Protokoll der Sitzung vom 25.01.2013

Wir sind der Ansicht, dass es Zeit für eine Bestandsaufnahme ist. Es wäre interessant zu sehen, welche Vielfalt sich speziell in Schleswig-Holstein entwickelt hat, wie die Trägerstruktur ist, wie sich die regionalen Entwicklungen darstellen, wie die finanzielle Situation der Familienzentren ist. Deswegen bitten wir die Landesregierung um einen entsprechenden Bericht.

Wir haben aber gar keinen Zweifel daran, dass diese Entwicklung hin zu Familienzentren eine positive Entwicklung ist, dass dies ein Beitrag zu mehr Familienfreundlichkeit ist. Wir glauben auch, dass es neben der Wertschätzung vernünftig ist zu betonen, dass es ohne zusätzliches Geld nicht geht; denn eine qualitativ hochwertige Arbeit braucht Mittel für Koordinierungsleistungen in den Familienzentren.

Kürzlich hat eine landesweite Veranstaltung zum Thema Familienzentren stattgefunden. Auf dieser Veranstaltung wurde der Wunsch an die Landesregierung und an den Landtag gerichtet, diese Entwicklung durch ein gemeinsames fachpolitisches Rahmenkonzept zu unterstützen. Ich finde, das macht Sinn; deswegen auch dieser Antrag von uns. Wir bitten die Landesregierung, diese Entwicklung insbesondere der Kitas und Familienbildungsstätten hin zu Familienzentren mit der Entwicklung eines fachpolitischen Rahmenkonzepts zu unterstützen.

(Beifall SPD)

Denn eines ist klar: Bei aller Vielfalt wäre es durchaus vernünftig, wenn wir angesichts dieses ungeschützten Begriffs „Familienzentrum“ doch ein gemeinsames grundlegendes Selbstverständnis

(Katja Rathje-Hoffmann)

darüber haben, welches die Mindeststandards eines solchen Familienzentrums sein sollten.

Zwei Aspekte möchte ich betonen. Es ist ein gesellschaftlicher Fortschritt, dass generell anerkannt wird, dass Familien Unterstützungs- und Beratungsbedarf haben können. Frau Rathje-Hoffmann, es freut mich insbesondere an Ihren Ausführungen, dass auch Sie mit Ihrer Partei anerkennen, dass Familien generell Unterstützungs- und Entlastungsbedarf haben. Das war nicht immer so. Früher wurde aufgeteilt in die gute Familie, die alles alleine schaffen kann, und die bedürftige Familie, die dann auch als solche stigmatisiert war. Ich finde, das kann und darf es nicht mehr geben. Seit dem Kinder- und Jugendbericht zum Thema „Öffentliche Verantwortung für das Aufwachsen von Kindern“ haben wir insoweit eine grundlegende Übereinstimmung.

Das alles spiegeln diese Kinder- und Familienzentren wider. Dennoch ist es für mich kein Widerspruch, wenn ich darauf aufmerksam mache, dass ich diese Kinder- und Familienzentren aus den Early Excellence Centren in England entwickelt haben. diese waren ganz ausdrücklich auf soziale Gerechtigkeit ausgerichtet. Es war das Ziel, Kindern von Anfang an maximale Förderung und Integration in die Gesellschaft zu ermöglichen, gerade um die Bildungschancen und die Bildungsgerechtigkeit von Kindern in unterprivilegierten Verhältnissen zu steigern. Deswegen bitte ich die Landesregierung, diesem Aspekt bei der Entwicklung des Rahmenkonzepts besondere Aufmerksamkeit zu schenken.

(Beifall SPD)

Ich bitte um Zustimmung zum Antrag der Regierungsfraktionen, habe aber auch kein Problem damit, im Rahmen der Selbstbefassung oder durch Überweisung den Antrag der CDU im Ausschuss zu diskutieren.

