Protokoll der Sitzung vom 24.01.2013

- Ich komme jetzt nämlich genau dazu. Durch Ihre starre Haltung beziehungsweise Teilblockade, die Sie in der Vergangenheit eingenommen haben, haben Sie es nämlich verpasst, zusammen mit den anderen Ländern einen vernünftigeren Weg zu gehen.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Was haben denn die anderen Länder gemacht?)

Sie haben Fundamentalismus gespielt und wollten die reine Lehre durchsetzen. Damit sind Sie komplett gescheitert. Das führte zu dem Chaos, das wir haben.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Kubicki?

Lieber Herr Kollege Andresen, würden Sie mir freundlicherweise berichten, was denn die Grünen in den anderen Landesregierungen getan haben, um den Glücksspielstaatsvertrag zu verbessern?

- Die Grünen haben bei dem Thema auf Bundesebene genauso wenig eine einheitliche Linie, wie es die FDP- oder die CDU-Fraktion hat. Auch Sie müssten sich damit auseinandersetzen, dass zum Beispiel die schwarz-gelbe Landesregierung in Hessen - ihre einzig verbleibende -, aber auch zum Beispiel die schwarz-gelbe, gerade abgewählte Regierung in Niedersachsen

(Zuruf FDP: Bayern!)

- Bayern auch, genau! - eine andere Position dazu hat beziehungsweise hatte, als Sie es haben. Das wissen Sie doch auch ganz genau. Gerade Ihnen, Herr Kubicki, muss ich doch nicht erklären, dass man in unterschiedlichen Landesverbänden zu unterschiedlichen Fragen auch einmal unterschiedliche Positionen hat. Gerade Sie machen das doch jeden Tag vor.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

Trotz der Defizite des Staatsvertrages ist es wichtig, dass wir uns den übrigen Ländern anschließen. Wir Grüne haben immer wieder betont, wie wichtig eine gemeinsame Lösung bei der Regulierung von Glücksspiel in Deutschland gerade im politischen Kontext ist. Derzeit gleicht die Regulierung nämlich einem großen einfarbigen Teppich mit einem völlig unpassenden Flicken ganz oben im Norden. Dieser Flicken stört das ganze Bild; denn gerade beim Glücksspiel ist ein kohärente Regelung wichtig. In Zeiten des Internets macht das Glücksspiel doch nicht an Landesgrenzen halt. Das beste Beispiel sind die gerade vergebenen Online-Pokerlizenzen, die der schwarz-gelbe Sonderweg uns jetzt noch beschert hat. Die Lizenz gilt zwar nur für Schleswig-Holstein. Doch theoretisch kann sich jeder User in der Bundesrepublik einloggen, wenn er einmal ein Profil in Schleswig-Holstein angelegt hat.

Schleswig-Holstein profitiert vom Gewinn - da haben Sie recht -, während sich die sozialen Folgekosten auf alle Länder verteilen. Das heißt, auch in der Frage haben Sie einen unsolidarischen Weg gewählt, den wir jetzt beenden müssen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Vielleicht noch ein Satz zu Ihrer Prognosefähigkeit: Sie kommen ja immer wieder mit neuen Prognosen darüber - der Kollege Kubicki wird es sicherlich gleich auch wieder tun -, wie es denn jetzt weitergehen könnte. Ich erinnere mich an eine Ausschusssitzung vor zwei oder drei Wochen. Da haben wir in der letzten Lesung im Innen- und Rechtsausschuss und im Finanzausschuss über diese Fragen beraten, und Sie haben uns für heute das große Urteil des BGH prophezeit. Auch das ist nicht gekommen. Der BGH hat sozusagen Folgefragen an den EuGH abgetreten. Er hat in seiner Stellungnahme aber auch angedeutet, dass die nicht kohärente Lösung erst durch Ihren Weg entstanden ist und dass er auch die politische Entscheidung, die wir heute hier treffen, bei der weiteren Beratung berücksichtigen wird.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

Mit der heutigen Entscheidung stehen wir - davon sind wir fest überzeugt - weder juristisch noch politisch am Ende der Glücksspieldebatte. Das Thema wird uns in den nächsten Jahren weiter verfolgen. Mit dem Beitritt zu dem ersten Glücksspielände

(Rasmus Andresen)

rungsstaatsvertrag bekommen wir nun endlich die Möglichkeit, bundesweit mitzumischen und unseren Standpunkt einzubringen. Das muss aus unserer Sicht auch deutlich und zeitig passieren. Es werden ja auch Evaluationsverfahren angestrebt. Da werden wir sicherlich auch in der Koalition noch einmal über unsere Position reden.

