Protokoll der Sitzung vom 23.09.2016

Das gilt insbesondere für Leute, die sagen, das sei ein „Nacht- und Nebeldekret“ oder es sei „über die Köpfe anderer Leute hinweg entschieden worden“.

Jetzt noch einmal zu dem Punkt Bio. Auch wir haben sowohl bei WiPo als auch bei Bio kritische Zu

(Kai Vogel)

schriften bekommen. In Bio habe ich drei kritische Zuschriften bekommen, aber ich glaube, das Ministerium hat mehr bekommen.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Macht ja auch keinen Sinn, sich an Sie zu wenden!)

Was haben wir also gemacht? - Wir haben beim Ministerium nachgefragt. Beim Ministerium waren auch kritische Stellungnahmen eingegangen, die sind da bewertet worden. Das war möglicherweise einer der Gründe, warum es nachher ein bisschen gedauert hat, weil man sich erst einmal angesehen hat: Müssen wir dafür eigentlich ein Jahr anhalten? Ist das so grundlegend und wirklich bedeutsam oder aber nicht? Ich bin keine Fachdidaktikerin für Bio. Das ist keiner von uns. In diesen Kommissionen sitzen Lehrkräfte. Da saßen wirklich nicht nur „Bürokraten“, wie es zwischendurch hieß - auch das empfinde ich als Diskreditierung -, sondern auch Lehrkräfte, die sich beworben haben. Wenn diese Leute sagen: „Nein, wir glauben, das ist so richtig“, dann weiß ich überhaupt nicht, warum wir hier über diese eine - darum geht es eigentlich nur - Fachanforderung in Bio reden. Ich kann es wirklich nicht nachvollziehen.

Wie gesagt, ich empfehle Ihnen dafür eine Volksinitiative. Wenn das wirklich die größten Probleme sind, die die Opposition in Bezug auf die Schulpolitik sieht,

(Zuruf Wolfgang Kubicki [FDP])

dann ist das vielleicht auch ein gutes Zeichen für die Bildungspolitik. - Vielen Dank.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Für die Piratenfraktion hat Herr Abgeordneter Sven Krumbeck das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Oft kommen die Dinge anders, als man denkt. Lehrpläne fallen in der Regel zum Beispiel nicht vom Himmel, und bis zu einer Lehrplanreform oder bis - wie jetzt - eine Änderung der sogenannten Fachanforderung umgesetzt ist, geht schon mal das eine oder andere Jahr ins Land. Ich denke, dass wir uns alle darüber einig sind, dass eine stete Anpassung der Inhalte, also der Fachanforderungen für die Schulen sein muss. Anders kann es in einer sich rasant entwickelnden und verän

dernden Gesellschaft gar nicht sein, wenn die Schule das Leben und die Lebenswirklichkeit der Schüler abbilden soll.

Die Fachanforderungen sind elementarer Bestandteil des Konzepts zur Verbesserung der Unterrichtsqualität, und sie gehören zu den länderübergreifenden Standards der KMK und die Qualitätssicherung durch Schulleitung und Lehrkräfte vor Ort. Genau hier liegt der kritische Punkt. Die Kritik, die zum Beispiel vom Philologenverband geäußert wird, ist so elementar, dass man aufhorchen muss.

Am 6. September 2016 berichtete der „sh:z“ von überrumpelten Lehrern, weil ihnen das ganze Verfahren zu schnell ging, zu wenig Mitbestimmung stattfand und berechtigte Kritik im Vorfeld offenbar keine Berücksichtigung gefunden hat. Wie das so ist, wies das Bildungsministerium diese Kritik sofort zurück. Es sei doch alles ausdiskutiert, rechtzeitig veröffentlicht und in einem breit angelegten Dialog besprochen worden.

Liebe Kollegen, ich sage es ganz ehrlich und spiele mich hier nicht zum Experten für Lehrplanfragen auf: Ich weiß nicht, wie berechtigt die inhaltliche Kritik ist. Aber ich weiß, dass die sogenannte Dialogkultur dieser Regierung so ausgeprägt ist, dass der Dialogpartner eigentlich immer protestiert und sich zu wenig eingebunden fühlt.

