Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist gar nicht so einfach, die Verhandlungen über CETA zu bewerten. Dies liegt nicht so sehr am Freihandelsabkommen an sich, sondern an der besonderen Situation, dass wir derzeit Zustände haben, die sich weder die Befürworter noch die Gegner von CETA wünschen.
Derzeit haben wir keine klaren Regelungen und keine gemeinsamen Rechtsgrundlagen in Bezug auf den Handel zwischen Kanada und der EU. Gibt es Streitigkeiten, können Investoren vor dem Schiedsgericht des Internationalen Zentrums zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten in Washington klagen. Hier entscheiden dann nicht zwingend Richter. In diesem nicht öffentlichen Verfahren gibt es auch keine Berufungsmöglichkeit. Es ist ungewiss, ob dieses Gremium auf Basis von kanadischem oder europäischem Recht entscheidet.
Dieser Mechanismus sollte ursprünglich auch bei CETA beibehalten werden. Erst nachdem Bürgerinitiativen sich massiv dagegen gewandt und für Öffentlichkeit der Verhandlungen gesorgt haben, hat es hier Bewegung gegeben. Das Bundeswirtschaftsministerium hat im letzten Jahr mitgeteilt, dass für CETA ein eigenes Schiedsgericht eingerichtet werden soll, das paritätisch mit Richtern besetzt wird. Dieses Schiedsgericht soll öffentlich tagen, und es ist eine Berufung möglich. Das ist ein riesiger Erfolg der Kritiker.
Ähnliches gilt für die Zustimmungsvorbehalte des Europäischen Parlaments und der nationalen Parlamente, die vorher nicht vorgesehen waren. Ursprünglich sollte das Abkommen ein Abkommen der Regierungen sein, jetzt werden auch die Parlamente einbezogen.
Der Erfolg ist umso größer, als auch unser Bundesverfassungsgericht am 12. Januar dieses Jahres vorgegeben hat, dass CETA nicht ohne zeitliche Begrenzung gelten dürfe und entsprechend kündbar sein müsse. Ohne diese Bedingung zu erfüllen, darf das Abkommen nicht unterschrieben werden. Man kann also sehen, dass sich die Arbeit der kritischen Menschen gelohnt hat.
Trotzdem ist das Abkommen immer noch nicht reif für eine Zustimmung. Der Landtag hat in seinen Beschlüssen eine Vielzahl von Bedingungen genannt, die zum Teil erfüllt, zum anderen Teil aber noch nicht erfüllt werden.
Der erste Punkt betrifft die Daseinsvorsorge, die zwar aus dem Abkommen ausgenommen ist, wenn die Staaten diese selbst erledigen. Eine Liste in Anlage 2 zum Abkommen sieht dies so vor. Diese sogenannte Negativliste schließt aber nicht aus, dass doch noch einmal ein Bereich vom Abkommen umfasst wird, von dem wir heute noch gar nicht wissen, dass dieser einmal zur Daseinsvorsorge zählen wird. Deshalb ist es immer noch notwendig, dass in einer Positivliste genau aufgezählt wird, für welche Bereiche das Abkommen gelten soll, wodurch dann
Der zweite Punkt: Auch bei der öffentlichen Auftragsvergabe dürfen zwar sozial-ökologische Kriterien angewendet werden, aber nur, wenn sie kein unnötiges Handelshemmnis darstellen. Diese Einschränkung macht die Kriterien angreifbar, da dieser Begriff nicht definiert ist. Unklar bleibt auch, welche Sanktionen es geben soll, wenn Investoren die Rechte von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern verletzen oder unsere Sozial- und Umweltstandards nicht einhalten. Es ist kein Wunder, dass der DGB zu dem Schluss kommt, dass die Regelungen unzureichend seien, um seine Bedenken auszuräumen.
Ein dritter Punkt betrifft das sogenannte Vorsorgeprinzip. In Europa müssen Lebensmittel und Medikamente auf ihre Ungefährlichkeit hin getestet werden. Erst bei einer erwiesenen Ungefährlichkeit dürfen sie zugelassen werden. In Kanada ist es genau anders herum: Hat man nicht bewiesen, dass ein Produkt schädlich ist, gilt es zunächst einmal als unschädlich. Wir sehen hier ein Sicherheitsrisiko und wollen deshalb am Vorsorgeprinzip festhalten.
