexer und wichtiger werdende Medienkompetenzförderung in Schleswig-Holstein als umfassendes, möglichst flächendeckendes Angebot unabhängig von der Entwicklung der genannten Einnahmequellen ausgestalten?

Die MA HSH hat in der Vergangenheit für Hamburg und auch Schleswig-Holstein eine ganze Reihe von Projekten durchgeführt - Sie haben einige genannt -, die sicher sinnvoll und notwendig waren, aber es sind eben überwiegend Projekte, es fehlt ein zusammenhängendes Angebot in unserem Land.

Angesichts der zwangsläufig notwendigen Neujustierung der Medienkompetenzförderung brauchen wir eine Zäsur. Wir prüfen daher, ob die Aufgabe der Medienkompetenzförderung für Kinder, Jugendliche, ältere Menschen mehr als bisher in möglichst großer Breite in Landesregie bestmöglich wahrgenommen werden kann. Damit könnte sich die MA HSH stärker auf die pflichtigen Aufgaben wie die Überwachung der privaten Rundfunk- und Fernsehanstalten und ihrer Programme und die Frequenzvergabe in unserem Land konzentrieren.