(Beifall PIRATEN, vereinzelt CDU und FDP - Zuruf Anke Erdmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Ich formuliere das bewusst vorsichtig. Wenn mir heute ein Lehrer sagt, das könne so nicht gehen, das Weghören und die Basta-Politik hätten Methode, dann werde ich aus Erfahrung nicht dagegenreden. Das höre ich mir in Ruhe an. Es sind aber auch formelle Gründe, die meine Sympathie für den FDPVorstoß befeuern. Denn darauf, dass die geänderten Inhalte Auswirkungen auf die Materialien haben und diese angepasst werden müssen, wurde zu wenig Rücksicht genommen. Wenn es so ist, wie die Sprecherin des Ministeriums gegenüber der Presse geäußert hat, dass die Arbeit an den Fachanforderungen ein sehr lange währender Prozess war, dann kommt es auf eine weitere kurze Zeitspanne nicht an. Dann sollte man das machen, um vor allem eins zu vermeiden: dass sich der Eindruck des Nichtdialoges weiter verfestigt. Das sollte auch im Interesse der Regierung liegen. Wir stimmen dem Antrag daher zu. - Vielen Dank.

(Beifall PIRATEN, Heike Franzen [CDU] und Anita Klahn [FDP])

(Anke Erdmann)

Für die Abgeordneten des SSW hat Frau Abgeordnete Jette Waldinger-Thiering das Wort.

Sehr geehrter Herr Landtagspräsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Der Antrag fordert das ein, was sowohl der Praxis im IQSH als auch im Ministerium entspricht: Lehrpläne werden diskutiert, gemeinsam besprochen, gegebenenfalls verändert und dann eingeführt. Jeder gut informierte Fachlehrer und jede Fachlehrerin weiß, was im kommenden Schuljahr auf ihn oder sie zukommen wird.

Im vorliegenden Fall geht es um das Fach Biologie. Bereits am 13. Juli 2016 wurden die neuen Fachanforderungen im entsprechenden Nachrichtenblatt vorgestellt, also zwei Wochen vor Beginn der Sommerferien. Nach meinem Dafürhalten bestand damit ausreichend Möglichkeit zur Stellungnahme und fachlichen Wertung. Ich gehe dabei natürlich davon aus, dass Sommerferien keine reine Urlaubszeit sind und auch zur Vorbereitung auf das neue Schuljahr genutzt werden. Aber das ist wohl wieder ein anderes Thema. Hier spreche ich aus Erfahrung.

Doch die antragstellende Fraktion stellt die ausreichende Zeit in der Begründung ihres Antrags in Abrede. Die Fachlehrer seien „viel zu spät in das Verfahren eingebunden“ worden, steht in der Begründung. Wir haben schon gehört: Seit zwei Jahren ist diese Fachanforderung unterwegs. Ich weiß nicht, wie man denn meinen kann, dass zwei Jahre zu wenig Zeit seien. Damit skandalisiert die FDP die Einführung neuer Fachanforderungen. Die Opposition bedient sich damit bekannter Klischees einer abgehobenen Kultusbürokratie, weil sie damit in der Vergangenheit mal einen Treffer erzielen konnte. Das vorliegende Verfahren ist dafür allerdings völlig ungeeignet. Die Fachanforderungen wurden rechtzeitig vorgestellt und zur Stellungnahme vorgelegt. Der Fall passt also überhaupt nicht zur Kritik.

Ministerium, Lehrkräfte und das IQSH ziehen nach meiner Erfahrung an einem Strang. Die Fachleute bringen ihre Unterrichtserfahrung mit und auch die Anforderungen, die die neuen Schulstrukturen an sie stellen. Dieser Prozess läuft nicht unbedingt in der Öffentlichkeit, aber für alle Beteiligten transparent und nachvollziehbar.

(Beifall SSW und Anke Erdmann [BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN])

Ein Moratorium, von der Opposition wie eine Notbremse inszeniert, ist also überhaupt nicht nötig. Der einzige Effekt, den ich sehe, zeigt sich auf der Vertrauensebene. Ein weiteres Mal wird das schleswig-holsteinische Schulsystem schlechtgeredet. Die Zeitungsleserinnen und -leser bekommen einen völlig falschen Eindruck von einem vermeintlichen Chaos. Dabei ist die fachliche Ebene sehr engagiert und äußerst sachkundig. Die Fachleute arbeiten gut und reibungslos zusammen. Das ist, was wirklich zählt. Dafür bedanke ich mich an dieser Stelle recht herzlich.

Gerichtet an Frau Klahn möchte ich sagen: Die Fachanforderungen für WiPo und Geschichte sind nicht automatisch zurückgewiesen worden.

Der SSW lehnt den vorliegenden Antrag ab.