(Beifall SPD und SSW)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat Frau Abgeordnete Dr. Marret Bohn das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Stellen Sie sich einen Bienenstock im Sommer vor: Reges Treiben zwischen Einflugschneise und Bienenstock. Fleißige Bienen schwärmen ein und aus und sorgen für die nächste Generation. So ähnlich stelle ich mir ein Familienzentrum

vor. Kinder und Familien gehen ein und aus, alle Leistungen rund um die Familie kommen in die Kita und beraten und unterstützen die Kinder und Familien.

(Heiterkeit bei der CDU - Zuruf Hans-Jörn Arp [CDU])

Wir sind ja für Demokratie, insbesondere für Basisdemokratie. Deswegen gehe ich auf die Frage jetzt nicht näher ein, lieber Herr Kollege Arp.

Warum brauchen wir Familienzentren? Die Gesellschaft wandelt sich. Menschen sind mobiler. Das Leben in der Großfamilie ist die Ausnahme geworden. Eltern und Kinder stehen häufig ohne Unterstützung da. Das ist insbesondere für Alleinerziehende in Schleswig-Holstein ein ganz großes Problem. Die Kollegin Rathje-Hoffmann, insbesondere auch die Kollegin Dr. Gitta Trauernicht haben darauf hingewiesen: In England hat man es uns schon vor vielen Jahren vorgemacht mit den Early Excellence Centren. Das ist der Weg, den auch wir gern beschreiten würden; denn in den ersten Lebensjahren werden die zentralen Weichen für Lebensqualität, für Bildungserfolg und insbesondere auch für soziale Teilhabe gestellt.

Warum sind Kindertageseinrichtungen nach unserer Einschätzung besonders geeignet? Kitas sind überall vor Ort. Sie können ohne Schwellenängste für Eltern betreten werden. 95 % aller über Dreijährigen besuchen eine Kita. Deswegen ist dies aus unserer Sicht genau der richtige Ort, an dem es die besten Grundlagen für ein Familienzentrum gibt.

Das heißt aber nicht - und das ist mir an dieser Stelle ganz besonders wichtig -, dass die Kitas alles alleine leisten müssen. Sie haben nämlich schon viele wichtige Aufgaben wahrzunehmen, sodass wir ihnen dies nicht noch zusätzlich zumuten können. Nein, es ist eher so, dass die vorhandenen Angebote, die es vor Ort zum Teil schon gibt, stärker kooperieren und besser vernetzt werden. Die Kita soll im Sozialraum alle diese Angebote bündeln und zu einem zentralen Knotenpunkt in einem neuen Netzwerk rund um die Familie werden. Familienzentren kooperieren dann mit Beratungsstellen, mit Familienbildungsstätten, mit Verbänden und Selbsthilfeorganisationen. Sie ermöglichen eine frühe Beratung. Alle Sozialpolitiker, die im Raum sitzen, wissen: Je früher die Hilfe, je früher die Beratung, desto besser ist der Erfolg für die Kinder und die Familien. Deswegen ist das der ideale Zeitpunkt und der ideale Ort, um diese Beratungs- und Betreuungsmöglichkeiten anzubieten.

(Dr. Gitta Trauernicht)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, CDU und FDP fordern in ihrem Antrag ein Modellprojekt. Das halten wir für nicht erforderlich. Das Thema Familienzentren ist in Schleswig-Holstein nicht neu. Im Kreis Rendsburg-Eckernförde zum Beispiel ist in den letzten Jahren auf Initiative der grünen Kreistagsfraktion schon eine Grundlage für die ersten Familienzentren gelegt worden. Ich sage es etwas versöhnlicher: Wir haben dort nicht die Mehrheit, sondern die Mehrheit hat eine andere Fraktion. Die CDU-Fraktion hat diese Initiative unterstützt. Insofern also gibt es diese Modellprojekte schon, und ich denke, insoweit sind wir auf einem guten Weg und sollten uns das Konzept Familienzentren genauer ansehen. Das Ziel muss es sein, dass wir irgendwann in Schleswig-Holstein - ich glaube, in Skandinavien ist es schon üblich - in allen Kommunen Familienzentren anbieten, damit die ewigen Sonntagsreden von der Vereinbarkeit von Familie und Beruf nicht nur am Sonntag, sondern auch montags bis samstags endlich mit Farbe, mit Leben erfüllt werden.

