Protokoll der Sitzung vom 22.09.2016

nicht alles an die Träger? Warum nicht alles an die Eltern? Ich will Ihnen sagen, warum:

Uns geht es nicht in erster Linie um die oder den, sondern uns geht es in erster Linie um die Kinder in Schleswig-Holstein. Deswegen machten wir diese Politik. Es geht um Bildungs- und Lebenschancen; deswegen machen wir das.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Insofern werden wir diesen Dreiklang fortsetzen; denn wir sind davon überzeugt. Es besteht auch Handlungsbedarf. Wir halten es nicht für nachvollziehbar, dass die Elternbeiträge in Schleswig-Holstein überdurchschnittlich hoch sind und noch dazu regional sehr unterschiedlich. Wir werden an der Transparenz zu arbeiten haben. Das ist ja ein Dschungel. Doch dafür brauchen wir Kommunen und Träger, um die Unterschiedlichkeit der Verträge zu durchdringen. Manches ist nicht vergleichbar. In mancher kleinen Kommune gilt: drei Kitas, drei Verträge, drei Welten. Das ist keine gute Lösung. Deshalb unterstützen wir unsere Sozialministerin Kristin Alheit bei dem Versuch, Licht in den Dschungel der Kita-Finanzierung zu bringen.

Wir werden zweitens sicherstellen, dass die Kommunen die notwendigen Hilfen erhalten. Wir sind und bleiben gesprächsbereit. Bei CDU und FDP bleibt ja immer nur der Weg vors Gericht. Wir wollen uns lieber politisch einigen und nicht den Weg gehen, den Sie in der letzten Legislaturperiode gewählt haben.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Wir wollen ferner, dass sich die Kitas weiter kontinuierlich entwickeln können. Ihre Qualität muss steigen. Wir wollen interessante Modelle für die Betreuung unserer Kinder und Enkel erarbeiten.

Und ja, es bleibt dabei: Unser Ziel muss einfach sein, die Eltern von den hohen Gebühren zu entlasten.

Aber eines ist doch sehr klar, Herr Kollege Günther, und darüber bin ich auch sehr dankbar, wie ich hier ausdrücklich sagen möchte. Die Menschen wissen ganz genau: Wir werden das machen. Die CDU aber will den Eltern das Geld wieder wegnehmen. SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW werden sicherstellen, dass das in diesem Lande nicht passiert. Das ist der Unterschied.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

(Dr. Ralf Stegner)

Auf uns ist Verlass: Wir reden nicht nur von Gebührenfreiheit, sondern wir schaffen den Einstieg. Das ist für uns nicht verhandelbar. Es wird einer der großen Entscheidungspunkte bei der Landtagswahl sein.

Ich bin froh, dass Sie Eltern und Großeltern helfen, ihnen die Entscheidung, wen sie wählen wollen, ein bisschen zu erleichtern. Ich halte das auch deswegen für verdienstvoll, weil viele sagen: „Die da oben sind alle gleich. Man muss also die Rechtspopulisten wählen.“ Das muss man in Schleswig-Holstein wirklich nicht. Die Konservativen und die Liberalen sind dafür, den Eltern das Geld wieder wegzunehmen. SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW dagegen wollen Qualität, Hilfen für die Kommunen und die Familien entlasten. Das ist der Unterschied. Darüber führen wir miteinander Wahlkampf. Es ist super in einer Demokratie, wenn man solche Unterschiede hat.

Ich füge hinzu: Der Begriff „Wahlgeschenk“, den Sie verwenden, ist interessant. Wir tun das, was wir versprochen haben. Sie mögen das nennen, wie Sie wollen. Ich würde das Berechenbarkeit und Verlässlichkeit nennen - versprochen, gehalten. Aber es wirft ja ein Licht auf Ihre Ankündigung, dass Sie alles anders machen wollen als in der Zeit, als Sie regiert haben. Also Wahlgeschenke dieser Art im Sinne von Glaubwürdigkeit gibt es von der Union nicht. Das ist in Ordnung. Sie werden allerdings auch keine Gelegenheit haben, das durchzusetzen. Denn um das durchzusetzen, muss man in der Regierung sein.