Neben den notwendigen inhaltlichen Korrekturen am Staatsvertrag ist ein weiterer Aspekt, der für uns in Zukunft auch noch eine Rolle spielen wird, die EU-rechtliche Perspektive und die Zulässigkeit des Vertrages. Aber auch hier kann man sagen, dass die Antworten keineswegs so klar sind, wie Sie, Herr Kubicki, das gern darstellen. Ich erinnere an eine Anhörung, die wir im Innen- und Rechtsausschuss durchgeführt und an der Sie zum Teil auch teilgenommen haben. Da hat zum Beispiel Professor Dr. Alber, der Generalanwalt am EuGH war, eine deutlich andere Position vertreten. Es gab auch Positionen, die mit Ihrer Meinung identisch waren. Aber man kann hier nicht von einer Eindeutigkeit sprechen. Diese Fragen stehen an, wenn wir in dem Prozess weiter sind. Aber man kann hier nicht so tun, als ob es eine eindeutige Rechtsauffassung gibt; denn das stimmt so nicht.

Wir Grüne haben es uns beim Glücksspiel nie leicht gemacht. So ist es auch jetzt. Wir müssen uns bei der Abwägung, ob wir einem nicht ganz perfekten Staatsvertrag beitreten wollen, fragen, ob wir rechthaberisch in der Ecke stehen und beim separatistischen Sonderweg bleiben wollen oder ob unsere Antwort ist, dass wir den Sonderweg verlassen und probieren, gemeinsam mit den anderen Ländern egal, welcher Couleur - Antworten auf die Fragen zu finden, die da aus unserer Sicht noch zu klären sind. Wir glauben, dass der zuletzt beschriebene Weg der bessere ist. Das hängt auch wieder viel mit der Dialogkultur im Konzert mit den anderen Ländern zusammen. Von daher werden wir dem beschlossenen Verfahren heute natürlich zustimmen und die Debatte einvernehmlich mit den anderen Ländern weiterführen. Ich weiß, dass viele Länder darauf warten und bereit sind, in weitere Verhandlungen einzutreten. - Schönen Dank.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Für die Fraktion der FDP hat jetzt der Herr Fraktionsvorsitzende Wolfgang Kubicki das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin bei diesem Thema völlig ruhig und gelassen, möchte aber vorab auf einen Punkt hinweisen. Herr Kollege Dr. Stegner, Sie dürfen sich hier gern als Küsten-Napoleon aufführen. Ich sage Ihnen Ihr Waterloo voraus. Aber angesichts der Art und Weise, wie Sie in der etwas begrenzten Wahrnehmung darstellen, dass nur Sozialdemokraten oder die Koalition gute Menschen seien und der Rest böse ist, sage ich Ihnen auch einmal: Die Form der Beleidigungen, die Sie hier dauernd aussprechen, werde ich nicht mehr hinnehmen. Das wird entsprechende Konsequenzen auch in der parlamentarischen Beratung haben.

(Beifall FDP und CDU - Zuruf SPD)

- Nein, nicht „mein Gott!“ Ich habe noch nie jemandem von Ihnen persönlich vorgeworfen, Sie würden einer kriminellen Handlung Vorschub leisten. Herr Stegner läuft dauernd durch die Gegend und sagt, Herr Arp und Herr Kubicki haben durch ihre Aktivitäten, persönlich gesponsert von irgendeiner milliardenschweren Lobby aus Malta - einer Pirateninsel wahrscheinlich -, kriminellen Handlungen Vorschub geleistet.

(Heiterkeit)

Das ist eine Unverschämtheit sondergleichen, das sage ich Ihnen. An dieser Stelle sage ich einmal in Richtung Innenminister: Wenn die Gesetzeslage so wäre, dass sie kriminellen Taten Vorschub leistet, dann dürften Sie gar keine Lizenzen erteilen. Sie machen doch von den gesetzlichen Möglichkeiten Gebrauch, nicht wir.

(Beifall FDP und CDU)

Herr Breitner, ich würde einmal sagen: Ich verwahre mich dagegen, dass Herr Stegner Ihnen unterstellt, Sie würden kriminellen Unternehmen in Schleswig-Holstein die Möglichkeit geben, ihre kriminellen Taten umzusetzen. Es ist doch unerhört, dass eine sozialdemokratisch geführte Regierung von dem Vorsitzenden der regierungstragenden Fraktion so beschimpft wird. Dagegen müssen Sie sich doch verwahren. Oder ist es so, dass Sie aufgrund einer Gesetzeslage, die Schwarz-Gelb geschaffen hat, jetzt durch Lizenzerteilungen kriminellen Machenschaften in Schleswig-Holstein Vorschub geleistet haben? Ist das so?

(Zurufe SPD)

(Rasmus Andresen)

- Ich führe mich nicht auf, sondern Sie führen sich die ganze Zeit auf. Genau Sie führen sich die ganze Zeit auf.

Nun komme ich einmal zu einigen rechtlichen Grundsatzfragen. Ich weiß, dass Sie das nicht interessiert, weil Sie ja glauben, Recht kommt aus den Gewehrläufen, wie weiland Lenin das geglaubt hat.

(Unruhe SPD)

- Ja, die Erklärung, wir müssen nur die politischen Verhältnisse ändern, und schon ändern wir die Rechtsprechung, ist doch ziemlich komisch. Ich erinnere Sie einmal daran, dass das Bundesverfassungsgericht in einer Entscheidung einmal einen einstimmigen Beschluss des Deutschen Bundestages verworfen hat. Übrigens war Benda damals der Vorsitzende des Senats beim Bundesverfassungsgericht, der die Entscheidung getroffen hat. Sie werden auch feststellen müssen, dass nicht jeder politische Wille rechtlich umgesetzt werden kann. Das ist in einer Demokratie wie in Deutschland gut so; denn ansonsten wären wir in Russland, China oder anderswo.