Wir müssen das Rad also nicht neu erfinden. Ich freue mich über den gemeinsamen Antrag und würde mich auch sehr freuen, wenn Sie ihm zustimmen würden.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Für die FDP-Fraktion hat jetzt die Frau Abgeordnete Anita Klahn das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Bereits in der 16. Legislaturperiode, genauer gesagt Anfang 2007, hatte sich das Haus hier über die Konzeption von Familienzentren fraktionsübergreifend Gedanken gemacht.

(Jürgen Weber [SPD]: So ist es!)

Die damaligen Argumente haben im Grundsatz auch heute noch Bestand, auch wenn sich bereits vieles in dieser Richtung entwickelt hat.

(Jürgen Weber [SPD]: Sehr richtig!)

Wir haben inzwischen ein wesentlich dichteres Angebot an Krippen und Kindertagesbetreuungseinrichtungen als noch im Jahr 2007, das auch gut genutzt wird. Aber ich bin auch überzeugt, dass die Welt für junge Eltern in den letzten fünf Jahren nicht wirklich einfacher geworden ist.

Meine Damen und Herren, Kinderbetreuungseinrichtungen sind in ihrer Vielfalt die Voraussetzung zur Berufsausübung für Erziehende, uns sie sind die erste Bildungseinrichtung, die ein Kind besucht. Gleichzeitig durchlaufen die Kinder in den ersten Lebensjahren sehr viele wichtige Entwicklungsschritte, die eine enge, vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen den Eltern und der Kinderbetreuungseinrichtung notwendig machen und dabei manchmal auch über das, was das Kind betrifft, in den wirklich absolut privaten Familienbereich hinausgeht.

Dazu muss das Personal nicht nur gut ausgebildet sein, es muss auch Zeit für diese Gespräche haben, die derzeit häufig zwischen Tür und Angel stattfinden. Aber es bedarf natürlich auch der Klärung, um welche Angebote es sich jetzt konkret handeln soll. Hieran anschließend ergeben sich die Fragen, wie und von wem diese erbracht und finanziert werden sollen. Da bin ich bei der Kollegin Dr. Bohn: Das muss nicht immer alles aus einer Hand und allein von der Kindertagesstätte erfüllt werden. Denn aus meiner Sicht ist es nicht allein Aufgabe einer Kindertagesstätte, hier Hilfestellung leisten zu müssen. Wir finden, dass wir uns in diesem Bereich der Kindertagesstätten mit ganzem Engagement zur Verbesserung der frühkindlichen Ausbildung einsetzen sollten, damit wir - wie hier auch gesagt wurde - eine echte Chancengerechtigkeit schaffen können; denn ein Komplettpaket von Lebens-, Berufs-, Rechts- und Erziehungsberatung sowie Kursen und Therapien, wie es seinerzeit Monika Heinold formulierte, durch ein Familienzentrum anzubieten, bedarf einer genauen Betrachtung. Von daher ist aus unserer Sicht die geforderte Bestandsanalyse genau der richtige Weg und unabdingbar für die weitere Beratung.

Das heißt nicht, das möchte ich deutlich hervorheben, dass wir gegen eine sinnvolle Vernetzung bestehender Strukturen sind, so wie es in den beiden Anträgen zum Ausdruck kommt. Auch aus unserem Verständnis heraus sind bestehende Familienbildungsstätten, Mehrgenerationenhäuser und andere in der Familienhilfe agierende Einrichtungen zu berücksichtigen, in die Konzeption einzubinden und auch abzusichern, so wie es im Antrag der Koalition zum Ausdruck kommt. Ich habe leider ein wenig Sorge, Frau Dr. Bohn, da Sie im Wahlkampf gefragt wurden, wie Sie zu den Familienbildungsstätten stünden, die im Land sind, und Sie eigentlich sehr vage geantwortet haben: Wir wollen Familienzentren. Ich habe da Intention vernommen, dass es Ihnen eher darum ging, Kindertagesstätten auszubauen und die Familienbildungsstätten eventuell

(Dr. Marret Bohn)

herunterzufahren. Insofern würde ich mich freuen, wenn wir im Ausschuss dort entsprechend diskutieren. Ihr Redebeitrag hat die Sorge eben ein wenig genommen.

