Protokoll der Sitzung vom 14.12.2012

(Beifall PIRATEN)

Allerdings unterliegen die Grundsätze der Wahlgleichheit und der Chancengleichheit der an der Wahl teilnehmenden Parteien keinem absoluten Differenzierungsverbot. Der Gesetzgeber hat vielmehr innerhalb der verfassungsrechtlich für zulässig gehaltenen Grenzen einen Spielraum für die Gestaltung des Wahlrechts. Das Bundesverfassungsgericht hat schon früh betont, dass die Vereinbarkeit einer Sperrklausel mit dem Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit nicht ein für alle Mal abstrakt beurteilt werden könne. Eine Wahlrechtsbestimmung könne in dem einen Staat zu einem bestimmten Zeitpunkt gerechtfertigt sein und in einem anderen Staat oder zu einem anderen Zeitpunkt nicht, es sei denn, die Verhältnisse des Landes, für das sie gelten solle, seien zu berücksichtigen.

Der Gesetzgeber ist nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts verpflichtet, eine die Wahlrechtsgleichheit berührende Norm des Wahlrechts zu überprüfen und eventuell zu ändern, wenn die verfassungsrechtliche Rechtfertigung dieser Norm durch eine neue Entwicklung infrage gestellt wird.

In seiner im Jahre 2008 ergangenen Entscheidung über die Verfassungswidrigkeit der Sperrklausel im schleswig-holsteinischen Kommunalwahlrecht hat das Bundesverfassungsgericht umfassend auf die besonderen kommunalen Gegebenheiten abgestellt. Es hat ausgeführt, dass aus der Erforderlichkeit der Fünfprozentsperrklausel für Bundestagsoder Landtagswahlen nicht ohne Weiteres auf die Erforderlichkeit der Sperrklausel auch für die Funktionsfähigkeit der kommunalen Vertretungsorgane geschlossen werden könne.

Das Landesverfassungsgericht hat in seinem Wahlprüfungsurteil zur Landtagswahl 2009 dargelegt, dass eine Reihe von Normen des Landeswahlgesetzes in ihrem Zusammenspiel für die Verfehlung der Regelgröße des Landtags und für den Verstoß gegen den Verfassungsgrundsatz der Wahlgleichheit verantwortlich gewesen sei. Die daraufhin vom Landtag im Jahre 2011 beschlossene Änderung des Landeswahlgesetzes hat dazu geführt, dass die Wahlgleichheit und Chancengleichheit zu Landtagswahlen bereits in sehr großem Umfang verbessert worden sind.

Die Frage, ob die Fünfprozentsperrklausel im Landtagswahlrecht künftig dem verfassungsrechtlichen Gebot der Wahlrechtsgleichheit entgegensteht oder nicht, wird das Landesverfassungsgericht im Rah

men des Wahlprüfungsverfahrens zur Landtagswahl 2012 zu beantworten haben.

Ich bin ganz klar der Auffassung, dass auch zum gegenwärtigen Zeitpunkt eine Sperrklausel zur Landtagswahl sinnvoll ist.

(Beifall Dr. Ralf Stegner [SPD])

Über die verfassungsrechtliche Zulässigkeit wird anderswo entschieden.

Die weitere Diskussion werden wir im Innen- und Rechtsausschuss führen. Die Landesregierung wird die parlamentarische Beratung selbstverständlich wie immer konstruktiv begleiten.

(Beifall)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung. Es ist beantragt worden, den Gesetzentwurf Drucksache 18/385 dem Innen- und Rechtsausschuss zu überweisen. Wer zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Dann ist dieser Gesetzentwurf einstimmig dem Innen- und Rechtsausschuss überwiesen.

Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 52:

Stand der technischen Verbesserungen bei den kooperativen Regionalleitstellen Nord und West

Antrag der Fraktion der CDU Drucksache 18/284

Bericht der Landesregierung Drucksache 18/337

Für den Bericht erteile ich zunächst dem Herrn Innenminister Andreas Breitner das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als ich die Landespolizei 2003 verlassen habe, gab es in Schleswig-Holstein 15 Leitstellen. Jetzt sind es vier. Mit dem Eckpunktepapier der Landesregierung wurde im Jahr 2005 die Grundlage für die Errichtung kooperativer Regionalleitstellen in Schleswig-Holstein geschaffen.