In diesem Sinne gehen wir heute einen guten Schritt für die Eltern in Schleswig-Holstein. Dies ist ein guter Tag für die Kinder, weil die frühkindliche Bildung in den Mittelpunkt rückt. Der Dreiklang heißt: Hilfen für die Kommunen, mehr Qualität und Hilfen für die Familien. - Vielen herzlichen Dank. Das ist ein toller Tag für Schleswig-Holstein.

(Lebhafter Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erteile ich nun der Frau Kollegin Anke Erdmann das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Als ich vor ungefähr zehn Jahren einen Betreuungsplatz für meinen kleinen Sohn gesucht habe, da hieß es

auf dem Spielplatz: „Viel Glück in der Betreuungslotterie.“ Damals war es Privatsache, heute gibt es einen Rechtsanspruch, und das ist wirklich richtig gut. Wer sagt, Politik ändere nichts, der kann an dieser Sache feststellen: In der Krippenbetreuung gab es einen richtigen Sprung nach vorne, fraktionsübergreifend geeint. Das ist doch gut.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Es gibt einen Rechtsanspruch. Aber ich frage mal: Was hilft Eltern ein Rechtsanspruch, wenn sie den Krippenplatz überhaupt nicht bezahlen können? Das ist doch genau die Frage. Die Frage, Herr Günther, ist doch die: Wie kommt die Hilfe bei Eltern am wirksamsten an?

Nachdem wir zur Entlastung von Kommunen und für mehr Qualität ein 100-Millionen-€-Paket geschnürt haben, sind heute mal die Eltern dran.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Darüber haben wir ja schon mehrere Debatten geführt. Bei der Quantität im U3-Ausbau ist Schleswig-Holstein vorneweg unter den westdeutschen kleinen Flächenländern. Bei der Qualität sind wir im Mittelfeld, und bei den Elternbeiträgen ist Schleswig-Holstein fast so schlecht wie Mecklenburg-Vorpommern. Ich frage Sie wirklich: Wer möchte sich in diesen Tagen mit Mecklenburg-Vorpommern vergleichen? - Ich ungern.

(Christopher Vogt [FDP]: Sie müssen doch nur die Kitas vergleichen! - Heiterkeit)

Sie müssen sich diesen Bereich ansehen. Wir haben also ein riesiges Milliardeninfrastrukturpaket und ein ewiges Infrastrukturprojekt. Ehrlich gesagt, wundert es mich nicht, Herr Günther - ich habe an der Anhörung ja teilgenommen -, dass die Kommunen natürlich sagen: „Wir können die 23 Millionen € gut gebrauchen.“ Das verstehe ich. Wir stehen ja alle in Kontakt mit Bürgermeistern, einige ja auch schon beim Frühstück.

(Heiterkeit)

Das ist also nachvollziehbar.

Es ist auch klar, dass die Kita-Träger sagen: „Wir können die 23 Millionen € gut gebrauchen.“ Es ist doch kein Wunder, dass im Jahre vier nach Inkrafttreten des Rechtsanspruchs noch nicht alle sagen: „Bei diesem Milliardenprojekt ist die Finanzierung auskömmlich und wunderbar.“ Das ist doch kein Wunder. Deswegen können wir verstehen, wenn die Leute sagen: „Wir hätten das Geld auch gern.“

(Dr. Ralf Stegner)

Aber heute sind nach den 100 Millionen €, die wir vorher zur Verfügung gestellt haben, die Eltern dran.