Dies sind nur drei kritische Punkte. Es lassen sich sicherlich noch weitere Punkte finden. Das CETAAbkommen ist gewiss durch den Druck der Bürgerinnen und Bürger wesentlich besser geworden. Es ist aber noch nicht perfekt. Dass man hier heimlich unter Ausschluss der Öffentlichkeit verhandelt hat und erst nach öffentlichem Druck bereit war, Dokumente zu veröffentlichen, hat berechtigte Skepsis hervorgerufen.
Viel Vertrauen ist verspielt worden. Vertrauen gewinnt man mit Transparenz und Entgegenkommen gegenüber den Bürgern zurück. In der derzeit vorliegenden Form erfüllt CETA die Anforderungen an ein faires Handelsabkommen noch nicht. Es mag sein, dass noch Änderungen kommen. Unter den derzeitigen Bedingungen kann der SSW dem Abkommen aber nicht zustimmen.
Meine Damen und Herren, wir kommen jetzt zu den Dreiminutenbeiträgen. - Den ersten Beitrag leistet der Abgeordnete Dr. Heiner Garg.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir leben in Umständen, von denen ich mir vor ungefähr sechs Monaten noch gar nicht hätte vorstellen können, dass wir darüber einmal diskutieren müssen. Wir leben in einer Zeit, in der der neu gewählte amerikanische Präsident heute einen großartigen Tag für die Sicherheit der Vereinigten Staaten angekündigt hat. Er kündigt den Bau einer Mauer an. Vor einem Vierteljahrhundert hat einer seiner Amtsvorgänger in Berlin am Brandenburger Tor Generalsekretär Gorbatschow aufgefordert, eine Mauer einzureißen.
Zeitgleich wird hier, insbesondere durch den Kollegen Dr. Breyer, in einer demagogischen Art und Weise ein Handelsabkommen mit einem der demokratischsten Länder dieser Welt diffamiert, wie ich es mir nicht hätte vorstellen können. Sagen Sie einmal, Herr Kollege Dr. Breyer: Wo leben Sie eigentlich? - Die Antwort auf das, was wir gerade um uns herum erleben, ist doch nicht Neoprotektionismus und Neonationalismus, sondern mehr Zusammenarbeit, mehr Freihandel und mehr Freiheit, verdammt noch einmal!
Ich bin wirklich fasziniert, Herr Dr. Breyer, dass Sie auf öffentlichen Podiumsdiskussionen Freihandel wie folgt definieren: Freihandel ja, aber nur zu unseren Bedingungen.
- Das haben Sie wortwörtlich bei der Podiumsdiskussion in Bredstedt gesagt. Damit stellen Sie sich genau in die Reihe der Wilders, Petrys und Le Pens.
Was die neue kanadische Regierung unter Justin Trudeau fertiggebracht hat, ist beachtlich. Es ist eine linksliberale Regierung, die überhaupt kein Interesse daran hat, die Einrichtung der öffentlichen Daseinsvorsorge zu privatisieren, Herr Kollege Voß. Sie müssen mir einen Minister des Kabinetts Trudeau zeigen, der die öffentliche Gesundheitsvorsorge oder die Wasserversorgung privatisieren will. Reden Sie hier nicht so einen Unsinn! Das ist doch wirklich demagogischer Humbug, der hier erzählt wird.
Das Living Agreement im nachverhandelten CETA-Vertragstext ist ein Riesenfortschritt. Es macht CETA zum modernsten Freihandelsabkommen überhaupt. Man sollte es nicht mit dem mit Singapur zu schließenden Abkommen vergleichen. Das Freihandelsabkommen mit Singapur liegt übrigens ausschließlich wegen der Frage, ob die nationalen Parlamente ein Mitspracherecht haben sollen, vor Gericht.
Ich komme zu meinem letzten Satz. - Auch angesichts von bevorstehenden Listenparteitagen kann ich wirklich nur dazu auffordern, ein wenig offener, konstruktiver und mit weniger Vorurteilen gegen Freiheit und Freihandel vorzugehen. - Herzlichen Dank.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich habe mich noch einmal zu Wort gemeldet, weil mich die Diffamierung des Protestes, den wir gegen Freihandelsabkommen erleben, wirklich stört. Hier geht es um CETA, bei TTIP war der Protest sogar noch etwas stärker.
