Protokoll der Sitzung vom 24.03.2017

(Beifall CDU)

Unseren Forderungen nach einer nachhaltigen Personalplanung sind Sie in der ganzen Legislaturperiode nicht gefolgt. Da noch einmal Dank an die PIRATEN für die Große Anfrage, die Sie gestellt haben, die nämlich die ganze Misere in der Personalplanung offenlegt. Das heißt, es gibt keine nachhaltige Planung für Nachwuchsgewinnung. Das gilt insbesondere auch für die MINT-Fächer. Unseren Vorstoß, Informatik als Pflichtfach einzuführen, haben Sie abgelehnt. Informatik ist aber die Grundlage, um nicht nur mit digitalen Medien umzugehen, sondern sie auch zu verstehen.

Frau Ministerin, wenn man ehrlich ist - an dem Modellprojekt zur Digitalisierung an Schulen nehmen im Augenblick 46 Schulen teil -, muss man ehrlicherweise auch sagen: 46 von 800. Jetzt wollen Sie für den Bericht zur digitalen Bildung gelobt werden. Ich frage mich, wofür: Wenn Sie in dem Tempo weitermachen, brauchen wir 40 Jahre, um die Schulen alle zu digitalisieren. Das ist mir ein bisschen zu langsam, da müssen wir schon ein bisschen mehr reinhauen.

Das vom Ministerium in Auftrag gegebene KlemmGutachten kommt zu dem Schluss, dass uns in Schleswig-Holstein 500 Sonderpädagogen fehlen. Sie stellen in diesem Jahr 50 ein. An der Universität Flensburg allerdings müssen nach wie vor drei Viertel der Bewerber für diesen Studiengang abgelehnt werden, weil es nicht genügend Studienplätze gibt. Wir haben in den letzten Jahren immer wieder beantragt, mehr Sonderpädagogen einzustellen, aber auch eine zusätzliche Professur an der Universität Flensburg einzurichten. Dies wurde immer wieder von den regierungstragenden Fraktionen abgelehnt, was jetzt zur Folge hat, dass wir gar nicht mehr genügend Sonderpädagogen haben, die wir einstellen können. Aber Inklusion braucht Sonderpädagogen, ansonsten werden wir hier alle kläglich scheitern.

(Beifall CDU)

Vielleicht noch ein Wort zu den von Ihnen so hoch gelobten kleinen Oberstufen an den Gemeinschaftsschulen: Eine Kleine Anfrage von mir hat jetzt deutlich gemacht, wie undurchdacht diese neuen Oberstufen eingerichtet worden sind. An den 43 Oberstufen an den Gemeinschaftsschulen unterrichten insgesamt 180 Lehrkräfte ohne eine Lehramtsbefähigung für die Oberstufe. Der Antwort ist auch zu entnehmen, dass diese Lehrkräfte immer nur für ein Jahr unterrichten. Das heißt, alle Klassen, die von diesen Lehrkräften unterrichtet werden, sind auch von einem Lehrerwechsel in der Oberstufe betroffen. Das ist doch keine nachhaltige

(Heike Franzen)

Politik, um Kinder in den Oberstufen gut vorbereitet zum Abitur zu bringen. Das ist so undurchdacht, das ist schon fast verantwortungslos. Das gilt übrigens bis in den 13. Jahrgang.

(Beifall CDU)

Wir nehmen die Berichte, die Sie vorgelegt haben, zur Kenntnis. Wir nehmen allerdings auch zur Kenntnis, dass für die Regierungsarbeit ein alter Spruch der vorhergehenden Bildungsministerin zutrifft. Frau Wende hat immer gesagt: Das ist selektive Wahrnehmung. - Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall CDU und Anita Klahn [FDP])

Vielen Dank. Für die SPD-Fraktion hat Herr Abgeordneter Kai Vogel das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich gebe meinen Vorrednern absolut recht: Es ist grenzwertig, wenn der Ältestenrat uns zumutet, zwei umfangreiche Berichte mit fast 54 Seiten und zwei Anträge so zusammenzulegen, dass jeder einzelne Redner gerade 5 Minuten Zeit hat, um sie zu analysieren.

(Sven Krumbeck [PIRATEN]: Sieben!)

- Sieben, danke, Sven Krumbeck. Selbst die 7 Minuten reichen nicht aus. Jeder der Anträge, jeder der Punkte wäre auf jeden Fall wert gewesen, mehr als 7 Minuten darüber zu sprechen.

(Zuruf Wolfgang Kubicki [FDP])

Fakt, werte Frau Klahn, ist: Sie wollten 2.500 Stellen abbauen, wir haben mehr als 2.000 zusätzliche Stellen ins System gebracht.

