Protokoll der Sitzung vom 25.01.2013

Erwartung warnen, dass wir schnell an eine Umsetzung herangehen können. In Deutschland gibt es bereits seit 2010 - aus der Zeit der ursprünglichen Kulturerbeinitiative von 18 Einzelstaaten in Europa - zwei Projekte, die auch konzeptionell sehr weit entwickelt worden sind und bereits durch die KMK für das Europäische Kulturerbe-Siegel angemeldet worden sind. Es ist schon erwähnt worden, das sind das Netzwerk Stätten des Eisernen Vorhangs und das Netzwerk Stätten der Reformation.

Ende 2011 ist diese alte Initiative nun in eine EUInitiative überführt worden, die nach neuen Regularien abläuft. Ab 2013 können durch die Mitgliedstaaten, das heißt in Deutschland de facto durch die KMK, Vorschläge für die Anmeldung eingebracht werden. Das Verfahren läuft ähnlich wie beim UNESCO-Weltkulturerbe über die Kultusministerkonferenz. Alle zwei Jahre können zwei Vorschläge eingebracht werden, aus denen eine Jury dann jeweils einen auswählt. Schon vom Prozedere her heißt das, dass wir uns in der Schlange einreihen müssen und dass wir nicht als Erste dran sein werden. Das gibt uns aber auch Zeit, darüber nachzudenken, wie man diese Grundidee konzeptionell so entwickeln kann, dass daraus auch etwas mit Aussicht auf Erfolg im Rahmen einer nationalen und europäischen Initiative werden könnte, und zwar mittelfristig. Wie gesagt, auf kurze Sicht sehe ich hier wenig Chancen.

Vielleicht ist noch klarzustellen, dass es nicht um die Anmeldung gesamter Regionen geht, sondern tatsächlich um Stätten. Wie schon erwähnt, kann das auch ein Netzwerk unterschiedlicher Stätten sein.

Das können Denkmäler, archäologische Stätten und anderes sein. Es handelt sich aber schon um einzelne Objekte und nicht um ganze Regionen oder Länder, die anzumelden sind. Man muss hinzufügen: Gewünscht und angestrebt ist eine klare Abgrenzung von anderen Initiativen wie dem UNESCOWeltkulturerbe. Das bedeutet beispielsweise, dass man den ganzen Komplex Haithabu-Danewerk Danewerk haben Sie in Ihrem Antrag erwähnt - außen vor lassen muss. Das passt einfach nicht hinein. Wichtig finde ich, dass die EU gesagt hat - das kann man auf den Internetseiten der EU-Kommission nachlesen -, dass es sich um Stätten handeln soll, die Symbole und Beispiele der europäischen Einigung, der Ideale und der Geschichte der EU sind. Es kommt also mehr auf die symbolische Bedeutung dieser Stätten für Europa an und nicht so sehr auf den Denkmalwert oder die architektonische

(Ines Strehlau)

Schönheit. Dieser Aspekt erhöht aus meiner Sicht die Chancen.

(Zuruf SPD)

- Ich habe es ja gesagt: Die architektonische Schönheit ist nicht unbedingt gefordert. Das erhöht vielleicht die Chance, mit einem inhaltlich gut vorbereiteten Projekt zum Zuge zu kommen.

In den Vorgaben der EU-Kommission steht beispielsweise, dass die Bewerberstätten ein Projekt einreichen müssen, das vor Ende des Zuerkennungsjahres in Angriff genommen werden muss. Es muss ein Arbeitsprogramm entwickelt werden. Das heißt, das Ganze ist nicht einfach so aus der Lamäng heraus zu machen, sondern bedarf eines ordentlichen zeitlichen Vorlaufs.

Ich denke, es ist vernünftig, darüber mit den Betroffenen zu reden und entsprechende Anregungen vonseiten des Europaausschusses und des Bildungsausschusses, der auch für Kultur zuständig ist, aufzunehmen. Lassen Sie uns deshalb bitte in aller Ruhe und ohne Aufregung - die ist hier eben verbreitet worden - über die Möglichkeiten, die der Antrag bietet, reden. - Danke schön.

(Beifall FDP und vereinzelt CDU)

Für die Fraktion der PIRATEN hat der Herr Abgeordnete Sven Krumbeck das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich kann meinen Redebeitrag zum vorliegenden Antrag der CDU ganz kurz machen: Ich finde diesen Antrag richtig und gut; aber Sie alle wissen, dass das so nicht funktioniert.