Ich komme nun zu den Gegenargumenten: „Zuerst die Kommunen!“ Das ist ja ein wichtiges Argument, das ich verstehen kann: zuerst die Kommunen. Deswegen hat diese Landesregierung, hat diese Koalition als allererstes einen Riesenbeschluss gefasst und gesagt: „Wir machen ein 80-Millionen€-Paket für die Kita-Finanzierung der Kommunen. 80 Millionen €!“

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Ich habe jetzt eigentlich auf den Zwischenruf des sexualkundepolitischen Sprechers der CDU-Fraktion, Herrn Dornquast, gewartet, der nämlich an dieser Stelle im Ausschuss immer sagte: „Aber die Einnahmesituation ist ja auch viel besser.“ Stimmt, Herr Dornquast, die Einnahmesituation ist besser. Aber ich frage mich: Was hat sich eigentlich von April 2012 bis Juni 2016, als nämlich diese Koalition sagte, sie nehme ein 80-Millionen-€-Paket in die Hand, geändert? Meine Damen und Herren, es war nicht die Konjunktur, sondern es war der politische Wille. Der hat dazu geführt.

(Lebhafter Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN, SPD und SSW)

Herr Günther - das habe ich ja gestern auch zum Ausdruck gebracht -, ich war wirklich fassungslos darüber, dass ein gut bezahlter Oppositionsführer, der zudem noch viel Zeit im Bildungsausschuss verbracht hat, nicht gesehen hat, dass die 100-Millionen-€-Aufstockung für Kitas nicht Investitionskosten waren, sondern eine Aufstockung bei den Betriebskosten. Da fehlen mir, ehrlich gesagt, die Worte. Keine Ahnung! Ich kann ja verstehen, dass Sie sagen, 100 Millionen € seien eigentlich unvorstellbar; es sei unvorstellbar, dass wir 100 Millionen € draufgepackt hätten. Denn was haben Sie gemacht? Als die Kommunen 2012 sagten, sie kämen mit dem Krippenausbau nicht klar, da hat das Kabinett Carstensen mit den regierungstragenden Fraktionen gesagt: „Ihr kommt mit dem Krippenausbau nicht klar? Das schert uns doch nicht. Ihr kriegt keinen einzigen Cent. Ihr könnt uns ja verklagen.“ Das ist Ihre Politik für Kommunen, und das ist Ihre Politik für Qualität.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Zugestanden: Sie haben den Deckel für die Ü-3-Betreuung angehoben. Ja, das stimmt. Es waren

10 Millionen €. Woher kamen die? - Aus der Streichung des beitragsfreien Kita-Jahres. Zwei Drittel der Summe wurden in die Konsolidierung gepackt, ein Drittel wurde zur Erhöhung des Deckelbetrags genommen. Sie sind so ahnungslos in diesem Bereich der Finanzierung. Sie spucken hier große Töne. Ich habe gelernt: Wenn man wirklich auf den Putz haut, dann muss man wissen, wovon man redet, und das vermisse ich bei Ihnen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Kommen wir zum nächsten Punkt: „Qualität zuerst!“ Das ist auch ein wichtiger Punkt. Daher sage ich: Nicht nur die Kommunen kommen zuerst, check, auch die Qualität kommt zuerst, check. Was haben wir gemacht? - Frau Kollegin Rathje-Hoffmann und Herrn Günther war dies bis März gar nicht aufgefallen. Sie hatten 23 Millionen € gefordert und gesagt: Mit 23 Millionen € schaffen wir eine komplette Sorgenfreiheit bei den Kommunen, und wir heben noch den Fachkraft-Kind-Schlüssel. Das war ein bisschen putzig. In diesem Jahr haben wir schon Qualitätssteigerungen durch eine Summe von 23 Millionen €. Was zählt dazu? - Dazu zählen die Fachberatung, 100 Familienzentren und viele Dinge, die wir gar nicht versprochen haben, die wir jetzt aber umgesetzt haben, weil das Geld kam.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Was haben wir noch gemacht? - Gucken wir mal kurz: Ja, die Sprachförderung haben wir erhöht. Der größte Punkt aber ist die Erhöhung des FachkraftKind-Schlüssels im Ü3-Bereich. Alle Kommunen sagen: Wir haben erstens ein Problem beim Krippenausbau. Hier gilt die Konnexitätsregelung, die fair ist. Wir haben außerdem im Ü3-Bereich einen starken Zuwachs bei den Ganztagsplätzen.