(Zurufe CDU - Zuruf: Das ist Fakt! - Volker Dornquast [CDU]: Jedes Mal eine tote Phra- se! - Zuruf Martin Habersaat [SPD] - Weitere Zurufe)

- Das mögen Sie am Ende nicht hören. Herr Dornquast, Sie können sich natürlich hier immer hinstellen und sagen: Hätten wir regiert, hätten wir am Ende alles besser gemacht. Sie haben es aber definitiv nicht besser gemacht. Sie sind abgewählt worden. Wir haben es besser gemacht, wir haben es gezeigt.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW - Martin Habersaat [SPD]: Und werden wiedergewählt!)

Zum Thema Unterrichtsgarantie: Frau Franzen, ich vermag nicht zu sagen, ob Sie überhaupt eine Vorstellung davon haben, was Unterrichtsgarantie eigentlich heißt. Unterrichtsgarantie heißt: In jeder Schule, ausnahmslos, darf nie Unterricht ausfallen. Wir haben kleinere Schulen. Wenn sich in den kleinen Schulen morgens - aus welchen Gründen auch immer - ein oder zwei Lehrkräfte krankmelden wir haben es doch letztens bei uns selbst gespürt, als die Grippewelle hier durchging -, wie wollen Sie dann in dem Moment den Unterricht garantieren? Wenn Sie eine Garantie aussprechen, dann habe ich letztendlich auch einen Anspruch darauf und kann das einklagen. Diese Klage würden Sie immer verlieren. Das heißt, unser Ansatz ist zu sagen: 100 % Unterrichtsversorgung: Das ist auch etwas, was gegenüber den Schulen ehrlich ist.

(Beifall Martin Habersaat [SPD] - Zuruf SPD: Das stimmt!)

Zur Abiturquote. Es mag Ihnen ja peinlich sein, dass die Abiturquote innerhalb der letzten fünf Jahre um über 20 % gestiegen ist.

(Zurufe CDU: Nein!)

Wenn Ihr Anspruch ist, diese wieder abzusenken das ist etwas, was man aus den Worten des Kollegen Günther oft heraushört, wenn er sagt, zu viele Schülerinnen und Schüler machten bei uns in Schleswig-Holstein Abitur,

(Johannes Callsen [CDU]: Das sagt er nicht!)

die duale Ausbildung werde zu wenig gestärkt -, muss ich sagen: Auch wenn man das Abitur gemacht hat, kann man in die Ausbildung gehen.

Aber Ihr Anspruch scheint ja zu sein zu sagen: Lasst uns die erfolgreichen Oberstufen an den Gemeinschaftsschulen wieder zerschlagen, um auf diese Art und Weise die Abiturquote wieder herunterzusetzen. Definitiv nicht mit uns!

(Widerspruch CDU - Volker Dornquast [CDU]: Einen Quatsch reden Sie hier!)

- Herr Dornquast, Sie haben die Möglichkeit, hier Ihre letzte Landtagsrede zu halten, wenn Sie meinen, Sie könnten dazu etwas Klügeres beitragen.

Ich will mich aber gar nicht auf die beiden Berichte konzentrieren. Ich will mich stattdessen auf die beiden Anträge von FDP und PIRATEN konzentrieren. Hier im Haus gibt es nicht die geringste Meinungsverschiedenheit darüber, dass Gewalt in keinem Bereich der Gesellschaft toleriert werden kann, in der Schule am allerwenigsten. Wir haben uns im Bildungsausschuss mit den Vorfällen an der Neu

(Heike Franzen)

münsteraner Schule, die es zu Jahresbeginn gegeben hat und aufgrund derer das Bildungsministerium Maßnahmen ergriffen hat, beschäftigt. Insofern stimmt es nicht, Frau Klahn, wenn Sie immer sagen, die Regierung gucke weg.

Die FDP bezieht sich hier offensichtlich auf ein Meldeverfahren, das in Hamburg schon im Jahr 2009 eingeführt worden ist.

(Anita Klahn [FDP]: Richtig!)

Sie ergänzen in Ihrem Antrag die dort aufgeführten Straftaten um Tatbestände des Mobbings einschließlich des Cyber-Mobbings. Ich bin ganz bei Ihnen, dass ein strikter Trennungsstrich zwischen körperlicher und seelischer Gewalt gar nicht zu ziehen ist. Die Erfahrungen als Opfer körperlicher Gewalt hinterlassen bei jedem Menschen seelische Spuren, genauso wird auch psychische Gewalt anhaltende psychomotorische Folgen haben.

