Vor nunmehr drei Jahren hatten wir vorgeschlagen, dass wir ein industriepolitisches Konzept für das Land brauchen. Unser Bundesland ist kein klassisches Industrieland, aber hat eben auch industrielle Kerne, die leider viel zu schnell abschmelzen und wieder gestärkt werden müssen. Damals wurde dies von der Mehrheit hier in diesem Hohen Hause zurückgewiesen. Als der DGB Nord eine ganz ähnliche Forderung erhoben hat, hat die Landesregierung immerhin das Industriebündnis auf den Weg gebracht, das jetzt, kurz vor der Wahl, zu Ende geführt wurde. Ehrlich gesagt, Herr Wirtschaftsminister, finde ich es sehr unglücklich, dass Sie drei Jahre gebraucht haben, um 29 Handlungsempfehlungen vorzulegen. Das hätte deutlich früher der Fall sein können. Das Ganze wurde ja auch am Freitagnachmittag sang- und klanglos versendet. Es ist ja kaum aufgefallen, was Sie dort gemacht haben. Wenn Sie daran glauben würden, dass dies der richtige Weg wäre, hätten Sie aus meiner Sicht zu diesem Thema eine Regierungserklärung gehalten.
(Beifall FDP und CDU - Zuruf: Das wäre ja Öffentlichkeitsarbeit von der Landesregie- rung! - Beifall Serpil Midyatli [SPD])
Was muss passieren, meine Damen und Herren, damit es besser wird und vor allem die wirtschaftspolitisch gebeutelte Westküste wieder eine reelle industriepolitische Perspektive bekommt, damit wieder mehr in den Betrieben an der Westküste ausgebildet wird, damit auch dort neue Ansiedlungen realistisch werden?
Ich bin der völligen Überzeugung, dass die Verkehrsanbindung ganz wesentlich ist, und zwar der schnelle Weiterausbau der A 20 und der zügige Ausbau der B 5. Wir wünschen uns deutlich mehr Engagement und eine klare Perspektive im Bereich der Verkehrsinfrastruktur. In den „Kieler Nachrichten“ konnte man heute lesen, dass der Chef der Familienunternehmer, Rüdiger Behn, das auch angesprochen hat. Er hat sein Unternehmen in Eckernförde. Für den Ausbau müssten die Planungskapazitäten deutlich erhöht werden, das Planungsrecht vereinfacht werden, und es dürfen auch keine Placebo-Vorschläge kommen, wie Sie, Herr Minister, sie vorgelegt haben. Auch die politischen Blockaden müssen aus meiner Sicht endlich ein Ende haben. Es müssen verlässliche Ansagen kommen, wie es weitergeht.
Es war auch ein großer Fehler, dass die Windenergiemesse kampflos nach Hamburg abgegeben wurde. So etwas darf sich nicht wiederholen.
- Marktwirtschaft? - Das war eine staatliche Gesellschaft in Hamburg, Herr Kollege. Wenn das Ihre Vorstellung von Marktwirtschaft ist, dann haben Sie -
Ich sage Ihnen ganz ehrlich: Wir brauchen einen ambitionierteren Fahrplan bei der Digitalisierung. Das Land braucht eine geeignete Ansiedlungsstrategie, und wir brauchen auch mehr Gründergeist. Ich weiß nicht, ob Sie es zur Kenntnis genommen haben, Frau von Kalben, die Zahl der Unternehmensgründungen ist in Schleswig-Holstein seit Jahren deutlich rückläufig. Das kann Sie doch auch nicht kaltlassen. Sie können doch dann nicht sagen, es sei alles in Ordnung, das sei Oppositionsgenörgel. Die Zahl der Unternehmensgründungen ist auf einem erschreckend niedrigen Niveau.
