Protokoll der Sitzung vom 25.01.2017

(Vereinzelter Beifall CDU und FDP)

An dieser Stelle will die Fraktion der PIRATEN weiter gehende Regelungen, was die Aufbewahrung der Urne beziehungsweise das Ausstreuen der Asche anbelangt. Aber genau hier bleiben viele Fragen offen beziehungsweise sind viele notwendige Regelungen ungeklärt. So bedeutet die private Verwahrung der Urnen beziehungsweise das Verstreuen von Asche auf privatem Gelände fast immer auch den möglichen Ausschluss von Trau

ernden von der Trauerfeier oder der Beisetzung. Aber auch diese haben ein Recht zu trauern und sollten einen Ort dafür finden können. Auch ein Umzug oder ein Verkauf von Privatgrundstücken mit zuvor verstreuter Asche lassen Zweifel an der Praktikabilität und der Sinnhaftigkeit einer derartigen Gesetzeslage zu, so zum Beispiel die kritische Frage einer Trauerbegleiterin in der Anhörung.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, in der Stellungnahme der evangelischen Kirche wird dies noch deutlicher: Uns als Kirche ist es wichtig, dass alle Trauernden die Möglichkeit der Bewältigung ihrer Trauer erhalten.

„Staatliche Aufgabe ist es, die Totenruhe und die Würde der Verstorbenen zu gewährleisten. Friedhöfe oder Friedwälder sind sichtbare, umgrenzte Orte, an denen der pietätvolle Umgang mit den Verstorbenen sichergestellt und dem Gedenken … ein würdiger Rahmen gegeben wird. Eine private Aufbewahrung der Asche stellt dieses nicht sicher.“

- So die Beauftragte für das Land Schleswig-Holstein der evangelisch-lutherischen Kirche in Norddeutschland.

Das ist eine Zusammenfassung, die im Wesentlichen auch von der Arbeitsgemeinschaft der kommunalen Landesverbände, vom Städteverband, vom Landkreistag und vom Gemeindetag SchleswigHolstein mit folgender Feststellung untermauert wird:

„Es wird mit der ‚Ausbringung der Asche‘ nicht nur eine neue Bestattungsart etabliert, sondern in deren Ausgestaltung wird diese Bestattung auch weitestgehend einer staatlichen/öffentlichen Kontrolle entzogen. Eine erforderliche Sicherung der neuen Bestattungsart gegen Missbrauch erfordert zahlreiche Kontrollen, zu denen die Kommunen derzeit weder personell noch finanziell imstande sind.“

Liebe Kolleginnen und Kollegen, meine Fraktion hat nach intensiver Diskussion entschieden, die Abstimmung in dieser Frage nicht einer abschließenden Meinungsbildung der Fraktion zu unterwerfen. Religiöse Neutralität und die Achtung von christlichen und anderen religiösen Überzeugungen stehen für uns dabei nicht im Widerspruch. Atheisten, Agnostiker und zahlreiche Kolleginnen und Kollegen mit unterschiedlicher religiöser Motivation spiegeln die breite Vielfalt in unserer Fraktion wider, die keine Notwendigkeit sieht, dem Verfahren

der Piratenfraktion zur Änderung des Bestattungsgesetzes zu folgen.

Natürlich müssen sich Bestattungsformen und Trauerkultur auch immer an ihre Zeit anpassen. Für uns sind aber eine Individualisierung und eine Privatisierung von Bestattungsflächen und Bestattungsformen ausgeschlossen, denn der Tod ist keine Privatangelegenheit, oder - um es mit einem Zitat von Bertolt Brecht abzuschließen -:

„Der Mensch ist erst wirklich tot, wenn niemand mehr an ihn denkt.“

So Bertolt Brecht und so die Begründung, warum wir Orte des Erinnerns und der Zwiesprache auch mit unseren Verstorbenen brauchen.

Ich lehne den Gesetzesvorstoß der Piratenfraktion ab.

(Beifall SPD, vereinzelt CDU und FDP)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat der Herr Abgeordnete Detlef Matthiessen das Wort.

Frau Präsidentin! Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Der Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Bestattungsgesetzes verfolgt unter anderem zwei wesentliche übergeordnete Ziele: Erstens eine Liberalisierung durch Aufhebung des sogenannten Friedhofzwangs, das heißt, es soll eine Beisetzung auch auf privatem Grund ohne öffentlichen Zugang erfolgen dürfen. Zweitens eine Stärkung des persönlichen Selbstbestimmungsrechts, die Urne soll nach dem Gesetzentwurf auch im privaten Bereich aufbewahrt, die Asche auf privatem Grund verstreut werden dürfen, wenn eine schriftliche Erklärung zu Lebzeiten erfolgt ist. Beide übergeordneten Ziele werden unterschiedlich, aber immer mit Verve diskutiert.