Vor dem Hintergrund der geplanten bundesweiten Einführung des Digitalfunks für die Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben gab es Überlegungen, die damals in Schleswig-Holstein bestehenden 15 Einsatzleitstellen der Polizei und

(Minister Andreas Breitner)

die 15 Rettungsleitstellen der Kreise und kreisfreien Städte für die nächste Ära der Kommunikation fit zu machen und die Anzahl der Leitstellen zu reduzieren. Viele Leitstellen waren seinerzeit nicht mehr up to date, die Technik war veraltet und entsprach nicht mehr dem letzten Stand, Ersatzteile waren teilweise nicht mehr zu erhalten, Investitionen in beträchtlicher Höhe wurden erwartet. Die damaligen Überlegungen der Landespolizei, Leitstellen der Kommunen und der Polizei zu kooperativen Regionalleitstellen zusammenzulegen, waren - übrigens auch aus Sicht des Landesrechnungshofs - zukunftsweisend.

Leider gelang es nicht, alle Kommunen von den Vorteilen der kooperativen Leitstellen zu überzeugen, sodass wir heute neben reinen Polizeileitstellen und reinen kommunalen Leitstellen mit Harrislee und Elmshorn statt vier zwei kooperative Regionalleitstellen in Schleswig-Holstein haben.

Diese beiden decken rund die Hälfte der 15 Kreise und kreisfreien Städte im Land ab. Mit der Errichtung dieser Regionalleitstellen hat Schleswig-Holstein Neuland betreten. Die notwendige Technik ist komplex und vielfältig, zudem müssen unterschiedliche Techniken verschiedener Hersteller miteinander funktionieren.

Diese Technik besteht im Wesentlichen aus dem Einsatzleitrechnersystem zur Einsatzbearbeitung, Disposition und Dokumentation inklusive des geografischen Informationssystems, der Kommunikationstechnik für Notrufannahme, Funkbedienung und Telefonie, der Multimediatechnik für die visuelle Lagedarstellung und der Sprachdokumentation für Notruf und Funk. Es gibt also viele potenzielle Fehlerquellen. Gleichwohl läuft diese Systemtechnik trotz einiger Störungen, die auch künftig nicht völlig auszuschließen sind, im Großen und Ganzen ohne größere Probleme. Die Grundfunktionalitäten wie Notrufannahme, Funk und Einsatzbearbeitung sind nach Einschätzung des Landespolizeiamtes zu jeder Zeit gegeben gewesen.

Der Berichtsantrag der CDU-Fraktion beruht vermutlich auf Diskussionen um die Aktualisierung des Kartenmaterials und die Implementierung der dafür erforderlichen Datenschnittstelle. Die europaweite Ausschreibung für die Systemtechnik der kooperativen Regionalleitstellen sah vor, die Geobasisdaten des Landesamtes für Vermessung und Geoinformation Schleswig-Holstein zu nutzen, im Wesentlichen deshalb, weil diese amtlichen Daten kostenfrei zu beziehen sind. Zu den Geodaten, die in das Einsatzleitsystem eingespielt werden, gehören auch die Daten für die Suche und die automati

sche Disposition. Diese werden mittlerweile vierteljährlich vom Landesamt geliefert, können aber aufgrund einer fehlenden Schnittstelle zurzeit nur per Hand implementiert werden. Änderungen bedeuten daher für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der zentralen Koordinierungsstelle im Landespolizeiamt und der Regionalleitstellen vor Ort einen sehr hohen Aufwand.

Die Beschaffung der Datenschnittstelle wurde inzwischen beauftragt, ist im Landespolizeiamt getestet und soll nach Aussage der Firma eurofunk Kappacher in den nächsten vier Wochen implementiert werden. Nach dem erforderlichen Datenabgleich soll sie Anfang 2013 für die Nutzung zur Verfügung stehen, sodass die Daten dann eingespielt werden können.