Meine Damen und Herren, es reicht nicht aus, unternehmerische Entscheidungen zu beklagen. Die Landesregierung muss sich die Frage stellen lassen, was sie in den letzten fünf Jahren getan hat, um den Wirtschaftsstandort attraktiver zu machen. Dies ist nicht allein die Aufgabe des Wirtschaftsministers, sondern des gesamten Kabinetts und auch des Ministerpräsidenten. Deshalb sage ich, Herr Ministerpräsident: Der nächste Ministerpräsident, wie auch immer er heißen mag, muss sich die Steigerung der Attraktivität des Wirtschaftsstandortes zur wichtigsten Hauptaufgabe machen. Zunächst einmal sollten Sie jetzt Gespräche mit der Geschäftsleitung von Senvion in Hamburg führen und nicht mit Abgesandten in Husum, die leider keine Ahnung und offenbar auch keine Vollmacht haben. Das ist das, was wir von Ihnen jetzt erwarten. Sprechen Sie mit der Geschäftsleitung in Hamburg und versuchen Sie mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, diese Pläne jetzt noch abzuwenden. - Ich danke Ihnen ganz herzlich für die Aufmerksamkeit.
Das Wort für die CDU-Fraktion hat der Oppositionsführer und Fraktionsvorsitzende der Fraktion, Herr Abgeordneter Daniel Günther.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Vielen Dank für die freundlichen Begrüßungsworte, Detlef Matthiessen.
Es ist richtig, dass die FDP eine Aktuelle Stunde zu Senvion beantragt hat; denn dann können wir uns heute einmal mit der Industriepolitik dieser Landesregierung auseinandersetzen. Ich stimme auch Christopher Vogt zu; denn auch ich hatte eigentlich eine Regierungserklärung zur Industriepolitik erwartet, da es ja die gängige Praxis dieser Landesregierung war, zu allen politischen Themen Regierungserklärungen anzumelden. Aber offenkundig war die Industriepolitik selbst dieser Landesregierung zu peinlich, dass sie sich nicht einmal getraut hat, eine Regierungserklärung in Schleswig-Holstein abzugeben.
Über die bittere Situation bei Senvion muss man nicht so viel nachdenken, woran das eigentlich liegt; denn es ist völlig offensichtlich, dass dieser Produktionsstandort aufgegeben wird, weil diese
weil sie Sorge darum haben, dass die Infrastruktur weiterhin so schlampig in Schleswig-Holstein ausgebaut wird.
Das ist der Grund dafür, warum sich die Unternehmen von der Westküste abwenden. Da hilft auch alles Lamentieren und Schimpfen Ihrerseits darüber nichts, dass Sie keinen Kontakt zu den Entscheidungsträgern bekommen. Wenn die Menschen, wenn die Unternehmen kein Vertrauen in ihren Standort haben, weil diese Landesregierung eben nur redet und nicht handelt, dann werden solche Entscheidungen von den Unternehmen getroffen. Deswegen brauchen wir wieder eine verlässliche Politik in Schleswig-Holstein. Dann sorgen wir dafür, dass die Unternehmen hier bleiben.
Sie haben den Weiterbau der B 5 an die A 23 nicht vorangebracht, Sie haben sogar teilweise mit der Planung noch nicht begonnen. Sie haben immer noch keinen Planfeststellungsbeschluss für die vier Ortsumgehungen zwischen Hattstedt und Bredstedt. Der bittere Abzug von Senvion dokumentiert eines: Ihr Versagen in der Industriepolitik in SchleswigHolstein.
Mit welchem Pathos war der Ministerpräsident angetreten? - Große Westküstenpläne wollte er machen. Die Ansiedlung energieintensiver Unternehmen mit modernen Arbeitsplätzen und sauberer Energie an der Westküste war für ihn nichts Geringeres als die Schicksalsfrage unserer politischen Generation.
Die Menschen haben von Ihnen in den letzten fünf Jahren jedoch keine einzige Antwort bekommen. Sie müssen es endlich lernen: Unternehmen interessieren keine Worthülsen, sondern schlicht Fakten, und bei Ihnen ist das alles nur Gesabbel.
Noch besser hat es der Chef der Familienunternehmen in Schleswig-Holstein heute gesagt: alles nur Dampfplauderei. - Der UV Nord bezeichnet Ihre Industriepolitik als den Aufbruch in die Vergangenheit. Sie haben für die Ansiedelung von Industrie
Bände spricht im Übrigen auch die Äußerung von Minister Meyer. Ich glaube, er wollte den DGB damit loben. Aber er hat gesagt: Wenn ihr nicht im Jahre 2014 den Impuls gegeben hättet, wären wir gar nicht auf die Idee gekommen, Industriekongresse in unserem Land durchzuführen. - Also, selbst diese beiden nichtssagenden Kongresse hätten nicht stattgefunden, wenn der DGB nicht den Impuls dafür gegeben hätte. Was ist das für ein Armutszeugnis für eine Landesregierung, meine Damen und Herren?