Ich freue mich, wenn uns unsere Ministerin im Bildungsausschuss über den Sachstand der Fachanforderungen informiert. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Weitere Wortmeldungen aus dem Parlament liegen nicht vor. Dann hat jetzt die Landesregierung das Wort. Das Wort hat die Ministerin für Schule und Berufsbildung, Britta Ernst.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit den Fachanforderungen setzen wir die Bildungsstandards der Kulturministerkonferenz um. Das wollen wir zügig erledigen. Ein Moratorium heißt Stillstand bei der Qualitätsentwicklung. Das ist in der Tat mit uns nicht zu machen.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Im Gegenteil, wir sind stolz darauf, dass wir die Hälfte der Fachanforderungen bereits fertig haben. Es ist mit hoher Energie daran gearbeitet worden, und im Übrigen immer mit einem klaren und sehr transparenten Verfahren, das ich gerne auch noch einmal erläutere. Natürlich ist das MSB dabei. Natürlich ist die Studienleitung, das IQSH, dabei. Es sind Lehrkräfte dabei, die auf ein Ausschreibungsverfahren reagieren und sich dort einbringen. Wir setzen von Beginn an - ich weiß nicht, was dagegensprechen soll - fachdidaktische Expertise ein.

Das heißt, wir werben um Professorinnen und Professoren der Fachdidaktik. Wir sind so schlau, sie zu Beginn des Prozesses einzubeziehen,

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

weil wir von ihnen hören wollen, wie wir diese Fachanforderungen besonders gut machen können.

Genauso haben wir es auch gemacht. So ist das Verfahren. Es gibt je nach Fach und Kontroverse, die in den Fächern angelegt wird, unterschiedliche Sichtweisen von Lehrkräften, die wir in den Anhörungen sehen und berücksichtigen. Es hat bei einigen in der Tat etwas mehr Diskussionen gegeben als bei anderen.

Zu Wirtschaft/Politik und Geschichte habe ich sehr viele Zuschriften bekommen. Dort waren die Kontroversen so groß, dass wir gesagt haben, wir nehmen uns noch ein Jahr Zeit. Das ist angemessen. Wir haben das dann auch sehr gut zu Ende gebracht und sehr viele positive Zuschriften bekommen.

Bei Biologie sieht es ein bisschen anders aus. Dort hat es einen etwas lauten Protest, aber nicht von sehr vielen gegeben. Im Übrigen hat es bei den Stellungnahmen eine ganz große Bandbreite der verschiedensten Anregungen der Lehrerschaft, die wir gehört haben, gegeben.

Zum Zeitplan: Wir haben den ersten Entwurf im Februar 2016 ins Netz gestellt. Das ist früh. Wir haben im März und im April Anhörungen mit den Fachschaftsleitungen zu Biologie gemacht. Über 100 Personen haben daran teilgenommen. Das ist auch früh.

(Anke Erdmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Dialog!)

Dann hat es im Kern zwei Forderungen gegeben, bei denen sich die Kritik etwas mehr gehäuft hat. Das eine war, dass man ein Aufgabenfeld der Einführungsstufe der Oberstufe nicht ins Abitur nehmen wollte. Darauf haben wir dann verzichtet.

Der andere Punkt, der kontrovers gewesen ist, betrifft die Frage, ob die Evolutionstheorie die Biologie wie ein roter Faden begleiten sollte. Dazu gibt es eine ganz eindeutige Meinung der Fachdidaktik. Ich zitiere Frau Professorin Harms, die uns begleitet hat. Sie sagt: Die biologische Evolution ist das vereinigende, übergreifende Organisationsprinzip der modernen Biologie.

Der Fachverband MNU, der Deutsche Verein zur Förderung des mathematisch-naturwissenschaftlichen Unterrichts, hat diese Auffassung ausdrück

lich bestätigt und gesagt: Die Evolutionstheorie als roter Faden ist sozusagen die gemeinsame Klammer. - Er hat uns dafür gelobt.

Vor diesem Hintergrund gibt es überhaupt keinen Grund, die Fachanforderungen nicht einzusetzen.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

In der Tat habe ich die eine oder andere Postkarte bekommen von Menschen, die dagegen sind, Evolutionstheorie überhaupt im Biologieunterricht zu verankern. Ich hoffe, dass Sie sich mit diesen Gesinnungsfreunden nicht gemeinmachen. Das ist eine reaktionäre Position, die im Biologieunterricht in Schleswig-Holstein keinen Platz finden soll.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)