Das Digitalfunknetz in Schleswig-Holstein ist mittlerweile funktionsfähig und befindet sich im sogenannten erweiterten Probebetrieb. Polizeiliche Nutzer mit entsprechenden Endgeräten können untereinander bereits digital funken. Die Anbindung der Regionalleitstellen an das Digitalfunknetz hat sich aufgrund technischer Probleme verzögert. Sie soll nach Aussage der Firma eurofunk Kappacher Anfang 2013 mit der kooperativen Regionalleitstelle West in Elmshorn als letzter Leitstelle abgeschlossen werden.

Natürlich können bei technisch komplexen Großprojekten wie der Entwicklung einer Leitstellenstruktur für ein Flächenland Fehler auftreten. Es passiert auch, dass Fehler, die bereits beseitigt schienen, nach Updates oder Softwareaktualisierungen wieder auftauchen. Solche Punkte führt unter anderem die gemeinsame offene Punkteliste auf. Auch diese sollen gemäß Zeitplan von eurofunk Kappacher spätestens Ende April 2013 abgestellt und beseitigt werden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, das Thema Regionalleitstellen ist vielfältig und komplex. Die beteiligten Kommunen und das Land stehen im kooperativen Dialog, um zur Sicherheit unserer Bürgerinnen und Bürger alles dafür zu tun, dass unsere Leitstellen ihre Arbeit noch professioneller und noch erfolgreicher leisten können.

Erst Ende November gab es dazu ein turnusmäßiges Abstimmungsgespräch zwischen den kommunalen Kooperationspartnern aus Nord und West, dem Innenministerium und der Firma eurofunk Kappacher. Themen waren insbesondere die Störungen auf den Regionalleitstellen, die bereits erwähnte gemeinsame offene Punkteliste, die Massenschnittstelle für das Kartenmaterial, die Anbindung der

(Minister Andreas Breitner)

Leitstellen an das Digitalfunknetz sowie die Gesamtabnahme des Systems. Land und Kommunen haben die Ausführungen der Geschäftsführer von eurofunk Kappacher zu den technischen Umsetzungsmaßnahmen und deren Zeitplanung einvernehmlich zustimmend zur Kenntnis genommen.

Zur Sprache kam auch die Möglichkeit für die Kommunen, eine technische Trennung der kooperativen Regionalleitstelle prüfen zu lassen, wie gesagt, eine technische, keine räumliche Trennung. Die Kommunen erwarten davon mehr Eigenständigkeit und Zugriffsmöglichkeit auf das System. Es wurde aber ausdrücklich betont, dass mit der Prüfung eine Fortentwicklung der Kooperation und nicht deren Aufhebung beabsichtigt sei.

Der Leitstellenzweckverband Nord hat für die Leitstelle in Harrislee unseren Dienstleister eurofunk Kappacher mit der Prüfung beauftragt. Das Land Schleswig-Holstein - das sage ich hier klar - strebt keine technische Trennung an. Alle Gespräche, die ich mit den Kommunen zu dem Thema geführt habe, bringen sie auch zum Nachdenken, ob dies der richtige Weg sein kann, denn die Kommunen müssen wissen, dass die technische Administration auch personelles Know-how beinhaltet. Das ist derzeit bei den Kommunen nicht vorhanden und müsste erst sehr aufwendig aufgebaut werden.

Auch den Kommunen - und das ist mein Schluss wird bei Vorliegen des Prüfungsergebnisses schnell klar werden, dass den Nutzererfordernissen nur durch einen hohen technischen Sachverstand im Backoffice-Bereich begegnet werden könnte. Das würde für die Kommunen einen hohen personellen und finanziellen Aufwand bedeuten. Diese Erkenntnis setzt sich bei den Kommunen derzeit durch. Vereinbart wurde nun zunächst, die Zusagen der Firma eurofunk Kappacher zur weiteren Umsetzung gemeinsam abzuwarten.