In der Infrastrukturpolitik haben Sie nachweislich nichts auf die Reihe bekommen. Im Moment loben Sie sich ja immer für den Ausbau der A 7. Da gibt es ja immer das Loblied: „Wir können Autobahn“. Jedes Teilstück, das eröffnet wird, wird viermal nacheinander eingeweiht, und dann stehen die beiden da und sagen: „Wir können Autobahn.“ Das ist allerdings ein Loblied auf Ihre Vorgängerlandesregierung. Sie hat nämlich gegen Ihren massiven Widerstand entschieden, dass die DEGES das ausbaut. Das ist die Wahrheit in Schleswig-Holstein. Sie können nichts in Sachen Autobahnausbau.
Auch Ihr Streit mit den Grünen, den Sie jedes Mal inszenieren, dient einzig und allein dem Zweck, von Ihrem Versagen abzulenken. Sie hoffen darauf, dass immer der Eindruck entsteht, Meyer und Habeck würden sich streiten, sodass die Wirtschaft sagt: Ja, das sind die bösen Grünen, die hier blockieren. - Das passt so schön ins Klischee.
Aber wenn man sich einmal im Detail anguckt, woran es liegt, dann stellt man fest: Es liegt mitnichten daran, dass im grünen Umweltministerium blockiert wird, sondern es liegt daran, dass der Wirtschaftsminister Meyer in seinem eigenen Haus überhaupt nichts auf die Reihe kriegt. Davon versuchen Sie abzulenken.
Eine vernünftige Industriepolitik definiert sich übrigens nicht nur durch den Straßenbau, sondern auch dadurch, wie wir Breitbandausbau in SchleswigHolstein betreiben. Seien Sie doch einmal ehrlich: Für das, wofür Sie sich in Schleswig-Holstein loben, haben Sie als Regierung nicht einen einzigen
Beitrag geleistet. Es sind unsere Breitbandzweckverbände, und es sind die Stadtwerke in SchleswigHolstein, die den Ausbau voranbringen. Sie haben nichts gemacht, außer zu sagen, im Jahre 2030 reicht uns das auch. Es ist ja eine tolle Botschaft, wenn Sie den Unternehmen sagen: Siedeln Sie sich einmal hier an; wir garantieren Ihnen, in acht Jahren sind Sie vernünftig angeschlossen. - Das ist Ihre Politik. Wenn wir nicht unsere starken Kommunen hätten, die Sie zerschlagen wollen, dann hätten wir überhaupt keinen Breitbandausbau in SchleswigHolstein.
Genauso brauchen wir für die Unternehmen im Land eine vernünftige Bildungspolitik. Das wäre auch Industriepolitik in unserem Land. Ihr Credo ist ja immer: Der Mensch fängt erst mit dem Abitur an, und ihr habt nur eine Chance auf dem Arbeitsmarkt, wenn ihr euer Hochschulstudium beendet. Unsere Industrieunternehmen in Schleswig-Holstein brauchen jedoch mehrheitlich Arbeitskräfte, die eine vernünftige duale Ausbildung beendet haben. Darauf muss man als Landesregierung einen Schwerpunkt setzen.
Herr Ministerpräsident, die Unternehmen in unserem Land haben genug von dem Gesabbel der letzten Wochen. Sie haben genug von Industriekongressen, bei denen nichts herauskommt. Sie haben genug von inszenierten Veranstaltungen, ohne dass es irgendein Ergebnis gibt. Die Unternehmen in unserem Land wollen endlich eine tatkräftige Landesregierung haben. Dieses Vertrauen hat diese Landesregierung verspielt. Heiße Luft, Herr Ministerpräsident, bringt die Industrie in Schleswig-Holstein nicht voran. Nach fünf Jahren Gerede in Schleswig-Holstein muss endlich wieder eine hart arbeitende Landesregierung rankommen, und dafür sind Sie genau der Falsche, Herr Ministerpräsident.