(Zuruf Wolfgang Baasch [SPD] - Wortmel- dung Dr. Marret Bohn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

- Da möchte jemand eine Zwischenfrage stellen.

Wenn Sie das zulassen, Frau Abgeordnete, dann darf gern Frau Abgeordnete Dr. Bohn eine Frage stellen oder Anmerkung machen.

Sie darf.

Liebe Kollegin Klahn. Ich mache eine Aussage, das geht ja auch.

- Genau, eine Antwort.

- Genau, eine Antwort kann ich Ihnen gern geben.

Sie dürfen einfach reden!

Danke, Herr Präsident, das ist eine klare Ansage. Damit kann ich viel besser umgehen.

Ich meine, Sie meinen eine Podiumsdiskussion oder ein Gespräch mit den Familienbildungsstätten während des Wahlkampfs. Da haben wir ganz klar gesagt: Wir wollen nicht zu viel versprechen. Aber es ist auch ganz klar, dass wir jetzt, nachdem wir die Haushaltsberatungen durchgeführt haben, ein klares Signal - ich hoffe, Sie haben das auch an unserem Antrag gesehen - gerade auch an die bedrohten Familienbildungsstätten senden. Insofern hoffe ich, dass das jetzt Klarheit gebracht hat.

Vielen Dank, Frau Dr. Bohn. Ich habe auch gesagt, dass es sich in Ihrem Redebeitrag anders anhörte, als ich es damals aufgenommen habe. Aber es war mir wichtig, das klarzustellen. Deshalb danke ich für die klare Aussage.

Wichtig ist für uns jedoch die regionale Verwurzelung, wenn wir die Gegebenheiten vor Ort aufgreifen. Jeder muss doch erkennen können, dass in diesem Bereich nicht etwas im Sinne eines Top-downAnsatzes vorgegeben werden kann. Vielmehr müssen die zum Teil ehrenamtlich getragenen Strukturen vor Ort die Vernetzung leisten.

Ich möchte noch zwei Punkte ansprechen: Wir wenden uns ganz klar gegen eine weitere Ausweitung von Staatsaufgaben und Staatsleistungen. Stattdessen sollte es eine sinnvolle Aufgabenkritik geben. Kommunen, die immer noch die örtlichen Träger sind, werden völlig zu Recht Konnexität ins Feld führen, wenn sie mit neuen Aufgaben belastet werden, und der Landeshaushalt - auch wenn das nicht allen klar zu sein scheint - gibt aufgrund der jahrzehntelangen verfehlten Politik, die jetzt weiter fortgeführt wird, leider nichts mehr her.

Bei allem Engagement der Antragssteller gilt für uns Liberale, dass es sich bei den Familienzentren um ein Angebot handeln soll, dass die Menschen annehmen können, aber nicht müssen. Stärkung von Eigenverantwortung und nicht von Abhängigkeiten muss unser Anspruch sein. Für uns steht wie ausgeführt - der Bildungsaspekt im Vordergrund. Auch wenn Sie in dieser Legislaturperiode die Zuständigkeit für die Kinderbetreuungseinrichtungen ins Sozialministerium verlagert haben, halte ich es für ganz wichtig, dass die bildungspolitischen Fachsprecherinnen und -sprecher inhaltlich an der Diskussion beteiligt sind.

Ich bitte ergänzend, dass die Anträge zur weiteren Beratung sowohl dem Bildungsausschuss als auch dem Sozialausschuss überwiesen werden.

(Beifall FDP)