Aber eins muss klar sein: Ein Meldeverfahren dokumentiert zwar, das Problem löst es aber nicht. Denn die Art und das Ausmaß der Reaktion auf einen Zwischenfall können nur in einer Schule und durch die Schule definiert werden. Es gibt hier einen breiten Fächer von Interventionsmöglichkeiten, die beim pädagogischen Einwirken beginnen und beim obligatorischen Einschalten der Polizei enden. Es gibt dazu keine Alternative. Niemand kann vom Bildungsministerium fordern, eine Taskforce einzurichten, bei der bei Gewaltvorfällen in Schulen in Minutenschnelle jemand vor Ort ist, um sofort einzugreifen.

So, jetzt kommen wir zum Begriff der Nulltoleranz, den Sie in Ihrem Antrag stehen haben. Dazu hat Sven Krumbeck eben schon einiges klug dargelegt. Wo beginnt bei Ihnen die Nulltoleranz? Das ist genau die Schwäche Ihres Antrags. - Nulltoleranz suggeriert: Bei allem, was in irgendeiner Art und Weise gegebenenfalls ein Vorfall in einer Schule sein könnte - da sprechen wir nicht über fliegende Turnbeutel, sondern schon über Momente, wenn sich irgendjemand persönlich angegriffen fühlt, wenn sich jemand persönlich belästigt fühlt -, müsste schon eingegriffen werden. Da geht es definitiv nicht darum, Frau Franzen, das ins Witzige oder Lächerliche zu ziehen. Sondern diese Tatsache, dass der Antrag der FDP eine Nulltoleranz fordert, dass also generell in keiner Weise in irgendeiner Art und Weise Dinge in Schulen akzeptiert werden können, die nicht pädagogisch sinnvoll sind, ist fraglich. So haben Sie es letztendlich formuliert.

Immer wenn ich jemanden böse anschaue, dann fühlt er sich gegebenenfalls schon seelisch belä

stigt. Wenn Sie einmal auf dem Schulhof sind und feststellen, dass es hier und da eine Rangelei zwischen Jungen gibt - das mag man für vernünftig erachten oder auch nicht -, dann muss die Schule schon unmittelbar eingreifen. Wenn es blöde Sprüche in der Pause gibt, dann müsste die Schule sofort eingreifen. Ich glaube nicht, dass Sie in irgendeiner Art und Weise mit den Lehrkräften einmal darüber gesprochen haben, wie Unterricht in vernünftiger Art und Weise stattfinden sollte, wenn allem, was gegebenenfalls nicht tolerierbar ist, sofort begegnet werden muss.

(Anita Klahn [FDP]: Wie lange wollen Sie warten! - Wolfgang Kubicki [FDP]: Ich wür- de darauf gar nicht eingehen!)

- Gut, Herr Kubicki, Sie mögen sagen, darauf sollte man nicht eingehen. Aber das ist genau der pädagogische Blickwinkel zu fragen, wann es als Lehrer sinnvoll ist einzugreifen, wann nicht. Bei fliegenden Turnbeuteln müssen wir uns überhaupt nicht darüber unterhalten, aber Ihr Antrag suggeriert: Alles, was in irgendeiner Art und Weise gegebenenfalls jemanden stören könnte, dürfte nicht toleriert werden. Deshalb können wir Ihrem Antrag nicht zustimmen

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Mit dieser Be- gründung? Das ist ja sehr geistreich!)

und haben unseren Antrag dagegengestellt. Wir werden ja sehen -

(Heike Franzen [CDU]: Welcher gewinnt!)

- Ja, auch das. Aber außerdem muss man ehrlicherweise auch sagen, die Dinge, die Sie da auf den Weg gebracht haben, Frau Klahn, könnten so gar nicht umgesetzt werden. Das wird nicht vor dem 7. Mai 2017 umgesetzt werden können. Deswegen haben wir unseren Antrag auch als Auftrag an die Regierung Albig II und für den künftigen Bildungsausschuss formuliert.

Kurz noch zum letzten Antrag der Fraktion der PIRATEN. Er greift in laufende Gespräche ein. Wir hatten dazu kürzlich einen Bericht der Landesregierung, der derzeit breit diskutiert wird. Der Bildungsausschuss hat bereits eine Gesprächsrunde dazu durchgeführt. Wir werden am 30. März 2017 in die zweite Runde gehen. Deshalb halten wir es im Augenblick nicht für sinnvoll, dazu entsprechende Anträge zu beschließen. Die SPD strebt an, in der nächsten Legislaturperiode eine Bundesratsinitiative, zum Beispiel eine Kindergrundsicherung umzusetzen, anzustrengen. Da der Antrag der Fraktion der PIRATEN so nicht mehr an die Ausschüsse

(Kai Vogel)

überwiesen werden kann, werden wir ihn zum jetzigen Zeitpunkt ablehnen und in der nächsten Legislaturperiode das Thema Kinderarmut wieder auf die Agenda setzen.

Ich glaube, Sie haben gemerkt: Wir kennen nicht nur Schule, sondern wir können auch Schule. - Vielen Dank.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)