(Beifall FDP und CDU)

Jetzt kommen wir zur Grundsatzfrage. Ich finde es nett, dass der Kollege Andresen so jubiliert, der BGH habe eine Vorlage beim EuGH gemacht. Wissen Sie, Herr Kollege Andresen, das musste er tun. Wenn er etwas für europarechtswidrig hält, dann muss er den Europäischen Gerichtshof fragen, ob diese seine Auffassung zutreffend ist, weil über die Europarechtswidrigkeit nur der EuGH entscheiden kann und niemand sonst, nicht einmal ein Verfassungsgericht. Kein Untergericht kann die Verfassungswidrigkeit eines Gesetzes feststellen, sondern muss die Vorlage an das Verfassungsgericht machen. So ist das eben. Aber das zeigt eben, dass beim Bundesgerichtshof erhebliche Zweifel an der bestehenden Rechtslage vorhanden sind.

(Zuruf Dr. Kai Dolgner [SPD])

- Ja, aber Herr Kollege Dolgner, sie besteht nun einmal, und dann müssen Sie im Zweifel damit umgehen. Es mag ja sein, dass Sie mit Ihrer verfassungsrechtlich zweifelhaften Einstimmenmehrheit glauben, Sie könnten jetzt alles bestimmen. Auch darüber wird das Verfassungsgericht in aller Ruhe und Gelassenheit in fünf Monaten entscheiden.

(Dr. Kai Dolgner [SPD]: Warten Sie einmal das Urteil ab!)

- Wir warten alles ab. Warten Sie doch einmal ab, was der EuGH sagen wird. Das machen Sie ja

nicht, sondern sie ändern jetzt. Aber ich kann Ihnen sicher sagen, Herr Dolgner: Sie konnten schon im Ausschuss die Frage nicht beantworten - das ist keine Frage von Juristerei, sondern von Logik -, wie Sie im gleichen regionalen Gebiet, wie Sie im gleichen Rechtsraum sowohl verbieten als auch erlauben wollen. Diese Frage konnten Sie schon logisch nicht beantworten, und rechtlich können Sie sie erst recht nicht beantworten.

Was das Online-Pokerspiel angeht, so sind übrigens mittlerweile 20 Lizenzen und nicht nur 13 erteilt worden. Online-Pokerspiele können in Schleswig-Holstein abgehalten werden, und gleichzeitig sind sie verboten. Dass das nicht richtig sein kann, müsste auch Ihnen einleuchten. Wir haben 23 Sportwettenanbieter in Schleswig-Holstein, die schon lizenziert sind. 20 sollen es nach dem Glücksspielstaatsvertrag sein. Was machen denn die anderen drei, die Lizenzen haben? Die werden sofort gegen den Staatsvertrag klagen, weil es wettbewerbswidrig ist, drei, die eine Lizenz haben, auszuschließen, und die anderen dürfen es im Zweifel machen. Das muss auch denen einleuchten, die keine Juristen sind.

Die Frage ist ja, wie diese Inkohärenz aufgelöst werden kann. Sie könnte dadurch aufgelöst werden, dass beispielsweise die anderen Länder ein vernünftiges Glücksspielrecht schaffen, was über den jetzigen Staatsvertrag hinausgeht. Herr Stegner, ich kann mich noch an Debattenbeiträge von Ihnen erinnern. Da war der Glücksspielstaatsvertragsentwurf so, dass Sportwetten verboten waren, und zwar deshalb, weil sie ja, wie Sie gesagt haben, ganz schädlich für die Menschen sind, übrigens stärkere Abhängigkeiten erzeugen als Lottospielen. Das ist bei allen bekannt.

Als wir unsere Haltung eingenommen haben, wurden aus fünf beziehungsweise sieben urplötzlich 20 Lizenzen. Aber keiner kann genau sagen, warum diese Begrenzung da ist. Es muss auch jedem einleuchten, dass man die Begrenzung nicht an Willkürmaßstäben festmachen kann; vielmehr muss jeder, der die Voraussetzungen erfüllt, eine Lizenz erhalten. Anders als bei UMTS, wo es eine begrenzte Anzahl von Frequenzen gibt, wo es technisch gar nicht anders geht, kann man hier eine Lizenzierung nur an dem Kriterium „erfüllt die Voraussetzungen“ festmachen und nicht an einer imaginären magischen Zahl.

Deshalb sage ich in aller Ruhe und Gelassenheit: Herr Kollege Dr. Stegner, ich wäre einfach nur dankbar, wenn Sie den moralischen Impetus, der

(Wolfgang Kubicki)

Sie dauernd trägt, etwas zurückfahren würden. Ich glaube ja, dass Sie der beste aller Menschen sind.

(Christopher Vogt [FDP]: Ich glaube nicht! - Dr. Ekkehard Klug [FDP]: Ein lupenreiner Demokrat!)

- Ich will es glauben.