Frau Rathje-Hoffmann, ich will die Zeit nutzen, denn Sie ziehen durchs Land und sagen: Die Koalition erzählt, es gebe eine Verbesserung im Bereich der Ganztagsbetreuung im Elementarbereich, aber das gelte nur für die achte Stunde. Nein, und ich erkläre es Ihnen. Ich habe noch einmal nachgefragt. Es ist kompliziert, das verstehe ich. Also, es läuft so: Wir fragen: Was ist eine Ganztagsgruppe? - Ganztagsgruppen sind Gruppen, die ein Angebot bereitstellen, das über mehr als sieben Stunden läuft. Wenn man feststellt, das ist eine Ganztagsgruppe, dann gibt es eine halbe zusätzliche Kraft in Form von einer sozialpädagogischen Assistenz. Die Situation ist also nicht nur während der einen Stunde verbessert, sondern im ganzen Bereich.

(Anke Erdmann)

Wie wirkt dies? - Das wirkt ziemlich intelligent: Es ist nämlich eine Qualitätsverbesserung in Bereichen, in denen es noch keine doppelte Besetzung gibt. In den Bereichen, in denen die Kommunen dies schon umsetzen, in denen es eine weitere Kraft in der Ganztagsbetreuung gibt, ist es natürlich eine Entlastung der Kommunen. Ich meine: Besser geht es nicht, oder?

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Herr Günther, das muss ich wirklich sagen: Der Hammer ist, dass Sie diese Kita-Politik öffentlich perfide und schäbig nennen. Wir schnüren ein Paket von 100 Millionen € zusätzlich für die Kommunen. Dass die Kommunen mehr wollen, ist gebongt, das kann ich nachvollziehen. Wir schnüren ein 23-Millionen-€-Paket für die Eltern, und Sie sagen, das sei perfide und schäbig. Sie sagen dann noch: Der Ü3-Deckel damals war festgeschrieben. Darauf bin ich nicht stolz. Aber wir haben gestern gehört, Rot-Grün sei nicht in der Lage, zu sparen. Dazu sage ich: Warum gab es denn damals diese Festschreibung? Die wie ich Älteren unter uns erinnern sich vielleicht noch. Damals gab es einen Einbruch der Steuereinnahmen aufgrund rot-grüner Steuerpolitik. Deswegen musste das Kabinett, unter anderem Claus Möller, sparen. Also ist eine Deckelung eingezogen worden. Man kann ja kritisieren, dass diese Deckelung noch nicht dynamisiert worden ist, aber man muss auch sagen: Dieses Argument ist ein Bumerang. Sie hatten in der Regierungszeit unter Carstensen von 2005 bis 2012 Zeit, das zu ändern. Sie haben das nicht gemacht. Wir haben aber in anderen Bereichen nachgelegt. Wie Sie feststellen können, hat auch der Ü3-Bereich profitiert.

Ein letzter Punkt ist die Frage, ob dies ungerecht ist oder nicht. Auch Herr Breyer hat dies gestern ausgeführt. Ich gehe noch einmal darauf ein. Es war in der Anhörung interessant, denn dort haben Leute gleichzeitig gesagt, 100 € für alle sei ungerecht, die Beitragsfreiheit sei jedoch super. Ich beschreibe das also noch einmal: Wer im Moment nichts für einen Kita-Platz zahlt, der wird auch nicht von den Kita-Gebühren entlastet. Das finde ich fair. Wer 50 € zahlt, der bekommt 50 €. Wer 100 € bezahlt, der bekommt 100 €. Wer aus welchen Gründen auch immer, vielleicht aufgrund eines erhöhten Einkommens, 200, 300 oder mehr Euro als Beitrag für einen Platz zahlt, der bekommt auch 100 €. Ich erinnere mich noch, ich bin damals kurz an einer Beitragsbefreiung vorbeigeschrammt, weil diese dann wieder abgeschafft wurde. Wir zu Hause hätten bei

einer Beitragsfreiheit 250 € mehr gehabt. Das ist eine Progression, die wirkt. Bei uns ist dies gedeckelt. Ich verstehe die Argumente wirklich überhaupt nicht.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)