Viele in meinem privaten Umfeld befürworten Liberalisierung und Selbstbestimmung. Auch meine Partei stimmt diesen Zielen mehrheitlich zu, allerdings mit der Maßgabe, dass Abstimmungen zu diesem Thema freizugeben sind, weil ethische, weltanschauliche und religiöse Einstellungen berührt sind und vor allem auch persönliche und familiäre Erfahrungen sehr unterschiedlich geprägt sind.

Meine persönliche Auffassung ist hier eher konservativ und von den Erfahrungen im Friedhofsausschuss meiner Kirchengemeinde geprägt. Ich finde

die Friedhofsmauer gut, die den Ort der Toten von der Welt der Lebenden trennt.

Ich möchte Grundsatzerwägungen an dieser Stelle aber nicht vertiefen. Vielmehr liegt hier ein konkreter Gesetzentwurf vor, an den die Frage zu richten ist: Leistet er, was er verspricht? Sind die wesentlichen Fragen, die sich daraus ergeben, geklärt?

Die Mengenlehre kennt die Gesamtmenge, Teilmengen und Schnittmengen. Die Gesamtmenge ist die Bevölkerung unseres Bundeslandes mit 2,86 Millionen Menschen mit 33.663 Todesfällen im Jahr 2015. Eine Teilmenge ergibt sich aus den Einschränkungen des vorgeschlagenen neuen § 15 Absatz 5 Bestattungsgesetz: dem Erfordernis einer Zustimmungserklärung des Grundstückseigentümers. Mieter werden in dem Gesetzentwurf nicht erwähnt. Es ist statistisch schwierig zu ermitteln, wie viele Schleswig-Holsteiner und Schleswig-Holsteinerinnen Grundstückseigentümer sind, aber diese Teilmenge ist deutlich kleiner als die Gesamtbevölkerung.

Eine weitere Einschränkung ergibt sich aus einem Beschluss des BGH vom Juni 2015 zur Totenasche. Zu dieser gehören sämtliche nach der Einäscherung verbleibenden Rückstände, auch die vormals mit dem Körper fest verbundenen fremden Bestandteile, die nicht verbrennbar sind. Diese auf sämtliche Verbrennungsrückstände des menschlichen Körpers abstellende Auslegung des Aschebegriffs, im sogenannten Zahngoldurteil des Bundesgerichtshofs, hat der Landesgesetzgeber zu beachten. Daher haben die PIRATEN mit der Einschränkung nachgelegt, dass die Asche „von staubig-pulveriger Beschaffenheit“ sein muss. Damit sind Träger eines künstlichen Hüftgelenks von der Ascheverstreuung genauso ausgeschlossen wie Tote mit Goldzähnen, Porzellankronen, Titanbrücken, Plomben und implantierten Herzschrittmachern.

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Bemerkung des Abgeordneten König?

Nein. - Die sich aus diesem Erfordernis staubigpulvriger Beschaffenheit ergebende Teilmenge ist im Verhältnis zur Gesamtbevölkerung sehr klein.

Aus der kleinen Teilmenge der Grundbesitzer und dieser sehr kleinen Teilmenge implantatfreier Mitbürger und Mitbürgerinnen ergibt sich eine Schnitt

(Wolfgang Baasch)

menge derer, die durch die Liberalisierung des Bestattungsrechts begünstigt würden. Diese Schnittmenge ist offensichtlich marginal. Der Gesetzentwurf gibt einen Durchbruch für die Persönlichkeitsentfaltung vor, den er gar nicht erreicht, weil die meisten ausgeschlossen sind. Damit ist auch die Grundsatzdebatte erledigt. Dieser Gesetzentwurf leistet nicht das, was er vorgibt zu leisten.

(Uli König [PIRATEN]: Das stimmt nicht!)

Unabhängig von einer wie auch immer gearteten Grundhaltung zu Liberalisierung und Persönlichkeitsrechten liefert der konkret vorliegende Gesetzentwurf damit sein K.-o.-Kriterium.

Darüber hinaus gibt es noch jede Menge Unklarheiten. Neben der offenen Frage, ob der Gesetzentwurf nach dem Konnexitätsgebot gerichtlich durchsetzbare Ansprüche der Kommunen gegen das Land nach sich zieht, ist zu fragen, ob sich durch das Ausstreuen der Asche auf dem privaten Rasen eine Grab- beziehungsweise Beisetzungsstätte ergibt. § 168 StGB verbietet die Störung der Totenruhe. Im deutschen Recht ist ,,dem Leichnam die Asche eines Verstorbenen gleichgestellt“. Nur weil die PIRATEN im Ausschuss behaupten, das Ausstreuen der Asche würde keine Beisetzungsstätte begründen, und im Gesetzentwurf verschämt von ,,Ausbringungsort“ die Rede ist, was man sonst nirgends im Bestattungsrecht findet, muss das nicht stimmen.