(Heiterkeit und Beifall PIRATEN, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dass dieser Antrag vom Fraktionsvorsitzenden der CDU unterschrieben wurde, zeigt vielleicht, dass die Christdemokraten das Thema sehr wichtig nehmen. Das ist gut und auch richtig so. Auch Frau Damerow hat unterschrieben. Ich erinnere mich daran, dass Sie, liebe Kollegin, als es in der Sitzung des Landtags im Dezember des letzten Jahres um die europapolitischen Schwerpunkte ging, sehr aufgeregt damit beschäftigt waren, die großen Leistungen der Vorgängerregierung auch in Bezug auf das deutsch-dänische Verhältnis hervorzuheben. Das ist in diesem Arbeitsumfeld schon ein wenig gewagt oder gar mutig; denn zumeist stand die

schwarz-gelbe Regierung in dem nicht immer unbegründeten Verdacht, an der einen oder anderen Stelle etwas Nachhilfeunterricht nötig zu haben, wenn es um das deutsch-dänische Verhältnis geht.

(Beifall PIRATEN, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SSW und vereinzelt SPD)

Wir müssen uns an dieser Stelle aber gar nicht großartig bekämpfen. Diese Zeiten sollten vorbei sein. Wir haben die Signale der CDU in Richtung der dänischen Schulen sehr wohl bemerkt. Auch dieser politische Rückenwind verdeutlicht mir die Ernsthaftigkeit, die hinter diesem Antrag steckt. Aber - das darf ich sagen - es ist nicht die Koalition, die hier kürzt, und es sind nicht die PIRATEN, die den Rotstift ansetzen, wenn es um die Dänische Zentralbibliothek in Flensburg und die Kulturarbeit der dänischen Minderheit geht. Beides wird dem Antrag nach ganz bewusst als wichtig angesehen. Darum sollte in dieser Debatte allein zählen, dass man sich der Bedeutung der Minderheitenfragen und dem Vorbildcharakter des deutsch-dänischen Grenzgebiets bewusst ist. Schwierig wird es dadurch - das muss ich auch noch erwähnen -, dass die CDU genau hier kürzen wollte, um die Mittel für die Akademie Sankelmark zu erhöhen. Ich finde es nicht gut, wenn wir wichtige Partner gegeneinander ausspielen. Ich kann nicht dem einen etwas nehmen, um dem anderen etwas zu geben, so nötig er es auch hat, wenn es um die gleichen politischen Ansätze und Ziele geht.

(Beifall PIRATEN, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Vielmehr müssen wir, wenn es uns wirklich ernst damit ist, über neue Strukturen im Finanzierungsbereich unseres Kulturwesens nachdenken. Wenn uns unser Grenzraum, die Politik, die hier gemacht wird, die Partnerschaft, die hier gelebt wird, und die Einzigartigkeit, die sich hier entwickelt hat, wirklich so wichtig sind, wie dieser Antrag es ausdrückt, dann müssen wir hier auch politisch etwas tun, mit Unterstützung, guter Politik und finanziellen Mitteln. Wenn die Zeit der Grenzverbände vorbei ist, dann muss sich das auch in den kultur- und finanzpolitischen Handlungsstrategien zeigen. Darüber müssen wir ständig sprechen; darüber müssen wir uns ständig austauschen. Ich freue mich sehr auf den Kulturdialog, den Ministerin Spoorendonk hier angestoßen hat.

(Beifall PIRATEN, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Ich bin mir sicher, dass wir uns in diesem Rahmen mit den wichtigen Fragen zur kulturellen Struktur

(Dr. Ekkehard Klug)

auseinandersetzen werden. Minister Habeck hat sich dazu vor wenigen Jahren in seiner damaligen Funktion als Vorsitzender seiner Fraktion Gedanken gemacht. Jetzt ist es an der Zeit, aus diesen Gedanken Politik werden zu lassen.

(Beifall PIRATEN, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW - Rasmus Andresen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was ist denn daraus geworden?)