Grundsätzlich gilt nicht nur aus meiner Sicht: Die operative Zusammenarbeit in den Regionalleitstellen vor Ort hat sich bewährt und ist aus einer professionellen Einsatzbewältigung nicht mehr wegzudenken. Meine Besuche in allen vier schleswig-holsteinischen Leitstellen - bei den kooperativen im Beisein der kommunalen Vertreter - haben mich darin bestätigt. Die beteiligten Kommunen, die Landespolizei Schleswig-Holstein und die Landesregierung sind gemeinsam davon überzeugt. Daher werden wir alles tun, um unsere gemeinsame Zusammenarbeit weiter auszubauen. - Herzlichen Dank.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Die Landesregierung hat die vereinbarte Redezeit um 3 Minuten überschritten. Theoretisch stünde diese Zeit allen anderen Fraktionen jetzt zur Verfügung.

(Christopher Vogt [FDP]: Ist das eine wer- tende Aussage?)

Ich erteile Frau Abgeordneter Petra Nicolaisen von der CDU-Fraktion das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Innenminister, ich danke Ihnen und Ihrem Ministerium ganz herzlich für den Bericht zum Stand der technischen Verbesserungen bei den kooperativen Regionalleitstellen Nord und West. Sie haben es erwähnt: 2005 betrat Schleswig-Holstein mit dem Eckpunktepapier zur Errichtung der kooperativen Regionalleitstellen bundesweit erstmalig Neuland. Rettungsdienst, Brand- und Katastrophenschutz sowie die Polizei arbeiten unter einem Dach, nutzen eine gemeinsame Systemtechnik und bewältigen anfallende Einsätze in enger Abstimmung untereinander.

Mit der Errichtung der Regionalleitstellen und der damit verbundenen neuen Technik sind die Anforderungen und die Arbeitsbelastungen an das Personal deutlich gestiegen. Nicht nur, dass die Arbeitsbelastung immens hoch ist - das Personal musste aufgestockt werden. An dieser Stelle gilt mein Dank den engagierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der kooperativen Regionalleitstellen, natürlich auch den anderen Leitstellen, die den Betrieb in den Regionalleitstellen trotz einiger Probleme immer zum Wohle aller Bürgerinnen und Bürger aufrechterhalten.

(Beifall CDU, vereinzelt SPD und BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN)

Folgende Probleme liegen allerdings nach wie vor auf der Hand. Der Herr Minister hat einige angesprochen.

Erstens. Die Anbindung der Regionalleitstellen an das Digitalfunknetz war bis zum Jahr 2012 vorgesehen. Bei der Inbetriebnahme des polizeilichen Teils der kooperativen Leitstelle Elmshorn kam es Anfang 2012 zu Fehlern und Problemen, die Auswirkungen auf alle Betriebe der gesamten Regio

(Minister Andreas Breitner)

nalleitstelle hatten. Zurzeit erfolgt die softwaremäßige Anbindung der kooperativen Regionalleitstellen an das digitale Funknetz. Der Funkbetrieb mit den Regionalleitstellen erfolgt analog. Der Minister hat auch dieses angesprochen. Die digitalen Endnutzergeräte funken untereinander inzwischen digital.

Zweitens. Den Leitstellen wird ein einheitliches Kartenmaterial, die sogenannte Visualisierung und ein Orts-, Straßen- und Wohnplatzverzeichnis der Datenbestand des Landesamts für Vermessung und Geoinformation - zur Verfügung gestellt. Die Aktualisierung der Daten, die zwar durch das Landesamt mittlerweile vierteljährlich zur Verfügung gestellt wird, gestaltet sich jedoch immer noch problematisch. Das reale Straßennetz weicht erheblich von der Datenwelt ab. So finden Sie zum Beispiel die Leitstelle Nord oder ein Neubaugebiet in meiner Gemeinde auf den Karten nicht. Sie finden dort im Moment grüne Wiesen. Für die Einsätze ist die genaue Ermittlung des Einsatzorts erfolgsrelevant, da nicht alle Einsatzkräfte über detaillierte Ortskenntnisse verfügen.

Drittens. In der gemeinsamen kommunalen offenen Punkteliste wurden weitere Funktionalitäten bemängelt, die dringend abgearbeitet werden müssen. Daher ist es unerlässlich, mit der Firma eurofunk Kappacher einen Zeitplan zur Abarbeitung der noch offenen Punkte bis April 2013 zu vereinbaren.