Es gibt die Erdbestattung. Es gibt das Urnengrab. Und nach dem Ausstreuen der Asche gibt es nichts? Am Morgen Ausstreuen und nachmittags die Grillparty? Die Verbraucherinitiative Aeternitas hat in der Anhörung eine Begräbnisstätte auf privatem Grund geradezu gefordert.

Ich habe in der letzten Zeit mit vielen Menschen über das Bestattungsrecht geredet und bin auch nachdenklich geworden, ob man es nicht öffnen sollte.

Herr Kollege, Sie müssen bitte zum Schluss kommen.

Ich komme zum Schluss, Frau Präsidentin. - Ich habe auch eine Idee davon, wie man den Individualbedürfnissen entgegenkommen kann, zum Beispiel durch das Ausstreuen der Asche als eine anerkannte Form der Beisetzung. Der vorliegende Entwurf

ich glaube, das ist deutlich geworden - leistet das alles jedenfalls nicht. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU, SPD, FDP und SSW)

Vielen Dank. - Für die FDP-Fraktion hat Herr Kollege Ekkehard Klug das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der vorliegende Gesetzentwurf ist sicherlich gut gemeint, er ist aber leider schlecht gemacht. Viele Einwände sind bereits von anderen Rednern dargelegt worden. Insbesondere möchte ich auf die Rede des Kollegen Wolfgang Baasch verweisen. Ein paar Punkte möchte ich ergänzen.

Die kommunalen Landesverbände haben in der Anhörung die erheblichen Kosten angesprochen, die ein solches Gesetz mit sich brächte: Es würde klar zu einem erhöhten Verwaltungsaufwand führen. Erfahrungswerte und Daten über neue Genehmigungsverfahren lägen nicht vor, klar sei jedoch, dass dieser erhöhte Aufwand letzten Endes wegen des Konnexitätsprinzips vom Land zu tragen sei. Darüber hinaus würde zusätzliches Personal für die Kontrolle der neuen Bestimmungen benötigt. Auch dafür müsste logischerweise am Ende das Land bezahlen, wenn es den Kommunen unseres Landes neue Pflichten auferlegt.

Ich meine, in der Politik muss man bei allen neuen Maßnahmen, die man beschließt, auf den Unterschied zwischen „must be“ und „nice to have“ achten. Für die von den PIRATEN vorgeschlagenen Änderungen des Bestattungsgesetzes Landesgeld auszugeben, halte ich jedenfalls so lange nicht für sinnvoll, solange wir dringendere Bedarfe, etwa in der Bildung und bei der inneren Sicherheit, noch nicht durch die nötigen Investitionen befriedigt und abgesichert haben.

Bei den vorgeschlagenen Änderungen des Bestattungsgesetzes geht es aber keineswegs nur um finanzielle Fragen. Der Leiter des Kieler Bürger- und Ordnungsamtes hat in der Anhörung durch den Innen- und Rechtsausschuss am 7. September 2016 auf nachbarschaftliche Probleme hingewiesen, die entstehen können, wenn Asche auf Privatgrundstücken ausgebracht wird. Es ist in der Tat nicht auszuschließen, dass sich Anwohner in ihrer Lebensqualität beeinträchtigt fühlen, wenn die Nach

(Detlef Matthiessen)

barn die Asche verstorbener Angehöriger auf ihrem Grundstück ausstreuen und wenn dann der im Land zwischen Nord- und Ostsee in der Regel nicht zu knapp bemessene Wind diese Asche zu ihnen herüberweht.

Schließlich weise ich darauf hin, dass der Gesetzesvorschlag die Möglichkeit zu missbräuchlichen Anwendungen eröffnet. Er könnte auch dazu führen, dass sich Angehörige einfach aus Kostengründen dazu entschließen, die Asche von Verstorbenen zu verstreuen, statt die Kosten für eine „normale“ Beisetzung zu übernehmen. Daher muss in jedem Einzelfall akribisch geprüft werden, ob das geplante Ausstreuen der Asche tatsächlich dem Willen des Verstorbenen entspricht.

Alles in allem überwiegen die Nachteile aus meiner Sicht eindeutig die Vorteile. Deshalb wird die FDPFraktion gegen den vorliegenden Gesetzesvorschlag stimmen.

(Beifall FDP, CDU und SPD)

Vielen Dank. - Für die Fraktion der PIRATEN hat das Wort der Herr Abgeordnete Uli König.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Zu unserem Gesetzentwurf für die Liberalisierung des Bestattungsgesetzes ist schon viel gesagt worden. Wir haben hier im Plenum und auch in den Ausschüssen viel darüber beraten und diskutiert.

Spannend an diesem Entwurf finde ich, dass wir auf der einen Seite viele Gegner bei unserem Entwurf haben, aber auf der anderen Seite auch viele Befürworter. Allerdings habe ich auch gerade nach der Rede des Kollegen Klug festgestellt, dass unser Entwurf wohl leider ein bisschen zu liberal für die liberale Partei war. Das tut mir leid.

(Zuruf FDP: Oh!)