Vor diesem Hintergrund muss sich die CDU vielleicht Kritik gefallen lassen, wenn sie sich jetzt als Retter und Unterstützer erster Klasse des Grenzraums und der Minderheitenarbeit aufschwingt, da sie in der eigenen Regierungszeit in den Augen mancher nicht genug getan hat. Liebe Leute, ein bisschen komisch ist das schon. Ich wünsche euch viel Glück bei der Aufgabe, die Haushaltsanträge und diese Anträge parallel glaubwürdig zu vermitteln; denn es stimmt, was ich eingangs gesagt habe: Ich finde das Anliegen des Antrags gut und richtig.

Die Bemühungen aller Beteiligten um eine erfolgreiche Bewerbung Sønderborgs um den Titel Kulturhauptstadt 2017 hat gezeigt, wie viel Potenzial diese Region hat, aber auch, wie viel Potenzial in den Menschen steckt, die sich mit viel Kraft und Kreativität eingebracht haben. In der Tat hat dies positive Impulse für die Grenzregion insgesamt gebracht. Es ist überhaupt keine Frage, dass wir alle gemeinsam stolz darauf sein können, welchen Weg die Kulturregion Sønderjylland/Schleswig genommen hat. Es wäre schade, wenn wir hier nachlassen würden.

Die CDU-Initiative ist eine gute Initiative, die man sicherlich in gemeinsamer Anstrengung noch besser machen kann. Ich persönlich finde einige Formulierungen in der Begründung nicht so gut. Nehmen wir die Formulierung „neuer Nukleus“. Ich sehe tatsächlich nicht, dass diese Idee einen neuen Kern braucht. Der Kern dieser Idee ist immanent, er wohnt ihr inne. Was die Idee zu jeder Zeit gut vertragen kann, sind neue Anknüpfungspunkte, um sie weiter voranzutreiben, um sie in den Köpfen und Herzen zu verankern und um sie besser zu bewerben.

Dies alles soll gerne zu einer Anerkennung der Region und zur Auszeichnung mit dem KulturerbeSiegel führen. Ohne Zweifel würde eine solche Anerkennung der vorbildlichen Bedeutung der Region gerecht. Wer von Europa spricht, muss und darf reflexartig auch von Minderheiten sprechen, und wer von Minderheiten spricht, darf gerne auch auf die vorbildliche Minderheitenpolitik in Dänemark

und Schleswig-Holstein verweisen. Das wurde gut gemacht, und das muss auch weiterhin aufrichtig und herzlich unterstützt und vorangetrieben werden. Aus dem Anliegen werden sich hoffentlich viele gute Impulse und Anregungen ergeben. Im Zweifelsfall würde ich gerne noch einmal im Ausschuss mit allen darüber sprechen, mit dem Ziel, dass die Initiative am Ende von allen überzeugt mitgetragen werden kann. Ich selbst bin schon davon überzeugt. Darum sage ich jetzt schon einmal Ja dazu. - Vielen Dank.

(Beifall PIRATEN, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SSW und vereinzelt SPD)

Für die Abgeordneten des SSW spricht jetzt Jette Waldinger-Thiering. - Frau Abgeordnete, bitte, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Landtagspräsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Es ist richtig: Die Kandidatur Sønderborgs als Kulturhauptstadt Europas 2017 hat einen positiven Effekt für die gesamte Region Sønderjylland/Schleswig gehabt. Die Region stand einheitlich hinter dem Vorschlag, sich gemeinsam für Sønderborg auszusprechen. Auf Antrag des SSW hat auch der Landtag seinerzeit die Kandidatur Sønderborgs einstimmig unterstützt. Damit hat Schleswig-Holstein den hohen Stellenwert der deutsch-dänischen Grenzregion deutlich gemacht. Auch wenn Sønderborg nun nicht europäische Kulturhauptstadt 2017 wird, so hat die Kandidatur doch die Grenzregion weiter zusammengebracht. Aus dem ehemaligen Gegeneinander von Kulturen wurde ein Miteinander. Allein das war es wert, die Kandidatur zu unterstützen.

Mit dem vorliegenden Antrag will die CDU nun neuen Schwung in die Kulturdebatte bringen. Ausgehend von der deutsch-dänischen Grenzregion soll nun die Region Schleswig-Holstein/Süddänemark mit dem Europäischen Kulturerbe-Siegel anerkannt werden, so der Vorschlag der CDU.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, ich muss ehrlich gestehen: Als ich den Antrag zum ersten Mal gelesen habe, stutzte ich. Sie fordern die Landesregierung auf, die Region Schleswig-Holstein/Süddänemark als Europäisches KulturerbeSiegel zu melden, und begründen dies damit, dass die Region Modellregion für die Minderheitenpolitik in Europa ist. Zugegeben: Seit der Dänen-Ampel entwickelt sie sich dazu.