Mir geht es nicht darum, die kanadische Regierung zu kritisieren, in deren Programm es viele positive Elemente gibt. Wir können im internationalen Vergleich froh sein, dass wir diese kanadische Regierung haben. Nichtsdestoweniger machen wir den Abschluss internationaler Vertragswerke und Handelsabkommen nicht von aktuellen Regierungen abhängig. Gerade an der Entwicklung in den USA kann man sehen, dass es ganz schnell zu Regierungswechseln kommen kann.
Deswegen müssen Vertragswerke und Handelsabkommen in sich schlüssig sein. Wenn man da Bauchschmerzen oder Fragezeichen hat, weil man zum Beispiel Befürchtungen hat, dass damit öffentliche Daseinsvorsorge geschliffen werden kann oder dass die Rechte von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern abgebaut werden, dann muss das auch angesprochen werden. Der Kollege Voß hat diese Befürchtungen für unsere Fraktion geäußert. Man kann das nicht einfach diffamieren und in einen Topf mit der AfD werfen.
Aus meiner Sicht passt dieser Vergleich in vielen Punkten nicht. Wenn man sich einmal anguckt, wer sich in dieser Bewegung engagiert, stellt man fest, dass es Menschen sind, die sich in Gewerkschaften für Arbeitnehmerrechte oder die sich in Umweltbewegungen engagieren. Diese Menschen haben ganz andere Wertevorstellungen als das, was von rechter oder rechtspopulistischer Seite hier im Land und anderswo geäußert wird.
Wir haben erlebt, dass bei den großen Demonstrationen in der Tat von der AfD und anderen probiert wurde, sich anzuhängen. Deshalb haben die Organisatorinnen und Organisatoren der Demonstrationen ganz deutlich gesagt und auch in schriftlichen Erklärungen festgehalten, dass sie sich für eine solidarische Welt einsetzen, eine Welt, in der Vielfalt eine Stärke ist, und dass sie die völkisch-nationalistischen Motive von Rechtspopulistinnen und Rechtspopulisten ablehnen. Das haben sie unmissverständlich deutlich gemacht.
Ich finde es wirklich unverschämt, all diese Menschen, die sich demokratisch engagieren, hier in einen Topf mit Frauke Petry, Le Pen und anderen zu werfen. Das gehört sich nicht, auch wenn man inhaltlich eine andere Position vertreten kann. Ich finde, dass das kein gutes Niveau für eine demokratische Debattenkultur ist.
(Vereinzelter Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und PIRATEN - Christopher Vogt [FDP]: Spul doch mal eine halbe Stunde zu- rück!)
Ich möchte noch eine Sache sagen: Ein Teil der Freihandelskritik bezieht sich auch auf die Frage, ob wir hier mit bilateralen Abkommen das Richtige tun, oder ob das nicht dazu führt, dass vor allem Staaten, die schon wirtschaftsstark sind, diejenigen sind, die davon profitieren, Schwellen- und Entwicklungsländer aber außen vor gelassen werden und nur noch am Katzentisch über solche Fragen mitentscheiden dürfen. Auch das ist ein Problem bei bilateralen Handelsabkommen, bei der Debatte um TTIP und bei der Debatte um CETA. Wir müssen uns auch Gedanken darüber machen, wie wir Entwicklungs- und Schwellenländer besser in solche Prozesse einbinden. Das gehört eben auch auf den Tisch, und das ist das Gegenteil davon, protektionistische Handelspolitik zu betreiben - im Gegenteil, wir denken weiter.
Vielen Dank, Herr Kollege Andresen. - Der letzte Punkt, den Sie angesprochen haben, dass man bei bilateralen Abkommen jemanden ausschließen würde, wird wiederholt genannt. Vielleicht muss ich Sie einmal darauf hinweisen: Haben Sie nachgeschaut, mit wie vielen Schwellenländern und teilweise auch Entwicklungsländern die EU bilaterale Abkommen abgeschlossen hat, die vielleicht nicht ganz so weitgehend sind, aber vergleichbar sind?
Es ist ja nicht so, dass sozusagen die reichen Industrienationen einen Club gründen, um andere auszuschließen. Denn genau das Gleiche wird auch mit vielen Schwellenländern, beispielsweise in Asien, gemacht. Deswegen ist es eben nicht so, wie Sie sagen, dass dort jemand ausgeschlossen würde, sondern wenn wir das mit diesen Ländern machen, muss man sich doch ernsthaft die Frage stellen, warum man das nicht auch mit einer Muster