(Sven Krumbeck)

(Beifall SSW, vereinzelt SPD und BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN)

Angesichts der Tatsache, dass die dänische Minderheit unter der CDU/FDP-Regierung noch vor Kurzem einem überproportional großen Sparedikt unterlag, verwundert uns der Antrag. Auch wenn ich an die CDU-Wahl-Kampagne mit dem Warnhinweis „Dänen-Ampel“ denke, verwundert mich dieser Antrag. Das alles ist nicht lange her. Auf einmal sollen wir Modellregion in Europa für Minderheitenpolitik sein?

Auf der anderen Seite haben wir der Pressemitteilung der CDU zu ihren Haushaltsvorschlägen entnehmen können, dass die 100-%-Finanzierung der dänischen Schulen nicht mehr infrage gestellt wird. Das begrüßen wir außerordentlich.

(Beifall SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir sehen dies daher auch als einen ersten - und ich betone: ersten - wichtigen Schritt der CDU zu einer ausgewogenen Minderheitenpolitik.

Doch nun zum inhaltlichen Teil des Antrags. Wir sehen die Umsetzung des Europäischen Kulturerbe-Siegels in der Region Schleswig-Holstein/ Süddänemark unter dem Minderheitenaspekt kritisch. In der Begründung werden bestimmte Stätten genannt, die repräsentativ den geschichtlichen Aspekt der deutsch-dänischen Grenzregion darstellen. Das Europäische Kulturerbe-Siegel geht in diese Richtung. Das Siegel bezieht sich auf ausgewählte Stätten, die von geschichtlichem Wert sind. Das ist insoweit auch in Ordnung. Doch wenn Sie so geht es auch aus der Begründung des Antrags hervor - der Region in Bezug auf die Kulturdebatte neuen Schwung geben wollen, sehe ich nicht, wo der mit dem Siegel herkommen soll.

Die Minderheiten sind keine Museumsexponate, die es zu konservieren gilt. Minderheit muss gelebt werden, muss mit Leben gefüllt werden, muss Perspektive haben. Diese Aspekte fehlen völlig in dem Antrag.

(Beifall SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Nach unserer Auffassung scheint es sinnvoller, über die Anmeldung für ein immaterielles Weltkulturerbe nachzudenken, wie es in unseren Gremien für die niederdeutsche Sprachengruppe und für die friesische Volksgruppe diskutiert wurde. Ein solcher Ansatz wäre ein dynamischer Ansatz, der auf die kulturelle Weiterentwicklung der Region abzielt. Dieser Ansatz wäre möglicherweise zielführender.

Eine weitere Schwäche des Antrags der CDU ist das Fehlen zweier hier beheimateter Minderheiten. Ich spreche da von den Sinti und Roma und auch von den Friesen. Auch die gehören zu unserer Region und zu unserer Minderheit.

(Beifall SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wenn wir neuen Schwung in die Kulturregion Syddanmark/Schleswig bringen wollen - das wollen wir sehr gern, da sind wir auch mit Ihnen dabei -, bedarf es anderer Instrumente.

Lassen Sie mich einen Schlusssatz sagen. Fehlt wirklich nur den jungen Menschen das Verständnis? Oder fehlt vielleicht auch den älteren Menschen das Verständnis, die Minderheiten in unserem Land so zu akzeptieren und zu respektieren? Aus diesem Grund sollten wir im Ausschuss ausloten, inwiefern der Antrag dafür geeignet ist oder ob andere Wege zielführender sind.

Ich möchte dem lieben Abgeordneten Johannes Callsen noch einmal sagen: So wie Sie von dem Ansatz sprachen, unsere beiden Länder zu vereinen, lässt mich das hoffen, dass von der Seite vielleicht ein anderer Wind kommt und dass wir uns wirklich wieder hin zu einer Modellregion in Europa bewegen können; denn das ist unser gemeinsames erklärtes Ziel. Darauf würde ich mich freuen. Die Friesen, die Sinti und die Roma sind nicht zu vergessen.

(Beifall SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)